Finanzgericht München Urteil, 19. Dez. 2017 - 2 K 3421/16

published on 19/12/2017 00:00
Finanzgericht München Urteil, 19. Dez. 2017 - 2 K 3421/16
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Die Kläger sind verheiratet und werden beim Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten im Streitjahr 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie sonstige Einkünfte.

Mit Bescheid vom 30. September 2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für 2011 auf 7.328 € fest.

Am 4. November 2013 erging gegenüber den Klägern eine Mahnung des Beklagten, da laut dem Einkommensteuerbescheid für 2011 zu wenig Einkommensteuer für 2011 entrichtet wurde.

Am 9. Januar 2014 wies die zuständige Veranlagungssachbearbeiterin die Prozessbevollmächtigte telefonisch darauf hin, dass ihr ein Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid der Kläger für 2011 nicht vorliege.

Mit Telefax vom 9. Januar 2014 übersandte die Prozessbevollmächtigte u.a. eine Kopie eines Einspruchsschreibens vom 11. Oktober 2013 gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 mit dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sowie eine Ablichtung der bei DATEV geführten Benutzeroberfläche „Ablage“ der Kläger (und trug vor, dass der Postversand am Freitag, 11. Oktober 2013, erfolgt sei. Bei der Ablichtung handele es sich um einen Ausdruck aus dem Fristenbuch der Kanzlei.

Am 16. Januar 2014 wies der Beklagte die Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf hin, dass er das Schreiben vom 9. Januar 2014 als Antrag auf Wiedereinsetzung werte, da das Einspruchsschreiben vom 11. Oktober 2013 erst am 9. Januar 2014 eingegangen sei. Anhaltspunkte für einen früheren Eingang des Einspruchsschreibens ließen sich aus den Steuerakten nicht entnehmen. Gleichzeitig wies der Beklagte u.a. auf die zu beachtende Frist des § 110 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und deren Beginn mit Wegfall des Hindernisses hin. Es bestünde aufgrund der Mahnung im November 2013 Zweifel daran, ob die Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags nicht bereits abgelaufen sei. Hinsichtlich der Behauptung der fristgerechten Absendung seien genaue Angaben erforderlich, wann und an welchen Tag und zu welcher Uhrzeit, in welcher Weise und von welcher Person der Schriftsatz zur Post gegeben worden sei. Die vorgelegte Ablichtung „Ablage“ erfülle diese Voraussetzungen nicht. Zudem sei die Organisation der Fristenkontrolle nach Art und Umfang darzulegen sowie die Angaben durch geeignete Beweismittel zu belegen. Dazu seien die Abgabe detaillierter eidesstattlicher Versicherungen der mit der Anfertigung und Absendung des Schriftsatzes unmittelbar befassten Personen und die Vorlage von Auszügen aus dem Fristenkontrollbuch und dem Postausgangsbuch erforderlich. Zudem sei ein Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen nach Ablauf der Antragsfrist unzulässig.

Am 4. Februar 2014 erwiderte die Prozessbevollmächtigte, dass die interne Organisation und Dokumentation der Prozessbevollmächtigten durch die unveränderbaren Einträge im Postausgangsbuch den Versand des Einspruchsschreibens belege, und übersandte eine eidesstattliche Versicherung des bei ihr tätigen Steuerberaters H -„Hiermit bestätige ich an Eides statt, dass ich das Einspruchsschreiben gegen den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag vom 30.09.2013 verfasst, ausgedruckt und unterzeichnet habe.“- und eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin, L, mit dem Inhalt: „Hiermit bestätige ich an Eides statt, das Einspruchsschreiben gegen den Bescheid für 2011 über Einkommensteuer …vom 30.09.2013 mit Unterschriftsdatum 11.10.2013 versandbereit am 11.10.2013 um 13.10 Uhr bei der Postfiliale … .., in den Briefkasten der Deutschen Post eingeworfen“ zu haben.

Im Juli 2016 teilte die Prozessbevollmächtigte dem Beklagten mit, dass der geforderte Nachweis -eine Kopie des elektronischen Postausgangsbuchsnicht eingereicht werden könne, da durch einen internen Fehler des Bearbeiters der Postausgang in der EDV nicht abgeschlossen worden sei (vgl. Aktenvermerk des Beklagten).

Mit Einspruchsentscheidung vom 25. November 2016 lehnte der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und verwarf den Einspruch der Kläger als unzulässig.

