Finanzgericht Köln Beschluss, 05. Juni 2014 - 15 K 1958/13
Gericht
Tenor
Das Verfahren wird bis zum 15. September 2014 ausgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger erzielte im Streitjahr 2001 unter anderem Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Vorstandsmitglied einer AG sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehrerer Objekte.
4Nachdem der Kläger für das Streitjahr zunächst keine Einkommenssteuererklärung abgegeben hatte, erließ der Beklagte am 13.10.2003 einen Einkommensteuerbescheid 2001, in dem er die Besteuerungsgrundlagen schätzte und die Einkommensteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf Null DM festsetzte. Dabei berücksichtigte er Verlustvorträge aus Vorjahren. Unter dem gleichen Datum erließ der Beklagte einen ebenfalls geschätzten und ebenfalls unter Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.2001.
5Gegen diese beiden Bescheide legte der Kläger am 29.10.2003 Einspruch ein. Zur Begründung reichte er am 28.11.2003 seine Einkommensteuererklärung 2001 ein, auf deren Mantelbogen er ankreuzte, dass diese Erklärung zugleich eine solche zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sei. Der Kläger gab unter anderem Einnahmen sowie in gleicher Höhe einen Überschuss bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus einem Objekt in A, B-Straße ..., mit 7 ETW i.H.v. 348.681,- DM an. In einer Anlage dazu erläuterte er, dass das Haus „am 01.01.2001 verkauft" worden sei. Ausweislich einer beigefügten Einnahmen-Überschussrechnungen errechnete der Kläger einen Spekulationsgewinn i.H.v. 333.732,59 DM. Mit den dort erklärten Ausgaben errechnete der Kläger einen saldierten Überschuss i.H.v. 360.659,21 DM. Handschriftlich ist auf der genannten Überschussrechnung nebst mehreren Berechnungsschritten ein „Spekulationsgewinn aus Buchwerten" i.H.v. 348.681,60 DM vermerkt.
6Der Beklagte erließ am 29.2.2004 einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2001, in dem er die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Verlustvorträgen aus Vorjahren wiederum auf Null DM festsetzte. Unter demselben Datum erließ er einen geänderten, weiterhin unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2001, in dem er - entsprechend seinem Ansatz von im Einkommensteuerbescheid verbrauchten Verlustvorträgen - einen verbleibenden Verlustvortrag aus den Jahren bis 1998 i.H.v. 1.436.982, DM sowie aus den Jahren ab 1999 i.H.v. 269.903,- DM feststellte.
7In einer Anlage zum Einkommensteuerbescheid 2001 bezeichnete der Beklagte die Veräußerung der bisher vermieteten Eigentumswohnungen in A als steuerpflichtigen Vorgang. Eine vom Kläger vorgenommene Saldierung mit Mieteinkünften sei nicht zulässig. Der Beklagte bat um eine berichtigte Ermittlung des Veräußerungsgewinns, weil die Beträge nicht nachzuvollziehen seien. Des Weiteren bat der Beklagte um Aufschlüsselung des Veräußerungspreises sowie um Übersendung des Kaufvertrages.
8Gegen die genannten Änderungsbescheide legte der Kläger mit Schreiben vom 12.3.2004 - beim Beklagten eingegangen am 16.3.2004 - Einsprüche ein. Diese begründete er zum einen damit, dass eine Minderung des Vorwegabzugs bei der Berücksichtigung der von ihm aufgewendeten Versicherungsbeiträge vorgenommen worden sei. Diese sei erfolgt, obwohl er durch seinen Arbeitgeber keine Leistungen zur Zukunftssicherung erhalten habe. Hinsichtlich der Verlustfeststellung vertrat der Kläger die Ansicht, die „Beschränkung des Verlustausgleiches" sei rechtswidrig. Zum Veräußerungsvorgang der ETW in A erläuterte der Kläger: Diese seien mit Kaufvertrag vom 29.6.2001 veräußert worden, wobei der Übergang von Nutzen und Lasten auf den 1.1.2001 vereinbart worden sei. Im Jahr 2001 seien ihm daher weder Mieten zugeflossen noch Werbungskosten entstanden. In einer Anlage SO erklärte der Kläger des weiteren einen Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften i.H.v. 339.326 DM. Diese berechnete er aus dem Ansatz des Veräußerungspreises i.H.v. ... DM abzgl. ... DM Anschaffungskosten sowie ... DM AfA.
