Finanzgericht Nürnberg Urteil, 04. Okt. 2018 - 2 K 1723/16

published on 04/10/2018 00:00
Finanzgericht Nürnberg Urteil, 04. Okt. 2018 - 2 K 1723/16
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Tenor

1. Die Nichtigkeit des Umsatzsteuerbescheids für 2012 vom 28.06.2004 wird festgestellt.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

Der Kläger hatte zum 01.02.2002 die Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit bei der Stadt 1 angemeldet („Grafik-Design, Disc-Jockey, Event-Management, Musik-Produzent“). Im Fragebogen des Finanzamts zur steuerlichen Erfassung gab er nur die Tätigkeiten ohne das Event-Management an; dort machte er keine Angaben zu seinen voraussichtlichen Umsätzen und beantragte die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten. Ausweislich der Akten bestand vorher kein Steuersignal für den Kläger.

Der Kläger gab Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Februar bis April 2002 ab (letzte Einreichung: berichtigte Anmeldung am 15.05.2002). Dabei meldete er Umsätze zum Regelsteuersatz und Vorsteuern wie folgt an:

Monat Umsätze 16% (Kz 51) Vorsteuern (Kz 66) verbleibende USt (Kz 83)

Februar 292 73,25 ./. 17,57 März 1.386 144,35 77,41 April 417 103,48 ./. 36,76 Summen 2.095 321,08 28,03 Mittelwert 698,33 107,03 7,7 Aus dem später erlassenen Jahresbescheid ergibt sich, dass der Kläger die für diesen Zeitraum angemeldete Umsatzsteuer auch abführte.

Die restlichen Monate des Streitjahres wurden im Schätzungswege in den Monaten August 2002 bis Februar 2003 wie folgt festgesetzt.

Monat Umsätze 16% (Kz 51) Vorsteuern (Kz 66) verbleibende USt (Kz 83)

Mai 900 70 74 Juni 900 70 74 Juli 1.000 70 90 August 900 70 74 September 1.000 70 90 Oktober 1.000 70 90 November 2.000 70 250 Dezember 2.100 70 266 Spätestens seit März 2003 ging die Post des Finanzamts an die in der Gewerbeanmeldung genannte Adresse des Klägers als unzustellbar an das Finanzamt zurück (erstes belegtes Schreiben ist die Mahnung für die Umsatzsteuervorauszahlung Dezember 2002 vom 25.03.2003).

Beginnend mit dem 22.08.2003 finden sich Abdrucke von Niederschlagungsverfügungen der Vollstreckungsstelle in der Einkommensteuerakte, in der auf die Abgabe einer eidesstaatlichen Versicherung durch den Kläger bereits am 28.05.2002 vor dem Amtsgericht 1 hingewiesen wird. Die eidesstaatliche Versicherung selbst befindet sich nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten.

Sie wurde erst im Klageverfahren - nach Hinweis des Berichterstatters auf dieses Manko - vorgelegt. Darin hat der Kläger unter dem 28.05.2002 erklärt, ein Erwerbsgeschäft zu betreiben, aus dem ihm noch Forderungen in Höhe von 300 € zustehen („fällig seit 20.05.02“). Als weitere Aufträge nannte er zwei, nämlich „Imagebroschüre“ für „ca. Juli 2002“ und „Internetseite“ für „ca. August 2002“.

Eine telefonische Nachfrage am 11.09.2003 bei der in der Gewerbeanmeldung genannten Telefonnummer ergab, dass eine andere Person („Nachmieter“) angab, der Kläger sei an der dort genannten Adresse nicht mehr wohnhaft. Daraufhin wurden die Steuersignale für den Kläger zum 01.01.2004 gelöscht.

Ausweislich eines Aktenvermerks wohl der Vollstreckungsstelle („VO5 an G35“) vom 27.01.2004 in der Einkommensteuerakte sei der Kläger an der vormaligen Adresse noch polizeilich gemeldet.

