Landgericht Berlin Urteil, 28. Feb. 2024 - 66 S 178/22
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Amtliche Leitsätze
1. Dem gekündigten Mieter steht nach einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung ein Anspruch auf Auskunft gegen den Vermieter darüber zu, welche Miethöhe dieser von dem neuen Drittnutzer vereinnahmt, dem er die Wohnung entgegen der Darstellung in der Kündigung vermietet und überlassen hat (§ 242 BGB).
2. Das erforderliche Rechtschutzinteresse für die Auskunft ergibt sich aus dem möglichen Anspruch des früheren Mieters, einen vom Vermieter mit der Neuvermietung laufend erzielten Mehrerlös nach § 285 Abs. 1 BGB heraus zu verlangen. Die dafür erforderliche Identität zwischen dem vom früheren Mieter eingebüßten Gegenstand mit demjenigen, für den der Vermieter das herausverlangte Surrogat erhält (dazu (betr. § 281 BGB a.F.) BGH XII ZR 124/02 vom 10.05.2006; juris), wird regelmäßig vorliegen.
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 03.06.2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Kreuzberg (Aktenzeichen 14 C 96/21) abgeändert; die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger Auskunft über die im Mietvertrag vom 26.11.2021 mit den Mietern M und K vereinbarte Miete für die Wohnung in 10967 Berlin, U.straße , 3. OG links mit einer Größe von 78,03 qm zu erteilen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.
Gründe
I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist (nur noch) ein Auskunftsanspruch des Klägers, den das Amtsgericht im angefochtenen Urteil als unbegründet („unschlüssig“) abgewiesen hat.
Zwischen den Parteien bestand ursprünglich ein Mietverhältnis über eine 3-Zimmer-Wohnung in 10967 Berlin, U.straße. Nachdem die Beklagten im Juli 2015 eine Eigenbedarfskündigung zum Zweck der Überlassung der Räume an ihre Tochter erklärt hatten, erlangten sie nach Abschluss eines von ihnen betriebenen Räumungsprozesses im November 2018 die Wohnung zurück. Die Tochter der Beklagten zog nicht in die Wohnung ein; stattdessen schlossen die Beklagten im November 2021 einen Mietvertrag mit anderen Mietinteressenten und übergaben die Wohnräume an diese neuen Mieter.
Für weitere Einzelheiten des Tatbestandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Bezug genommen. Ergänzungen sind zum besseren Verständnis der gerichtlich ausgetragenen Streitigkeiten zwischen den Parteien wie folgt veranlasst (zur Wahrung der Übersicht werden durchgehend die im hier geführten Verfahren zutreffenden Bezeichnungen Kläger bzw. Beklagte beibehalten):
Das Räumungsurteil gegen den Kläger war Gegenstand eines beim Amtsgericht zum Aktenzeichen 5 C 278/15 geführten Verfahrens. Es wurde nach Zurückweisung der Berufung des Klägers (LG Berlin 66 S 100/17) rechtskräftig. Nach Entdeckung der Tatsache, dass die Tochter der Beklagten nicht in die Wohnung eingezogen war, machte der Kläger im Verfahren 3 C 107/20 (später 24 C 71/22) die ihm entstandenen Umzugskosten als Schadensersatz geltend. Die antragsgemäße Verurteilung der Beklagten zur Zahlung und die gleichzeitige Abweisung der insoweit vom Kläger auch gegen die Tochter geltend gemachten Ersatzansprüche wurden durch Berufungsurteil vom 06.04.2022 (LG Berlin 66 S 203/21) rechtskräftig.