9Wegen der detaillierten Berechnung wird auf die vom Kläger dazu eingereichte Anlage sowie die Kopie des Notarvertrags nebst weiterer Unterlagen verwiesen.
10Im Übrigen betonte der Kläger, dass seiner Meinung nach die Besteuerung als Ver-äußerungsgewinn rechtswidrig sei. Die vorgenommenen Abschreibungen hätten zu Verlusten aus Vermietung geführt und die nun vorgenommene Aufdeckung als sonstiges Einkommen verhindere eine sachlich gebotene Verlustverrechnung.
11Mit Einspruchsentscheidung vom 20.6.2005 verwarf der Beklagte den Einspruch wegen Einkommensteuer 2001 mit Hinweis auf fehlende Beschwer wegen einer Nullfestsetzung als unzulässig. Diese Einspruchsentscheidung wurde bestandskräftig.
12Mit Erörterungsschreiben vom 20.6.2005 wies der Beklagte hinsichtlich des Einspruchs wegen des verbleibenden Verlustabzugs für 2001 darauf hin, dass dieser kraft Gesetzes wegen des vor dem BFH anhängigen Verfahrens IX R 19/03 sowie des Normenkontrollverfahrens 2 BvL 2/04 vor dem Bundesverfassungsgericht ruhe. Des Weiteren bat er um Angaben und Unterlagen hinsichtlich der Frage der Kürzung des Vorwegabzugs sowie um Erläuterung, wie der Kläger die Anschaffungskosten des Grund und Bodens der ETW in A ermittelt habe. Da Nutzen und Lasten nach dem Veräußerungsvertrag vom 3.7.2001 rückwirkend zum 1.1.2001 auf die Käufer übergegangen seien, lägen für den Zeitraum bis 30.6.2001 Einkünfte aus Vermietung vor. Ein vom Kläger nicht getragener Verlust erhöhe den von ihm erzielten Verkaufserlös.
13Daraufhin legte der Kläger am 4.8.2005 eine Kopie des Arbeitsvertrags vom 21.7.1998 mit der C Immobilienverwaltung Unterorganisation Aktiengesellschaft sowie eine Kopie der Lohnsteuerkarte 2001 vor, auf die Bezug genommen wird. Hinsichtlich der Anschaffungskosten von Grund und Boden erläuterte der Kläger, diese habe er der „vom Steuerberater D erstellten Gesamtkostenaufstellung" entnommen. Diese sei Grundlage für die Abschreibungen gewesen. Da er aufgefordert worden sei, Einkünfte bzw. Verluste aus Vermietung und Verpachtung aus den ETW in A bis zum 30.6.2001 anzugeben, habe er den verwaltenden Steuerberater D ersucht, eine entsprechende Abrechnung zu erstellen.
14Mit Schreiben vom 20.2.2013 - beim Beklagten eingegangen am 27.2.2013 - wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass sein Einspruch wegen des verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2001 „bisher nicht bearbeitet worden" sei. Durch den Beschluss des BVerfG und den darauf folgenden Anwendungserlass vom 20.12.2010 sei die Rechtslage nun hinreichend klar. Das Objekt in A sei am 30.9.1996 fertiggestellt worden; durch dessen Veräußerung sei ein Gewinn von 339.326 DM entstanden. Die Aufteilung dieses Gewinns bis zum Stichtag 31.3.1999 ergebe einen steuerfreien Veräußerungsgewinn von 178.592,63 DM. Er beantragte, den verbleibenden Verlustabzugs zum 31.12.2001 um 178.592,63 DM zu erhöhen, und bat um zügige Bearbeitung.