Mit Bescheiden vom 28.06.2004 veranlagte das Finanzamt den Kläger im Schätzungswege zur Einkommensteuer und zur Umsatzsteuer. Die Bescheide wurden öffentlich zugestellt. In beiden Bescheiden setzte es auch Verspätungszuschläge fest. Der Umsatzsteuerbescheid vom 28.06.2004 legt Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von 15.000 € und Vorsteuern in Höhe von 500 € zugrunde und eine verbleibende Umsatzsteuer in Höhe von 1.900 € fest. In den Akten findet sich keinerlei Dokumentation über etwaige Schätzungserwägungen.

Für das Jahr 2009 reichte der Kläger anscheinend eine Einkommensteuererklärung ein. Das Finanzamt erstattete den Minusbetrag nicht an den Kläger, sondern verrechnete ihn mit offener Umsatzsteuer. In der Folge erlangte der Kläger u.a. vom Umsatzsteuerbescheid für 2002 Kenntnis.

Am 11.10.2010 legte der Kläger u.a. gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2002 vom 28.06.2004 ein. Im Einspruchsverfahren trug er u.a. vor, der angegriffene Bescheid sei nichtig.

Seinen Einspruch gegen diesen Bescheid wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 28.03.2012 als unzulässig wegen versäumter Einspruchsfrist ab. Ausweislich der Rechtsbehelfsbelehrung:stand dem Kläger hiergegen nur die Klage an das Finanzgericht offen. In den Gründen äußert sich das Finanzamt auch ausführlich zur vorgetragenen Nichtigkeit.

Er stellte u.a. einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit, den das Finanzamt mit Bescheid vom 26.06.2014, bestätigt durch die Einspruchsentscheidung vom 08.11.2016, ablehnte. In der Einspruchsentscheidung erläuterte es seine Schätzung damit, dass angesichts von vorangemeldeten Umsätzen in Höhe von 2.095 € und der Berücksichtigung von „Anlaufschwierigkeiten“ 15.000 € als Umsätze geschätzt worden seien. Vorsteuerbeträge in Höhe von 881,08 € für das Gesamtjahr 2002 nicht zu beanstanden seien.

Der Kläger hat Klage erhoben und sinngemäß beantragt, die Nichtigkeit des Umsatzsteuerbescheides vom 28.06.2004 festzustellen. Hilfsweise beantragt er sinngemäß eine abweichende Festsetzung der Umsatzsteuer 2014 auf 500 €.

Er begründet seine Klage im Wesentlichen damit, dass das Finanzamt vor Erlass des angegriffenen Bescheides hätte erkennen können und müssen, dass er sein Gewerbe nicht weiter betrieben hatte. Es hätte nicht genügend Nachforschungen angestellt. Im Übrigen greife für ihn die Kleinunternehmerregelung.

Das Finanzamt beantragt Klageabweisung und begründet dies im Wesentlichen damit, dass selbst grobe Schätzungsfehler nicht zur Nichtigkeit führten und kein Willkürakt vorliege, wie die Erläuterung der Schätzung in der Einspruchsentscheidung belege. Im Übrigen sei mit der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2012 bestandskräftig über die Nichtigkeit entschieden worden.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 20.03.2017 auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt; das Finanzamt hat dies mit Schreiben vom 13.02.2017 getan.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Hauptantrag begründet. Daher musste über den Hilfsantrag nicht mehr entschieden werden.

Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.

Der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit (§ 41 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO) steht keine Entscheidung des Finanzamts nach § 125 Abs. 5 Abgabenordnung (AO) entgegen.

Die Feststellung nach § 125 Abs. 5 AO ist ein Verwaltungsakt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.08.2014 X R 15/10, BFHE 247, 8, BStBl II 2015, 109). Eine negative Feststellung nach § 125 Abs. 5 AO steht einer Klage nach 41 FGO entgegen (BFH-Urteil vom 20.08.2014 X R 15/10, BFHE 247, 8; Urteil des FG Neustadt vom 22.11.1995 5 K 1802/95).

