Finanzgericht München Urteil, 04. Dez. 2014 - 14 K 2827/11
Gericht
Tatbestand
I.
Streitig ist die zolltarifliche Einreihung der in den Nummern 73, 74, 75, 7, 8, 9, 10, 11, 14, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 117, 54, 55, 56, 57, 58, 59 und 60 der vom Hauptzollamt (HZA) vorgelegten Warenaufstellung (vgl. FG-Akte, Bl. 516 f.) aufgeführten Waren (verschiedene Modelle von Leuchtdioden).
Die Klägerin ist im Bereich des Handels, der Entwicklung und Fertigung elektronischer, elektrooptischer und optischer Komponenten, Geräte und System-Lösungen tätig. Sie führte in den Jahren 2007 bis 2009 mehrere Sendungen von Leuchtdioden in verschiedenen Ausführungen aus den USA, aus Korea, Japan und Taiwan in das Zollgebiet der Union ein und beantragte deren Abfertigung zum freien Verkehr. Dabei meldete sie die Waren überwiegend unter Angabe der Codenummer 8541 40 10 00 0 der Kombinierten Nomenklatur (KN, Zollsatz frei) als "Leuchtdioden" an. Die jeweiligen Zollstellen nahmen die Zollanmeldungen wie beantragt an.
Im Rahmen einer Außenprüfung betreffend u. a. die Einfuhrabgaben der eingeführten Waren im Prüfungszeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. August 2009 kam das HZA zu dem Ergebnis, dass bei den eingeführten Waren bereits der Charakter eines Beleuchtungskörpers vorliege und diese daher in die Position 9405 KN einzureihen seien. Lediglich die Leuchtdioden, die sich als einzelne Bauelemente darstellen würden, habe die Klägerin zutreffend unter der Codenummer 8541 40 10 00 0 KN angemeldet (vgl. Tz. 14.4, 14.5 und 14.6 des Prüfungsberichts vom 26. Januar 2010).
Daraufhin setzte das HZA mit Einfuhrabgabenbescheid vom 22. März 2010 (…) Zoll i. H. v. 19.557,53 EUR und 2.379,91 EUR Einfuhrumsatzsteuer fest. Durch Einfuhrabgabenbescheid vom 29. September 2011 (…) erließ das HZA der Klägerin Zoll i. H. v. 3.739,99 EUR.
Weiterhin setzte das HZA mit Einfuhrabgabenbescheid vom 22. März 2010 (…) Zoll i. H. v. 22.118,56 EUR fest, wovon durch Einfuhrabgabenbescheid vom 15. September 2011 (…) 2.887,11 EUR Zoll erlassen wurden.
Darüber hinaus wurde mit Einfuhrabgabenbescheid vom 22. März 2010 (…) Zoll i. H. v. 25.293,26 EUR festgesetzt, wovon durch Einfuhrabgabenbescheid vom 15. September 2011 (…) Zoll i. H. v. 6.127,56 EUR erlassen wurde.
Schließlich wurde mit einem weiteren Einfuhrabgabenbescheid vom 22. März 2010 (…) Zoll i. H. v. 14.985,96 EUR festgesetzt. Davon erließ das HZA durch Einfuhrabgabenbescheid vom 16. September 2011 (…) Zoll i. H. v. 3.216,42 EUR.
Den jeweils dagegen eingelegten Einspruch wies das HZA mit vier Einspruchsentscheidungen vom 16. September 2011 (…), 19. September 2011 (…) und vom 30. September 2011 (…) zurück, woraufhin die Klägerin die vorliegende Klage erhob.
Während des Klageverfahrens erließ das HZA der Klägerin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 21. August 2012 (…) Zoll i. H. v. 474,26 EUR (…).
