Finanzgericht Hamburg Urteil, 15. Apr. 2016 - 4 K 59/14
Gericht
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Einfuhrabgaben.
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Mit Zollanmeldung vom 22.10.2010 überführte die Klägerin, vertreten durch die A GmbH, Infusionspumpen, Infusionsbeutel sowie Infusionsschläuche unterschiedlicher Stückzahl in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr, zunächst unter Angabe der Warennummer 9018 9050 000 (Transfusionsgeräte, einschließlich Infusionsgeräte, Drittlandszollsatz: frei) der Kombinierten Nomenklatur (Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. Nr. L 256/1, m. spät. Änd.)) - im Folgenden: KN -. Im Rahmen einer Beschau der Warensendung gelangte das Zollamt dazu, dass abweichend von der Zollanmeldung die Infusionspumpen der Warennummer 9021 9090 001 (Drittlandszollsatz: frei), die Schläuche der Warennummer 3917 3900 990 (Drittlandszollsatz: 6,5 %) und die Beutel der Warennummer 3926 9097 900 (Drittlandszollsatz: 6,5 %) zuzuweisen seien, und nahm nach telefonischer Rücksprache mit der A GmbH die Bemessung der Einfuhrabgaben unter Anwendung des Art. 81 ZK für alle Waren ausgehend von dem nach den Zuweisungen zu den für zutreffend erachteten Warennummern höchsten Abgabensatz (6,5 %) vor. Mit Einfuhrabgabenbescheid vom 25.10.2010 wurden auf der Grundlage des für die genannte Warennummer geltenden Drittlandszollsatzes von 6,5 % für die eingeführten Infusionspumpen, Infusionsbeutel sowie Infusionsschläuche u. a. Einfuhrzoll in Höhe von 5.459,01 EUR festgesetzt. Daneben wurde mit demselben Einfuhrabgabenbescheid u. a. Einfuhrzoll für den mit gleicher Zollanmeldung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr überführten als Beipack vorhandenen Spezialklebstoff festgesetzt.
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Gegen den Einfuhrabgabenbescheid vom 25.10.2010 legte die Klägerin, vertreten durch die A GmbH, Einspruch ein, den diese zunächst damit begründete, dass sie der Abfertigung nach Art. 81 ZK nur deshalb zugestimmt habe, weil sie der Meinung gewesen sei, dass die Infusionsbeutel und die Infusionsschläuche wie die Infusionspumpen in die Codenummer 9018 9050 000 einzureihen wären. Die Schläuche und Beutel seien nicht ihrer stofflichen Beschaffenheit nach, sondern als Zubehör für die Infusionspumpen einzureihen, was für die Schläuche aus ihrer sterilen Verpackung sowie dem runden Pumpsegment und hinsichtlich der Beutel ebenfalls aus ihrer sterilen Verpackung sowie der aufgrund ihrer Beschaffenheit nur im medizinischen Bereich möglichen Verwendung folge. Hilfsweise seien die Schläuche und Beutel gesondert von den Infusionspumpen mit Einfuhrabgaben zu belegen. Im weiteren Einspruchsverfahren trug die Klägerin sodann durch ihren Prozessbevollmächtigten zur Begründung im Wesentlichen vor, dass die hauptsächliche Verwendungseignung der Infusionsbeutel als Teil für eine Infusionspumpe entsprechend der Anmerkung 2 zu Kapitel 90 anhand der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware gegeben sei. Bereits durch die Luer-Verbindung werde dem durchschnittlich sachkundigen Betrachter klar, dass die hauptsächliche Verwendungseignung der Infusionsbeutel zumindest hauptsächlich für medizinische Apparate bestehe. Die Luer-Verbindung eigne sich objektiv ausschließlich zur Verbindung von medizinischen Geräten, sie verbinde ausschließlich Spritzen, Katheter und medizinische Spezialgeräte wie Infusionsschläuche und Infusionspumpen. Die Verbindung sei derart speziell, dass hier nicht von Teilen mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit ausgegangen werden könne. An eine Luer-Verbindung lasse sich lediglich eine weitere Luer-Verbindung bzw. ein mit einer Luer-Verbindung versehenes medizinisches Gerät anschließen. Sie sei ausschließlich dafür geeignet, das entsprechende Luer-Gegenstück aufzunehmen und sich damit zu verbinden. Auch durch die äußere Form der Ware und die sterile Verpackung der Ware sei erkennbar, dass es sich ausschließlich um Beutel für Infusionen handeln könne. Auch werde der weit überwiegende Teil von Waren mit so genannten Luer-Verbindungen unter die Zolltarifnummern des Kapitels 90 eingereiht, was deutlich für die Erkennbarkeit der Einsetzbarkeit der Ware hauptsächlich im medizinischen Bereich spreche. Zudem sei auf die vZTA DE ...-1 vom 13.01.2006 zu verweisen, mit der ein mit einem Schlauch versehener Infusionsbeutel als erkennbares Teil eines Infusionsgerätes der Unterposition 9018 9050 zugewiesen werde.
