Finanzgericht München Urteil, 29. Apr. 2015 - 1 K 1080/13

published on 29/04/2015 00:00
Finanzgericht München Urteil, 29. Apr. 2015 - 1 K 1080/13
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt zu Recht Guthaben aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 mit Einkommensteuerrückständen des Klägers aus den Jahren 1993 und 2000 verrechnet hat.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2011 erfolgte im Rahmen der Änderungsvorschrift des § 164 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - die Festsetzung der Einkommensteuer 2007 in Höhe von 44.571 €. In Anbetracht der durch Steuerabzug vom Lohn geleisteten Zahlungen ergaben sich Überzahlungen von 4.835 € auf die Einkommensteuer, 600 € auf Zinsen und 265,73 € auf den Solidaritätszuschlag. Im Bescheid wurde angekündigt, dass über die Verwendung der Guthaben eine besondere Mitteilung erfolgen werde.

Ebenfalls mit Bescheid vom 11. Mai 2011 wurde die Einkommensteuer 2008 festgesetzt. Auch hier ergaben sich Überzahlungen in Höhe von 11.314 € auf die Einkommensteuer, 735 € auf Zinsen und 622,17 € auf den Solidaritätszuschlag. Auch hier wurde darauf hingewiesen, dass über die Verwendung des Guthabens eine besondere Mitteilung ergehen werde.

Das Finanzamt trägt vor, es habe im Wege einer Umbuchungsmitteilung vom 18. Mai 2011 Aufrechnung gegen die Erstattungsansprüche des Klägers erklärt. In den Akten ist eine derartige Umbuchungsmitteilung nicht enthalten. Der Kläger wendet ein, er habe eine derartige Umbuchungsmitteilung nicht bekommen.

Auf Anfrage des Prozessvertreters mit Schreiben vom 2. November 2011 teilte die Finanzkasse mit Schreiben 24. November 2011 mit, dass die Guthaben mit Einkommensteuerrückständen und Steuerrückständen aus den Jahren 1993 und 2000 verrechnet worden seien  und dem Kläger die entsprechenden Umbuchungsmitteilungen zugegangen sein sollten.

Hiergegen legte der Kläger am 12. Dezember 2011 Einspruch ein. Er wandte ein, sämtliche Steuerschulden, insbesondere auch solche aus den Jahren 1993 und 2000 seien aufgrund eines in Großbritannien durchgeführten Privatinsolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung weggefallen.

Als Belege für die Durchführung eines Insolvenzverfahrens in A/England legte der Kläger im Verlauf des Abrechnungs-, Rechtsbehelfs und Klageverfahrens folgende Unterlagen vor:

  • ·Kopie einer „Bankruptcy order on a debtors petition“ (Verfügung auf einen Insolvenzantrag des Schuldners) mit der „No. 6100 of 2010“ vom 5. Oktober 2010 vorgelegt,  mit welcher festgestellt wurde, dass der Kläger insolvent sei.

  • ·Des Weiteren wurde die Kopie eines „Certificate of discharge“ datiert auf den 19. September 2014 vorgelegt, mit welcher bescheinigt wurde, dass der Kläger auf seine Insolvenz zum 5. Oktober 2011 „discharged“ sei. Das Dokument ist mit einem Stempel des High Court of Justice, Bankruptcy Court mit dem Datum 19. November 2011 versehen. Ebenfalls vorgelegt wurde eine Beglaubigung (Apostille) vom 17. November 2011. Worauf sich die Apostille bezieht ist der Kopie nicht zu entnehmen.

Das Finanzamt hat über die Durchführung eines Insolvenzverfahrens des Klägers in England keine Mitteilung erhalten.

Unter dem Datum 7. Februar 2012 erteilte das Finanzamt einen Abrechnungsbescheid, mit welchem es an der Verrechnung der Guthaben aus der Einkommensteuerveranlagung 2007 von 4.835 € auf die Einkommensteuer, 600 € auf Zinsen und 265,73 € auf den Solidaritätszuschlag und 2008 in Höhe von 11.314 € auf die Einkommensteuer, 735 € auf Zinsen und 622,17 € auf den Solidaritätszuschlag mit Rückständen aus den Jahren 1993 und 2000 festhielt.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 20. Februar 2012.

Da keine Begründung des Einspruchs erfolgte, wurde der Kläger mit Schreiben des Finanzamts vom 7. März 2012 aufgefordert, seinen Einspruch zu begründen oder diesen zurückzunehmen.

Mit Schreiben vom 12. März 2012 teilte das Finanzamt dem Prozessvertreter, bezugnehmend auf ein Schreiben vom 24. Februar 2012 mit, dass das Steuerkonto derzeit keinen Rückstand aufweise. Mit besagtem Schreiben vom 24. Februar 2012 hatte der Klägervertreter angefragt, inwieweit die bisherigen Steuerschulden von der „discharge“ erfasst seien.

Mit Schreiben vom 2. April 2012 wurde die Abgabe des Einspruchsverfahrens an die Rechtsbehelfsstelle mitgeteilt.

Zur Begründung des Einspruchs trug der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. April 2012 vor, nach deutschem Recht fehle es an einer Aufrechnungserklärung und nach englischem Recht an einer konkretisierten und fälligen Gegenforderung.

Dies ergebe sich zum einen daraus, dass keine konkrete Mitteilung über die Aufrechnung erfolgt sei. Die Aufrechnungserklärung sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie habe den Kläger als Empfänger aber nicht erreicht.