Bei einer Äußerung eines Finanzamts zu § 125 AO ist allerdings stets zu prüfen, ob es damit tatsächlich eine Feststellung gemäß § 125 Abs. 5 AO treffen wollte, oder nur seine Rechtsansicht dargestellt hat (vgl. BFH-Urteil vom 07.10.1997 VIII R 4/96, BFH/NV 1998, 1195; BFH-Urteil vom 20.08.2014 X R 15/10, BFHE 247, 8).

Der Einspruchsentscheidung vom 28.03.2012 ist keine Feststellung entsprechend § 125 Abs. 5 AO zu entnehmen. Dagegen spricht schon der Tenor der Entscheidung, die ausdrücklich nur - neben der Verbindung der Einsprüche zu Einkommen- und Umsatzsteuer 2002 - die Zurückweisung des Einspruchs enthält. Hinzu kommt, dass auch die enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung:nur die Entscheidung über den Einspruch abdeckt und nicht eine - damit verbundene - Entscheidung nach § 125 Abs. 5 AO, gegen die ihrerseits der Einspruch statthaft gewesen wäre (§ 347 Abs. 1 AO). Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass auch die ausführlichen Erläuterungen in der Einspruchsentscheidung zur (fehlenden) Nichtigkeit keinerlei Bezug auf § 125 Abs. 5 AO nehmen und auch an keiner Stelle eine Feststellung zur Nichtigkeit angesprochen wird. Der einleitende Satz „Die angefochtenen Bescheide sind nicht nichtig“ kann daher nur als Einleitung einer Darstellung der Rechtsauffassung des Finanzamts verstanden werden.

Die Feststellungsklage ist auch begründet.

Nach § 125 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ist ein Verwaltungsakt - und damit auch ein Steuerbescheid - nur dann nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies außerdem bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Diese Voraussetzungen sind nur ausnahmsweise gegeben; in der Regel ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt lediglich anfechtbar. Um das Anfechtungserfordernis im Interesse der Rechtssicherheit nicht zu beeinträchtigen, hat die Rechtsprechung einen besonders schwerwiegenden Fehler nur angenommen, wenn er die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann, den ergangenen Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muss anhand der jeweiligen für das Verhalten der Behörde maßgebenden Rechtsvorschrift beurteilt werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.12.2000 I R 50/00, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381, m.w.N.).

Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, zu der die Finanzbehörden insbesondere bei Verletzung von Mitwirkungspflichten berechtigt und verpflichtet sind, verlangt die Berücksichtigung aller für die anzuwendende Steuerrechtsnorm einschlägigen Umstände. Die Vorschriften über die Schätzung erlauben es, Tatsachenfeststellungen mit einem geringeren Grad an Überzeugung zu treffen, als dies in der Regel (nach § 88 AO) geboten ist (sog. Reduzierung des Beweismaßes; vgl. BFH-Urteile vom 15.02.1989 X R 16/86, BFHE 156, 38, BStBl II 1989, 462; vom 14.08.1991 X R 86/88, BFHE 165, 458, BStBl II 1992, 128). Der Grad der grundsätzlich erforderlichen Gewissheit („Überzeugung“) reduziert sich in der Weise, dass der Sachverhalt aufgrund von Wahrscheinlichkeitserwägungen festgestellt werden darf. Dies bedeutet, dass sich das Gericht hinsichtlich nicht feststehender Tatsachen über gegebene Zweifel hinwegsetzen kann. Stets ist freilich vorauszusetzen, dass die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder nicht berechnet werden können (§ 162 Abs. 1 AO). Andererseits ist das gewonnene Schätzungsergebnis nur dann schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig (vgl. BFH-Beschluss vom 28.03.2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217, m.w.N. der Rechtsprechung), wenn feststehende Tatsachen berücksichtigt werden.

