Landgericht Köln Urteil, 17. Sept. 2015 - 36 O 164/14
Gericht
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 40.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.03.2014 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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TATBESTAND
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma T GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wurde am 29.11.2013 beim Amtsgericht D gestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts D vom 10.03.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
3Die Insolvenzschuldnerin, vertreten durch ihren Geschäftsführer Alexander H, betrieb ab dem Jahr 2011 einen Verleih von iPads. Der Erwerb der Tablets wurde dabei durch ein sog. Investorenmodell finanziert. Der Investor stellte das Geld für den Erwerb der Tablets zur Verfügung und vermietete diese dann gegen eine feste quartalsweise zu zahlende Monatsmiete an die Insolvenzschuldnerin. Die Insolvenzschuldnerin vermietete die Tablets dann an gewerbliche und private Kunden.
4Die Koordination der Vertriebstätigkeiten im Bereich der Kapitalbeschaffung erfolgte durch die Firma I mbH mit Sitz in Berlin. Die Vertriebspartner der Klägerin waren in der Regel selbständige Finanzvermittler, die neben den Produkten der Insolvenzschuldnerin weitere Produkte aus dem Bereich der Finanzdienstleistungen anboten.
5Im Januar 2013 teilte der Geschäftsführer H der Insolvenzschuldnerin den Investoren mit, dass die Einwerbung von Appleprodukten über Investoren zum 08.03.2013 eingestellt werde (Bl. 77 d.A.).
6Am 02.04.2013 überwies die Insolvenzschuldnerin auf eine Rechnung der Beklagten vom 01.04.2013 (Bl. 32 d.A.) einen Betrag von 50.000,- € an die Beklagte. Unter dem 09.05.2013 erstellte die Beklagte zur Rechnung vom 01.04.2013 eine Gutschrift in Höhe von 10.000,- €. Den Gutschriftbetrag zahlte die Beklagte in der Folge an die Insolvenzschuldnerin.
7Der Kläger behauptet, dass der Zahlung der Insolvenzschuldnerin vom 02.04.2013 keine Gegenleistung gegenüber stehe. Den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin habe bereits Anfang April die S GmbH, deren Geschäftsführer ebenfalls Herr Alexander H war, übernommen. Die Insolvenzschuldnerin habe keine eigene Geschäftstätigkeit mehr entfaltet. Es handele sich um eine unentgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, an ihn 40.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 02.04.2013 zu bezahlen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte behauptet, dass der Zahlung der Insolvenzschuldnerin eine werthaltige Gegenleistung gegenüber stehe. Die Beklagte habe die Vertriebsstrukturen der Insolvenzschuldnerin für zukünftige Geschäfte nach einer Konsolidierung des Geschäftsbetriebes erhalten sollen. Sie habe die Vertriebspartner der Insolvenzschuldnerin durch die Schaffung neuer bzw. zusätzlicher Erwerbsmöglichkeiten „bei der Stange“ halten sollen. Dazu habe sie die Vertriebspartner der Insolvenzschuldnerin im Geschäftsmodell der Beklagten, der Optimierung privater Krankenversicherungsverträge, geschult und eingesetzt. Die Vertriebspartner hätten die Kunden beim ersten Kontakt zunächst mit dem Erfolgsprodukt der Beklagten “Optimierung der privaten Krankenversicherung“ vertraut machen sollen. Im weiteren Kontakt sei dann auch der Verkauf weiterer von den Vermittlern vertriebener Produkte möglich gewesen, wobei die Vermittler nicht auf Produkte der Insolvenzschuldnerin beschränkt gewesen seien.
13Die Klägerin behauptet, dass der Vertrieb von Produkten der Beklagten im Interesse der Beklagten gelegen habe, auch wenn dieser teilweise durch Vertriebspartner der Insolvenzschuldnerin erfolgt sein sollte. Es liege keine werthaltige Leistung an die Insolvenzschuldnerin vor. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die Insolvenzschuldnerin ihren Geschäftsbetrieb am 01.04.2013 eingestellt habe und kein Interesse an der Aufrechterhaltung der Vertriebsstruktur gehabt habe.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
15ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
16Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
17Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 143, 134, 129 InsO ein Anspruch auf Rückzahlung von 40.000,- € zu.
18Die Zahlung von 40.000,- € an die Beklagte stellt eine unentgeltliche Leistung der Insolvenzschuldnerin dar, da ihr keine Gegenleistung der Beklagten gegenübersteht.
19Eine unentgeltliche Leistung liegt vor, wenn einer Zuwendung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bzw. der Leistung keine Gegenleistung gegenübersteht. Dafür, ob es an einem Gegenwert fehlt, ist zunächst der objektive Sachverhalt maßgebend (vgl. Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Auflage 2010, § 134 Rn. 20). Erst wenn feststeht, dass, objektiv betrachtet, der Schuldner überhaupt einen Gegenwert für seine Zuwendung erhalten hat, oder ihm eine werthaltige Gegenleisung versprochen worden ist, besteht Anlass zu prüfen, ob die Beteiligten die erbrachte oder versprochene Gegenleistung als Entgelt angesehen haben oder mit der Verfügung des Schuldners Freigebigkeit, wenn auch nur zum Teil, bezweckt war (vgl. Urteil des BGH vom 28.02.1991, IX ZR 74/90).