Zum anderen seien die Erstattungsansprüche aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 5. Oktober 2010 betragsmäßig noch nicht konkretisiert gewesen. Mangels Bestimmtheit der Gegenforderung könne nicht von einer Aufrechnungslage ausgegangen werden. Es sei auch zu berücksichtigen, dass wegen des in England durchgeführten Insolvenzverfahrens englisches Recht maßgeblich sei. Dieses stelle in Rule 4.90 der Insolvency Rules 1986 darauf ab, dass nur betragsmäßig genau bezifferte und auch fällige Forderungen Gegenstand einer Aufrechnung sein könnten. Die Erstattungsansprüche des Klägers seien aber der Höhe nach nicht konkretisiert und insoweit nicht fällig gewesen. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d EUInsVO schreibe vor, dass für die Wirkungen der Aufrechnung das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung gelte. Dies sei im Streitfall englisches Recht. Section 323 (1) Insolvency Act 1986 sehe vor, dass die Aufrechenbarkeit vor Beginn des Insolvenzverfahrens gegeben sein müsse, was im Streitfall nicht gegeben sei.

Der Kläger legt des Weiteren die Kopie eines Formularblattes „Statement of Affairs“ vor, in welchem der Name des Klägers eingetragen ist und das Datum 8. September 2010. Es folgen zwei Seiten eines Formblatts einer Tabelle, dessen Eintragungen, abgesehen von 2 Zeilen geschwärzt sind. Dort ist einmal genannt „Finanzamt…“ mit einem geschuldeten Betrag in englischen Pfund von „ca. 110.000 £“ als Zeitpunkt der Entstehung („date incurred“) ist genannt 2006 und zum anderen „Finanzamt…“ mit einem geschuldeten Betrag in englischen Pfund von „ca. 25.000 £“; als Zeitpunkt der Entstehung („date incurred“) ist genannt 2001; als Schuldgrund bezeichnet ist in beiden Fällen Steuerschulden („tax liabilities“).

Im Rahmen einer Sachaufsichtsbeschwerde beim Landesamt für Finanzen hatte der Kläger weiter vorgelegt:

  • ·Rechnung X

  • ·Mietvertrag vom 17. Mai 2010

  • ·Checkout Report vom 1. Dezember 2010

Mit Schreiben vom 30. Juli 2012 hatte sich das Finanzamt unter Bezugnahme auf das Bankruptcy Verfahren 6100 aus 2010 an B, den Official Receiver (OR), gewandt. Dort wurden Bedenken geäußert, ob eine Wohnsitzverlegung nur zum Schein erfolgte, sowie um Nachricht gebeten, ob die Rückstände des Finanzamts sowie zu gewärtigende Erstattungsansprüche im Insolvenzverfahren mitgeteilt worden seien. Eine  Reaktion auf dieses Schreiben erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 2012 (S. 64 FaA) forderte das Finanzamt die vollständige Vorlage eines „statement of affairs“ nach § 272 Abs. 2 Insolvency Act 1986 sowie eine Bestätigung des „official receivers“ an, aus der hervorgehe, auf welche Forderung sich die Schuldbefreiung beziehe.

Der Kläger wandte sich daraufhin an die vorgesetzte Behörde mit einer Sachaufsichtsbeschwerde.

Im Weiteren legte der Kläger, neben den bereits genannten, noch folgende weitere Dokumente vor:

  • ·Abrechnungen der British Gas

  • ·Abrechnungen der Southern Electric

  • ·div. Weitere Abrechnungen

  • ·Zuweisung einer „National Insurance Number“

  • ·Schreiben vom 5. Mai 2010 über die Eröffnung einer Bankverbindung

  • ·Kontoauszüge der X- Bank

  • ·Employer Annual Return für ein Jahr

Auch in verschiedenen gerichtlichen Eilverfahren wurden, neben den bereits genannten Dokumenten, noch folgende weitere vorgelegt:

  • ·Anschreiben des Assistent Official Receiver

  • ·Unterlagen zum Mietverhältnis

  • ·Arbeitsvertrag mit Y

  • ·Kopie einer Ablichtung des Reisepasses des Klägers

Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2013 wurde der Einspruch zurückgewiesen.

Nach deren Ergehen bemühte sich das Finanzamt weiterhin um Klärung, ob die Steuerforderungen Gegenstand eines englischen Insolvenzverfahrens, wie vom Kläger angegeben, gewesen seien. Zu diesem Zweck richtete es am 7. Januar 2014 ein Auskunftsersuchen nach der Beitreibungsrichtlinie 2010/24 EU über das Bundeszentralamt für Steuern an das „mard team“ des „centenary court“ und erhielt am 1. März 2014 sinngemäß die Antwort, die deutschen Steuerbehörden seien nicht als Gläubiger der Konkursmasse aufgelistet worden, das Ersuchen müsse aber nach sec. 40 (2) Freedom of Information Act zurückgewiesen werden.

Der Kläger bemühte sich im Anschluss mit E-Mail vom 26. März 2014 um eine Bestätigung des Official Receiver, dass er die deutschen Steuerbehörden korrekt als ungesicherten Gläubiger genannt habe. Mit Schriftsatz vom 16. Mai 2014 legte der Kläger eine E-Mail vom 17. April 2014, gefertigt im Auftrag des OR vor, die eine „List of Creditors“ mitführte, welche das Finanzamt mit einer berücksichtigten Forderungen von 110.000 £ nennt.

Der Kläger meint zur Begründung seiner Klage, mit dem Schreiben vom 12. März 2012 habe das Finanzamt einen Verwaltungsakt erlassen, welcher als Abrechnungsbescheid zu qualifizieren sei. Dieser sei, weil keine Rechtsmittel eingelegt worden seien, bestandskräftig geworden. In dem Schreiben des Finanzamts seien die Feststellungen enthalten „Mit Urteil vom 19.9.2011 wurde ihrem Mandanten Restschuldbefreiung erteilt“ und „das Steuerkonto weist derzeit keine Rückstände auf“. Damit sei auf das Schreiben des Klägervertreters vom 24. Februar 2012, welches sich als impliziter Antrag auf Abrechnung nach § 218 Abs. 2 AO qualifiziere, konkret geantwortet worden. Die Bezeichnung „Abrechnungsbescheid“ in diesem Zusammenhang sei nicht von Nöten. Die Auslegung ergebe, dass es sich um einen Abrechnungsbescheid handeln müsse, etwas anderes sei nicht vorstellbar.