Eine Schätzung erscheint nicht schon deswegen als rechtswidrig, weil sie von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht; solche Abweichungen sind notwendig mit einer Schätzung verbunden, die in Unkenntnis der wahren Gegebenheiten erfolgt. Die Schätzung erweist sich vielmehr erst dann als rechtswidrig, wenn sie den durch die Umstände des Falles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Wird die Schätzung erforderlich, weil der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - seiner Erklärungspflicht nicht genügt, kann sich das FA an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, weil der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will. Verlässt eine überzogene Schätzung diesen Rahmen, hat dies im Allgemeinen nur die Rechtswidrigkeit der Schätzung, nicht aber bereits ihre Nichtigkeit zur Folge. Nichtigkeit ist selbst bei groben Schätzungsfehlern, die auf der Verkennung der tatsächlichen Gegebenheiten oder der wirtschaftlichen Zusammenhänge beruhen, regelmäßig nicht anzunehmen (BFH-Urteil vom 20.12.2000 I R 50/00, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381). Etwas anderes gilt, wenn sich das FA nicht nach dem Auftrag des § 162 Abs. 1 AO an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen geschätzt hat. Willkürmaßnahmen, die mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung schlechterdings nicht zu vereinbaren sind, können einen besonders schweren Fehler i.S. von § 125 Abs. 1 AO abgeben (BFH-Urteil vom 20.12.2000 I R 50/00, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381).

Willkürlich und damit nichtig i.S. von § 125 Abs. 1 AO ist ein Schätzungsbescheid nicht nur bei subjektiver Willkür des handelnden Bediensteten. Auch wenn das Schätzungsergebnis trotz vorhandener Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären und Schätzungsgrundlagen zu ermitteln, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden, wenn somit ein „objektiv willkürlicher“ Hoheitsakt vorliegt, ist Nichtigkeit i.S. von § 125 Abs. 1 AO gegeben. Es ist dann davon auszugehen, dass die Schätzung nicht mehr mit der Rechtsordnung und den diese Ordnung tragenden Prinzipien in Einklang steht, da das FA grundsätzlich gehalten ist, diejenigen Erkenntnismittel, deren Beschaffung und Verwertung ihm zumutbar und möglich gewesen wäre, auszuschöpfen (BFH-Urteil vom 15.03.2002 X R 33/99, HFR 2002, 963). Selbst wenn derartige Erkenntnismöglichkeiten und auch andere geeignete Anhaltspunkte für die Schätzung fehlen, muss es Ziel der Schätzung sein, die Besteuerungsgrundlagen annähernd zutreffend zu ermitteln. Die Schätzung darf nicht dazu verwendet werden, „die Steuererklärungspflichtverletzung zu sanktionieren und den Kläger zur Abgabe der Erklärungen anzuhalten“ (BFH-Urteil vom 15.03.2002 X R 33/99, HFR 2002, 963); „Strafschätzungen“ eher enteignungsgleichen Charakters gilt es zu vermeiden.

Im Rechtsstaat bleibt dem irrationalen Verwaltungsakt die Gültigkeit verwehrt. Anders als ein auf rationalem Verwaltungshandeln beruhender, fehlergeprägter Verwaltungsakt verletzt ein irrationaler, auf unvertretbaren Sachverhaltsannahmen oder Rechtsauslegungen beruhender Verwaltungsakt als objektiv willkürliches Verhalten der Finanzbehörde die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so hohem Maße, dass ihm jede Verbindlichkeit abzusprechen ist (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz).

Auch wenn die Sachverhaltsermittlung erschwert ist und der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletzt, kann sich die Behörde nicht auf eine „Schätzung ins Blaue hinein“ zurückziehen, sondern muss seiner Verpflichtung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO) genügen, indem es den fragmentarisch bekannten Sachverhalt als Basis einer Schätzung zugrunde legt und in nachvollziehbarer Weise Schlüsse auf die unbekannten Sachverhaltselemente zieht. Dabei darf sie nicht einseitig nur Aspekte zulasten des Steuerpflichtigen in seine Schätzung einstellen, sondern muss auch naheliegende Möglichkeiten zugunsten des Steuerpflichtigen mitberücksichtigen (vgl. auch BFH-Urteil vom 15.05.2002 X R 33/99, HFR 2002, 963, Rn. 20).

Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die vom Finanzamt angesetzte Steuerlast „per se“ absurd hoch ist, oder in vergleichbaren Konstellationen vollkommen unrealistisch ist. Willkürlich ist eine Schätzung, deren Annäherungsgrad an die Realität - bzw. Abweichung von der Realität - im konkreten Fall unvertretbar ist.

