Landgericht Bielefeld Urteil, 03. Dez. 2013 - 6 O 497/12
Gericht
Tenor
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. GmbH und nimmt die Beklagte auf Zahlung wegen Lieferung von Masthähnchen in Anspruch. Seit 1996 betrieb die Schuldnerin eine Hähnchenmasterei in W. und M.. Der Geschäftsablauf spielte sich immer in der gleichen Weise ab. Die Schuldnerin kaufte Eintagsküken und Futtermittel in den Niederlanden, zog die Küken groß und verkaufte sie anschließend wieder in die Niederlande.
3Der Kläger behauptet, die Gemeinschuldnerin habe im Februar 2006 bei der Beklagten Futtermittel im Gesamtwert von 124.164,99 € und am 2. März 2003 Eintagsküken für weitere 57.750,21 € gekauft. Die Rechnungen der Beklagten über diese Lieferungen seien – unstreitig – unbeglichen geblieben. Im Gegenzug habe die Beklagte im Februar/März 2006 von der Gemeinschuldnerin Masthähnchen für insgesamt 222.650,73 € erworben. Auch diese Rechnungen seien – unstreitig – unbezahlt geblieben. Nachdem das Insolvenzeröffnungsverfahren mit Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 06.03.2006 eröffnet worden sei, habe der Kläger – unstreitig – die Beklagte zur Zahlung der sich aus den Lieferungen der Masthähnchen ergebenden Beträge aufgefordert. Daraufhin habe die Beklagte mit unstreitigem Schreiben vom 14.03.2006 (Blatt 97 der Akte) die Aufrechnung gegenüber der Forderung der Gemeinschuldnerin mit eigenen Ansprüchen aus der Lieferung von Futtermitteln und Eintagsküken erklärt. Ferner habe sie mit einem noch valutierenden Darlehn in Höhe von 50.153,64 € aufgerechnet.
4Der Kläger ist der Ansicht, die Klage sei zulässig. Insbesondere sei die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben. Ihm stehe ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung von 222.650,73 € zu. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO unwirksam.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 222.650,73 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. März 2006 zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Gemeinschuldnerin habe mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten sowie dem Brutbetrieb sowie dem Schlachthof am 31.05.2005 einen Integrationsvertrag geschlossen, welcher die allgemeinen Regeln für die einzelnen abgeschlossenen Lieferverträge festlege. Danach habe sich die Schuldnerin verpflichtet, nach Vorgaben des Schlachters, vom Brüter Eintagsküken zu kaufen, ausschließlich mit Futter der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu füttern und bei Schlachtreife an den Schlachter zu verkaufen. Dabei hätten die Kaufpreisforderungen der Gemeinschuldnerin gegenüber dem Schlachter vereinbarungsgemäß mit Kaufpreisforderungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus Futtermittellieferungen und Kaufpreisforderungen des Brüters aus Lieferungen von Eintagsküken gegen die Gemeinschuldnerin verrechnet werden sollen. Auf den Inhalt des Integrationsvertrags wird Bezug genommen (Blatt 81 – 84 der Akte). Artikel 14 des Vertrags lautet wie folgt:Für alle Streitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag ergeben, ist das Gericht in ´s-Hertogenbosch gemäß den normalen Zuständigkeitsvorschriften befugt.Darüber hinaus erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und behauptet, keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Zeitpunkt der Handlung im Sinne des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO gehabt zu haben.
10Entscheidungsgründe
11Die Klage ist nicht zulässig.
12Das Landgericht Bielefeld ist aufgrund einer wirksamen Parteivereinbarung nicht international zuständig.