Bereits geraume Zeit zuvor (nämlich mit Zustellung der Klageschrift im hier geführten Verfahren am 28.05.2021) verlangte der Kläger die Wiedereinräumung des Besitzes an den zu dieser Zeit nicht bewohnten Räumen. Die Beklagten ließen zunächst in der Klageerwiderung vom 10.06.2021 (u.a.) vortragen, ihre Tochter und deren Lebensgefährte hätten unverändert die Absicht, in der Wohnung dauerhaft zu wohnen. Sodann teilten sie allerdings im Schriftsatz vom 06.12.2021 mit, dass „im November 2021“ die Wohnung an neue Mieter vermietet worden war, weshalb die Einräumung des Besitzes unmöglich sei. Nach der am Folgetag stattfindenden mündlichen Verhandlung gab das Amtsgericht den Beklagten auf, eine Kopie des Mietvertrages an Gericht und Kläger zu übermitteln, und fügte hinzu „Die Miethöhe soll hierbei nicht geschwärzt werden“. Die Beklagten legten mit Schriftsatz vom 21.12.2021 eine Kopie des Mietvertrages vor, in welcher die Miete gleichwohl geschwärzt worden war. Ergänzend erklärten sie, dass die Vermietung zwar wegen erforderlicher Restarbeiten erst zum 1.2.2022 erfolgt sei, gleichwohl aber die neuen Mieter schon den Schlüssel erhalten hätten.
Nachdem der Kläger in der Folgezeit vergeblich versucht hatte, das Amtsgericht zur Durchsetzung der erforderten Vorlage einer ungeschwärzten Mietzinsvereinbarung zu bewegen, machte er mit Schriftsatz vom 09.05.2022 klageändernd erstmals den mit seiner Berufung weiterverfolgten Auskunftsanspruch anhängig.
Das Amtsgericht hat die Auskunftsklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Begehren sei bereits unschlüssig, weil die aktuell von den neuen Mietern geschuldete Miethöhe zur Geltendmachung eines etwaigen Schadens (Umzugskosten, Mietdifferenzschaden) gänzlich irrelevant sei, also nicht benötigt werde. Die lediglich als Bitte des Gerichts angeregte Vorlage einer nicht geschwärzten Mietzinsvereinbarung ändere an der rechtlichen Unerheblichkeit derselben für den Kläger nichts. Insbesondere aus § 242 BGB ergebe sich kein Auskunftsanspruch des Klägers.
Der Berufungskläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, Auskunft über die am 26.11.2021 mit den Mietern M und K vereinbarte Miete für die Wohnung U, straße , 10967 Berlin, 3. OG links mit einer Größe von 78,03 qm zu erteilen.
Die Berufungsbeklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie rügen die Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Im Übrigen verteidigen sie das angefochtene Urteil des Amtsgerichts; sie meinen, der Kläger habe bereits die Geltendmachung eines Mietdifferenzschadens angekündigt, weshalb er über die (dafür irrelevante) Auskunft offenbar lediglich seine Neugier befriedigen wolle. Zur Zeit der Neuvermietung habe zwischen den Parteien keinerlei Rechtsverhältnis bestanden; die 2018 gegen den Kläger im Wege der Zwangsvollstreckung betriebene Räumung sei allein nach den Maßstäben von § 826 BGB zu hinterfragen, dessen Voraussetzungen aber nicht vorlägen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig; sie hat auch in der Sache Erfolg. Der vom Kläger weiterverfolgte Auskunftsanspruch ist gemäß § 242 BGB begründet; das klageabweisende Urteil ist demgemäß abzuändern.
1.
Die Beklagten meinen zu Unrecht, dass der für das Rechtsmittel erforderliche Wert der Beschwer von mehr als 600 € (§ 511 Abs. 2 Nummer 1 ZPO) nicht erreicht sei. Dem streitgegenständlichen Auskunftsanspruch ist im Wege der Schätzung der im hier geführten Verfahren maßgebliche Wert zuzuordnen. Die Kammer bringt dabei einen Anteil von 20 % berechnet von demjenigen wirtschaftlichen Interesse in Ansatz, dessen konkreter Einschätzung und gegebenenfalls Verfolgung seitens des Klägers die eingeklagte Auskunft dienen kann. Der Kläger hat vorgetragen, Angaben zu der (neuen) Miethöhe zu benötigen, um in der Lage zu sein, mögliche Schadensersatzansprüche zu beziffern (so erstmals schon im Schriftsatz vom 10.1.2021; Bl. I 153).
Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels kommt es dann auf die Differenz zwischen der Miete, die der Kläger selbst zuletzt für die Wohnung der Beklagten gezahlt hat und derjenigen, welche die neuen Mieter an die Beklagten entrichten an. Der Betrag dieses Interesses, das der Kläger über die streitgegenständliche Auskunft beurteilen und ggf. verfolgen will, ist entsprechend § 9 Satz 1 ZPO der mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag anzusetzen. Mit einem Wertanteil von 20 % dieses Interesses erreicht der Auskunftsanspruch die erforderliche Beschwer für das Berufungsverfahren, wenn der 42-fache Differenzbetrag mindestens 3.000,01 € beträgt. Diese Voraussetzung ist gegeben.
Die monatliche Nettokaltmiete des Klägers ist ausgehend von dem Streitwert der Klageschrift mit monatlich 485 € anzusetzen. Die erforderliche Differenz wird erreicht, sobald die Neuvermietung der 78,03 m² großen Wohnung zu einem Betrag von mindestens 556,43 € monatlich erfolgt ist. Die 42-fache Differenz beträgt dann 3.000,06 €; der Wert des Auskunftsanspruchs mit 20 % davon erreicht die erforderliche Berufungsbeschwer.
Die Kammer hat die vorstehenden Werte mit den Parteien eingehend erörtert und darauf hingewiesen, dass bei einer realistischen Schätzung des Mietzinses im November 2021 für die streitgegenständliche Wohnung ein Mietzins oberhalb von 556,43 € anzunehmen ist. Dies ergibt sich aus den kalkulatorisch zu berücksichtigenden ortsüblichen Vergleichsmieten nach dem Berliner Mietspiegel und unter Berücksichtigung des angespannten Wohnungsmarktes. Hinzu kommt, dass die Wohnung den neuen Mietern gemäß § 12 des Mietvertrages „in einem exzellenten Zustand“ überlassen worden ist. Anderslautender Vortrag dazu oder andere Einwände sind von beiden Seiten nicht geäußert worden.
2.
Das zulässige Rechtsmittel ist in der Sache erfolgreich. Der vom Kläger verfolgte Auskunftsanspruch ist unter den hier zu berücksichtigenden Umständen entsprechend § 242 BGB begründet.
a) Das Amtsgericht ist grundsätzlich mit Recht davon ausgegangen, dass der Auskunftsanspruch des Klägers sich allein aus § 242 BGB ergeben kann. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen hat es aber zu Unrecht verneint.
Auskunftsansprüche aus § 242 BGB sind für eine Vielzahl von tatbestandlich umrissenen Fallgruppen anerkannt. Ein darin ausgedrückter allgemeiner Maßstab wird überzeugend dahingehend formuliert, ein Auskunftsanspruch werde „...unter Berufung auf § 242 BGB gewährt, wenn eine besondere rechtliche Beziehung zwischen dem Auskunftsfordernden und dem Inanspruchgenommenen besteht und es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seiner Rechte im Ungewissen, der Inanspruchgenommene aber in der Lage ist, die verlangte Auskunft unschwer zu erteilen (vgl. nur Staudinger Rz. 605 zu § 242 BGB m.w.N., etwa auf BGH VersR 2018, 230).
b) Die Annahme des Amtsgerichts, die vom Kläger begehrte Auskunft sei für ihn „gänzlich irrelevant“, trifft nach Auffassung der Kammer nicht zu. Der Kläger beabsichtigt die Verfolgung der ihm zustehenden Rechte nach dem Verlust der früher von ihm genutzten Wohnung. Teilweise (hinsichtlich der Umzugskosten) sind seine Bemühungen gegenüber den Beklagten durch deren rechtskräftige Verurteilung bereits erfolgreich gewesen. Das rechtskräftige Berufungsurteil vom 6.4.2022 (LG Berlin; Az. 66 S 203/21) hat dem Kläger Ersatz für die Schadensposition der Umzugskosten auf der Grundlage einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung zugesprochen. Das demgemäß im Raum stehende Haftungsverhältnis zwischen den Parteien ist als „besondere rechtliche Beziehung“, wie ein Auskunftsbegehren nach § 242 BGBsie erfordert, anzuerkennen. Auskunftsansprüche in dieser Sonderbeziehung sind davon abhängig, ob der Kläger entschuldbar keine Kenntnis über einen Umstand besitzt, den er zur Entscheidung über das Bestehen und den Umfang seiner Rechte benötigt, und den die Beklagten unschwer offenlegen können. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der anlässlich der Neuvermietung vereinbarten Miethöhe nach Ansicht der Kammer erfüllt.