Abweichend vom Schreiben vom 12. März 2012 habe das Finanzamt am 5. November 2012  mit einer Kassenmitteilung Steuern und steuerliche Nebenleistungen im Gesamtbetrag von 202.443,32 € aufgelistet und am 25. September 2012 einen weiteren  Abrechnungsbescheid erteilt, gegen den Rechtsmittel eingelegt worden sei.

Was den streitgegenständlichen Bescheid anbelange, sei die erklärte Aufrechnung wegen § 301 Abs. 1 InsO (Wirkung der Restschuldbefreiung) unzulässig gewesen. Infolge des am 5. Oktober 2010 eröffneten englischen Insolvenzverfahrens seien die Vorschriften der InsO über § 338 InsO ergänzend heranzuziehen. Durch das „Certificate of Discharge“ vom 19. September 2011 sei Restschuldbefreiung mit Wirkung zum 5. Oktober 2011 ausgesprochen worden. Ab diesem Zeitpunkt seien die Steuerverbindlichkeiten nicht mehr vorhanden gewesen, so dass auch nicht gegen sie habe aufgerechnet werden können. Der Schuldner werde nach sec. 210 (1) und sec 282 (1) Insolvency Act 1986 nach englischem Recht grundsätzlich von allen Forderungen befreit, denen er zum Zeitpunkt des Insolvenzeröffnungsbeschlusses ausgesetzt gewesen sei. Dies gelte für alle Schulden, die bis zu diesem Zeitpunkt rechtlich entstanden gewesen seien. Die Verrechnung der Steuerguthaben sei erst mit Schreiben vom 24. November 2011 und damit nach der Restschuldbefreiung erfolgt.

Nach dem Urteil des Hessischen Finanzgerichts in der Streitsache 6 K 1110/10 komme es nicht darauf an, ob das Finanzamt Kenntnis von dem Insolvenzverfahren gehabt habe, ebenso nicht darauf, ob dessen Forderungen fällig gewesen oder angemeldet worden seien.

Der Kläger meint aus Art. 4 Abs. 2 Satz 2 b) und Art. 6 EGV 1346/2000 (EUInsVO) ergebe sich, dass hinsichtlich der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Aufrechnung deutsches Recht anwendbar sei. Dabei differenziere Art. 6 EUInsVO hinsichtlich der prozessualen Zulässigkeit. Nur wenn nach englischem Recht die Aufrechnung als unzulässig betrachtet werde, könne sich der Gläubiger auf das weitergehende Insolvenzrecht des Aufrechnungsstaates und damit auf deutsches Recht berufen. Da aber sec. 323 Insolcency Act 1986 eine Aufrechnung vorsehe, verbliebe es beim englischen Insolvenzrecht. Durch den Verlauf des englischen Insolvenzverfahrens sei die insolvenzrechtliche Situation grundlegend verändert worden. Nach sec. 281 (1) Insolvency Act 1986 seien alle vor Insolvenzeröffnung entstandenen Schulden untergegangen. Mit der „Discharge“ gehe das Klagerecht des Gläubigers unter. Abweichend von der deutschen Rechtslage, bei der nach der Restschuldbefreiung eine unvollkommene Forderung vorliege, gehe eine Forderung durch die „Discharge“ vollständig unter, so dass die Aufrechnungserklärung vom 24. November 2011 keine Aufrechnungswirkung habe auslösen können. Mangels Gegenforderung sei daher die Aufrechnung auch nach deutschem Recht unzulässig.

Würde die deutsche Aufrechnung das englische Recht überlagern, käme es zu einer unterschiedlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so dass ein Vorabentscheidungsverfahren des EuGH zur unterschiedlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beantragt werde.

Das Finanzamt änderte den Abrechnungsbescheid am 5. Juni 2014 in Entsprechung des Einspruchs des Klägers, indem es Teilbeträge von 168 € und 339 €, welche auf Zinsen beruhten, die erst nach Eröffnung des „Bankruptcy“-Verfahrens in England entstanden waren, mit Steuerforderungen, die nach Beendigung des „Bankruptcy“-Verfahrens entstanden waren, verrechnete

Der Kläger beantragt, den Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 2013, geändert am 5. Juni 2014 dahingehend zu ändern, dass ein erstattungsfähiges Guthaben aus 2007 in Höhe von 5.532,73 € (5.700,73 € minus 168 €) und aus 2008 in Höhe von 12.332,71 € (12.671,71 € minus 339 €) ausgewiesen wird.

Der Beklagte (das Finanzamt) beantragt, die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, die Aufrechnung sei zulässig, solange nicht feststehe, dass die Restschuldbefreiung durch den High Court of Justice auch die Steuerforderungen gegen den Kläger erfasse. Anhand des Certificate of Discharge sei zu prüfen, ob wegen der Erteilung der Restschuldbefreiung eine Forderung nicht mehr durchsetzbar sei, weil es sich um eine Insolvenzforderung handle.

Nach sec. 286 Abs. 6 Insolvency Act 1986 greife die Restschuldbefreiung nicht, wenn ein Insolvenzschuldner falsche Angaben in seiner Vermögensübersicht mache und einem Gläubiger infolgedessen ein Schaden entstehe.

Es bestünden Zweifel, dass der Kläger die Insolvenzforderungen im Vermögensverzeichnis angegeben habe, da der englische Insolvenzverwalter andernfalls Kontakt zum Finanzamt aufgenommen hätte.

Einen Nachweis dafür, dass die Restschuldbefreiung sich auf die Steuerschulden beziehe, sei der Kläger bislang schuldig geblieben. Auch Anfragen des Finanzamts seien unbeantwortet geblieben.