Nachdem mit Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1037/2014 der Kommission vom 25. September 2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. (EU) Nr. L 287/9 vom 1. Oktober 2014, nachfolgend VO 1037/2014) verschiedene Waren, die über LED verfügen, in die Unterposition 8541 40 10 KN eingereiht worden waren, erließ das HZA unter dem 24., 26., 28. November 2014 und 1. Dezember 2014 weitere vier Einfuhrabgabenbescheide, mit denen es der Klägerin Zoll i. H. v. insgesamt 26.597,29 EUR erließ.
Bei den nunmehr noch streitigen Nummern 73, 74, 75, 7, 8, 9, 10, 11, 14, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 117, 54, 55, 56, 57, 58, 59 und 60 der vom HZA vorgelegten Warenaufstellung handelt es sich um miteinander verschaltete bzw. mit weiteren Bestandteilen verbundene LEDs, die im sichtbaren Wellenlängenbereich emittieren.
Die Nummer 73, die mit den Nummern 74 und 75 vergleichbar ist, betrifft das Modell Nr. A der B-Serie. Es verfügt über zwei LED-Chips in jeweils einem Kunststoffgehäuse, montiert auf einer Metallkernplatine (gedruckte Schaltung).
Die Nummer 109, der die Nummern 7, 8, 9, 10, 11, 106, 107, 108, 110 und 111 entsprechen, bezieht sich auf das Modell C der Serie D. Dabei handelt es sich um eine Keramik/Metallplatine mit 39 × 7 miteinander verschalteten LED-Chips. Jede der 39 Gruppierungen ist mit einem Silikontropfen versehen, der dem Schutz der LED-Chips dient. Die Keramik/metallplatine dient der Wärmeabfuhr.
Die Nr. 14 und 117 betreffen das Modell Nr. E der F-Serie bzw. das Modell Nr. G der H-Serie. Beide Waren verfügen über sieben Aluminiumringe, montiert auf einer Aluminiumplatte, in denen LEDs in Chipform enthalten sind. Weiterhin verfügen die LEDs über Schutzdioden und Linsen.
Die Nr. 54, die mit den Nummern 55, 56, 57, 58, 59 und 60 vergleichbar ist, bezieht sich auf das Modell I. Dabei handelt es sich um vier miteinander verschaltete LED auf einer Metallkernplatine unter einer Glaslinse auf einem Kunststoffband montiert. An der der Glaslinse gegenüberliegenden Seite sind auf dem Kunststoffband außerdem Kontaktstellen als Anode und Kathode aufgelötet, mit denen die LED über Leiterbahnen im Kunststoffband verbunden sind.
Ihre Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen folgendermaßen: In Großbritannien und den Niederlanden gebe es mehrere verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA), in denen Leuchtdiodenmodule aus mehreren, miteinander verschalteten Leuchtdioden, die auf einer Leiterplatte montiert und mit elektrischen Anschlüssen versehen seien, in die hier begehrte Position 8541 KN eingereiht würden. Sämtliche streitgegenständlichen Leuchtdiodenmodule seien in die Position 8541 40 10 00 KN einzureihen, und zwar unabhängig davon, ob sich mehr als eine Leuchtdiode auf einem Chipsatz oder Modul befinden oder diese mit sog. Zenerdioden verschaltet sind. Das Funktionsprinzip einer Leuchtdiode bestehe darin, dass elektrischer Strom in Licht umgewandelt werde. An diesem Funktionsprinzip ändere sich auch nichts dadurch, dass mehrere Leuchtdioden auf einem Modul miteinander verschaltet seien oder eine sog. Zenerdiode zum Zwecke des Überspannungsschutzes verschaltet sei. Hierdurch werde nur das ursprüngliche Funktionsprinzip verbessert, jedoch nicht geändert. Die Position 8541 40 10 00 KN sei weiterhin gegenüber der Position 9405 KN spezieller. Denn aus dem Wortlaut der Position 9405 KN "anderweit weder genannt noch inbegriffen" ergebe sich, dass es sich bei dieser Position um eine Auffangposition handle. Auch aus der Anmerkung 1 Buchst. b zu Kapitel 94 KN ergebe sich, dass eine vorrangige Zuordnung zu Kapitel 85 KN zu erfolgen habe. Auch in Kapitel 85 KN werde ein Vorrang gegenüber dem Kapitel 94 KN definiert.