Die angegriffene Schätzung ist objektiv willkürlich, da sich den Akten des Finanzamts keinerlei Schätzungserwägungen entnehmen lassen. Vielmehr ist offenkundig, dass das Finanzamt naheliegende Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung, insb. die Auswertung der eidesstattlichen Versicherung vom 28.05.2002, unterlassen hat.

Die angesetzten Besteuerungsgrundlagen weichen auch eklatant von den bereits damals ermittelbaren Tatsachen ab. So ist aus den Akten in keiner Weise nachvollziehbar, wie von durchschnittlichen Monatsvoranmeldungen in Höhe von rund 700 € (aufs Jahr 8.400 €) auf 15.000 geschlossen wurde. Die nachträglich gegebene Erklärung „Anlaufschwierigkeiten“ wird durch die dem Finanzamt schon damals zur Verfügung stehende eidesstattliche Versicherung widerlegt, aus der sich jedenfalls länger anhaltende „Anlaufschwierigkeiten“ aufdrängen (Einzelumsatz in Höhe von nur 300 € als Außenstand, nur zwei weitere Aufträge für die folgenden drei Monate bekannt). Für einen „Aufschlag“ in Höhe von 80% auf den fortgeschriebenen Mittelwert fehlt eine erkennbare Veranlassung. Die Diskrepanz zu den vorangemeldeten Umsätzen wird noch extremer, wenn man die Werte aus der eidesstattlichen Versicherung (300 € im Mai, ähnliche Höhe für Juli und August) ansetzt.

Aus den Akten sind keinerlei Hinweise dafür ersichtlich, dass sich der Kläger dem Zugriff des Finanzamts entziehen wollte, um eine Steuerhinterziehung zu verheimlichen. Seine Voranmeldungen hat er entrichtet, obwohl sich hieraus insgesamt eine (geringe) Zahllast ergab.

Der Kläger hat den Anlass zur Schätzung gegeben und muss deswegen grundsätzlich auch grobe Schätzungsfehler akzeptieren (BFH-Urteil vom 20.12.2000 I R 50/00, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381), sofern das Finanzamt eine rational begründbare Schätzung durchführt. Ebenso hat er hier die damit einhergehenden Nachteile einer öffentlichen Zustellung selbst zu tragen, da u.a. die Erfüllung seiner Erklärungspflicht gemäß § 18 Umsatzsteuergesetz seinen Aufenthaltsort offenbart hätte. Dennoch darf das Finanzamt das Instrument der öffentlichen Zustellung nicht nutzen, um im Hinblick auf nicht zu erwartenden Widerspruch einseitige Strafschätzungen zu erlassen.

Da dem Finanzamt bei Erlass des Schätzungsbescheides bereits bekannt war, dass dieser nur durch öffentliche Zustellung bekannt gegeben werden konnte und die Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers daher von vorneherein stark eingeschränkt waren, hätte das Finanzamt die Schätzungsgrundlagen genauer ermitteln (z.B. durch Nachfrage bei den aus der eidesstaatlichen Versicherung bekannten Auftraggebern), die frei verfügbaren Unterlagen sichten und sein Vorgehen genauer dokumentieren müssen, um seiner Verpflichtung, den Sachverhalt auch zugunsten des Steuerpflichtigen zu ermitteln (§ 88 Abs. 2 AO), zu genügen und dem Anschein einer einseitigen „Strafschätzung“ zu entgehen. Wenn es den Verwaltungsaufwand unter Aufwand-Ertrags-Überlegungen geringhalten wollte, so hätte es jedenfalls nicht einseitig zulasten des Klägers von „Anlaufschwierigkeiten“ ausgehen dürfen.

