Finanzgericht Nürnberg Beschluss, 12. Apr. 2018 - 2 V 1532/17

published on 12/04/2018 00:00
Finanzgericht Nürnberg Beschluss, 12. Apr. 2018 - 2 V 1532/17
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Tenor

1. Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 2010 bis 2013 vom 14.06.2017 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens aufgehoben. Die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids für 2014 vom 14.06.2017 wird für die Dauer des Einspruchsverfahrens aufgehoben (nach Aktenlage in Höhe von 1.797,26 €) und im Übrigen ausgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

I.

Streitig sind Zuschätzungen nach einer Betriebsprüfung.

Der Antragsteller betrieb in den Streitjahren (und betreibt bis heute) u.a. eine Kaffeebar nach italienischem Vorbild in der Innenstadt.

Der Antragsteller wohnt derzeit – entgegen seiner eigenen Angabe in der Klageschrift – ausweislich der Meldedaten der Stadt an der A. Straße 1, 1; die in der Antragsschrift angegebene Adresse ist die des Cafés.

Mit Änderungsbescheiden vom 14.06.2017 änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzungen der Streitjahre (Steuernummer …/…/…) zu Lasten des Antragstellers (2010 +7.136,38 €, 2011 +12.102,56 €, 2012 +13.535,14 €, 2013 +6.335,07 €, 2014 +11.153,33 €). Die Änderungen beruhen auf einer Außenprüfung; die angesetzten Werte entsprechen den Werten laut dem Betriebsprüfungsbericht vom 17.05.2017.

Der Betriebsprüfungsbericht vom 17.05.2017 führt nach umfangreichen allgemeinen Ausführungen zu den rechtlichen Anforderungen an Buchführung und Aufzeichnungen von Steuerpflichtigen als tatsächliche Feststellungen zum Unternehmen des Antragsteller nur auf, dass der Antragsteller seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz ermittle und anscheinend geführte „Strichlisten“ nicht alle Geschäftsvorfälle (wohl insb. außer-Haus-Verkäufe) erfassten. Im Bericht werden die Ergebnisse einer Getränkekalkulation für 2013 und 2014 verwendet, um Rohgewinnaufschläge zu ermitteln (2013: 311% und 2014: 310%), die anschließend auf die früheren Jahre übertragen werden (310%). In diese Rohaufschläge finden auch kalkulierte Erlöse für „Ciabatta“ und „Gebäck“ Eingang. Für diese findet sich eine einfache Kalkulation im Bericht, die anscheinend auf dem gebuchten Wareneinkauf ansetzt und mit einem Aufschlag von 80% operiert. Ausweislich des Berichts habe sich dieser Aufschlag aus „den Einkaufspreisen lt. Rechnung und den Verkaufspreisen lt.“ dem Antragsteller ergeben.

Der Bericht verweist anschließend auf eine Kalkulation des Antragstellers vom 02.05.2017, die nicht herangezogen werden könne. Dennoch sei glaubhaft gemacht worden, dass Gratisgetränke, Bruch etc. in der Kalkulation der Betriebsprüfung nicht ausreichend berücksichtigt worden seien und deswegen der Rohgewinnaufschlag auf 257% reduziert werde. Dadurch würden „sämtliche Gratisgetränke, Anpassungen des Mahlgrades der Kaffeemaschine, Bruch, etc. berücksichtigt“.

Der Antragsteller hat fristgerecht Einspruch erhoben, über den noch nicht entschieden worden ist. Den mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide hat das Finanzamt unter Verweis auf ein Schreiben des Finanzamts vom 05.09.2017 abgelehnt. Das Schreiben vom 05.09.2017 besteht neben Standardtextblöcken nur aus der per „Kopieren und Einfügen“ übernommene Stellungnahme des Betriebsprüfers vom 28.08.2017. Aus diesem Schreiben ergibt sich, dass der Antragsteller wohl bereits mit Schreiben vom 27.02.2017 zu den Punkten der Betriebsprüfung Stellung genommen und dabei eine eigene – von der späteren eigenen deutlich abweichende – Kalkulation vorgelegt hat. Die dieser Kalkulation zugrundeliegenden vom Antragsteller „rekonstruierten Preise“ der Jahre 2013 und 2014 hat die Betriebsprüfung daraufhin übernommen.