Die Klägerin beantragt,
die vier Einfuhrabgabenbescheide vom 22. März 2010 (…) in Gestalt der Einfuhrabgabenbescheide vom 15., 16. und 29. September 2011 und die Einspruchsentscheidungen vom 16., 19. und 30. September 2011, diese wiederum in Gestalt der Einfuhrabgabenbescheide vom 21. August 2012 sowie vom 24., 26. und 28. November 2014 und vom 1. Dezember 2014 insoweit aufzuheben, als hierin mit den Nr. 73, 74, 75, 109, 7, 8, 9, 10, 11, 106, 107, 108, 110, 111, 14, 117, 54, 55, 56, 57, 58, 59 und 60 Zoll festgesetzt worden ist, wobei der Zollwert wie vom HZA ermittelt zugrunde gelegt werden kann.
Das HZA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Leuchtdioden würden grundsätzlich die objektiven Merkmale von elektrischen Beleuchtungskörpern der Position 9405 KN erfüllen. Leuchten im Sinne dieser Position müssten eine Beleuchtungsfunktion ausüben. LED im sichtbaren Lichtwellenbereich würden hiervon erfasst. Da die englische und französische Fassung der Position 9405 KN den Begriff "Körper" der deutschen Fassung nicht enthielten, müsse eine Leuchte keinen Körper im eigentlichen Sinne aufweisen. Vielmehr reiche eine nichtelektrische Komponente für die Zuweisung in die Position 9405 KN aus. Bei Leuchtdioden stelle diese nichtelektrische Komponente je nach Ausführungsart das Trägermaterial bzw. Gehäuse aus Kunststoff, Keramik oder Metall dar. Die Position 8541 KN erfasse Leuchtdioden lediglich in diskreter Form, d. h. als Einzelbauelemente. Aufgrund ihres technischen Aufbaus würden sich sämtliche hier zu beurteilenden Erzeugnisse nicht mehr als diskrete Einzelbauelemente, sondern als elektrische Schaltungen darstellen, deren Einreihung sich nach der Funktion der Ware richte. Damit scheide eine Einreihung der Waren als "Leuchtdioden" in die Unterposition 8541 40 10 KN aus. Somit komme auch keine vorrangige Zuweisung durch Anmerkung 8 Abs. 2 zu Kapitel 85 KN in Betracht.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die HZA-Akten, die im Verfahren eingereichten Schriftsätze der Beteiligten und die Niederschriften über den Erörterungstermin vom 2. Oktober 2014 und über die mündliche Verhandlung hingewiesen.
Gründe
II.
Die Klage ist teilweise begründet.
1. Das HZA hat zu Unrecht mit den vier Einfuhrabgabenbescheiden vom 22. März 2010 (…) in Gestalt der Einfuhrabgabenbescheide vom 15., 16. und 29. September 2011 und den Einspruchsentscheidungen vom 16., 19. und 30. September 2011, diese wiederum in Gestalt der Einfuhrabgabenbescheide vom 21. August 2012 sowie vom 24., 26. und 28. November 2014 und vom 1. Dezember 2014 hinsichtlich der Nr. 73, 74, 75, 109, 7, 8, 9, 10, 11, 106, 107, 108, 110, 111, 14 und 117 Zoll festgesetzt und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO), weil diese Waren nach Überzeugung des Senats in die Unterposition 8541 40 10 KN und damit zollfrei einzureihen sind.