Der spätere Wegfall der Durchsetzbarkeit der Gegenforderung durch die Restschuldbefreiung stehe der Aufrechnung nicht entgegen. Das Finanzamt schließe sich der Auffassung des FG Schleswig-Holstein an (4 K 186/11), wonach die Vorschrift des § 94 InsO dahin zu verstehen sei, dass ein rechtskräftiger Beschluss über die Restschuldbefreiung gem. § 301 InsO ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehendes Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung unberührt lasse.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die vorgelegten Unterlagen und Akten gemäß § 105 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung - FGO - sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 29. April 2015 verwiesen.

Gründe

II. Die Klage ist nicht begründet.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung angesichts der mittlerweile vorliegenden Dokumente davon aus, dass der Kläger tatsächlich mit Eröffnung am 5. Oktober 2010 ein Insolvenzverfahren in England durchgeführt und dass er das Finanzamt als Insolvenzgläubiger benannt hat. Insoweit sind sich die Beteiligten, wie in der mündlichen Verhandlung erklärt wurde, auch einig.

Das englische Insolvenzverfahren und dessen, nach englischem Recht, nach einem Jahr eingetretene „Discharge“ haben jedoch nicht dazu geführt, dass die vom Finanzamt erklärte Aufrechnung von Erstattungsansprüchen im Zuge der Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2007 und 2008 mit Rückständen aus den Jahren 1993 und 2000 als unrechtmäßig und nicht berücksichtigungsfähig zu qualifizieren wäre.

1. Der Senat vermag die Auffassung der Klägerin nicht zu teilen, dass mit dem Schreiben des Finanzamts vom 12. März 2012 ein Verwaltungsakt mit dem Inhalt einer Abrechnung erteilt worden sei, wonach die strittigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erloschen seien.

a) Ob eine bestimmte Äußerung des Finanzamts als ein Abrechnungsbescheid anzusehen ist, ist eine Frage der Auslegung. Bei dieser kommt es darauf an, ob die Äußerung des Finanzamt als eine Entscheidung über eine Streitigkeit i.S. des § 218 Abs. 2 AO anzusehen ist, ob das Finanzamt also in ihr nach dem für den Adressaten objektiv erkennbaren Erklärungswert mit unmittelbarer Wirksamkeit nach außen zwischen den Beteiligten rechtsfeststellend diese Streitigkeit entschieden hat (vgl. auch § 118 S. 1 AO). Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist ein Abrechnungsbescheid auch dann gegeben, wenn das Finanzamt die Äußerung nicht ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezeichnet hat (vgl. Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 7. August 1990 VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Schreiben des Finanzamts vom 12. März 2012 nicht als Abrechnungsbescheid über die streitgegenständlichen Ansprüche zu werten.

Diesem Schreiben vorausgegangen ist ein ausdrücklich als Abrechnungsbescheid bezeichnetes Schreiben vom 7. Februar 2012, mit welchem das Finanzamt, offensichtlich und unmissverständlich, eine Regelung zu der zwischen den Beteiligten strittigen Frage getroffen hat, ob Erstattungsansprüche aus den Einkommensteuerveranlagungen 2007 und 2008 durch Aufrechnung erloschen seien. Hiergegen hatte sich der Kläger mit Einspruch vom 20. Februar 2012 gewandt. Dies voraussetzend konnte der Kläger das Schreiben nicht als Abrechnung über die streitgegenständlichen Ansprüche auffassen, da über diese bereits durch Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 ausdrücklich entschieden worden war.

Das Schreiben vom 12. März 2012 verfügt über keinerlei Inhalte, welche den Kläger zu der Annahme veranlassen hätten können, der Abrechnungsbescheid vom 7. Februar 2012 sei aufgehoben, widerrufen oder geändert worden oder das Schreiben beinhalte eine stattgebende Entscheidung zu seinem Einspruch vom 20. Februar 2012. Dass er ein derartiges Verständnis (zutreffender Weise) auch nicht hatte, erschließt sich aus der erfolgten Begründung des Einspruchs vom 13. April 2012, die vorbehaltslos erfolgte, also nicht nur für den Fall, dass nicht bereits durch das Schreiben vom 12. März 2012 über die streitgegenständlichen Steueransprüche anderweitig entschieden worden sei oder etwa mit dem Einwand, es sei am 12. März 2012 anderweitig bereits über den Einspruch entschieden worden.

c) Ganz offensichtlich hat auch der Abrechnungsbescheid vom 25. September 2012 nicht den streitgegenständlichen Bescheid geändert. Entschieden ist dort über Ansprüche wegen Steuererstattungsansprüchen aus der Einkommensteuerfestsetzung 2009. Zu den im Streitfall gegenständlichen Erstattungsansprüchen 2007 und 2008 sind dort keine (abweichenden) Regelungen getroffen.

d) Hinzukommt, dass es dem Schreiben vom 12. März 2012 an der von einem Verwaltungsakt geforderten Bestimmtheit gem. § 119 Abs. 1 AO fehlt, um Regelungsqualität annehmen zu können.

Die in dem Schreiben getroffene Aussage „Das Steuerkonto weist derzeit keinen Rückstand auf“, lässt keinen eindeutigen Rückschluss darauf zu, ob es an einem Ausweis von Rückständen fehlt, weil solche aus materiellen Gründen nicht existieren oder weil aus technischen Gründen gerade kein Ausweis von Rückständen stattfindet. Eine eindeutige Zuordnung zu einer materiellen Ursache lässt sich nicht vornehmen, da ein ursächlicher Zusammenhang mit der zuvor erfolgten Feststellung „es sei Restschuldbefreiung erteilt worden“ gerade nicht hergestellt ist („weil“, „deshalb“, „aufgrund“, „in der Folge“ o.ä.). Dass und, wenn ja, welche Forderung des Klägers oder des Finanzamts aus welchem Grund besteht oder nicht besteht oder nicht mehr besteht, lässt sich dem Schreiben in keiner Weise entnehmen. Insbesondere lässt sich nicht einmal eine konkrete Antwort auf die mit Schreiben vom 24. Februar 2012 gestellte Frage entnehmen, welche Steueransprüche durch die „Discharge“ erloschen seien, da es an der Benennung relevanter Steueransprüche fehlt.