20Der Kläger trägt die Beweislast für die Unentgeltlichkeit der Leistung der Insolvenzschuldnerin bzw. das Fehlen einer Gegenleistung der Beklagten (vgl. Urteil des BGH vom 21.01.1999, IX ZR 429/97). Der Kläger hat die Unentgeltlichkeit der von der Insolvenzschuldnerin erbrachten Leistung behauptet. Näherer Vortrag zu den Vereinbarungen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten ist ihm aufgrund des Fehlens eines schriftlichen Vertrages nicht möglich. In diesem Fall obliegt es der Beklagten im Rahmen der sekundären Darlegungslast, die von ihr erbrachte Gegenleistung im Einzelnen darzulegen (vgl. Beschluss des OLG Stuttgart vom 10.01.2014, 20 U 8/13; Beschluss des OLG Köln vom 14.11.2003, 2 U 125/03; Münchner Kommentar, InsO, 3. Auflage 2013, § 134 Rn. 49).
21Vorliegend hat jedoch die Beklagte trotz entsprechender Hinweise des Gerichts die behauptete Gegenleistung nicht substantiiert dargelegt. Die Beklagte beschränkt sich vielmehr auf den pauschalen Vortrag, sie habe die Vertriebsstruktur der Insolvenzschuldnerin aufrechterhalten sollen, in dem sie den Vertriebspartnern der Insolvenzschuldnerin ein weiteres Betätigungsfeld eröffnet habe. Es bleibt jedoch völlig offen, welchen konkreten Inhalt die Vereinbarungen der Beklagten und der Insolvenzschuldnerin hatten. Die Beklagte teilt nicht mit, wie vielen Vertriebspartnern der Insolvenzschuldnerin sie über welchen Zeitraum zusätzliche Betätigungsmöglichkeiten eröffnen sollte. Zudem wird nicht dargelegt, welche Vereinbarungen mit den Vertriebspartnern im Hinblick auf ein zukünftiges Tätig werden für die Insolvenzschuldnerin geschlossen worden sind. Es erschließt sich auch nicht, wie der zusätzliche Vertrieb von Produkten der Beklagten durch die auch - nicht jedoch ausschließlich - für die Insolvenzschuldnerin tätigen selbständigen Finanzmakler geeignet sein sollte, die selbständig tätigen Finanzmakler an die Insolvenzschuldnerin zu binden.
22Die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte hat auch die Insolvenzgläubiger benachteiligt. Die Gläubigerbenachteiligung folgt bereits aus der Unentgeltlichkeit der Leistung, wenn – wie vorliegend – die Verfügung das den Gläubigern haftende Vermögen betrifft (vgl. Urteil des BGH vom 03.03.2005, IX ZR 441/00).
23Die Zahlung der Insolvenzschuldnerin ist etwa ein Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden und liegt damit innerhalb des vierjährigen Anfechtungszeitraumes.
24Eine Entreicherung der Beklagten nach § 143 Abs. InsO ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
25Der Zinsanspruch folgt aus §§ 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 BGB. Er besteht jedoch erst ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
26Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
27Streitwert: 40.000,00 €
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(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.
(1) Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.
(2) Eine Unterlassung steht einer Rechtshandlung gleich.
(1) Was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, muß zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden. Die Vorschriften über die Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Bereicherung, bei der dem Empfänger der Mangel des rechtlichen Grundes bekannt ist, gelten entsprechend. Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrags ist ausgeschlossen.
(2) Der Empfänger einer unentgeltlichen Leistung hat diese nur zurückzugewähren, soweit er durch sie bereichert ist. Dies gilt nicht, sobald er weiß oder den Umständen nach wissen muß, daß die unentgeltliche Leistung die Gläubiger benachteiligt.
(3) Im Fall der Anfechtung nach § 135 Abs. 2 hat der Gesellschafter, der die Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete, die dem Dritten gewährte Leistung zur Insolvenzmasse zu erstatten. Die Verpflichtung besteht nur bis zur Höhe des Betrags, mit dem der Gesellschafter als Bürge haftete oder der dem Wert der von ihm bestellten Sicherheit im Zeitpunkt der Rückgewähr des Darlehens oder der Leistung auf die gleichgestellte Forderung entspricht. Der Gesellschafter wird von der Verpflichtung frei, wenn er die Gegenstände, die dem Gläubiger als Sicherheit gedient hatten, der Insolvenzmasse zur Verfügung stellt.
(1) Kennt der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang oder erfährt er ihn später, so ist er von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre.
(2) Verstößt der Empfänger durch die Annahme der Leistung gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten, so ist er von dem Empfang der Leistung an in der gleichen Weise verpflichtet.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.