Finanzgericht Köln Urteil, 19. Feb. 2014 - 9 K 2957/12
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei einem auf zwölf Monate befristeten Arbeitsverhältnis, von denen die ersten sechs Monate auf die Probezeit entfielen, eine Auswärtstätigkeit vorliegt, mit der Folge, dass die vom Kläger geltend gemachten Verpflegungsmehraufwendungen für die ersten drei Monate und die geltend gemachten Fahrtkosten nach Maßgabe der tatsächlich gefahrenen Kilometer anzuerkennen sind.
3Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde.
4Mit einem auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag vom 21. Januar 2011 wurde der Kläger ab dem 22. Januar 2011 bei der A GmbH, B-Straße ... in C, als Werkzeugmechaniker angestellt. Das Arbeitsverhältnis wurde nach Ablauf der Befristung nicht fortgesetzt. Nach Nr. 12 des Arbeitsvertrages galten die ersten 6 Monate als Probezeit. Die Entfernung der Wohnung des Klägers zur Arbeitsstelle betrug 9 Kilometer.
5In seiner Steuererklärung gab der Kläger an, im Streitjahr an 46 Wochen gearbeitet zu haben. An jedem zweiten Samstag im Monat habe er ebenfalls arbeiten müssen. Als Werbungskosten machte er für die Probezeit Verpflegungsmehraufwendungen und Fahrtkosten entsprechend der tatsächlich gefahrenen Kilometer geltend.
6Im angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 20. April 2012 berücksichtigte der Beklagte als Werbungskosten lediglich den Pauschbetrag gemäß § 9a EStG i.H.v. 1000 €. Den hiergegen gerichteten Einspruch vom 25. April 2012 wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. August 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, eine Auswärtstätigkeit liege nicht vor. Eine solche erfordere, dass eine weitere regelmäßige, den Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses darstellende Arbeitsstätte vorhanden sei. Eine solche habe der Kläger nicht gehabt. Dem Argument des Klägers, bei einem Probearbeitsverhältnis, das zudem auf ein Jahr befristet sei, liege stets eine Auswärtstätigkeit vor, könne nicht gefolgt werden.
7Hiergegen hat der Kläger am 27. September 2012 Klage erhoben, mit der er zunächst die Anerkennung der erhöhten Fahrtkosten zu seiner Arbeitsstätte während der Probezeit sowie Verpflegungsmehraufwand für die ersten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses geltend machte. Zur Begründung vertritt er die Auffassung, er sei während seiner Probezeit der betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers weder dauerhaft zugeordnet gewesen, noch habe es ihm zugemutet werden können, während der Probezeit seinen Wohnsitz an den Tätigkeitsort zu verlegen. Vor diesem Hintergrund seien Werbungskosten wie folgt anzuerkennen:
8Fahrtkosten während d. Probezeit: 136 Fahrten x 2 km x 9 x 0,3 € = |
734,40 €, |
Verpflegungsmehraufwand: 60 Tage x 6 € = |
360,00 €, |
Fahrtkosten außerhalb der Probezeit: 125 Fahrten x 9 km x 0,3 € = |
337,50 €, |
Arbeitsmittel (u.a. Telefonkosten in Höhe von 24 € pauschal): |
134,00 €, |
Reinigung Berufskleidung: |
154,00 €, |
Kontoführung: |
16,00 €. |
Summe: |
1736,00 € |
Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2014 hat der Kläger die Klage hinsichtlich der erhöhten Fahrtkosten für die sich an die Probezeit anschließenden restlichen 6 Monate des befristeten Arbeitsverhältnisses erweitert. Zur Begründung trägt er vor, aus den Entscheidungen des Bundesfinanzhofs vom 8. August 2013 VI R 27/12 und VI R 72/12, ergebe sich, dass ein Arbeitnehmer, der für 2 Jahre befristet an einer anderen betrieblichen Einrichtung als seinem bisherigen Tätigkeitsort eingesetzt werde, bzw. ein Beamter, der von seinem Arbeitgeber für 3 Jahre an eine andere als seine bisherige Tätigkeitsstätte abgeordnet oder versetzt werde, an den neuen Tätigkeitsorten keine regelmäßigen Arbeitsstätten begründeten. Diese Rechtsprechung sei auch auf den Fall eines befristeten Arbeitsverhältnisses anwendbar. Hierdurch erhöhten sich die Werbungskosten um 125 Fahrten x 9 km x 0,30 € = 337,50 €.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, an der Geltendmachung von Telefonkosten nicht länger festzuhalten. Fahrtaufwendungen seien nur für 253 Fahrten zur Arbeitsstätte angefallen (46 Arbeitswochen x 5 Arbeitstage + 23 Samstage).
11Der Kläger beantragt,
12den angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 20. April 2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23. August 2012 mit der Maßgabe zu ändern, dass Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbständiger Tätigkeit i.H.v. 2006,20 € angesetzt werden,
13hilfsweise, die Revision zuzulassen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen,
16hilfsweise, die Revision zuzulassen.
17Zur Begründung führt er aus, die in der Literatur vertretene Rechtsauffassung, bei Probearbeitsverhältnissen sei generell noch nicht von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, entspreche nicht der Auffassung der Finanzverwaltung.
18Entscheidungsgründe
19Die Klage ist unbegründet.
20Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO).
21Zutreffend hat der Beklagte den Arbeitsplatz des Klägers als regelmäßige Arbeitsstätte angesehen und das Vorliegen einer Auswärtstätigkeit verneint.
