Finanzgericht München Urteil, 03. Feb. 2016 - 2 K 1702/15

published on 03/02/2016 00:00
Finanzgericht München Urteil, 03. Feb. 2016 - 2 K 1702/15
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Streitig ist im Rahmen eines Berichtigungsverlangens des Klägers nach § 129 der Abgabenordnung (AO), ob der Gewinn aus selbständiger Arbeit um 5.747 € gemindert werden kann, weil eine für den Veranlagungssachbearbeiter erkennbare offenbare Unrichtigkeit erkennbar gewesen ist.

Der Kläger erzielte im Streitjahr als Gynäkologe selbständige Einkünfte. Die Praxis befindet sich in BL. Der private Wohnsitz des Klägers ist in B. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie Familienheimfahrten verwendete er ein betriebliches Kfz.

Am 11. Februar 2014 übermittelte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Daten der Feststellungserklärung 2012 des Klägers elektronisch an den Beklagten (das Finanzamt -FA-). Als tatsächliche Kraftfahrzeugkosten und andere Fahrtkosten waren unter der Kennziffer 140: 6.950,07 € angegeben (vgl. Feststellungsakte, Trennblatt Gewinnermittlung 2012, Bl. 4, 5).

Mit Schreiben vom 6. Mai 2014 bat der Veranlagungssachbearbeiter des FA den Prozessbevollmächtigten des Klägers, die Kraftfahrzeugkosten des Klägers zu erläutern, insbesondere um die ermäßigten Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung / Betrieb -hier: Familienheimfahrten-. Im Vorjahr seien hierfür 5.747 € angesetzt worden.

Am 6. Juni 2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Anlagenverzeichnis für das Jahr 2012 und wies darauf hin, dass er die übrigen Unterlagen und Informationen dem FA separat zukommen lasse. Am 13. Juni 2014 teilte er dem FA mit, dass bezüglich der Ansätze für die private Kfz-Nutzung, wie in den Vorjahren, ein Betrag von 5.047 € (wohl gemeint: 5.747 €) anzusetzen sei. Versehentlich seien bei der dem FA vorliegenden Aufstellung falsche Werte eingesetzt worden. Dazu legte er die Gewinnermittlung für 2011 bei (vgl. Feststellungsakte, Trennblatt: Gewinnermittlung 2012, Bl. 13 ff.).

Als tatsächliche Kraftfahrzeugkosten und andere Fahrtkosten erfasste der Veranlagungssachbearbeiter daraufhin unter der Kennziffer 140: 6.950,07 € und als Kraftfahrzeugkosten für Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte; Familienheimfahrten (pauschaliert oder tatsächlich) unter der Kennziffer 142: 5.747 € und setzte im Feststellungsbescheid 2012 vom 30. Juni 2014 die Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf 58.775,72 € fest.

Am 13. Februar 2015 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Feststellungsbescheid 2012 gemäß § 129 AO zu ändern. In der dem FA eingereichten Gewinnermittlung für das Jahr 2012 sei bereits ein Betrag von 4.300 € für Familienheimfahrten statt von 5.747 € ausgewiesen gewesen. Danach hätte unter Ansatz des Vorjahreswertes lediglich eine Gewinnkorrektur in Höhe von 1.447 € erfolgen dürfen. Der betriebliche Gewinn betrage demnach 54.475 €. Die im Feststellungsbescheid ausgewiesen Einkünfte seien dagegen mit 58.775 € festgestellt worden, so dass die Familienheimfahrten nochmals mit 5.747 € berücksichtigt worden seien.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2015 lehnte das FA die Änderung des Feststellungsbescheids 2012 ab, weil die Fehlerhaftigkeit der Angaben für das FA weder erkennbar noch die Unrichtigkeit offenbar gewesen sei. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2015 als unbegründet zurück.

Mit Klage wendet sich der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers trägt erneut vor, dass der Gewinn um 5.747 € auf 53.028,72 € zu mindern sei.