15Einem Aktenvermerk und E-Mail Verkehr des Beklagten mit einem Fahndungsprüfer ist zu entnehmen, dass die Bearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle des Beklagten das Verfahren am 7.3.2013 mit dem Kläger telefonisch besprochen hat. In einem weiteren Vermerk heißt es: ,,Akte noch bei Steufa. Voraussichtl. Bearbeitung bis Mitte des Jahres!" Der Fahndungsprüfer teilte dem Beklagten am 12.4.2013 auf dessen Anfrage hin mit, dass „sich meine Ermittlungen auch auf alle Bereiche des Steuerpflichtigen" bezögen. In einem Aussetzungsantrag wegen Einkommensteuer 2010-2013 vom 17.4.2013 führte der Kläger aus, die Bearbeitung seines Einspruchs betreffend 2001 habe er bereits mehrfach angemahnt. Die Bearbeiterin vermerkte am 2.5.2013, dass die Akten von der Steufa angefordert worden seien, sich die Übersendung aber verzögere.
16Mit Schreiben vom 21.6.2013 teilte der Beklagte dem Kläger sodann mit, dass über den Einspruch bislang nicht entschieden worden sei, weil eine Prüfung unter Beteiligung der Steuerfahndung E stattgefunden habe, bei der umfangreiche Unterlagen beschlagnahmt worden seien. Die Auswertung dieser Unterlagen und damit die Entscheidung, ob und gegebenenfalls inwieweit die Feststellungen Auswirkungen auf die im vorliegenden Einspruchsverfahren strittige Feststellung hätten, sei noch nicht abgeschlossen. Im Zusammenhang mit der noch andauernden Prüfung würden auch die entsprechenden Steuerakten benötigt, so dass sie ihm - dem Beklagten - zur Entscheidung über den Einspruch nicht vorlägen. Daraus ergeben sich zureichende Gründe, die es rechtfertigten, derzeit noch nicht über den Einspruch zu entscheiden.
17Mit Schreiben vom 3.6.2013 setzte der Kläger dem Beklagten eine Frist für eine Bearbeitung seines Einspruchs bis zum 25.6.2013. Durch weiteres Zuwarten entstünden ihm massive Nachteile, da er den ihm zustehenden Verlustvortrag nicht gegen die „neu entstandenen Einkommensteuern aufrechnen" könne. Am 27.6.2013 hat der Kläger sodann die vorliegende Klage erhoben.
18Er führt aus, dass er dringend auf eine Entscheidung des Beklagten über seinen Einspruch vom 12.3.2004 angewiesen sei, da dieser durch Steuerfestsetzungen für die Jahre 2011 in 2013 Steuerzahlungen von über 100.000 € verlangt habe, die der Kläger bereits gezahlt habe. Bei pflichtgemäßer Entscheidung des Beklagten über den in Rede stehenden Einspruch hätte er - der Kläger - den entstehenden Verlustvortrag aus dem Jahr 2001 „mit diesen Steuerzahlungen verrechnen" können. Seit 2011 habe die Steuerfahndung gegen ihn - den Kläger - ermittelt. Am 21.1.2013 seien Geschäfts- und Privaträume durchsucht und Unterlagen sichergestellt worden. Ab Mai 2013 sei mit einer Betriebsprüfung betreffend Einkommensteuer 2008-2011 begonnen worden.
19Der Beklagte wiederholt seine Auffassung aus dem Schreiben vom 21.6.2013. Er führte zunächst aus, die im laufenden Strafverfahren vorliegenden Beweismittel beträfen nicht das Kalenderjahr 2001. Sämtliche Steuerakten würden zur Sachverhaltsermittlung im laufenden Steuerstrafverfahren benötigt. Im weiteren Verlauf wurden die den Rechtsstreit betreffenden Steuerakten dem Gericht vorgelegt.