2. Der Abrechnungsbescheid erweist sich auch nicht als unrechtmäßig, weil die gesichert am 24. November 2011 durch das Finanzamt erklärte Aufrechnung aus materiellen Gründen ins Leere gegangen wäre.

        

a) Nach § 335 InsO unterliegen das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet worden ist. Dies ist im Streitfall englisches Recht.

        

b) Nach § 338 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn er nach dem für die Forderung des Schuldners maßgebenden Recht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist.

Diese Regelung des deutschen Insolvenzrechts bleibt auch unter Berücksichtigung der  EUInsVO erhalten insoweit, als auch dort Artikel 6 Abs. (1) EUInsVO vorsieht, dass die Befugnis eines Gläubigers, mit seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt wird, wenn diese Aufrechnung nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht zulässig ist.

c)  Vorstehendes berücksichtigend, erweist sich die erfolgte Aufrechnung als rechtmäßig.

Nach deutschem (materiellem) Recht gilt, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 47 AO - unter anderem - durch Aufrechnung (§ 226 AO) erlöschen.

Gemäß § 226 Abs. 1 AO gelten für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sinngemäß, soweit nicht ein anderes bestimmt ist.

Nach § 387 BGB kann aufgerechnet werden, wenn eine Aufrechnungslage besteht. Diese liegt vor, wenn die zur Aufrechnung einander gegenüberstehenden Forderungen gegenseitig geschuldet werden und gleichartig sind. Die Gegenforderung muss fällig, die Hauptforderung muss erfüllbar sein. Der Aufrechnung dürfen keine Aufrechnungsverbote entgegenstehen und die Aufrechnungsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegeben sein (vgl. Bundesgerichtshof -BGH- vom 8. November 2011, Az. XI ZR 341/10, NJW 2012, 445). Diese Voraussetzungen liegen für den Streitfall vor.

Nach § 389 BGB hat die zulässige Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, rückwirkend und damit vor Insolvenzeröffnung als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (vgl. BFH, Urteil vom 12. Juli 2001 VII R 19, 20/00, VII R 19/00, VII R 20/00, unter II. 2. BStBl. II 2002, 67; Beschluss vom 4. Juli 2005, VII B 300/04, BFH BFH/NV 2005, 1753).

aa) Bei den in Streit stehenden Forderungen handelt es sich um solche, die gleichartig sind (Geldforderungen) und die gegenseitig von Seiten des Klägers und dem Finanzamt geschuldet werden.

bb) Besondere materielle Aufrechnungsverbote, welche im Hinblick auf das in England ins Werk gesetzte Insolvenzverfahren gem. §§ 94 bis 96 InsO zu beachten sind, standen der Aufrechnung nicht entgegen.

aaa) Bei den Hauptforderungen des Klägers (die Erstattungsansprüche ESt 2007, 2008) handelt es sich um solche, die unter Berücksichtigung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung hierzu, als vor Insolvenzeröffnung am 5. Oktober 2010 fällig gelten, so dass § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO einer Aufrechnung durch das Finanzamt nicht entgegen stand.

Ihrem Kern nach waren die Erstattungsforderungen 2007 und 2008 bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden und damit erfüllbar.

Ob ein Steueranspruch bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH, die der erkennende Senat nicht in Zweifel zieht, nicht danach, ob der Anspruch im steuerrechtlichen Sinne entstanden war, sondern danach, ob im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung der Rechtsgrund für den Anspruch im insolvenzrechtlichen Sinne gelegt war (BFH, Urteile vom 5. Oktober 2004, VII R 69/03, BStBl. II 2005, 195; vom 16. November 2004 VII R 75/03, BStBl. II 2006, 193; BFH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2005, VII B 309/04 und vom 7. Juni 2006 VII B 329/05, BStBl. II 2006, 641). Der Anspruch auf eine Steuer ist im insolvenzrechtlichen Sinne dann vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet, wenn der anspruchsbegründende Tatbestand, der zur Entstehung der Steuer führt, bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen ist (BFH in BStBl. II 2005, 195; in BStBl. II 2006, 193; in BFH/NV 2006, 369; BFH, Beschluss vom 20. April 2007 VII B 252/06, BFH/NV 2007, 1395, m.w.N.). Das gilt auch für Steuererstattungsansprüche. Steuererstattungsansprüche aufgrund von Steuervorauszahlungen - im Streitfall die Lohnsteuerzahlung als Vorauszahlung auf die Einkommensteuer - entstehen im Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Besteuerungszeitraumes die geschuldete Steuer geringer ist als die Vorauszahlung (BFH, Urteil vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791; in BStBl. II 2006, 641; Beschluss des BGH vom 12. Januar 2006 IX ZB 239/04, NJW 2006, 1127, dort für einen Fall des Lohnsteuerabzuges). Auf die Festsetzung des Erstattungsanspruches in einem Erstattungsbescheid kommt es nicht an (BFH in BFH/NV 1991, 791), da das Finanzamt nach einer Insolvenz-Verfahrenseröffnung einstweilen nicht einmal einen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO erlassen kann, weil es bis zum Bestreiten seiner Forderung durch einen dazu Berechtigten an der Erforderlichkeit eines solchen Bescheides fehlt (vgl. BFH, Entscheidungen vom 17. Mai 1984 V R 80/77, BFHE 141, 7, BStBl II 1984, 545, und vom 18. November 1999 V B 73/99, BFH/NV 2000, 548).  § 220 Abs. 2 Satz 2 AO greift deshalb nicht ein.