c) Dem Amtsgericht ist zwar darin zu folgen, dass bestimmte Formen der Kompensation der dem Kläger entstandenen Einbußen und Nachteile geltend gemacht werden können, ohne dass dafür eine Kenntnis von den Konditionen der von den Beklagten vorgenommenen Neuvermietung notwendig wäre. Der Kläger selbst hat dies anlässlich der Durchsetzung seines Ersatzanspruchs wegen der Umzugskosten so gehandhabt.
Die von den Beklagten mit den neuen Mietern in der Wohnung vereinbarte Miete ist aber für den Bestand und gegebenenfalls den Umfang anderer Rechte des Klägers erheblich, über die er ohne die verlangte Auskunft entschuldigt im Ungewissen ist. In der hier zu beurteilenden Konstellation ist die Rechtsstellung des Klägers nämlich nicht zwingend darauf beschränkt, Ausgleich für solche wirtschaftlichen Einbußen zu beanspruchen, die ihm durch eigene Ausgaben (also selbstfinanzierte Mehrausgaben) entstanden sind. Die „besondere rechtliche Beziehung“ zwischen den hier streitenden Parteien geht angesichts des tatsächlichen Hergangs, durch den der Kläger die früher innegehaltene Wohnung endgültig verloren hat, über Schadensersatzansprüche hinaus; sie schließt weitere Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten ein, namentlich solche aus § 285 Abs. 1 BGB.
aa)
§ 285 Abs. 1 BGB verpflichtet den Schuldner, der von seiner Pflicht zur Leistung eines geschuldeten Gegenstands nach § 275 BGB frei geworden ist, zur Herausgabe eines für den Gegenstand empfangenen Ersatzes (bzw. zur Abtretung entsprechender Ersatzansprüche). Diese Regelung schreibt nach dem Erlöschen einer primären Leistungspflicht (etwa wegen Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB) die vor dem Eintritt der Unmöglichkeit bestehende Rechtslage fort; sie wird als Unterfall der Eingriffskondiktion und als „...mit § 816 BGB zweckverwandt...“ bezeichnet (vgl. Staudinger/Caspers; Rz. 2 zu § 285 BGB m.w.N.).
§ 285 Abs. 1 BGB enthält dabei selbst keine Schadensersatzregelung; die angeordnete Rechtsfolge ist insbesondere nicht von einem Verschuldenserfordernis auf der Seite des in Anspruch genommenen Schuldners abhängig. Der Anspruch auf Ersatzherausgabe stellt sich stattdessen als Parallele zum Institut der Vorteilsausgleichung dar. Wird dort der Gläubiger durch Leistung von Schadensersatz um einen (auszugleichenden) Vorteil bereichert, so geschieht entsprechendes in der Konstellation von § 285 Abs. 1 BGB auf der Seite des Schuldners, dessen Leistung der Gläubiger ursprünglich zu fordern berechtigt war (vgl. Staudinger a.a.O. Rz. 3 m.w.N.). Dasselbe Ereignis, welches das bestehende Gläubigerrecht (nach § 275 Abs. 1 BGB ebenfalls verschuldensunabhängig) erlöschen lässt, bewirkt auf der Seite des freigewordenen Schuldners einen Zuwachs. Da der wegen § 275 BGB nicht mehr geschuldete Leistungsgegenstand wirtschaftlich dem Gläubiger gebührte, realisiert § 285 Abs. 1 BGB mit dem Anspruch auf Herausgabe des Ersatzes die bestmögliche Beibehaltung der Vermögenszuordnung, die wirtschaftlich vor dem Eintritt der Unmöglichkeit bereits rechtsverbindlich begründet war.
bb)
Die von § 285 Abs. 1 BGB vorausgesetzte Konstellation ist im Verhältnis zwischen dem Kläger und den Beklagten eingetreten.
