Finanzgericht Köln Urteil, 03. Juli 2014 - 4 K 2025/11
Gericht
Tenor
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5.5.2010 und der Einspruchsentscheidung vom 10.6.2011 wird der Beklagte verpflichtet, den Kläger hinsichtlich des Anspruchs auf Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2008 in Bezug auf die Berücksichtigung der Beiträge für die Basisrenten-Versicherung i.H.v. 2460 € als Sonderausgaben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob für das Finanzamt eine mögliche offenbare Unrichtigkeit der Einkommensteuererklärung 2008 aufgrund eines versehentlich nicht erklärten Sonderausgaben-Abzugsbetrages offensichtlich war bzw. ob alternativ eine bewusste Ablehnung des Sonderausgabenabzugs ohne Erläuterung im Steuerbescheid vorlag, aufgrund deren dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren wäre.
3Der Kläger erzielte im Streitjahr 2008 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Kapitalvermögen. In seiner am 9.6.2009 bei dem Finanzamt A eingegangenen Einkommensteuererklärung nahm er zu Beiträgen für eigene kapitalgedeckte Rentenversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) mit Laufzeitbeginn nach dem 31.12.2004 keine Eintragungen vor. Mit Bescheid vom 22.6.2009 setzte das Finanzamt A die Einkommensteuer 2008 erklärungsgemäß fest und sandte die beigefügten Belege mit Ausnahme der Bescheinigungen über Kapitalerträge und der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung an den Kläger zurück.
4Mit Schreiben vom 24.4.2010 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Berichtigung der Einkommensteuerfestsetzung 2008 nach § 129 AO, da die erklärten Beiträge für eine Basisrenten-Versicherung der B Ltd. i.H.v. 2460 €, die die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfülle, nicht berücksichtigt worden seien.
5Diesen Antrag lehnte das Finanzamt A mit Bescheid vom 5.5.2010 ab, da der Kläger in seiner Steuererklärung den Abzug von Beiträgen zur Rürup-Rente nicht beantragt habe.
6Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch trug der Kläger vor, dass er die Beiträge für die Basisrenten-Versicherung bei der Erstellung der Steuererklärung zwar zutreffend in die – zugleich in Kopie vorgelegte – Entwurfsfassung des Mantelbogens eingetragen, sodann aber bei der Fertigung der Reinschrift diese Eintragung versehentlich nicht übernommen habe. Damit liege ein schlichter Übertragungsfehler vor, den das Finanzamt als offenbare Unrichtigkeit übernommen habe. Dieser Fehler sei für das Finanzamt offensichtlich gewesen, da der Steuererklärung eine Bescheinigung der B-Versicherung über die geleisteten Versicherungsbeiträge vom 17.2.2009 beigefügt gewesen sei, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Hieraus sei eindeutig erkennbar, dass der Versicherungsvertrag die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfülle. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 27.5.2009 X R 47/08) sei eine Unrichtigkeit offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung, deren Anlagen sowie den in der Akte befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergebe.
7Mit Einspruchsentscheidung vom 10.6.2011 wies der zwischenzeitlich zuständig gewordene Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Dem Finanzamt sei es nicht ohne weitere Prüfung möglich gewesen, den Fehler zu erkennen und zu beseitigen. Ein unvoreingenommener Dritter könne nicht anhand der Akte erkennen, dass dem Kläger ein Fehler bei Erstellen der Steuererklärung unterlaufen sei. Ebenfalls sei nicht ohne weitere Ermittlungen ersichtlich, dass die Bescheinigung der Versicherung mit der Steuererklärung eingereicht worden sei. Sofern dies der Fall gewesen sein sollte, sei eine unterlassene Sachverhaltsaufklärung durch den zuständigen Sachbearbeiter nicht auszuschließen. Hierbei handele es sich nicht um ein mechanisches Versehen, dass einer offenbaren Unrichtigkeit gleichzusetzen wäre. Aufgrund der Verteilung der Feststellungslast müsse es zulasten des Klägers gehen, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nicht nachgewiesen sei.
8Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger geltend, dass seinem Steuerberater und jetzigem Prozessbevollmächtigten bei der Übernahme des Mandats zur Erstellung der Einkommensteuererklärung 2009 der handschriftlich ausgefüllte Entwurf der Einkommensteuererklärung 2008 und der frankierte DIN A5 Briefumschlag, mit dem das Finanzamt – nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 2008 – die nicht mehr benötigten Belege zurückgesandt habe, vorgelegt worden seien. Wie sein Steuerberater am 13.4.2014 eidesstattlich versichert habe, habe der handschriftlich ausgefüllte Mantelbogen die Eintragung zum Sonderausgabenabzug der Beiträge für die Basis Renten-Versicherung der B i.H.v. 2460 € enthalten und sich die Bescheinigung der B‑Versicherung vom 17.2.2009 in dem von dem Finanzamt zurückgesandten Briefumschlag befunden. Ebenso enthielte die in den Akten enthaltene Prüfberechnung der Einkommensteuer 2008 den auf den 10.6.2009 datierten Sachbearbeitervermerk „Belege zurück“. Er sowie sein Steuerberater seien daher ursprünglich davon ausgegangen, dass auch die dem Finanzamt eingereichte Steuererklärung die nämlichen Eintragungen zu den Sonderausgaben enthalte. Wenngleich sich dies nunmehr als unzutreffend herausgestellt habe, sei die bestandskräftige Steuerfestsetzung 2008 dennoch nach § 129 AO zu berichtigen, weil das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare Unrichtigkeit als eigene übernommen habe.
9Demgegenüber könne sich der Beklagte nicht auf die Möglichkeit einer unterlassenen Sachverhaltsaufklärung berufen, die der Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit entgegenstünde. Denn die Abzugsfähigkeit der Versicherungsbeiträge sei aus der beigefügten Bescheinigung der B-Versicherung zweifelsfrei erkennbar gewesen. Von dieser Bescheinigung hätte der Sachbearbeiter auch ohne weiteres Kenntnis nehmen können, da der Steuererklärung keine umfangreichen Belege beigefügt gewesen seien. Für den Sachbearbeiter sei daher zweifelsfrei erkennbar gewesen, dass der Kläger den Abzug der Basisrenten-Versicherungsbeiträge im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als Sonderausgaben begehrte. Für einen die Berichtigung nach § 129 AO ausschließenden Tatsachen- oder Rechtsirrtum sei nach den hier gegebenen Verhältnissen des Einzelfalls nichts ersichtlich.
10Wenn sich der Beklagte aber nunmehr darauf berufe, dass die Bescheinigung vom 17.2.2009 nicht die Angabe enthalte, dass auch über die ausdrücklich ausgeschlossenen Verwertungsmöglichkeiten hinaus kein Anspruch auf Auszahlungen bestehe, und der zuständige Sachbearbeiter den Sonderausgabenabzug deshalb möglicherweise aus Rechtsgründen oder aufgrund einer unterlassenen bzw. fehlerhaften Sachverhaltsaufklärung abgelehnt habe, so verkenne er, dass ihm, dem Kläger, in diesem Fall gemäß § 126 Abs. 3 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren wäre, weil die Finanzverwaltung ohne Erläuterung von dem Inhalt der Erklärung abgewichen sei.
11Schließlich stelle sich die Frage, ob die Rechtsbehelfsfrist gegen den Einkommensteuerbescheid vom 22.6.2009 deshalb gemäß § 356 Abs. 2 S. 1 AO ein Jahr betrage und deshalb der in einen zulässigen Einspruch umzudeutende Änderungsantrag vom 24.4.2010 innerhalb dieser Frist eingegangen sei, weil in der von dem Beklagten erteilten Rechtsbehelfsbelehrung nicht auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form hingewiesen worden sei. Hierzu werde das unter dem Az. X R 2/12 anhängige Revisionsverfahren Bezug genommen.