Da es für das Bestehen der Erstattungsforderung nicht darauf ankommt, dass und wann ein insoweit feststellender Bescheid ergangen ist, kann für den Streitfall dahin gestellt bleiben, ob der Erlass der die Erstattung konkretisierenden Festsetzungsbescheide am 11. Mai 2011, zwar in Unkenntnis, aber doch während des Insolvenzverfahrens, rechtmäßig war, da es darauf letztlich nicht ankommt.

bbb) Auch war die Aufrechnung des Finanzamts nicht gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO ausgeschlossen, weil dessen Gegenforderungen (die Rückstände aus den Jahren 1993 und 2000) bereits seit 17. Oktober 2001 respektive 17. Juni 2006 und damit vor der Erstattungsforderung des Klägers fällig geworden waren.

cc) Zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung war, auch unter Berücksichtigung des englischen Verfahrensrechts, noch von einer zu berücksichtigenden Aufrechnungslage auszugehen.

Dem Einwand des Klägers, die Aufrechnung sei deshalb rechtswidrig gewesen, weil zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 24. November 2011 die Aufrechnungslage nicht mehr vorgelegen habe, weil die Forderung des Finanzamts durch die am 5. Oktober 2011 eingetretene „Discharge“ nicht mehr bestanden habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Soweit sich der Kläger zu den Voraussetzungen einer Aufrechnung im englischen Verfahrensrecht auf Rule 4.90 der Insolvenzy Rules 1986 (IR) beruft, ist diese nicht einschlägig. Rule 4.90 IR betrifft den Fall der Insolvenz einer Firma („Part 4 Companies Winding Up“), was auf den Streitfall offensichtlich nicht zutrifft. Vielmehr handelt es sich im Streitfall um ein Verfahren nach Teil 6 IR („Part 6 Bankruptcy“). Dort ist gerade keine Regelung zum Zeitpunkt der Anmeldung einer Gegenforderung näher ausgeführt, vielmehr sieht sec. 281 Abs. (1) 2. Halbsatz Insolvency Act 1986 hinsichtlich der Wirkung einer „Discharge“ einschränkend vor, dass

 „..discharge does not affect the right of any creditor of the bankrupt to prove in the bankruptcy for any debt from which the bankrupt is released.”

…eine Restschuldbefreiung beeinträchtigt nicht das Recht eines Gläubigers des Insolvenzschuldners in der Insolvenz eine Schuld geltend zu machen, von welcher der Insolvenzschuldner befreit ist

Dies bedeutet, dass es einem Gläubiger auch nach Erteilung der „discharge“ unbenommen bleibt, sich auf eine Schuld zu berufen, die von der „discharge“ erfasst sein soll.

Damit bleibt dem Gläubiger auch nach Ausspruch der „discharge“ nicht nur der Einwand erhalten, dass er eine Insolvenzschuld hat, sondern auch der Einwand (maior ad minus), in welcher Höhe tatsächlich eine Insolvenzschuld vorliegt, welche die „discharge“ erfasst. Nach 6.96 (1) IR ist ein derartiger Einwand an keinerlei besonderen Formalitäten gebunden, so dass bereits das Schreiben des Finanzamts vom 30. Juni 2012 an den Official Receiver als Reklamieren des entsprechenden Einwands ausgelegt werden kann, dass bei den „bankruptcy dept“, soweit das Finanzamts betroffen ist, auch Gegenansprüche zu berücksichtigen sind.

In sec. 281 Insolvency Act 1986 (Effect of discharge) ist geregelt: E+W

(1)     

Subject as follows, where a bankrupt is discharged, the discharge releases him from all the bankruptcy debts, but has no effect—

        

Damit wird eine Gläubigerforderung von der „discharge“ dann aber gleichzeitig nur dann erfasst, wenn es sich um eine Insolvenzschuld („bankruptcy dept“) handelt.

Für die Bestimmung, was eine Insolvenzschuld ist, wenn sich gegenseitige Forderungen von Insolvenzschuldner und Insolvenzgläubiger gegenüberstehen, hält sec. 323 Insolvency Act 1986 eine eigene Regelung bereit. Dort heißt es:

Mutual credit and set-off.

(1)     

This section applies where before the commencement of the bankruptcy there have been mutual credits, mutual debts or other mutual dealings between the bankruptcy and any creditor of the bankrupt proving or claiming to prove for a bankruptcy debt.

        

Dieser Abschnitt findet dort Verwendung, wo vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens beidseitige Darlehen, beidseitige Schulden oder andere gegenseitige Beziehungen zwischen dem Insolvenzschuldner und einem Insolvenzgläubiger, zu gewärtigen sind, welche bewiesene oder zum Beweis angemeldete Insolvenzschulden betreffen.

        

        

(2)     

An account shall be taken of what is due from each party to the other in respect of the mutual dealings and the sums due from one party shall be set off against the sums due from the other.

        

Eine Verrechnung soll vorgenommen werden, für das, was jede Partei der anderen schuldet mit Rücksicht auf gegenseitige Beziehungen und die Summen, die die eine Partei der anderen schuldet und die Summen sollen gegengerechnet werden, was eine Partei der anderen schuldet

(3)     

….    

(4)     

Only the balance (if any) of the account taken under subsection (2) is provable as a bankruptcy debt or, as the case may be, to be paid to the trustee as part of the bankrupt’s estate.

        

Nur der Saldo der Aufrechnungen ist eine nachweisbare Insolvenzforderung oder je nachdem, an den Insolvenzverwalter zu zahlen als Vermögen des Insolvenzschuldners.

Nach sec. 323 Abs. (4) Insolvency Act 1986 sieht das englische Recht damit vor, dass als Insolvenzschuld nur der Saldo aus Forderungen und Gegenforderungen, die zu Beginn des Insolvenzverfahrens vorlagen als Insolvenzschuld zu berücksichtigen ist.

Da nur der Saldo derartiger gegenseitiger Beziehungen als Insolvenzschuld von der „Discharge“ verfahrensrechtlich erfasst wird, konnte die „Discharge“ den Kläger nur insoweit von Forderungen des Finanzamts befreien, als sie einem Saldo aus Forderungen und Gegenforderungen entsprechen, welcher sich aus den gegenseitigen Forderungen zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt.