Die Klägerin hat die hier zu beurteilenden Waren im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 30. August 2009 eingeführt. Dementsprechend richtet sich die zolltarifliche Einreihung für das Jahr 2007 nach der KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1549/2006 der Kommission vom 17. Oktober 2006 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl (EG) Nr. L 301 vom 31. Oktober 2006) bzw. für das Jahr 2008 nach der KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1214/2007 der Kommission vom 20. September 2007 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl (EG) Nr. L 286 vom 31. Oktober 2007) bzw. für das Jahr 2009 nach der KN in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1031/2008 der Kommission vom 19. September 2008 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl (EG) Nr. L 291 vom 31. Oktober 2008).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen sowie in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (EuGH-Urteil vom 20. November 2014 Rs. C-666/13, noch nicht amtlich veröffentlicht; EuGH-Urteil vom 13. Juli 2006 Rs. C-514/04, Slg. 2006 I-6721; BFH-Urteil vom 4. November 2003 VII R 58/02, BFH/NV 2004, 454; BFH-Urteil vom 30. Juli 2003 VII R 40/01, BFH/NV 2004, 835; vgl. auch Allgemeine Vorschriften – AV – 1 und 6 für die Auslegung der KN). Darüber hinaus sind die Erläuterungen (Erl.) zum Harmonisierten System (HS) und zur KN ein maßgebendes, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (ständige Rechtsprechung des EuGH und des BFH; EuGH-Urteil vom 13. Juli 2006, Rs. C-514/04, a.a.O.; BFH-Urteil vom 4. November 2003 VII R 58/02, a. a. O.). Maßgebend für die Tarifierung ist der Zustand, in dem die Ware zur Zollabfertigung gestellt wird. Darüber hinaus kann der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lässt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007, Rs. C-208/06, Slg. 2007 I-7963).
a) Die Position 8541 KN gilt für "Dioden, Transistoren und ähnliche Halbleiterbauelemente; lichtempfindliche Halbleiterbauelemente (einschließlich Fotoelemente, auch zu Modulen zusammengesetzt oder in Form von Tafeln); Leuchtdioden; gefasste oder montierte piezoelektrische Kristalle". Die Unterposition 8541 4010 00 0 KN erfasst "Leuchtdioden, einschließlich Laserdioden". Gem. Anmerkung 8 zu Kapitel 85 KN hat die Position 8541 KN für die in dieser Anmerkung beschriebenen Waren Vorrang vor jeder anderen Position der Nomenklatur, die für diese Waren, insbesondere wegen ihrer Funktion, in Betracht kommen könnte.
Wie sich aus Anmerkung 8 Buchst. a zu Kapitel 85 KN ergibt, sind Dioden, Transistoren und ähnliche Halbleiterbauelemente Bauelemente, deren Arbeitsweise auf der Veränderung des spezifischen Widerstandes unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes beruht. Für die Gruppe der Dioden, Transistoren und ähnlichen Halbleiterbauelemente ist charakteristisch, dass ihr spezifischer Widerstand bei Raumtemperatur zwischen dem der Leiter (Metalle) und dem der Nichtleiter (Isolatoren) liegt (vgl. Erl. 01.0 bis 04.1 zu Position 8541 HS). Dioden sind Bauelemente mit zwei Anschlüssen und nur einem pn-Übergang, die den Stromdurchgang in einer Richtung (Durchlassrichtung) erlauben, in der anderen Richtung (Sperr-Richtung) dagegen sehr großen Widerstand leisten (Erl. 11.0 zu Position 8541 HS). Wie sich weiterhin aus den Erläuterungen zu Position 8541 HS ergibt, sind Leucht- und Elektrolumineszenzdioden Vorrichtungen, die elektrische Energie in sichtbare Strahlen, Infrarotstrahlen oder ultraviolette Strahlen umwandeln (Erl. 43.0 und 44.0 zu Position 8541 HS).