12Der Kläger beantragt,
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1. unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5.5.2010 und der Einspruchsentscheidung vom 10.6.2011 den Beklagten zu verpflichten, den Kläger hinsichtlich der Berücksichtigung der geleisteten Beiträge für die Basisrenten-Versicherung i.H.v. 2460 € als Sonderausgaben im Wege der Änderung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom 22.6.2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden,,
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2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Eine Berichtigung nach § 129 AO sei ausgeschlossen, weil die nicht nur theoretische Möglichkeit eines Fehlers in der Tatsachenwürdigung oder bei der Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG bestehe.
19Zwar sei es möglich, dass die Bescheinigung der B-Versicherung vom 17.2.2009 schlicht übersehen worden sei. Andernfalls hätte aber die Übernahme bzw. die Nichtübernahme der Angaben des Klägers nicht ohne rechtliche Würdigung erfolgen können, da bei den streitbefangenen Versicherungsbeiträgen zu prüfen sei, ob der zu Grunde liegende Versicherungsvertrag die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfülle. Voraussetzung sei u.a., dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag nicht vererblich, übertragbar, beleihbar, veräußerbar und kapitalisierbar seien und darüber hinaus kein Anspruch auf Auszahlungen bestehe. Zu der letzteren Voraussetzung enthalte die Bescheinigung der B-Versicherung vom 17.2.2009 keine Angaben. Es hätte daher einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedurft, da für das Finanzamt nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen sei, dass die fraglichen Versicherungsbeiträge die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug erfüllten. Diese Sachaufklärung sei möglicherweise unterlassen worden oder fehlerhaft erfolgt. Es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Versicherungsbeiträge aufgrund der fehlenden Angabe nicht als Sonderausgaben berücksichtigt worden seien, weil der Bearbeiter die Voraussetzungen als nicht erfüllt angesehen und dies lediglich versehentlich nicht im Steuerbescheid erläutert habe.
20Im Übrigen habe der Kläger keinen Nachweis darüber erbracht, zu welchem Zeitpunkt die Bescheinigung vom 17.2.2009 erstmalig bei dem Finanzamt vorgelegt worden sei. Damit fehle es bereits an der Grundlage für die von dem Kläger angenommene Möglichkeit eines Übertragungsfehlers aufgrund schlichten Übersehens der Bescheinigung.
21Mit Urteil vom 20.11.2013 X R 2/12 habe der BFH entschieden, dass eine fehlerfreie Rechtsbehelfsbelehrung nicht den Hinweis auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung in elektronischer Form erfordere. Demnach betrage die Rechtsbehelfsfrist einen Monat und habe am 27.7.2009 geendet. Der Änderungsantrag des Klägers vom 24.4.2010 könne daher nicht in einen zulässigen Einspruch umgedeutet werden.
22Entscheidungsgründe
23Die Klage ist begründet.
24Die Ablehnung der Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2008 in Bezug auf die Berücksichtigung der Beiträge für die Basisrenten-Versicherung i.H.v. 2460 € als Sonderausgaben ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit der Beklagte diese Ablehnung darauf gestützt hat, dass insoweit eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO nicht vorliege. Allerdings ist der begehrte Sonderausgabenabzug von dem dem Kläger obliegenden ergänzenden Nachweis abhängig, dass kein Anspruch auf Auszahlungen aus dieser Versicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG besteht. Da es insoweit noch an der Spruchreife der Sache fehlt, wird der Beklagte verpflichtet, den Kläger hinsichtlich des Anspruchs auf Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2008 in Bezug auf die Berücksichtigung der Beiträge für die Basisrenten-Versicherung i.H.v. 2460 € als Sonderausgaben unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (§ 101 S. 2 FGO).
251. Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.
26Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Das Tatbestandsmerkmal "ähnliche offenbare Unrichtigkeiten" setzt voraus, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen "mechanischen" Fehler handelt, der ebenso "mechanisch", also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann (BFH-Urteile vom 12. April 1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1, und vom 29. März 1990 V R 27/85, BFH/NV 1992, 711, m.w.N.).