22Eine Auswärtstätigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich der erkennende Senat anschließt, u.a. vor, wenn der Arbeitnehmer vorübergehend außerhalb seiner Wohnung und seiner regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird (BFH-Urteile 8. August 2013 VI R 72/12, BStBl II 2014, 68; vom 15. Mai 2013 VI R 41/12, BStBl II 2013, 704; vom 13. Juni 2012 VI R 47/11, BStBl II 2013, 169).
23Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor, weil der Kläger nicht vorübergehend außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitsstätte eingesetzt war. Das ist bereits denknotwendig ausgeschlossen, weil es sich bei der Arbeitsstelle in der B-Straße ... in C, um die einzige Arbeitsstätte des Klägers handelt.
24Mit der Formulierung, „eine Auswärtstätigkeit liegt u.a. vor, wenn …“ bringt der Bundesfinanzhof allerdings zum Ausdruck, dass auch Sachverhalte denkbar sind, bei denen eine Auswärtstätigkeit zu bejahen ist, ohne dass eine regelmäßige Arbeitsstätte vorhanden ist. Das ist bspw. bei einer reinen Reisetätigkeit, bei einem Stadtgebiet oder einem Gebiet wie dem Hamburger Hafen, einem 400 qkm großen Waldgebiet ohne ortsfeste oder dauerhaft betriebliche Einrichtung, einem Kehrbezirk (Schornsteinfeger) oder einem Zeitungszustellbezirk der Fall (vgl. die Auflistung bei Loschelder in Schmidt, EStG, § 9 Rz. 117, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). In der Literatur wird die Rechtsaufassung vertreten, dass auch bei Probearbeitsverhältnissen noch nicht von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen sei (vgl. Loschelder in Schmidt, EStG, § 9 Rz. 116). Nach Auffassung des Klägers soll das auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen gelten, wenn die Befristung nicht über die Zeitspannen hinausgeht, über die der Bundesfinanzhof in den Urteilen vom 8. August 2013 VI R 27/12 und VI R 72/12 zu entscheiden hatte (2 und 3 Jahre). Der erkennende Senat lässt es dahinstehen, ob er diese Rechtsauffassungen vom Grundsatz her teilen könnte. Denn auch dann wäre das Vorliegen einer Auswärtstätigkeit jedenfalls im hier vorliegenden Streitfall zu verneinen. Denn eine Auswärtstätigkeit kann in den Fällen, in denen es an einer befristeten Versetzung oder Abordnung an eine andere als die regelmäßige Arbeitsstätte fehlt, nach Auffassung des erkennenden Senats nur in Erwägung gezogen werden, wenn eine Kontrollüberlegung bei typisierender Betrachtung zu dem Ergebnis kommt, dass dem Arbeitnehmer ein Familienumzug an den Tätigkeitsort nicht zuzumuten ist (so auch Loschelder, a.a.O., m.w.N.). Besteht von vornherein lediglich eine einzige Arbeitsstätte und liegt diese – wie im Streitfall – nur 9 km vom Wohnort des Steuerpflichtigen entfernt, ist für eine solche Kontrollüberlegung kein Raum. Bei einer Entfernung von 9 Kilometer kommt ein Umzug an den Arbeitsort jedenfalls aus Gründen der Wegzeiteinsparung von vornherein nicht in Betracht. Der Senat sieht sich mit dieser Entscheidung in Einklang mit den Erwägungen des Bundesfinanzhofs im Urteil vom 24. September 2013, VI R 51/12, BFH/NV 2014, 220. In dieser Entscheidung führt der Bundesfinanzhof unter II. 2. aus, dass ein Arbeitnehmer, der außerhalb einer dem Arbeitgeber zuzuordnenden Betriebsstätte oder an einer solchen nur vorübergehend und damit auswärts tätig ist, typischerweise nicht die Möglichkeit hat, seine Wegkosten gering zu halten. Diese Überlegung spielt in Fällen, in denen der Arbeitsort in einer Entfernung von 9 Kilometer zum Wohnort liegt, keine Rolle.
25Dass es bei der Beurteilung der Frage, ob eine Auswärtstätigkeit vorliegt, nicht abstrakt auf das Vorliegen eines Probezeitarbeitsverhältnisses oder eine zeitliche Befristung ankommt, sondern auf die persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen abzustellen ist, entspricht ebenfalls der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Danach ist die Frage, ob der Arbeitnehmer lediglich vorübergehend in einer anderen betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wird oder von Anbeginn dauerhaft an den neuen Beschäftigungsort entsandt wurde anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls zu beurteilen (BFH-Urteil vom 24. September 2013 VI R 51/12, a.a.O.).
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.
27Die Revision war zuzulassen. Zur Fortbildung des Rechts bedarf es einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs hinsichtlich der Frage, ob bei einem befristeten Arbeitsverhältnis auch dann eine Auswärtstätigkeit zu bejahen ist, wenn ein Arbeitnehmer eine bestimmte Betriebsstätte seines Arbeitgebers regelmäßig aufsucht, ohne an diese vorübergehend versetzt oder abgeordnet worden zu sein.
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1Für Werbungskosten sind bei der Ermittlung der Einkünfte die folgenden Pauschbeträge abzuziehen, wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden:
- 1.
- a)
von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich Buchstabe b: ein Arbeitnehmer-Pauschbetrag von 1 230 Euro; - b)
von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit, soweit es sich um Versorgungsbezüge im Sinne des § 19 Absatz 2 handelt: ein Pauschbetrag von 102 Euro;
- 2.
(weggefallen) - 3.
von den Einnahmen im Sinne des § 22 Nummer 1, 1a und 5: ein Pauschbetrag von insgesamt 102 Euro.
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.