Der Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen fehlenden Kündigungsgrundes unwirksam ist, ist dem Mieter zum Schadensersatz verpflichtet ist, insbesondere auch dann, wenn ein vom Vermieter mit der Kündigung geltend gemachter Eigenbedarf in Wahrheit nicht besteht (BGH, Urteil vom 18. Mai 2005 – VIII ZR 368/03 –, Rn. 10, juris). Der auf der Grundlage einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung herbeigeführte Wohnungsverlust führt zunächst zum Bestehen eines Anspruchs des (früheren) Mieters auf „Wiedereinräumung der Besitz- und Mietrechte“ (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 313/08 –, juris). Der unberechtigt kündigende Vermieter ist verpflichtet, die vor dem Wohnungsverlust bestehende Rechtsstellung des Mieters wiederherzustellen, mithin eine mietvertraglich abgesicherte tatsächliche Ausübung berechtigten Besitzes an den Wohnräumen neuerlich zu ermöglichen. Die damit beschriebene Pflicht zur Überlassung unmittelbaren Mietbesitzes an der Wohnung stellt rechtlich die „Leistung eines Gegenstandes“ im Sinne von § 285 Abs. 1 BGB dar; die Verpflichtung des Vermieters unterscheidet sich insoweit nicht von derjenigen, die er nach den Maßstäben eines gänzlich neu geschlossenen Mietvertrages gegenüber seinem Vertragspartner zu erfüllen hat.
Diese Pflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger bestand bis zum November 2021, denn unstreitig war die Wohnung seit der Räumung des Klägers vorher zu keiner Zeit einem neuen Nutzer überlassen worden. Weder eine Veräußerung (vgl. dazu BGH VIII ZR 313/08) noch ein sonst eingetretener Verlust des unmittelbaren Besitzes der Beklagten an den Räumen hatte sich bis Ende 2021 ereignet.
Der Abschluss des neuen Mietvertrages am 26.11.2021 änderte an dieser Ausgangslage für sich betrachtet ebenfalls noch nichts. Im Falle einer Doppelvermietung bleibt der Vermieter ungeachtet mehrerer konkurrierender Leistungsansprüche der verschiedenen Mieter in seiner Entscheidung frei, welchen der begründeten Ansprüche er erfüllen will. Der Leistungsanspruch (eines jeden Mieters) erlischt also nicht, solange die Überlassung des geschuldeten Mietbesitzes dem Vermieter möglich bleibt; die Ansprüche bleiben so lange bestehen, bis der Vermieter seine Entscheidung, eines von mehreren Schuldverhältnissen (auf Kosten des anderen) zu erfüllen in die Tat umgesetzt hat. Selbst dann wird der Vermieter als Schuldner des Besitzverschaffungsanspruchs in dem zweiten Mietverhältnis (noch) nicht nach § 275 Abs. 1 BGB frei, solange ihm die Möglichkeit offensteht, den zunächst anderweitig übertragenen Besitz wieder zurückzuerlangen.
Diese Konstellation liegt hier aber nicht vor. Es ist unstreitig geblieben, dass die von den Beklagten selbst vorgetragene unverzügliche Übergabe der Räume an die neuen Mieter nach Abschluss des Mietvertrages vom November 2021 eine dauerhafte ist, weshalb der ursprünglich vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes ihm gegenüber von den Beklagten nicht mehr erfüllt werden kann (Schriftsatz des Klägers vom 09.05.2022, S. 2 unten). In diesem Verhältnis ist damit die Rechtsfolge gemäß § 275 Abs. 1 BGB eingetreten, woraus zugunsten desjenigen, der nunmehr seinen Leistungsanspruch nicht mehr durchsetzen kann, die Möglichkeit folgt, nach § 285 Abs. 1 BGB auf ein vorhandenes Surrogat zuzugreifen. Die Beklagten haben mit dem dauerhaft berechtigten Mietbesitz genau den Gegenstand, den der Kläger zu beanspruchen hatte, den neuen Mietern überlassen. Es besteht also (anders als z.B. im Falle einer Veräußerung der Wohnung) hier keine Differenz zwischen demjenigen, was dem Kläger entgangen ist gegenüber demjenigen, wofür den Beklagten als Surrogat nun der neue Mietzins zufließt.