20Auf entsprechende Nachfragen des Berichterstatters erklärte der Kläger, dass das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren die Einkommensteuer 2001 nicht betreffe. Der Beklagte teilte mit, nach Rücksprache mit dem zuständigen Fahndungsprüfer sei noch nicht absehbar, ob die Ermittlungen auch das Streitjahr 2001 beträfen. Die Weiterbearbeitung des Einspruchs sei daher bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens nicht zielführend. Auf direkte Anfrage beim Steuerfahndungsamt F teilte dieses mit Schreiben vom 11.11.2013 mit, derzeit sei ein Steuerstrafverfahren für die Jahre 2008 bis 2011 anhängig. Für das Kalenderjahr 2001 sei kein Strafverfahren eingeleitet worden. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Somit könnten derzeit keine verbindlichen Aussagen über die tatsächlich betroffenen Veranlagungszeiträume oder gegebenenfalls notwendige Verfahrenserweiterungen getroffen werden.
21Bis zum Tag der Beschlussfassung durch den Senat ist dem Gericht keine Entscheidung des Beklagten über den Einspruch des Klägers bekannt geworden.
22II .
23Das Verfahren war gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO in Ausübung des dem Gericht in dieser Norm eingeräumten Ermessens (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2002 VI B 58/02, BFH/NV 2003, 79) auszusetzen, und zwar bis zum 15.09.2014.
24Aus Gründen der Prozessökonomie ist es sachgerecht, die zulässige Untätigkeitsklage befristet auszusetzen, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, nunmehr entweder dem Einspruch ganz oder teilweise stattzugeben oder ihn durch Einspruchsentscheidung ganz oder teilweise zurückzuweisen.
251. Die Klage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 S. 1 FGO zulässig.
26a) Ohne vorherigen Abschluss eines Vorverfahrens ist eine Klage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO abweichend von § 44 FGO zulässig, wenn über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Aus § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 FGO folgt, dass eine Frist von bis zu sechs Monaten nach Einlegung des Einspruchs regelmäßig als angemessen anzusehen ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27.6.2012 XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809 mit weiteren Nachweisen). Das Tatbestandsmerkmal "in angemessener Frist" ist aber auch nach Ablauf von sechs Monaten zu prüfen. Dabei ist nach den gesamten Umständen des Falles zu beurteilen, ob eine darüber hinausreichende Frist noch "angemessen" ist. Abzuwägen sind auf der einen Seite der Umfang und die rechtlichen Schwierigkeiten des Falles und auf der anderen Seite das Interesse des Rechtsbehelfsführers an einer baldigen Entscheidung (vgl. BFH-Beschluss vom 27.6.2012 XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809 mit weiteren Nachweisen). Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 FGO muss ein Steuerpflichtiger eine Verzögerung der Entscheidung über seinen außergerichtlichen Rechtsbehelf über eine angemessene Frist hinaus nur dann hinnehmen, wenn dafür ein zureichender Grund besteht und dieser ihm mitgeteilt worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 27.6.2012 XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809 mit weiteren Nachweisen). Ein zureichender Grund liegt vor, wenn es nach den besonderen Umständen des Einzelfalles einleuchtend erscheint, dass das Rechtsbehelfsverfahren noch nicht abgeschlossen wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 27.6.2012 XI B 8/12, BFH/NV 2012, 1809 mit weiteren Nachweisen). Dabei muss der zureichende Grund dem Steuerpflichtigen auch vor Klageerhebung mitgeteilt worden sein (BFH-Urteil vom 27.4.2006 IV R 18/04, BFH/NV 2006, 2017; von Groll in: Gräber, FGO, 7. Auflage 2010, § 46, RZ 23).