Der Wortlaut der Position 8541 KN und die genannten dazugehörigen Anmerkungen und Erläuterungen sprechen für die Auffassung des HZA, wonach die Position 8541 KN lediglich Leuchtdioden in diskreter Form, d. h. als Einzelbauelemente, erfassen soll. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Leuchtdioden in einer Reihe mit anderen Waren genannt werden, die – mit Ausnahme der Fotoelemente aus der Warengruppe der lichtempfindlichen Halbleiterbauelemente, die auch zu Modulen zusammengesetzt oder in Form von Tafeln aufgemacht sein dürfen – alle ausschließlich als diskrete Bauelemente von der Position 8541 KN erfasst werden. Zum anderen werden die Dioden in den oben genannten Erläuterungen als Bauelemente bezeichnet, was ebenfalls für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der Position 8541 KN auf einzelne Leuchtdioden spricht.
Weiterhin wird diese Auslegung auch durch einen Vergleich mit der Position 9405 KN gestützt, die sich auf "Beleuchtungskörper (einschließlich Scheinwerfer) und Teile davon, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, beleuchtete Namensschilder und dergleichen, mit fest angebrachter Lichtquelle, und Teile davon, anderweit weder genannt noch inbegriffen" bezieht. Die Beleuchtungskörper des Kapitels 94 können gem. Erl. 04.0 zu Kapitel 94 HS und Erl. 02.0 zu Position 9405 HS aus Stoffen aller Art bestehen und jede beliebige Lichtquelle verwenden. Wie sich aus dem Wortlaut der Position ("Beleuchtungskörper") ergibt, müssen die Waren geeignet sein, ihre Umgebung zu erhellen. Darüber hinaus können die Waren der Position 9405 KN aus mehreren Bestandteilen (z. B. Lampenfassungen, Schalter, Kabel, Stecker usw.) zusammengesetzt sein, die über die eigentliche Lichtquelle hinausgehen (vgl. Erl. 02.0 ff. zu Position 9405 HS).
b) Allerdings kann die Auslegung der Unterposition 8541 40 10 KN im Sinne einer Beschränkung auf Leuchtdioden als Einzelbauelemente nach Erlass der VO 1037/2014 nicht mehr ohne Einschränkung aufrechterhalten werden.
Einreihungsverordnungen gelten stets nur für die begutachtete Ware, die Anlass zu der Verordnung gegeben hat (BFH-Beschluss vom 10. Februar 2014 VII R 39/12, ZfZ 2014, 132). Dementsprechend dürfen Einreihungsverordnungen der Kommission grundsätzlich nicht analog bei der Einreihung von Waren angewendet werden, die vor ihrem Inkrafttreten eingeführt worden sind. Sofern sie jedoch wie im Regelfall lediglich zur Klarstellung der Rechtslage zum Zweck der einheitlichen Anwendung der KN und nicht zur Änderung des bestehenden Rechts ergehen, bestehen keine Bedenken, solche Verordnungen als Indiz zur Bestätigung tariflicher Einreihungen heranzuziehen, sofern die Warenbeschreibung in ihren wesentlichen Punkten mit derjenigen der einzureihenden Ware übereinstimmt (BFH-Urteil vom 12. April 2011 VII R 20/07, BFHE 233, 561).
Der VO 1037/2014 kommt eine solche Indizwirkung zu, weil sie – wie sich aus Erwägungsgrund 1 ergibt – zur Gewährleistung der einheitlichen Anwendung der KN erlassen und im Übrigen der Wortlaut der KN, seit den Streitjahren nicht verändert worden ist.
In der genannten Einreihungsverordnung weist die Kommission mehrere Waren, die LEDs enthalten, der Unterposition 8541 40 10 KN zu, obwohl es sich um mehrere miteinander verschaltete LED-Chips handelt oder die LEDs mit weiteren Bauelementen wie Zener-Dioden, Kühlkörpern oder Gehäusen verbunden sind. Die Einreihung dieser Waren in die zollfreie Unterposition 8541 40 10 KN wird insbesondere damit begründet, dass die verschiedenen Bauteile praktisch untrennbar miteinander verbunden seien. Insbesondere aus der Warenbezeichnung zu den Nr. 1, 3 und 4 der VO 1037/2014 ergibt sich, dass bestimmte Komponenten insofern untrennbar seien, als einige Bestandteile zwar theoretisch entfernt und ersetzt werden könnten, dies aber zeitaufwendig und schwierig sei und daher unter normalen Herstellungsbedingungen unwirtschaftlich wäre. In diesem Zusammenhang kommt es auf die Anzahl der auf diese Weise miteinander verbundenen LED-Chips nicht an (vgl. Begründung zu Nr. 3 und 4 der VO 1037/2014).