Am 05.10.2017 hat der Antragsteller 40.906,41 € unter Angabe seiner Steuernummer und den Worten „unter Vorbehalt“ überwiesen. Er hat dazu am 09.10.2017 dem Finanzamt mitgeteilt, dass er diesen Betrag nur aus einer kürzlich erhaltenen Erbschaft habe aufbringen können und angesichts der Steuerforderungen seinen Betrieb sonst „liquidieren“ müsse.

Ausweislich der in den vorgelegten Akten befindlichen Abfragen der offenen Steuerverbindlichkeiten („O-Abfragen) zum 12.09.2017 und zum 11.10.2017 ist dieser Betrag auf die streitige Umsatzsteuer verbucht worden; offen sind danach zum 11.10.2017 unter dieser Steuernummer nur noch neben Umsatzsteuer 2014 in Höhe von 9.356,17 € Nebenleistungen zur Umsatzsteuer sowie in geringem Umfang Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer zur Lohnsteuer.

Am 13.12.2017 hat der Antragsteller bei Gericht beantragt,

die Änderungsbescheide vom 14.06.2017 (u.a.) über Umsatzsteuer der Jahre 2010 bis 2014 in vollem Umfang von der Vollziehung „auszusetzen“.

Er begründet dies im Wesentlichen damit, dass die besonderen Verhältnisse des geprüften Betriebes in der Schätzung nicht (ausreichend) berücksichtigt worden seien.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzuweisen und begründet dies im Wesentlichen damit, dass alle Einwendungen des Antragstellers ausreichend berücksichtigt worden seien.

Das Finanzamt hat eine Umsatzsteuerakte vorgelegt, in der die Streitjahre und den Streitgegenstand betreffend ausschließlich die Steuererklärungen der Jahre 2010 und 2011 enthalten sind. Für die Jahre 2012 und 2014 enthält die Umsatzsteuerakte nichts. Des Weiteren hat das Finanzamt eine Gewerbesteuerakte vorgelegt. Hier sind die Gewinnermittlungen für das Café für die Streitjahre abgelegt; Informationen zur Betriebsprüfung sind dort nicht enthalten. In der ebenfalls vorgelegten Akte zur gesonderten Feststellung der Einkünfte unter der Steuernummer …/…/… findet sich zum Café neben der Erklärung für 2010 und dem Ausdruck der elektronischen Erklärung für 2011 nur der Hinweis auf eine umsatzsteuerliche Organschaft mit einem weiteren Café in 2 (Organtochter; Schreiben des Antragstellers vom 23.05.2014). In der vorgelegten Betriebsprüfungsakte ist nur der Bericht vom 17.05.2017 abgeheftet. In der ebenso vorgelegten Rechtsbehelfsakte finden sich neben den bereits genannten Schriftstücken (O-Abfragen, Schreiben vom 28.08.2017, 05.09.2017, 13.09.2017 und 09.10.2017) nur die Einspruchsschreiben und standardisierte Rücknahmeaufforderungen und eine „Ergebnisanzeige“.

II.

Der Antrag ist begründet. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts und der präsenten Beweismittel ernsthafte Zweifel.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10.02.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 14/14, BFH/NV 2014, 999).

2. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, da das Finanzamt die steuererhöhenden Tatsachen nicht glaubhaft gemacht hat.

Das Finanzamt trägt die Feststellungslast für steuererhöhende Tatsachen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 05.11.1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, BStBl II 1971, 220).

Es ist dabei nicht Aufgabe der Gerichte im Vollziehungsaussetzungsverfahren, einen unvollständig begründeten und bestrittenen Steueranspruch durch eigene Ermittlungen zu belegen (vgl. schon BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443).