Die Summe der Unterlassungen sind mit den Erwartungen an eine ordnungsgemäße Verwaltung nicht mehr zu vereinbaren. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein bewusstes Fehlverhalten des Sachbearbeiters vorliegt, da äußerlich eine bewusste Strafschätzung nicht von einer nur auf Nachlässigkeit beruhenden weit überzogenen Schätzung zu unterscheiden ist. Eine solche Nachlässigkeit wird exemplarisch belegt durch die fehlerhafte Aussage in der Einspruchsentscheidung zu den gewährten Vorsteuerbeträgen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we
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published on 20/08/2014 00:00

Tatbestand 1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wenden sich gegen die Anpassung ihres Einkommensteuerbescheids 1994 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenord
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Annotations

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
4.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Gegen Verwaltungsakte

1.
in Abgabenangelegenheiten, auf die dieses Gesetz Anwendung findet,
2.
in Verfahren zur Vollstreckung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu vollstrecken sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, auf die dieses Gesetz nach § 164a des Steuerberatungsgesetzes Anwendung findet,
4.
in anderen durch die Finanzbehörden verwalteten Angelegenheiten, soweit die Vorschriften über die außergerichtlichen Rechtsbehelfe durch Gesetz für anwendbar erklärt worden sind oder erklärt werden,
ist als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft. Der Einspruch ist außerdem statthaft, wenn geltend gemacht wird, dass in den in Satz 1 bezeichneten Angelegenheiten über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

(2) Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften des Siebenten Teils finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
4.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
4.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(2) Die Finanzbehörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.

(3) Zur Gewährleistung eines zeitnahen und gleichmäßigen Vollzugs der Steuergesetze können die obersten Finanzbehörden für bestimmte oder bestimmbare Fallgruppen Weisungen über Art und Umfang der Ermittlungen und der Verarbeitung von erhobenen oder erfassten Daten erteilen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist. Bei diesen Weisungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden. Die Weisungen dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Weisungen der obersten Finanzbehörden der Länder nach Satz 1 bedürfen des Einvernehmens mit dem Bundesministerium der Finanzen, soweit die Landesfinanzbehörden Steuern im Auftrag des Bundes verwalten.

(4) Das Bundeszentralamt für Steuern und die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes können auf eine Weiterleitung ihnen zugegangener und zur Weiterleitung an die Landesfinanzbehörden bestimmter Daten an die Landesfinanzbehörden verzichten, soweit sie die Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zuordnen können. Nach Satz 1 einem bestimmten Steuerpflichtigen oder einem bestimmten Finanzamt zugeordnete Daten sind unter Beachtung von Weisungen gemäß Absatz 3 des Bundesministeriums der Finanzen weiterzuleiten. Nicht an die Landesfinanzbehörden weitergeleitete Daten sind vom Bundeszentralamt für Steuern für Zwecke von Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b bis zum Ablauf des 15. Jahres nach dem Jahr des Datenzugangs zu speichern. Nach Satz 3 gespeicherte Daten dürfen nur für Verfahren im Sinne des § 30 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b sowie zur Datenschutzkontrolle verarbeitet werden.

(5) Die Finanzbehörden können zur Beurteilung der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen und Prüfungen für eine gleichmäßige und gesetzmäßige Festsetzung von Steuern und Steuervergütungen sowie Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen automationsgestützte Systeme einsetzen (Risikomanagementsysteme). Dabei soll auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung berücksichtigt werden. Das Risikomanagementsystem muss mindestens folgende Anforderungen erfüllen:

1.
die Gewährleistung, dass durch Zufallsauswahl eine hinreichende Anzahl von Fällen zur umfassenden Prüfung durch Amtsträger ausgewählt wird,
2.
die Prüfung der als prüfungsbedürftig ausgesteuerten Sachverhalte durch Amtsträger,
3.
die Gewährleistung, dass Amtsträger Fälle für eine umfassende Prüfung auswählen können,
4.
die regelmäßige Überprüfung der Risikomanagementsysteme auf ihre Zielerfüllung.
Einzelheiten der Risikomanagementsysteme dürfen nicht veröffentlicht werden, soweit dies die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung gefährden könnte. Auf dem Gebiet der von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern legen die obersten Finanzbehörden der Länder die Einzelheiten der Risikomanagementsysteme zur Gewährleistung eines bundeseinheitlichen Vollzugs der Steuergesetze im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen fest.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.