Dem Wesen des so entstandenen Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und den Beklagten entspricht es, dass der Kläger ohne die Kenntnis über eine bestehende Differenz zwischen der früher und der heute für die Nutzung der identischen Räume vereinnahmten Miete nicht in die Lage versetzt ist, das Bestehen und den genauen Inhalt bzw. den Umfang seiner diesbezüglichen Rechte zu beurteilen. Der Kläger hat auch erstinstanzlich mit allen ihm offenstehenden Möglichkeiten versucht, die begehrte Information dadurch zu erhalten, dass das Amtsgericht den von diesem selbst geäußerten „Wunsch“ nach einer nicht geschwärzten Miethöhe auch tatsächlich durchsetzte; nachdem dies erfolglos blieb, ist die fortbestehende Unkenntnis des Klägers ihm nicht vorzuwerfen. Ebenso steht fest, dass die Miethöhe seitens der Beklagten mit Leichtigkeit bekannt gegeben werden kann. Die oben unter 2 a) dargestellten Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben sind damit erfüllt.
cc)
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich bereits mit einem ähnlich gelagerten Konflikt zu befassen hatte. Die Entscheidung des BGH (XII ZR 124/02 vom 10.05.2006; juris) betraf zwar noch die Rechtslage gemäß dem bis zur Zivilrechtsreform geltenden § 281 BGB a.F.; dieser entsprach aber in allen hier maßgeblichen Details dem heutigen § 285 Abs. 1 BGB, sodass die Konsequenzen aus der genannten Entscheidung auf die hier zu beurteilende Konstellation übertragbar sind.
In dem entschiedenen Fall beanspruchte der „ausgebootete“ unter zwei konkurrierenden Nutzern einer (Parkplatz-)Fläche vom Vermieter Herausgabe des Erlöses, den der Vermieter von einem anderen Mieter vereinnahmte, welcher auf der ihm vom Vermieter überlassenen Fläche einen Markt betrieb.
In dieser Konstellation führt der BGH aus, dass die Anspruchsvoraussetzungen deshalb nicht vollständig vorliegen, weil die erforderliche Identität zwischen dem vom klagenden Gläubiger eingebüßten Gegenstand und demjenigen Surrogat fehlt, das dem Schuldner von Seiten des anderen Mieters zufließt. Ein Anspruch (aus § 281 BGB a.F.) setzt danach voraus, dass der Anspruchsteller (frühere Mieter) durch Unmöglichkeit genau dasjenige eingebüßt hat, wofür der in Anspruch genommene (Vermieter) den herausverlangten Ersatz erlangt. An dieser Identität fehlt es, wenn der klagende frühere Mieter „einen Parkplatz verloren“ hat, als Ersatz vom Vermieter aber den „Mietzins für einen Marktplatz“ herausverlangt. Die damit eintretende Beschränkung des Herausgabeanspruchs (nach § 281 a.F. BGB) sei schon vom Reichsgericht als erforderlich angesehen worden, um eine allgemeine Ausgleichspflicht von unberechenbarer Tragweite zu vermeiden (BGH a.a.O. juris Rz. 29 m.w.N.). Entscheidend für die Anerkennung oder Versagung derartiger Herausgabeansprüche soll „...die von den Parteien vertraglich angestrebte Güterordnung als Maßstab für die Unrichtigkeit der auszugleichenden tatsächlichen Verteilung der Vermögenswerte...“ sein (BGH a.a.O. juris Rz. 28).
Dem Herausgabeanspruch des (früheren) Parkplatzmieters stand daher konsequenterweise der Umstand entgegen, dass ihm „...weder eine anderweitige Nutzung noch eine Untervermietung gestattet (waren). Er hätte folglich die von ihm als „Surrogat“ herausverlangte Miete der Markthändler aufgrund der ihm lediglich zur Nutzung als Parkplatz zugewiesenen Gebrauchsüberlassung nicht erzielen können...“ (BGH a.a.O. Rz. 30).