27Eine offenbare Unrichtigkeit kann auch dann vorliegen, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung enthaltene offenbare, d.h. für das Finanzamt erkennbare Unrichtigkeit als eigene übernimmt (BFH-Urteile vom 20. Januar 2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946, und vom 4. Juni 2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801, m.w.N.). Eine offenbare Unrichtigkeit bei der Übernahme von Angaben des Steuerpflichtigen als eigene ist gegeben, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergibt, weil der Fehler auf der Hand liegt, durchschaubar, eindeutig oder augenfällig ist (BFH-Urteil vom 20. Januar 2009, a.a.O., und BFH-Beschluss vom 27. Februar 2014 X B 157/13, BFH/NV 2014, 825).
28Ist jedoch die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535). Auch eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter - ggf. unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht - jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen (BFH-Urteile vom 31. Juli 1990 I R 116/88, BFHE 162, 115, BStBl II 1991, 22, m.w.N.; vom 23. Januar 1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359; BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 1998 IV B 151/97, BFH/NV 1998, 1452; vom 12. April 1994, a.a.O., und vom 14. Februar 1995 IX R 101/93, BFH/NV 1995, 1033). Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen (BFH-Entscheidungen vom 4. Juni 1986 IX R 52/82, BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3; vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277; vom 5. Februar 1998, a.a.O., und vom 27. Mai 1998, a.a.O.).
292. Nach diesen Grundsätzen, denen der erkennende Senat folgt, handelt es sich bei der Nichtberücksichtigung der zwar nicht im Mantelbogen, aber in der beiliegenden Bescheinigung der B-Versicherung vom 17.2.2009 ausgewiesenen Beiträge für die Basisrenten-Versicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.H.v. 2460 € bei der Einkommensteuerfestsetzung 2008 – vorbehaltlich der noch ausstehenden Klärung des Ausschlusses eines Anspruches auf Auszahlungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG – um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO.
30a. Die durch die eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten und dessen ergänzende Ausführungen in der mündlichen Verhandlung gestützte Darstellung des Klägers zur Vorlage der Bescheinigung vom 17.2.2009 mit der Steuererklärung bei dem Finanzamt A erscheint glaubhaft. Der Prozessbevollmächtigte hat in detaillierter Darstellung der Einzelumstände bekundet, dass sich die Bescheinigung der B‑Versicherung noch in dem geöffneten Umschlag befunden hat, mit dem die nicht mehr benötigten Belege – entsprechend dem aktenkundigen Sachbearbeitervermerk vom 10.6.2009 – von dem Finanzamt zurückgesandt worden sind. Soweit der Inhalt dieses DIN A5 Briefumschlages vor seiner Übersendung an den Prozessbevollmächtigten unverändert geblieben ist, muss die Versicherungsbescheinigung vom 17.2.2009 also dem Finanzamt A zusammen mit der Steuererklärung vorgelegt worden sein. Eine solche Veränderung des Inhaltes des von dem Finanzamt zur Belegrücksendung verwendeten Briefumschlages hat nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht stattgefunden. Diese Beweiswürdigung gründet darauf, dass die die Einkommensteuerveranlagung 2008 betreffenden Unterlagen dem Prozessbevollmächtigten nach dessen glaubhafter Bekundung nicht zur Überprüfung der Richtigkeit der Festsetzung des nämlichen Veranlagungszeitraums, sondern anlässlich dessen Mandatierung mit der Wahrnehmung der Steuerangelegenheiten des Klägers für das Veranlagungsjahr 2009 übersandt worden sind. Ein Anlass, aus dem heraus der Kläger vor dieser Übersendung an seinen Bevollmächtigten diese Unterlagen nochmals einer eingehenden Überprüfung unterziehen und dabei deren bisherige Sortierung ändern sollte, erscheint bei diesem Geschehensablauf fernliegend. Der Vortrag der Vorlage der Versicherungsbescheinigung bei dem Finanzamt mit der Steuererklärung 2008 wird weiterhin durch den vorgelegten handschriftlichen Entwurf der Steuererklärung des Klägers gestützt, in dem dieser die Beiträge zu der Basisrenten-Versicherung eingetragen hatte. Auch dieser Erklärungsentwurf war zum Zweck der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2009 zusammen mit den übrigen Unterlagen des Jahres 2008 dem Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden. Der Inhalt dieses Erklärungsentwurfs zu diesem Zeitpunkt wird daher