13a)
14Die Gemeinschuldnerin hat mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Futterlieferantin, dem „Brutbetrieb“ sowie dem „Schlachthof“ am 31.05.2005 einen sogenannten „Integrationsvertrag Mastküken“ geschlossen. Nachdem die Beklagte eine Ablichtung des Vertrags vom 31.05.2005 (Blatt 37 – 40) und mit Schriftsatz vom 15.07.2013 eine Übersetzung desselben (Blatt 81 – 84 der Akte) vorgelegt hat, hat der Kläger Existenz und Inhalt dieses Vertrages nicht mehr – zumindest nicht substantiiert – bestritten. Ein Bestreiten mit Nichtwissen gemäß § 138 Abs. 4 ZPO ist unzulässig. Ein über die Vorgänge nicht unterrichteter Insolvenzverwalter muss sämtliche Geschäftsunterlagen des Schuldners sichten und diesen notfalls befragen. (BGH IX ZR 95/04 Rn. 15, zitiert nach Juris). Erst dann ist ein Bestreiten mit Nichtwissen zulässig. Für die tatsächlich durchgeführte erfolglose Sichtung aller Unterlagen des Schuldners und dessen Befragung ist der Insolvenzverwalter darlegungs- und beweisbelastet. Ein dementsprechender Vortrag des Klägers ist nicht ersichtlich.
15b)
16Der Integrationsvertrag enthält in Artikel 14 die Regelung, dass „für alle Streitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag ergeben, das Gericht in ´s-Hertogenbosch gemäß den normalen Zuständigkeitsvorschriften befugt ist“. Hieraus leitet die Kammer eine ausschließliche Zuständigkeit des in ´s-Hertogenbosch befindlichen Gerichts ab. Die Vertragsschließenden, bei denen es sich ausschließlich um niederländische Parteien handelt, wollten ersichtlich eine Regelung treffen, wonach alle sich aus diesem Vertrag ergebenden Streitigkeiten vor dem Gericht in ´s-Hertogenbosch verhandelt werden sollten.
17c)
18Vorliegend handelt es sich vorliegend auch um eine Streitigkeit, die sich aus dem Vertrag vom 31.05.2005 ergibt. Der Kläger macht unstreitig eine Kaufpreisforderung aus der Lieferung von Masthähnchen geltend. Der Charakter dieser Forderung ändert sich nach Auffassung der Kammer nicht dadurch, dass der Kläger die ursprünglich durch Aufrechnung erloschenen Ansprüche der Gemeinschuldnerin für die Insolvenzmasse einklagt und den Aufrechnungseinwand mit der Gegeneinrede der Anfechtbarkeit abwehrt (§ 96 I Nr. 3 InsO). Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, wenn er ausführt, dass es in der Sache darum geht, ob die Beklagte in anfechtbarer Weise eine aufrechenbare Gegenforderung erlangt hat. Auch unterliegt die Forderung des Schuldners, gegen die gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 insolvenzrechtlich unwirksam aufgerechnet worden ist, der Verjährung analog § 146 Abs. 1 InsO (vgl. BGH IX ZR 148/07; Uhlenbruck, 13. Auflage § 96 Rn 61). Gleichwohl findet nach Auffassung der Kammer im Ergebnis keine Novation statt. Eine Schuldumschaffung liegt nur dann vor, wenn die Parteien die Aufhebung des Schuldverhältnisses derart mit der Begründung eines neuen Schuldverhältnisses verbinden, dass das neue anstelle des alten tritt (Palandt – Grüneberg, 72. Auflage § 311 Rn 8). Eine Novation darf wegen ihrer weitreichenden Folgen nur bejaht werden, wenn der auf Schuldumschaffung gerichtete Wille der Parteien deutlich hervortritt (Palandt a. a. O.). – Trotz der vom Kläger vorgetragenen Überlegungen verbleibt es vorliegend dabei, dass der Kläger einen Kaufpreisanspruch geltend macht. Grundlage seines Begehrens ist und bleibt die Lieferung von Masthähnchen und die damit begründete Kaufpreisverpflichtung. Durch die von der Beklagten vorgenommene Aufrechnung ändert sich hieran im Ergebnis nichts.
19Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 709 ZPO.
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Annotations
(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,
- 1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist, - 2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat, - 3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat, - 4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.
(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,
- 1.
wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder - 2.
wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.
(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
(2) Auch wenn der Anfechtungsanspruch verjährt ist, kann der Insolvenzverwalter die Erfüllung einer Leistungspflicht verweigern, die auf einer anfechtbaren Handlung beruht.