Weiterhin hat die Kommission einzelne Bestandteile wie Schutzdioden und Kühlkörper in zolltariflicher Hinsicht nicht für ausschlaggebend erachtet, weil diese die Merkmale und Eigenschaften der jeweiligen Ware als Leuchtdiode der Position 8541 KN grundsätzlich nicht verändern (vgl. Begründung zu Nr. 1, 2 und 3 der VO 1037/2014). Sofern diesen Komponenten lediglich die Aufgabe zukommt, die LEDs in ihrer Funktion zu unterstützen oder zu erhalten, ohne diese zu verändern, ist es sogar unschädlich, wenn der unterstützende Bestandteil vom LED-Modul getrennt werden kann (vgl. Begründung zu Nr. 2 der VO 1037/2014).
Dass die in der VO 1037/2014 angesprochene praktisch untrennbare Verbindung ausschließlich durch ein gemeinsames Gehäuse hergestellt werden kann, wovon das HZA in seinen nach der Veröffentlichung der genannten Einreihungsverordnung erstellten Erlassbescheiden ausgegangen ist, ergibt sich nach Auffassung des Senats aus der VO 1037/2014 nicht, auch wenn die beschriebenen Waren alle über ein (einziges) Kunststoffgehäuse verfügen. Denn in der Begründung zur jeweiligen Einreihung wird das Gehäuse gerade nicht angesprochen, sondern allgemein die untrennbare Verbindung in den Vordergrund gestellt. Dies lässt jedoch gleichermaßen die Möglichkeit zu, dass die untrennbare Verbindung durch die bestehende Verschaltung der LED-Chips untereinander oder der LED-Chips mit der Schutzdiode geschaffen wird.
c) Aufgrund dessen sind die Waren mit den Nr. 73, 74, 75, 109, 7, 8, 9, 10, 11, 106, 107, 108, 110, 111, 14 und 117 gem. AV 1 und 6 sowie Anmerkung 8 zu Kapitel 85 in die Unterposition 8541 40 10 KN einzuordnen und somit gem. Anmerkung 1 Buchst. f zu Kapitel 94 von Kapitel 94 KN ausgenommen.
Die Nr. 73 verfügt über zwei LED-Chips in jeweils einem Kunststoffgehäuse, montiert auf einer Metallkernplatine, die als gedruckte Schaltung ausgestaltet ist. Über diese Metallkernplatine werden die beiden LED-Chips miteinander verbunden. Dass sich die beiden LED-Chips nicht in einem gemeinsamen Gehäuse befinden, steht einer Einreihung in die Unterposition 8541 40 10 KN nicht entgegen. Vielmehr ist maßgeblich, dass die verschiedenen Bestandteile praktisch nicht voneinander getrennt werden können, was nicht nur durch ein einheitliches Gehäuse erreicht werden kann (s. o.).
Die in den Nummern 74 und 75 genannten Waren sind in ihrem Aufbau der o. g. Ware vergleichbar und daher ebenfalls in die Unterposition 8541 40 10 KN einzureihen.