von der Beweiskraft der eidesstattlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten erfasst. Hierzu hat der Bevollmächtigte bekundet, dass er aufgrund dieses Erklärungsentwurfs zunächst davon ausgegangen sei, dass ein tatsächlich eingetragener Wert in der Steuererklärung von dem Finanzamt versehentlich nicht berücksichtigt worden sei. Dies alles stimmt mit den aktenkundigen Abläufen und der Darstellung des Klägers zum Inhalt des Erklärungsentwurfs plausibel überein. Letztlich war bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass zumindest angesichts der lediglich im unteren dreistelligen Bereich liegenden Höhe der steuerlichen Auswirkung des streitigen Sonderausgabenabzugs die hypothetische Möglichkeit, dass der Kläger die seinem Bevollmächtigten übersandten Unterlagen zur Einkommensteuerveranlagung 2008 zu Zwecken der Beweismanipulation verändert haben könnte, um damit seinen Bevollmächtigten als mittelbares undoloses Werkzeug der Täuschung des Beklagten einzusetzen, bei lebensnaher Betrachtung außerhalb hinreichender Wahrscheinlichkeit anzusiedeln ist.
31b. Da sich nach der vorstehend zitierten Rechtsprechung ein von dem Finanzamt übernommener offenbarer Fehler der Steuererklärung auch aus den dieser beigefügten Anlagen sowie aus den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben kann, begründeten die in der – dem Finanzamt mit der Steuererklärung vorgelegten – Bescheinigung der B-Versicherung ausgewiesenen Beiträge der Basisrenten-Versicherung im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG einen offensichtlichen Widerspruch zu den Eintragungen in der Steuererklärung. Die nur theoretische Möglichkeit der Nichterfassung dieser Beiträge als Sonderausgaben aufgrund eines Rechtsirrtums oder einer unterlassenen Sachverhaltsermittlung reicht nicht aus. Das Verteidigungsvorbringen des Beklagten erschöpft sich indessen in dem Hinweis auf derartige bloße theoretische Möglichkeiten zur Ursache der Nichtberücksichtigung der streitigen Sonderausgaben. Bei lebensnaher Betrachtung der Verhältnisse des Einzelfalls muss indessen davon ausgegangen werden, dass der zuständige Bearbeiter des Finanzamts die vorliegende Bescheinigung der B-Versicherung bei Durchführung der Einkommensteuerveranlagungen 2008 schlicht übersehen hat. Wäre es anders gewesen, erschiene nicht erklärlich, warum der Sachbearbeiter dem Kläger die Bescheinigung der B-Versicherung zurückgesandt und nicht zur Rechtfertigung der Abweichung von der Steuererklärung zum Aktenvorgang dieses Veranlagungszeitraums genommen hat. Weiterhin wird die Annahme eines schlichten Übersehens der Versicherungsbescheinigung auch dadurch gestützt, dass der Sachbearbeiter in den Erläuterungen des Bescheids nicht auf eine bewusste Abweichung von den erklärten Werten hingewiesen hat. Letztlich weist der hier zu beurteilende Sachverhalt Parallelen mit dem dem Beschluss des BFH vom 27. Februar 2014, a.a.O., zu Grunde liegenden Fall auf, in dem der BFH die nachträgliche Erfassung nicht erklärter, aber durch einen aktenkundigen Rentenbescheid belegter Renteneinkünfte nach § 129 AO u.a. deshalb gebilligt hatte, weil aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten ausgeschlossen werden könne, dass die steuerliche Erfassung der Rente infolge eines Rechtsirrtums unterblieben sei.
323. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 709 ZPO.
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Annotations
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 125 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Verwaltungsakt erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird, - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird, - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird, - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsakts erforderlich ist, nachträglich gefasst wird, - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 5 können bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden, so gilt die Versäumung der Einspruchsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 110 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Ergeht ein Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch, so beginnt die Frist für die Einlegung des Einspruchs nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht gegeben sei. § 110 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt sinngemäß.
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.
Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.