27b) Nach diesen - zutreffenden - Grundsätzen liegen hier die Voraussetzungen für eine zulässige Untätigkeitsklage vor. Die kraft Gesetzes eingetretene Verfahrensruhe gemäß § 363 Abs. 2 S. 1 AO wegen des beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Normenkontrollverfahren 2 BvL 2/04 endete mit dessen Entscheidung vom 7.7.2010 (BStBI. II 2011,76). Seit Bekanntgabe des - den Beklagten bindenden - BMF-Schreibens vom 20.12.2010 IV C 1 - S 2256/07/10.001:006 (BStBI. I 2011, 14) betreffend die Umsetzung der der oben genannten Entscheidung ist bis zur Klageerhebung jedenfalls eine angemessene Frist zur abschließenden Bearbeitung des Einspruchs des Klägers abgelaufen. Der Beklagte hat dem Kläger vor dessen Klageerhebung keinen zureichenden Grund für sein weiteres Untätigbleiben mitgeteilt.
28aa) Mitgeteilt hat der Beklagte nämlich lediglich, dass über den Einspruch wegen der beim Kläger durchgeführten Prüfung unter Beteiligung der Steuerfahndung nicht entschieden werden könne, da die Auswertung der beschlagnahmten umfangreichen Unterlagen und damit die Entscheidung, ob und gegebenenfalls inwieweit die Feststellungen Auswirkungen auf die im Einspruchsverfahren strittigen Feststellungen hätten, noch nicht abgeschlossen sei. Wegen der noch andauernden Prüfung lägen die Steuerakten dem Beklagten nicht vor.
29Das Fehlen der Steuerakten bei der für die Entscheidung zuständigen Finanzbehörde stellt in aller Regel keinen zureichenden Grund im oben genannten Sinne dar (vergleiche BFH-Beschluss vom 13.5.1971 V B 61/70, BFHE 102,31, BStBI II 1971,492; von Groll in: Gräber, 7. Auflage 2010, § 46, Rz. 22). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - sich der Beklagte nach Aktenlage erst ab März 2013 überhaupt, jedoch nicht mit erkennbarem Nachdruck um die - gegebenenfalls nur für kurze Zeit erforderliche - Rücksendung der Originalakten oder auch nur um Zusendung einer kompletten Kopie derselben bemüht hat.
30Auch damit, dass sich es einem Steuerfahndungsverfahren gegen den Kläger, das nicht den streitbefangenen Veranlagungszeitraum betrifft, sondern vielmehr 7-10 Jahre später liegende Veranlagungszeitraum, nach Auswertung aller beschlagnahmten Unterlagen möglicherweise ,,Auswirkungen" eventueller Feststellungen der Steuerfahndung ergeben könnten, ist ebenfalls kein zureichender Grund dargetan.
31bb) Grundsätzlich kann zwar ein solcher Grund gegeben sein, wenn die Ergebnisse einer Außen- oder Fahndungsprüfung abgewartet werden sollen (vergleiche BFH-Beschlüsse vom 9.4.1968 I B 48/87, BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61 und vom 13.5.1971 V B 61/70, BFHE 102, 31, BStBI II 1971, 492); dies gilt jedoch nicht, wenn für das von der Untätigkeitsklage erfasste Streitjahr kein Ermittlungsverfahren eingeleitet war. Eine fehlende Ausweitung des Ermittlungsverfahrens seitens der Steuerfahndung auf das Streitjahr ist ebenfalls kein Grund in dem von der Norm des § 46 Abs. 1 FGO geforderten Sinn, ein im Übrigen entscheidungsreifes Rechtsbehelfsverfahren nicht zum Abschluss zu bringen (zutreffend: Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 4.5.2010 16 K 329/07, EFG 2010, 1939).