Ihre dagegen gerichtete Klage begründen die Kläger im Wesentlichen mit Folgendem: Die Prozessbevollmächtigte habe in einem Telefonat am 7. Oktober 2013 der zuständigen Veranlagungsbeamtin mitgeteilt, dass Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 eingelegt werde. Der Einspruch sei dann am 11. Oktober 2013 erfolgt.

Zwar tauche das Einspruchsschreiben im Postausgangsbuch der Prozessbevollmächtigten nicht auf. Es müsse hier menschliches Versagen beim Bedienen der Kanzleisoftware unterstellt werden. Die Daten des Einspruchsschreibens seien irrtümlicher Weise nicht an das elektronische Postausgangsbuch übergeben worden.

Dies allein könne aber nicht dazu führen, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Postausgang der Prozessbevollmächtigten sei am 11. Oktober 2013 absolut überschaubar gewesen. Sämtliche Dokumente von diesem Tag hätten die Kanzlei, soweit sie für den Postausgang vorgesehen gewesen seien, spätestens 10 Tage nach Erstellung des Dokuments verlassen; zu versendende Dokumente seien sofort taggleich versandt worden. Es widerspreche jeder Lebenserfahrung, dass ausgerechnet das streitgegenständliche Dokument nicht am 11. Oktober 2013 zur Post gegeben worden sein solle. Zudem sei das Einspruchsschreiben am Montag, 14. Oktober 2013, an die Kläger übersandt worden und im Postausgangsbuch festgeschrieben worden.

Der Arbeitsablauf „Erstellen und Versenden eines Dokuments“ stelle sich wie folgt dar: Der Sachbearbeiter erstelle das Dokument, archiviere es unter der Maske „Ablage“ und hinterlege die Daten zum abzuspeichernden Dokument. Im Anschluss daran gebe der Sachbearbeiter das Dokument an das Postausgangsbuch weiter durch Drücken des Buttons „Postausgang anlegen“ und speichere es mit dem Button „speichern“ ab. Dann drucke der Sachbearbeiter das Dokument zur Unterschrift aus und lege es in den physischen Postausgangskorb der Prozessbevollmächtigten. Gegen Ende des Arbeitstages bearbeite der Postausgangssachbearbeiter den physischen Postausgangskorb und schreibe die im Postausgangsbuch enthaltenen Datensätze fest. Dann bringe der Postausgangssachbearbeiter die Tagespost zum Briefkasten. Üblicherweise werde der Postausgang am nächsten Arbeitstag versandt. Der weitaus größte Teil der Tagespost werde am Dorfbriefkasten in … aufgegeben, der bereits im Laufe des Nachmittags und somit vor Arbeitsende in der Kanzlei geleert werde.

Die Kläger beantragen,

unter Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Einspruchsentscheidung vom 25. November 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung trägt er ergänzend vor, dass der im Klageverfahren vorgetragene Sachverhalt vom bisherigen Sachvortrag abweiche.

Nunmehr habe Steuerberater H die Übernahme ins elektronische Postausgangsbuch nicht vorgenommen. Lt. Anlage IX des Klageschriftsatzes vom 14. Februar 2017 sei dagegen ein Postausgang vermerkt. Die Schilderung dieses Vorgangs sei zeitlich weit nach dem Wegfall des Hindernisses, der Kenntnisnahme der versäumten Frist am 9. Januar 2014, und damit nach Verstreichen der Monats- und Jahresfrist des § 110 Abs. 2 und Abs. 3 AO erfolgt.

Eine genaue Schilderung der Prozessbevollmächtigten zur Fristenkontrolle und der Postausgangskontrolle fehle, insbesondere sei nicht vorgetragen worden, wer die Einspruchsfrist als erledigt ausgetragen habe. Ob die Fristen des § 110 Abs. 2 und 3 AO ins Fristenbuch eingetragen worden seien, sei ebenfalls nicht nachgewiesen.

Ein Nachweis der Übergabe des Einspruchsschreibens in den physischen Postausgangskorb liege nicht vor.

Ein Nachweis der Aufgabe zur Post liege ebenfalls nicht vor. Die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten über das tatsächliche Verbringen gerade des Einspruchsschreibens vom 11. Oktober 2013 zur Post nach knapp vier Monaten sei nicht glaubhaft, auch wenn der Postausgang an diesem Tag überschaubar gewesen sei. Ob es innerhalb der Kanzlei keine weiteren Fristversäumnisse gegeben habe, sei nicht belegbar. Tatsache sei aber, dass das Schreiben des Beklagten nicht zeitnah beantwortet worden seien.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Zu Recht hat der Beklagte hinsichtlich des bei ihm verspätet eingegangenen Einspruchsschreibens vom 9. Januar 2014 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO abgelehnt und den Einspruch der Kläger als unzulässig verworfen.