Da die Frage, ob Aufrechenbarkeit zu Beginn des Insolvenzverfahrens vorlag, eine des materiellen Rechts ist, ist eine Aufrechnung nach Art. 6 EUInsVO unabhängig von den englischen Bestimmungen dann möglich, wenn eine Aufrechenbarkeit nach deutschem Recht zu bejahen ist. Wie bereits dargelegt (II. 2 c. bb) aaa) der Gründe) ist hiernach von einer Aufrechenbarkeit zu Beginn des Verfahrens auszugehen.

Wie ebenfalls bereits dargelegt räumt sec. 281 Insolvency Act 1986 am Ende dem Gläubiger ein, sich auf die tatsächliche Insolvenzschuld zu berufen.

Das Finanzamt war entsprechend an einer Aufrechnung gegen bereits zu Beginn des Insolvenzverfahrens entstandener Steuererstattungsansprüchen mit zu Beginn des Insolvenzverfahrens bestehenden Steuerrückständen durch englisches Verfahrensrecht nicht gehindert, da sich hierdurch lediglich der Saldo konkretisierte der von der „discharge“ als „Bankruptcy Dept“ erfasst wird und dem Gläubiger eine Berufung auf einen entsprechend niedrigeren Saldo auch nach Eintritt der „discharge“ unbenommen ist.

dd) Der Senat schließt sich im Übrigen der Auffassung des FG Schleswig-Holstein an (Urteil vom 23. Oktober 2013, 4 K 186/11, EFG 2014, 1028 nach Einstellung des Revisionsverfahrens rechtskräftig), wonach die Vorschrift des § 94 InsO dahin zu verstehen ist, dass ein rechtskräftiger Beschluss über die Restschuldbefreiung gem. § 301 InsO ein bei Eröffnung des Insolvenzverfahren bestehendes Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung unberührt lässt, so dass auch nach deutschem Recht eine Aufrechnungserklärung am 24. November 2011 noch möglich war (vgl. zur Rechtsentwicklung BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 IX ZR 222/08, NJW-RR 2011, 1142).

ee) Zu bedenken gilt es letztlich auch, dass es in der Hand des Klägers lag durch zeitnahe Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen die Konkretisierung der Erstattungsansprüche schon vor Beginn des „bankruptcy“ Verfahrens zu ermöglichen. Es widerspricht den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie einem „fair trial“, wenn es ins Belieben des Schuldners gestellt wäre, einerseits die Forderungen eines Insolvenzgläubigers ins Insolvenzverfahren und eine Restschuldbefreiung zu verlagern, demgegenüber die Forderungen gegenüber diesem, auch wenn deren Wurzeln in einen Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens fallen, nach Gutdünken in eine Zeit nach Abschluss des Insolvenzverfahrens zu verlagern und diese, ungeachtet einer  grundsätzlich vor Insolvenz bestehenden Aufrechnungslage, zu Lasten des Gläubigers einseitig durchzusetzen.

ff) Selbst wenn man die Auffassung des Senats nicht teilen möchte, dass bereits die entsprechende Anwendung englischen und deutschen Rechts zu dem gefundenen Ergebnis der möglichen Aufrechnung führt, wäre weitergehend für den Streitfall zu  prüfen, ob angesichts der fehlenden Beteiligung des Finanzamts am gerichtlichen „Bankruptcy“-Verfahren und der damit einhergehenden Verletzung eines grundrechtsgleichen Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG) als Betroffener eines Gerichtsverfahrens, eine Berücksichtigung des „Bankruptcy“-Verfahrens nach Art. 26 EUInsVO insgesamt oder mit dem eingeschränkten Ergebnis einer gleichwohl möglichen Aufrechnung in Betracht zu ziehen wäre.

Bei dem durch den Senat gefunden Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an.

3. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH hält der Senat nicht für veranlasst, da konkrete Zweifelsfragen zur Auslegung europäischen Rechts, die eine Vorabentscheidung erforderten, sich nicht ergeben. Hinzukommt, dass das Finanzgericht als erstinstanzliches Gericht, selbst wenn eine derartige Frage zu formulieren wäre, gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nur berechtigt, nicht aber verpflichtet ist , eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen (BFH, Beschluss vom 9. Juni 2009, VII B 182/08, BFH/NV 2009, 1681; vom 11. August 1999 VII B 162/99, BFH/NV 2000,77; vom 25. Juni 1991 VII B 33/91,BFH/NV 1992, 286). Letztlich hält der erkennende Senat die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts - im Streitfall des Art. 6 EUInsO - für derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel an dessen Auslegung, was den Streitfall anbelangt, kein Raum besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 6.10.1982 283/81 „Cilfit u.a.“ Celex-Nr. 61981CJ0283, juris).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Absatz 1 FGO.

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published on 08/11/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 341/10 Verkündet am: 8. November 2011 Herrwerth, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG
published on 19/05/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 222/08 Verkündet am: 19. Mai 2011 Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja InsO §§ 94, 254 Abs. 1;
published on 12/01/2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS IX ZB 239/04 vom 12. Januar 2006 in dem Verbraucherinsolvenzverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein InsO §§ 35, 36 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 287 Abs. 2 Satz 1, § 292 Abs. 1 Satz 3 a) Der Anspruch auf Erstattun
published on 23/10/2013 00:00

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Aufrechnung eines Umsatzsteuerguthabens nebst Zinsen des Klägers
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Annotations

(1) Die Steuern können, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass dies einer Begründung bedarf. Die Festsetzung einer Vorauszahlung ist stets eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung.

(2) Solange der Vorbehalt wirksam ist, kann die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden. Der Steuerpflichtige kann die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit beantragen. Die Entscheidung hierüber kann jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die innerhalb angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausgeschoben werden.

(3) Der Vorbehalt der Nachprüfung kann jederzeit aufgehoben werden. Die Aufhebung steht einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich; § 157 Abs. 1 Satz 1 und 3 gilt sinngemäß. Nach einer Außenprüfung ist der Vorbehalt aufzuheben, wenn sich Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nicht ergeben.