Die danach (allein) anspruchshindernd vom BGH festgestellten Besonderheiten liegen in der hier zu beurteilenden Situation zulasten des Klägers aber gerade nicht vor. Die Unmöglichkeit der Besitzverschaffung zu seinen Gunsten fiel rechtlich und tatsächlich mit der Übergabe der Wohnung von den Beklagten an die neuen Mieter zusammen. Der Kläger hatte die identische Wohnraumnutzung zu beanspruchen, die nach der Übergabe der Räume an die neuen Mieter diesen zusteht und von ihnen realisiert wird. Genau dafür (nämlich für die mietvertragliche abgesicherte dauerhafte Nutzung der Räume als Wohnung) vereinnahmen die Beklagten den heute maßgeblichen Mietzins. Die Identität zwischen demjenigen, was der Kläger über die Folgen aus § 275 Abs. 1 BGB endgültig verloren hat und demjenigen, wofür die Beklagten aktuell von den neuen Mietern Mietzins vereinnahmen, ist in der hier zu beurteilenden Konstellation gegeben.
d) Dem Auskunftsanspruch des Klägers steht auch nicht der Hinweis der Beklagten darauf entgegen, dass die Räumung des Klägers auf der Grundlage einer von den Beklagten selbst betriebenen Zwangsvollstreckung erfolgt ist. Nach Auffassung der Kammer ist es im Falle einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung dem Vermieter, der nach der Rückerlangung der Räume Schuldner von Schadensersatzansprüchen ist, nicht (wie eine Privilegierung) zugute zu halten, dass er seine unwahre Darstellung eines Eigenbedarfs außer in einem Kündigungsschreiben auch noch in einem gerichtlichen Verfahren vertreten hat. Entsprechendes gilt von einem „Erfolg“, den der unberechtigt Kündigende dadurch erzielt, dass er (auch) den zuständigen Gerichten die Richtigkeit seiner unwahren Behauptungen und Absichten überzeugend vorspiegelt.
In der hier vorliegenden Entwicklung der Ereignisse ist im Übrigen zu beachten, dass die Beklagten den im Rechtsverhältnis zum Kläger entscheidenden Schritt (die dauerhafte Überlassung der Räume an die neuen Mieter) sehenden Auges zu einer Zeit herbeigeführt haben, als bereits der Anspruch auf Wiedereinräumung des Mietbesitzes rechtshängig war. In diesem Prozess wiederholten die Beklagten im Juni 2021 ihre Behauptung, die Tochter wolle unverändert (nach Jahren eines Leerstandes in den Räumen seit 2018) mit ihrem Lebensgefährten dort einziehen. Nur wenige Monate später schufen die Beklagten dann gegenteilige Fakten durch die Neuvermietung, und zwar zu einer Zeit, als das Amtsgericht mit Urteil vom 11.08.2021 (im Verfahren zum Aktenzeichen 24 C 71/22) die (inzwischen rechtskräftige) Verurteilung der Beklagten zum Schadensersatz für die Umzugskosten bereits ausgesprochen hatte. Nach dieser gerichtlichen Feststellung der Schadensersatzpflicht erweckt das plötzliche Vorgehen der Beklagten im November 2021 den Eindruck, dass die Wohnung eilig beiseite geschafft werden sollte, um endgültig jede Möglichkeit des Klägers zu vereiteln, weiter einen Wiedereinräumungsanspruch zu verfolgen.
3.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Entscheidung liegt die Würdigung der besonderen Umstände des konkreten Einzelfalls im Rahmen eines aus § 242 BGB abgeleiteten Anspruchs zugrunde. Die hier getroffene Entscheidung steht mit der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang. Eine darüber hinausgehende generelle Klärung von Rechtsfragen macht die Entscheidung ebenso wenig erforderlich, wie eine Abweichung von tragenden Rechtssätzen einschlägiger obergerichtlicher Entscheidungen.