1. Im Streitfall haben die Kläger erst am 9. Januar 2014 und damit verspätet Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 30. September 2013 eingelegt.

Ein zeitnaher Zugang einer Einspruchsschrift zur behaupteten Absendung am 11. Oktober 2013 ist nicht nachgewiesen. Ein Einspruchsschreiben mit Datum vom 11. Oktober 2013 ist nicht in den Akten des Beklagten. Die Kläger tragen die Feststellungslast für den fristgerechten Eingang ihrer Einspruchsschrift (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 12/84, BStBl II 1988, 111).

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist den Klägern nicht zu gewähren gewesen.

a) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO). Ein Vertretener muss sich ein Verschulden seines Vertreters gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 AO zurechnen lassen. Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 110 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 AO). Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war (§ 110 Abs. 3 AO).

Hiernach schließt jedes Verschulden -also auch einfache Fahrlässigkeitdie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus.

Der Antragsteller muss innerhalb der Antragsfrist von einem Monat (§ 110 Abs. 2 Satz 1 AO) diejenigen Umstände darlegen, aus denen sich ergibt, dass ihn hinsichtlich der Versäumung der gesetzlichen Frist kein Verschulden trifft. Nach Ablauf der Frist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO können (selbständige) Wiedereinsetzungsgründe nicht mehr nachgeschoben werden. Jedoch können unklare oder unvollständige Angaben auch nach Ablauf der Antragsfrist noch erläutert oder ergänzt werden, sofern innerhalb der Frist der Kern der Wiedereinsetzungsgründe in sich schlüssig vorgetragen ist. Das erfordert eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Umstände innerhalb der Monatsfrist. Danach sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Zweck dieser Befristung ist die zügige und sachgemäße Behandlung eines Wiedereinsetzungsbegehrens, um die Unsicherheit, ob es bei den Folgen einer Fristversäumnis bleibt, in engen Grenzen zu halten. Der Antragsteller soll nicht neue, möglicherweise wechselnde Gründe vortragen können, für deren Glaubhaftmachung er sich bessere Erfolgsaussichten verspricht. Das spätere Nachschieben von Wiedereinsetzungsgründen ist daher nicht zulässig. Sollen wesentliche Lücken in der Sachverhaltsdarstellung nachträglich nach Fristablauf geschlossen werden, stellt dies ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 2015 V B 56/15, BFH/NV 2016, 222, unter II.2.b, m.w.N.).

Wer die Gewährung von Wiedereinsetzung wegen des Nichteingangs eines angeblich rechtzeitig abgesandten fristgebundenen Schreibens begehrt, muss genau darlegen, welche Person zu welcher Zeit (Tag, Uhrzeit) in welcher Weise (Einwurf in einen bestimmten Briefkasten oder Abgabe bei einer bestimmten Postfiliale) den Brief, in dem sich das fristgebundene Schreiben befunden haben soll, zur Post gegeben hat. Die Angaben sind durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 31. Januar 2017 IX R 19/16, BFH/NV 2017, 885, m.w.N.).

Der Finanzbehörde kann nicht vorgeworfen werden, sie hätte einen durch einen Vertreter der steuer- oder rechtsberatenden Berufe vertretenen Steuerpflichtigen innerhalb der Antragsfrist noch auf die Ergänzungsbedürftigkeit der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hinweisen müssen. Die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 110 Abs. 2 Satz 2 AO ist ausschließlich Sache des Antragstellers. Wenn dieser fachkundig vertreten ist, hat die Finanzbehörde den Antragsteller weder über den erforderlichen Inhalt des Wiedereinsetzungsgesuchs aufzuklären noch zur Ergänzung eines insoweit unzulänglichen Vortrags aufzufordern (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Mai 2000 III B 14/00, BFH/NV 2000, 1349, vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459 und vom 6. Dezember 2011 XI B 3/11, BFH/NV 2012, 707).

b) Hiervon ausgehend rechtfertigt bereits das tatsächliche Vorbringen innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO in den Schriftsätzen vom 9. Januar 2014 und vom 4. Februar 2014 nicht die Schlussfolgerung, dass die Prozessbevollmächtigte den Einspruch rechtzeitig abgesandt hat und die Kläger kein Verschulden an der Fristversäumnis trifft.