Die Ware mit der Nummer 109 verfügt über eine Keramik-/Metallplatine mit 39 × 7 miteinander verschalteten LED-Chips, wobei jede der 39 Gruppierungen mit einem Silikontropfen versehen ist. In diesem Fall wird über die Verschaltung der LED-Chips und die Befestigung auf der Keramik-/Metallplatine ebenfalls eine untrennbare Verbindung geschaffen, weil nicht ersichtlich und vom HZA auch nicht vorgetragen worden ist, wie die einzelnen LEDs in wirtschaftlich vertretbarer Weise bzw. ohne deren Beschädigung von der Platine entfernt werden sollten. Auf die Anzahl der miteinander verschalteten LED-Chips kommt es, wie sich aus der VO 1037/2014 ergibt, nicht an. Die Keramik-/Metallplatine steht einer Einreihung in Position 8541 KN nicht entgegen, weil sie der Wärmeabfuhr dient und sie dadurch lediglich die Funktion der LEDs unterstützt, ohne deren Merkmale und Eigenschaften zu verändern.
Dasselbe Ergebnis gilt für die Nummern 7, 8, 9, 10, 11, 106, 107, 108, 110 und 111 der vom HZA vorgelegten Liste, weil diese Waren der Nr. 109 in zolltariflicher Hinsicht vergleichbar sind.
Die Nr. 14 und 117 der vom HZA vorgelegten Liste sind aus denselben Gründen ebenfalls der Unterposition 8541 40 10 KN zuzuweisen. Beide Waren verfügen über sieben Aluminiumringe, die auf eine Aluminiumplatte montiert worden sind und in deren Innenraum sich LEDs in Chipform befinden. Weiterhin sind die LED-Chips mit Linsen bedeckt. Auch in diesem Fall sieht der Senat die untrennbare Einheit mit der Aluminiumplatte aus denselben Gründen wie bei Nr. 109 als gegeben an. Die ebenfalls vorhandenen Schutzdioden verändern nicht die Merkmale und Eigenschaften der Leuchtdioden und stehen einer zollfreien Einreihung in Position 8541 KN nicht entgegen.
2. Die Ware mit der Nr. 54 und somit auch die vergleichbar aufgebauten Nr. 55, 56, 57, 58, 59 und 60 hat HZA dagegen zu Recht in die Unterposition 9405 4039 90 0 KN eingereiht. Bei der Nr. 54 sind die vier miteinander verschalteten LEDs zwar ebenfalls auf eine Metallkernplatine und auf ein Kunststoffband montiert, in dem sich Leiterbahnen befinden, die die LEDs schließlich mit den auf der gegenüber liegenden Seite befindlichen Kontaktstellen verbinden.
Aufgrund der im Verhältnis zu den unter der Linse befindlichen LEDs deutlich überwiegenden Größe des Kunststoffbandes ergibt sich jedoch ein Unterschied zu den in der VO 1037/2014 beschriebenen Waren. Durch das Kunststoffband wird außerdem eine größere räumliche Entfernung zwischen den LEDs und den Anschlüssen geschaffen.
Stattdessen ist die Ware Nr. 54 hinsichtlich ihrer objektiven Beschaffenheitsmerkmale mit dem LED-Band auf der Grundlage eines flexiblen Metallstreifens vergleichbar, das die Kommission in der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 708/2013 der Kommission vom 23. Juli 2013 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. (EU) Nr. L 200/10 vom 25. Juli 2013) der Unterposition 9405 40 99 KN zugewiesen hat.
Auch eine Einreihung der Ware in Position 8539 KN "Elektrische Glühlampen und Entladungslampen, einschließlich innenverspiegelter Scheinwerferlampen (sealed beam lamp units) und Ultraviolett- und Infrarotlampen; Bogenlampen" kommt wegen des unterschiedlichen Aufbaus nicht in Betracht (AV 1 und 6; vgl. auch Erl. 04.0 bis 17.0 zu Position 8539 HS).
Die von der Klägerin in den Anlagen K 2 bis K 9 vorgelegten verbindlichen Zolltarifauskünfte aus den Niederlanden und aus Großbritannien führen ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis, weil diese Waren nicht mit der Ware Nr. 54 vergleichbar sind.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. FGO.
4. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
5. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache wird die Revision zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
moreResultsText
Annotations
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.
(2) Vollstreckt wird
- 1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen, - 2.
aus einstweiligen Anordnungen, - 3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.
(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.