Mit Schriftsatz vom 11. August 2015 korrigierte der Prozessbevollmächtigte seinen Antrag und begehrt nun den Gewinn des Klägers auf 54.475 € festzustellen. Dem FA sei die Gewinnermittlung 2012, insbesondere der Kontennachweis zur EÜR 2012, übersandt worden. Der Sachbearbeiter hätte die bereits vorgenommene Kürzung um 5.747 € erkennen können.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 16. Februar 2015 und der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2015 das FA zu verpflichten, den Bescheid für 2012 über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zu ändern und Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 54.475 € festzustellen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dem FA habe entgegen der Darstellung des Klägers weder die Gewinnermittlung 2012 noch der Kontennachweis zur EÜR 2012 vorgelegen. Der Veranlagungssachbearbeiter habe bei der Veranlagung die Kürzung der Kraftfahrzeugkosten bewusst vorgenommen. Es habe sich dabei weder um einen Rechenfehler noch um ein Versehen gehandelt. Eine Änderung nach § 129 AO sei daher ausgeschlossen.

Auf die gerichtliche Anforderung vom 17. September 2015, den Kontennachweis zur EÜR 2012 vorzulegen, wird Bezug genommen.

II.

Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet (vgl. BFH-Urteil 13. Dezember 1983 VIII R 67/81, BStBl II 1984, 511).

1. Entgegen der Auffassung des Klägers scheidet § 129 AO als Rechtsgrundlage für die begehrte Korrektur aus.

a) Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.

Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht.

Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO– jenseits seines Wortlautsnach ständiger Rechtsprechung auch dann anwendbar, wenn die Finanzbehörde offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt. Unrichtigkeiten auf der Seite des Steuerpflichtigen sind offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ermöglicht § 129 AO dem Grunde nach die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten, die der Finanzbehörde beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen. Die Vorschrift gilt dagegen nicht für Versehen des Steuerpflichtigen oder eines anderen Beteiligten, es sei denn, ein solches Versehen wird von der Finanzbehörde als eigenes in den Verwaltungsakt übernommen. Bereits die von der Rechtsprechung anerkannte Berücksichtigung derartiger „Übernahmefehler“ geht über den Wortlaut der Norm hinaus; eine noch weiter gehende Berichtigung „vermeintlicher“ mechanischer Fehler, welche als solche gar nicht von § 129 AO erfasst sind, sondern lediglich aus Empfängersicht als offenbare Unrichtigkeiten erscheinen mögen, ist weder vom Wortlaut noch vom Zweck der Regelung des § 129 AO gedeckt (vgl. BFH-Urteil vom 16. September 2015 IX R 37/14, BStBl II 2015, 1040, m.w.N.).

b) Im Streitfall sind die Unrichtigkeiten auf der Seite des Klägers für den Veranlagungsbeamten nicht offenbar gewesen, da sie sich nicht ohne weiteres aus der Feststellungserklärung 2012, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben haben, insbesondere lag dem Veranlagungsbeamten bei der Veranlagung 2012 weder die Gewinnermittlung 2012 noch der Kontennachweis zur EÜR 2012 vor. Darauf hat das FA bereits mehrfach hingewiesen (Schreiben vom 17. März 2015, Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2015, Schriftsätze vom 1. September 2015 und vom 19. Oktober 2015). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dem FA mit Schreiben vom 13. Juni 2014 die Gewinnermittlung sowie den Kontennachweis zur EÜR 2011 vorgelegt. Daraus ist jedenfalls nicht erkennbar gewesen, dass der Prozessbevollmächtigte die Familienheimfahrten bereits mit (zunächst 4.300 € und nach Korrektur um) 5.747 € bei der Ermittlung der betrieblichen Kraftfahrzeugkosten berücksichtigt hat (vgl. die im Klageverfahren vorgelegten Kontennachweise zur EÜR 2012, FG-Akte, Bl. 27 f.).

§ 129 AO ist im Übrigen nach den oben genannten Grundsätzen dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Dies ist hier der Fall. Der Veranlagungssachbearbeiter hat sich nicht fehlerfrei bei seiner von ihm angestellten Berechnung (vgl. Feststellungsakte, Trennblatt Gewinnermittlung 2012, Bl. 6, 15) überlegt oder zumindest nicht weiter aufgeklärt, wieso die Kfz-Kosten von 6.950,07 € nach Abzug von 5.747 € nur noch 1.203,07 € betragen und ob das richtig sein könne.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die zutreffende weitere Begründung in der Einspruchsentscheidung vom 11. Juni 2015 verwiesen, vgl. § 105 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf § 90 Abs. 2 FGO. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch für den Fall der Übertragung auf die Einzelrichterin verzichtet.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
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published on 16/09/2015 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 4. Juni 2014  1 K 1333/12 sowie die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28. März 2012 aufgehoben.
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Annotations

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.