Als Nachweis für die Versendung der Einspruchsschrift kann die Prozessbevollmächtigte keinen Eintrag in ihrem Postausgangsbuch als präsentes Beweismittel vorweisen.

Dementsprechend hat die Prozessbevollmächtigte im Juli 2016 und später im Klageverfahren selbst eingeräumt, dass durch einen internen Fehler des bei ihr tätigen Steuerberaters H der Postausgang in der EDV nicht abgeschlossen worden ist und folglich eine Festschreibung in ihrem Postausgangsbuch nicht erfolgt ist.

Die eidesstattliche Versicherung der Postausgangsbearbeiterin L vom 4. Februar 2014 reicht zur Glaubhaftmachung der Absendung der Einspruchsschrift am 11. Oktober 2013 im Streitfall nicht aus. Im Verwaltungsverfahren befasste Berufsträger -wie hier: Steuerberater Hmüssen im Rahmen ihres Mandats eine sachgemäße Fristenkontrolle gewährleisten, z.B. durch Vermerke im Postausgangsbuch und im Fristenbuch als Nachweis der Absendung. Die Aufgabe eines Briefes zur Post kann im Regelfall nicht allein mit einer eidesstattlichen Versicherung einer Rechtsanwaltsfachangestellten glaubhaft gemacht werden, sondern es bedarf eines ordnungsgemäßen Postausgangsbuchs (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Februar 2011 X B 48/10, BFH/NV 2011, 993, und vom 28. November 2003 V R 3/03, BFH/NV 2004, 524).

Zudem sind nach vier Monaten (das ist der Zeitraum zwischen der Erstellung der Einspruchsschrift und Abgabe der eidesstattlichen Versicherung) die Angaben von Frau L nicht glaubhaft. Denn bei tatsächlicher Absendung der Einspruchsschrift am 11. Oktober 2013 hätte Frau L im Rahmen des an diesem Tag überschaubaren Postausgangs den Fehler des Steuerberaters H, d.h. die fehlende Abspeicherung der Einspruchsschrift im elektronischen Postausgangsbuch, bemerkt und hätte dies bei Abgabe ihrer eidesstattlichen Versicherung nicht unerwähnt gelassen. Hinzu kommt, dass nach vier Monaten nicht auszuschließen ist, dass Frau L den Vorgang mit dem Ausgang des Mandantenbriefs des Steuerberaters H an die Kläger samt Einspruchsschrift am 14. Oktober 2013 verwechselt hat.

Der Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung der rechtzeitigen Versendung der Einspruchsschrift anhand der Kopie eines Fristenkontrollbelegs reicht ebenfalls zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Absendung nicht aus. Ein Fristenkontrollbuch kann den Nachweis des Postausgangs nur dann erfüllen, wenn es den an das Postausgangsbuch gestellten Anforderungen genügt. Das im Klageverfahren vorgelegte Fristenkontrollbuch genügt diesen Anforderungen nicht, da es den Empfänger nicht benennt (vgl. BFH in BFH/NV 2004, 524, und in BFH/NV 2011, 993).

Darüber hinaus ist die Einspruchsfrist vor Austragung im Postausgangsbuch gelöscht worden. Übereinstimmende Vermerke im Postausgangsbuch (vgl. FG-Akte, Bl. 127) und im Fristenkontrollbuch als Nachweis der Absendung der Einspruchsschrift an den Beklagten (vgl. FG-Akte, Bl. 133) fehlen nachweislich.

c) Die Prozessbevollmächtigte hat innerhalb der Monatsfrist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO keine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen abgegeben. Der Fristlauf hat spätestens am 9. Januar 2014 begonnen und am 9. Februar 2014 geendet.

Die Prozessbevollmächtigte hat insbesondere nicht innerhalb der Monatsfrist offengelegt, dass Steuerberater H die von ihm erstellte Einspruchsschrift nicht in das elektronische Postausgangsbuch übertragen hat.

Ebenso wenig hat sie z.B. geschildert, wie die Einspruchsschrift in den physischen Postausgangskorb gelangt ist, wer die Einspruchsschrift kuvertiert hat und wer die Einspruchsfrist im Fristenbuch ausgetragen hat.

Diese aufgezeigten Lücken in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags können nach Ablauf der Frist des § 110 Abs. 2 Satz 1 AO nicht mehr geschlossen werden.

d) Darüber hinaus trifft die mit der Vertretung beauftragte Prozessbevollmächtigte ein Verschulden an der Fristversäumnis.

