Landesarbeitsgericht Köln Urteil, 20. Juni 2016 - 2 Sa 1089/15
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 15.10.2015 – Az. 8 Ca 1635/15 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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T a t b e s t a n d
2Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob zwischen der Beklagten zu 1) und dem Kläger ein Arbeitsverhältnis besteht und ob diese gesamtschuldnerisch mit der Beklagten zu 2) dem Kläger eine höhere Vergütung schuldet.
3Der Kläger ist seit dem 02.07.2007 zunächst in Teilzeit, ab 01.12.2012 in Vollzeit bei der Beklagten zu 1) eingesetzt. Sein Arbeitsvertrag besteht mit der Beklagten zu 2), die über eine Genehmigung zum Arbeitnehmerverleih verfügt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten zu 2) sind die DGB- Tarifverträge zur Leiharbeit kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbar. Diese sehen unter anderem eine Ausschlussfrist vor.
4Im Übrigen wird hinsichtlich des vollständig unstreitigen Tatbestandes sowie der Entscheidungsgründe der ersten Instanz gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. In diesem wurde die Klage abgewiesen.
5Der Kläger vertritt die Ansicht, im vorliegenden Rechtsstreit gehe es um die Auslegung der Leiharbeitsrichtlinie 2008/104/EU. Deshalb sei das Verfahren dem EuGH vorzulegen. Die Gleichbehandlung aller in einem Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer unabhängig von der Frage, wer Arbeitgeber der Arbeitnehmer sei, sei ein Menschenrecht. Dieses werde durch den Einsatz bei der Beklagten zu 1) verletzt, weil er nicht die gleiche Bezahlung erhalte wie Arbeitnehmer, die unmittelbar bei der Beklagten zu 1) eingestellt sind.
6Der Kläger beantragt mit der Berufung, das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 15.10.2015, Az. 18 Ca 1635/15 abzuändern und
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1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, den Kläger als Beifahrer und Entlader nach dem Tarifvertrag der Entsorgungswirtschaft beginnend mit dem 01.11.2011 zu beschäftigen;
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2. hilfsweise festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) seit dem 01.01.2011 ein Beschäftigungsverhältnis der Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 Richtlinie 2008/104 EG besteht und der Kläger nach den tariflichen Bedingungen seit dem 01.11.2011 zu bezahlen ist;
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3. äußerst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Kläger beginnend mit Januar 2015 als Beifahrer und Entlader zu den tariflichen Bedingungen der Entsorgungswirtschaft zu beschäftigen;
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4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 50.042,52 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus 17.054,00 € fällig ab dem 08.01.2013, aus 17.395,00 € fällig ab dem 01.01.2014, aus 15.953,53 € fällig ab dem 01.01.2015.
Die Beklagten beantragen,
13die Berufung zurückzuweisen.
14Sie treten dem erstinstanzlichen Urteil bei und weisen darauf hin, dass die Berufung hinsichtlich des Zahlungsantrages gegenüber der Beklagten zu 2) unzulässig sein dürfte, da der Kläger sich in der Berufungsschrift nicht mit der Begründung des Urteils, die Forderung sei verfallen, auseinandersetzt habe.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Berufung des Klägers ist fristgerecht. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist die Berufung unzulässig. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.
17Die Berufungsanträge des Klägers sind dahin auszulegen, dass sich von den vier gestellten Anträgen lediglich der vierte Antrag gegen die Beklagte zu 2) richtet. Das Arbeitsgericht hat die Klage insoweit mit einer dreifachen Begründung abgewiesen. Zum einen hat es ausgeführt, dass der Kläger von der Beklagten zu 2) diejenige Vergütung erhalten habe, die ihm nach dem mit der Beklagten zu 2) geschlossenen Arbeitsvertrag zustehe. Zudem sei ein Anspruch auf equal pay nicht anhand eines Gehaltsrechners zu begründen, sondern konkret zu berechnen, was ein Arbeitnehmer der Beklagten zu 1), der anstelle des Klägers eingesetzt worden wäre, als Vergütung bezogen hätte. Zum dritten hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass an der Geltung der DGB-Tarifverträge im Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu 2) keine Zweifel bestehen und der Kläger für die eingeklagte Forderung die Verfallfristen nicht eingehalten hat. Mit den beiden letzten Argumenten hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt.
18Ein Urteil, welches mehrfach begründet ist, muss in jedem einzelnen voneinander unabhängigen Begründungstrang durch die Berufungsschrift angegriffen werden. Dies hat der Kläger unterlassen, so dass seine Berufung gegenüber der Beklagten zu 2) bereits unzulässig ist.
19Die Berufung gegenüber der Beklagten zu 1) ist unbegründet. Der Kläger ist nicht Arbeitnehmer der Beklagten zu 1).