32Im vorliegenden Fall erscheint es nämlich nicht einleuchtend, dass das Einspruchsverfahren betreffenden Verlustabzug zum 31.12.2001 noch nicht vom Beklagten abgeschlossen worden ist. Denn ob und inwieweit die hier im Einspruchsverfahren vom Beklagten zu entscheidenden Fragen der zutreffenden Höhe des Verlustvortrags, insbesondere unter Berücksichtigung der Höhe des steuerpflichtigen Teils des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung der ETW in A, durch Feststellungen der Steuerfahndungsprüfung beeinflusst würden, ist nach Aktenlage und den Äußerungen des Beklagten sowie des Steuerfahndungsamtes bis zum Tag der Klageerhebung (und darüber hinaus bis heute) völlig unklar.
33Der Beklagte hat dem Kläger (und darüber hinaus auch bis heute gegenüber dem Gericht) keine substantiierten Tatsachen vorgetragen, aus denen sich auch nur die schlüssige Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung über den beim Beklagten noch anhängigen Einspruch durch Feststellungen aus dem Steuerfahndungsverfahren betreffend 2008-2011 ergeben könnte. Eine mögliche Ausweitung dieses Verfahrens auf den Veranlagungszeitraum 2001 hat der Beklagte bis zur Klageerhebung selbst nicht ausdrücklich als Grund angegeben. Hätte er dies mit seiner Formulierung von möglichen ,,Auswirkungen" der Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen beabsichtigen wollen, wäre auch dies kein zureichender Grund im Sinne des § 46 Abs. 1 S. 1 FGO, da es auch insoweit an jeglicher Substantiierung fehlt.
34cc) Im übrigen sind die beim Kläger im Rahmen des gegen ihn für die Jahre 2008-2011 eingeleiteten Strafverfahrens am 21.1.2013 beschlagnahmten Unterlagen offensichtlich bis heute nicht mit dem Ergebnis ausgewertet worden, dass das Strafverfahren auch auf den Veranlagungszeitraum des Streitjahres 2001 auszuweiten wäre.
352. Die Frist wurde hier mit dem 15.9.2014 so bemessen, dass dem Beklagten unter Berücksichtigung des Alters des Einspruchsverfahrens (und zusätzlich des anhängigen Klageverfahrens) einerseits und der Schwierigkeit der darin vom Beklagten zu entscheidenden materiellrechtlichen Fragen andererseits eine hinreichend lange (restliche) Bearbeitungszeit zur Verfügung steht.
363. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
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(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.
(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.
(1) In den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, ist die Klage vorbehaltlich der §§ 45 und 46 nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.
(2) Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren ist der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat.
(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.
(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.
(1) Hängt die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, kann die Finanzbehörde die Entscheidung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde aussetzen.
(2) Die Finanzbehörde kann das Verfahren mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhen lassen, wenn das aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Ist wegen der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder wegen einer Rechtsfrage ein Verfahren bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht anhängig und wird der Einspruch hierauf gestützt, ruht das Einspruchsverfahren insoweit; dies gilt nicht, soweit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 oder Nr. 4 die Steuer vorläufig festgesetzt wurde. Mit Zustimmung der obersten Finanzbehörde kann durch öffentlich bekannt zu gebende Allgemeinverfügung für bestimmte Gruppen gleichgelagerter Fälle angeordnet werden, dass Einspruchsverfahren insoweit auch in anderen als den in den Sätzen 1 und 2 genannten Fällen ruhen. Das Einspruchsverfahren ist fortzusetzen, wenn der Einspruchsführer dies beantragt oder die Finanzbehörde dies dem Einspruchsführer mitteilt.
(3) Wird ein Antrag auf Aussetzung oder Ruhen des Verfahrens abgelehnt oder die Aussetzung oder das Ruhen des Verfahrens widerrufen, kann die Rechtswidrigkeit der Ablehnung oder des Widerrufs nur durch Klage gegen die Einspruchsentscheidung geltend gemacht werden.
(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.
(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.