Macht der Bevollmächtigte selbst Fehler, kommt eine Wiedereinsetzung in der Regel nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2003 XI B 181/01, BFH/NV 2004, 526; und vom 26. Juli 2004 V B 188/03, BFH/NV 2004, 1663).

Bei Bevollmächtigten, die die Rechts- und Steuerberatung berufsmäßig ausüben, ist die Schilderung der Fristenkontrolle sowie der Postausgangskontrolle nach Art und Umfang erforderlich und diese glaubhaft zu machen. Zu den in Betracht kommenden objektiven präsenten Beweismitteln gehört bei Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe insbesondere die Eintragung der Frist in ein Fristenkontrollbuch, das Festhalten der Absendung fristwahrender Schriftstücke in einem Postausgangsbuch und das Löschen einer Frist auf der Grundlage der Ausgangseintragung im Postausgangsbuch. Bei einer Versendung durch die Post gehört zu einem zuverlässigen Kontrollsystem, dass zwischen dem Fristenkalender und dem Postausgangsbuch eine Übereinstimmung in der Weise sichergestellt wird, dass die Fristen im Kalender erst auf der Grundlage der Eintragungen im Postausgangsbuch gelöscht werden (vgl. BFH-Beschluss vom 17. November 2015 V B 56/15, BFH/NV 2016, 222, m.w.N.).

Der von der Prozessbevollmächtigten mit der Bearbeitung der Sache der Kläger betraute Steuerberater H hätte seine Sorgfalt darauf richten müssen, die an den Beklagten gerichtete Einspruchsschrift auch in das elektronische Postausgangsbuch am 11. Oktober 2013 abzuspeichern, die Einspruchsschrift körperlich in den Postausgangskorb zu legen und die Einspruchsfrist in der EDV der Kanzlei nicht vor Eintragung des Versands im Postausgangsbuch zu löschen.

Stattdessen hat Steuerberater H auch nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten ein an den Beklagten gerichtetes Einspruchsschreiben vom 11. Oktober 2013 gerade nicht unter „Postausgang anlegen“ abgespeichert. Da in der Dokumentenübersicht (vgl. FG-Akte, Bl. 65) ein Postausgangsdatum vom 11. Oktober 2013 vermerkt ist, ist nicht auszuschließen, dass Steuerberater H die Einspruchsschrift nur im Dokumentenmanagement erstellt hat, um diese dann nur als Anlage für den erst am 14. Oktober 2013 gefertigten Mandantenbrief an die Kläger beizufügen (vgl. FG-Akte, Bl. 99, Bl. 115). Der Ausgang des Mandantenschreibens ist dementsprechend im Postausgangsbuch am selben Tag festgeschrieben worden (vgl. vgl. FG-Akte, Bl. 99, Bl. 127).

Nachweislich ist nicht dargelegt, dass Steuerberater H eine an den Beklagten adressierte Einspruchsschrift körperlich in den Postausgangskorb und damit an die Postausgangssachbearbeiterin L weitergeben hat. Den eidesstattlichen Versicherungen des Steuerberaters H und der Bearbeiterin L ist nichts Anderes zu entnehmen. Ob die Einspruchsschrift körperlich in den physischen Postausgangskorb gelangt ist, ist schon deshalb zweifelhaft, da der Postausgangssachbearbeiterin der Fehler des Steuerberaters H bei dem übersichtlichen Postausgang am 11. Oktober 2013 aufgefallen wäre, wenn ihr die Einspruchsschrift physisch vorgelegen hätte.

Hinzu kommt, dass Steuerberater H bereits mit Erstellen der Einspruchsschrift am 11. Oktober 2013 um 9.37 Uhr (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 22. Mai 2017 Seite 3 unten, FG-Akte Bl. 44, 78 und 66) die Einspruchsfrist um 9.39 Uhr ausgetragen hat (vgl. Fristenkontrollbuch, Schriftsatz der Klägerin14. August 2017, Anlage 3).

Das Verschulden der Prozessbevollmächtigten in Gestalt des Steuerberaters H ist den Klägern zuzurechnen.

e) Im Juli 2016 ist zudem die Jahresfrist nach § 110 Abs. 3 AO ebenfalls bereits verstrichen gewesen. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist -also hier seit dem 4. November 2014- kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden (§ 110 Abs. 3 AO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. (2) Der Antrag ist innerhal
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(1) War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet die Finanzbehörde, die über die versäumte Handlung zu befinden hat.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.