(4) Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft. § 169 Absatz 2 Satz 2, § 170 Absatz 6 und § 171 Absatz 7, 8 und 10 sind nicht anzuwenden.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

Das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn er nach dem für die Forderung des Schuldners maßgebenden Recht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist.

Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37) sind die Steuerbescheide, die Steuervergütungsbescheide, die Haftungsbescheide und die Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden; bei den Säumniszuschlägen genügt die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands (§ 240). Die Steueranmeldungen (§ 168) stehen den Steuerbescheiden gleich.

(2) Über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche im Sinne des Absatzes 1 betreffen, entscheidet die Finanzbehörde durch Abrechnungsbescheid. Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2) betrifft.

(3) Wird eine Anrechnungsverfügung oder ein Abrechnungsbescheid auf Grund eines Rechtsbehelfs oder auf Antrag des Steuerpflichtigen oder eines Dritten zurückgenommen und in dessen Folge ein für ihn günstigerer Verwaltungsakt erlassen, können nachträglich gegenüber dem Steuerpflichtigen oder einer anderen Person die entsprechenden steuerlichen Folgerungen gezogen werden. § 174 Absatz 4 und 5 gilt entsprechend.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

Das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen unterliegen, soweit nichts anderes bestimmt ist, dem Recht des Staats, in dem das Verfahren eröffnet worden ist.

Das Recht eines Insolvenzgläubigers zur Aufrechnung wird von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt, wenn er nach dem für die Forderung des Schuldners maßgebenden Recht zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.

(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.

(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.

Die Aufrechnung bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind.

(1) Die Aufrechnung ist unzulässig,

1.
wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist,
2.
wenn ein Insolvenzgläubiger seine Forderung erst nach der Eröffnung des Verfahrens von einem anderen Gläubiger erworben hat,
3.
wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat,
4.
wenn ein Gläubiger, dessen Forderung aus dem freien Vermögen des Schuldners zu erfüllen ist, etwas zur Insolvenzmasse schuldet.

(2) Absatz 1 sowie § 95 Abs. 1 Satz 3 stehen nicht der Verfügung über Finanzsicherheiten im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes oder der Verrechnung von Ansprüchen und Leistungen aus Zahlungsaufträgen, Aufträgen zwischen Zahlungsdienstleistern oder zwischengeschalteten Stellen oder Aufträgen zur Übertragung von Wertpapieren entgegen, die in Systeme im Sinne des § 1 Abs. 16 des Kreditwesengesetzes eingebracht wurden, das der Ausführung solcher Verträge dient, sofern die Verrechnung spätestens am Tage der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt; ist der andere Teil ein Systembetreiber oder Teilnehmer in dem System, bestimmt sich der Tag der Eröffnung nach dem Geschäftstag im Sinne des § 1 Absatz 16b des Kreditwesengesetzes.

(1) Verwaltungsakte können vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist (§ 361; § 69 der Finanzgerichtsordnung). Einfuhr- und Ausfuhrabgabenbescheide können außerdem nur vollstreckt werden, soweit die Verpflichtung des Zollschuldners zur Abgabenentrichtung nicht ausgesetzt ist (Artikel 108 Absatz 3 des Zollkodex der Union).

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften der Insolvenzordnung sowie § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes. Die Finanzbehörde ist berechtigt, in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 der Insolvenzordnung sowie des § 71 des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes gegen den Schuldner im Verwaltungswege zu vollstrecken.

(3) Macht die Finanzbehörde im Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als Insolvenzforderung geltend, so stellt sie erforderlichenfalls die Insolvenzforderung durch schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt fest.

(1) Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis richtet sich nach den Vorschriften der Steuergesetze.

(2) Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, so wird der Anspruch mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, dass in einem nach § 254 erforderlichen Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt worden ist. Ergibt sich der Anspruch in den Fällen des Satzes 1 aus der Festsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis, so tritt die Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein.

(1) Sind zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die aufzurechnenden Forderungen oder eine von ihnen noch aufschiebend bedingt oder nicht fällig oder die Forderungen noch nicht auf gleichartige Leistungen gerichtet, so kann die Aufrechnung erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind. Die §§ 41, 45 sind nicht anzuwenden. Die Aufrechnung ist ausgeschlossen, wenn die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll, unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann.

(2) Die Aufrechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Forderungen auf unterschiedliche Währungen oder Rechnungseinheiten lauten, wenn diese Währungen oder Rechnungseinheiten am Zahlungsort der Forderung, gegen die aufgerechnet wird, frei getauscht werden können. Die Umrechnung erfolgt nach dem Kurswert, der für diesen Ort zur Zeit des Zugangs der Aufrechnungserklärung maßgeblich ist.

Ist ein Insolvenzgläubiger zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung zur Aufrechnung berechtigt, so wird dieses Recht durch das Verfahren nicht berührt.

(1) Wird die Restschuldbefreiung erteilt, so wirkt sie gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben.

(2) Die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, werden durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Der Schuldner wird jedoch gegenüber dem Mitschuldner, dem Bürgen oder anderen Rückgriffsberechtigten in gleicher Weise befreit wie gegenüber den Insolvenzgläubigern.

(3) Wird ein Gläubiger befriedigt, obwohl er auf Grund der Restschuldbefreiung keine Befriedigung zu beanspruchen hat, so begründet dies keine Pflicht zur Rückgewähr des Erlangten.

(4) Ein allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners erlassenes Verbot, eine gewerbliche, geschäftliche, handwerkliche oder freiberufliche Tätigkeit aufzunehmen oder auszuüben, tritt mit Rechtskraft der Erteilung der Restschuldbefreiung außer Kraft. Satz 1 gilt nicht für die Versagung und die Aufhebung einer Zulassung zu einer erlaubnispflichtigen Tätigkeit.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.