20Das Gericht folgt insoweit uneingeschränkt den Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 15.05.2013, Az. 7 AZR 494//11, vom 10.12.2013, Az. 9 AZR 51/13, und vom 03.06.2014, Az. 9 AZR 111/13.
21Wie das Bundesarbeitsgericht in den oben genannten Entscheidungen deutlich und ausführlich dargestellt hat, ist es deutschen Richtern nicht möglich, im Falle einer dauerhaften Arbeitnehmerüberlassung einen Zwangsvertrag mit dem Entleiherunternehmen zu konstruieren. Eine solche Rechtsfolge würde das Prinzip der Gewaltenteilung verletzen. Es ist ausschließlich Aufgabe des Gesetzgebers hier eine Regelung zu schaffen, die die Richtlinie 2008/104/EG umsetzt (so auch Böhm, NZA 2016, s. 528 ff.).
22Damit ergibt sich auch keine Vorlagepflicht an den EuGH, denn weder wird die genannte EG-Richtlinie ausgelegt, noch ist es möglich, das vom Kläger gewünschte Ergebnis durch richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts zu erreichen. Der Gesetzgeber hat vielmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er - bislang - keinerlei Sanktionen für den Fall dauerhafter Arbeitnehmerüberlassung für erforderlich hält, wenn einerseits entweder equal pay eingreift oder andererseits ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis zum Entleiher besteht und dort die Arbeitsvertragsbedingungen durch Tarifvertrag oder Bezugnahme auf einen Tarifvertrag geregelt sind.
23Der Kläger irrt sich auch, wenn er meint, dass in der europäischen Grundrechtscharta die Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern und Entleiherbelegschaft geregelt sei. Art. 23 der Grundrechtscharta betrifft hinsichtlich der Regelung zum Arbeitsentgelt lediglich die Gleichheit von Frauen und Männern. In Fällen, in denen ausschließlich das Geschlecht das einzige Unterscheidungsmerkmal zwischen verschiedenen Arbeitnehmern ist, ist sicherzustellen, dass die gleiche Vergütung geleistet wird. Vorliegend besteht ein Differenzierungsgrund bereits darin, dass der Kläger nicht bei demselben Arbeitgeber eingestellt ist, wie die Stammarbeitnehmer der Beklagten zu 1).
24Art. 5 der Richtlinie 2008/104/EU bestätigt in Abs. 2 ausdrücklich, dass in Bezug auf das Arbeitsentgelt die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner die Möglichkeit vorsehen können, dass vom Grundsatz der gleichen Bezahlung abgewichen wird, wenn Leiharbeitnehmer, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen abgeschlossen haben, auch in der Zeit zwischen den Überlassungen bezahlt werden.
25Die Richtlinie verlangt nur, dass Leiharbeit, die als wichtiges Arbeitsmarktinstrument angesehen wird, dann zu den gleichen Bedingungen wie im Entleiherbetrieb geleistet werden muss, wenn sie mit Wegfall des Einsatzbedarfs ohne Kündigungsschutz endet. Besteht demgegenüber ein unbefristetes und damit nach deutschem Recht dem Kündigungsschutzgesetz in aller Regel unterfallendes Arbeitsverhältnis zum Entleiher mit der Folge, dass während Zeiten, in denen kein Einsatz möglich ist, gleichwohl ein Vergütungsanspruch bestehen bleibt, ist eine abweichende Vergütung von der des Entleiherbetriebs nach Artikel 5 Abs. 2 der Richtlinie ausdrücklich möglich.
26Der Richtlinie 2008/104/EU ist damit gerade nicht zu entnehmen, dass für den Fall einer dauerhaften Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers im Einsatzbetrieb konkrete Rechtsfolgen vorgesehen sind. Weder ist die Vergütung des Einsatzbetriebs geschuldet noch kommt ein Arbeitsverhältnis mit diesem zu Stande.
27Zudem mag sich der Kläger die Diskussion zur Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes anschauen. Auch hier ist erneut vorgesehen, dass dann, wenn Tarifvertragsparteien die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern regeln, die Dauer des Verleihs uneingeschränkt ausgedehnt werden kann. Dies zeigt erneut, dass die Entscheidung des BAG, der Gesetzgeber habe keine Sanktionen regeln wollen, richtig ist und die Schaffung solcher Sanktionen durch Richterrecht contra legem wäre. Der Gesetzgeber sieht offensichtlich die Chancen der Leiharbeit für den Arbeitsmarkt als so bedeutsam und wichtig an, dass er erneut wesentliche Regelungen zur Dauer der Überlassung den Tarifvertragsparteien überlassen will und nicht selber eingreifen will. Dann kann dies auch der Richter nicht.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung nicht zugelassen.
29R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
30Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
31Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.
(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.
(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.
(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:
- 1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit, - 2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder - 3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.
(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.