Ist dem Gericht im Aussetzungsverfahren eine sachliche Entscheidung der Frage unmöglich, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vorliegen, weil die Besteuerungsgrundlagen dem Antragsteller nicht in einem für die Rechtsverteidigung ausreichenden Umfang mitgeteilt worden sind, so begründet dies bereits für eine Aussetzung ausreichende ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit im Sinne des § 69 Abs. 2 und 3 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 04.04.1978 VII R 71/77, BFHE 125, 20, BStBl II 1978, 402-404).

Dasselbe gilt, wenn die Ergebnisse einer Betriebsprüfung zwar anscheinend mit dem Steuerpflichtigen erörtert wurden, sich diese aber nicht nachvollziehbar dokumentiert in den dem Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegten Akten finden. Auch dann ist es dem Gericht unmöglich, die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen zu bewerten.

Zwar muss nicht in allen Fällen die schlüssige Begründung des Steueranspruchs bereits im Steuerbescheid selbst erfolgen. Es kann auch die Bezugnahme auf einen bekanntgemachten Prüfungsbericht genügen, sofern dieser so viele Angaben enthält, dass sich das Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein Bild von dem geltend gemachten Anspruch machen kann (BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443).

Bei einer Schätzung gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) muss das Finanzamt daher – auch im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes – ausreichende Belege vorlegen, die Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des Finanzamts ausräumen und zudem seine Schätzung der Höhe nach durch die Offenlegung einer nachvollziehbaren Kalkulation substantiieren. Dafür müssen sowohl die verwendeten Ausgangszahlen (in der Regel die Buchungskonten), als auch der Kalkulations Weg nachvollziehbar dargestellt werden, damit das Finanzgericht in die Lage versetzt wird, seine eigene Schätzungsbefugnis auszuüben. Dies wird in der Regel dadurch gewährleistet werden, dass der Sachbearbeiter in der Rechtsbehelfsstelle seinerseits die Kalkulation der Betriebsprüfung nachvollzieht und überprüft und dies in der Rechtsbehelfsakte dokumentiert. Dadurch gewährleistet er, dass dem Gericht die maßgeblichen Dokumente vorgelegt werden, anhand derer es selbst die Eröffnung einer Schätzungsbefugnis nachprüfen und diese sachgerecht ausüben kann.

Im Streitfall ist in den vorgelegten Akten weder ein Beleg für eine Schätzungsbefugnis des Finanzamt dokumentiert, noch lässt sich die Kalkulation – nicht einmal in Grundzügen – überprüfen.

3. Die Aussetzungsanordnung war trotz der sich aus dem Schreiben vom 09.10.2017 ergeben Zweifel an der Realisierung der Steuerforderung nicht von der Leistung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.

In der Regel rechtfertigt eine Gefährdung des Steueranspruchs die Anordnung einer Sicherheitsleistung. Allerdings ist von dieser trotzdem abzusehen, wenn und soweit mit Gewissheit oder doch mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (BFH-Beschluss vom 22.12.1969 V B 115-116/69, BFHE 97, 240, BStBl II 1970, 127). Davon ist für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes auch auszugehen, wenn der Sachverhalt, aus dem ein Steueranspruch hergeleitet werden soll, vom Finanzamt unvollständig, widersprüchlich oder auch so ungeordnet vorgetragen wird, dass die rechtliche Subsumtion Schwierigkeiten bereitet. Das Finanzamt muss sich, soweit es die Feststellungslast trägt, im Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung entgegenhalten lassen, dass der von ihm geltend gemachte Steueranspruch nicht schlüssig aus dem vorgetragenen Sachverhalt hergeleitet werden kann (BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443; BFH-Beschluss vom 30.07.1997 I B 141-142/96, BFH/NV 1998, 84).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
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published on 19/03/2014 00:00

Tatbestand 1 I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Unternehmerin. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin war A,
published on 07/09/2011 00:00

Tatbestand 1 I. Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Aussetzung der Vollziehung (AdV) streitig, ob und in welcher Höhe die Antragstelle
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Annotations

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.