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Nach unwidersprochener Nachfrage des Beklagten bei der Klägerin betrachtete der Beklagte wegen der Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin den Einspruch als auf die Festsetzung des Einfuhrzolls beschränkt.
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Das im Rahmen des Einspruchsverfahrens um Stellungnahme gebetene Bildungs- und Wissenschaftszentrum, Dienstsitz Berlin (BWZ) befürwortete mit Gutachten vom 28.06.2011 eine Einreihung der Infusionspumpen als "Vorrichtung zum Tragen am Körper, zum Beheben von Funktionsschäden oder Gebrechen" in die Codenummer 9021 9090 001, der Infusionsbeutel als "andere Ware aus Kunststoffen, andere als in den Unterpositionen (KN) 3926 1000 bis 3926 9050 genannt, aus Folien hergestellt, andere als von den Codenummern 3926 9092 100 bis 3926 9020 200 erfasst" in die Codenummer 3926 9092 900 und der Infusionsschläuche als "Teil, erkennbar hauptsächlich zur Verwendung für eine am Körper tragbare Vorrichtung zum Beheben eines Funktionsschadens oder Gebrechens (hier: tragbare Infusionspumpe)" in die Codenummer 9021 9090 009. Wegen der Begründung wird auf das Gutachten verwiesen.
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Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erstattete der Beklagte der Klägerin mit Einfuhrabgabenbescheid vom 29.07.2011 4.300,41 EUR, da an der ursprünglich auf der Grundlage des Art. 81 ZK erfolgten Erhebung von Einfuhrzoll für die - nach den Feststellungen des BWZ jeweils zollfreien - Infusionspumpen und Schläuche nicht mehr festgehalten wurde und half dem Einspruch insoweit bezüglich der Pumpen und der Schläuche ab.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 13.02.2014, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 17.02.2014, wies der Beklagte den Einspruch unter Berücksichtigung der mit Einfuhrabgabenbescheid vom 29.07.2011 erfolgten Teilabhilfe im Übrigen, d. h. im Hinblick auf die - insoweit unstrittige - Zollerhebung für den unter Position 2 der Zollanmeldung aufgeführten Klebstoff sowie im Hinblick auf die Zollerhebung für die unter Position 1 der Zollanmeldung aufgeführten Beutel, als unbegründet zurück. Die Beutel bestünden aus miteinander verschweißten, klarsichtigen Kunststofffolien und verfügten seitlich über einen Schlauch mit einem Luer-Lock-Verschluss am Ende. Die Beutel, welche nicht durch die Anmerkung 1 aus Kapitel 90 ausgewiesen würden, stellten sich nicht selbst als Ware einer Position dieses Kapitels dar, so dass eine Einreihung nach Anmerkung 2 a) zu Kapitel 90 nicht in Betracht komme. Um nach Anmerkung 2 b) zu Kapitel 90 als Teil der Infusionspumpen eingereiht und damit der zollfreien Warennummer 9021 9090 009 zugewiesen zu werden, müssten die Beutel (ebenso wie die Schläuche) erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für die Infusionspumpen bestimmt sein, was jedoch nicht der Fall sei. Ob eine solche Erkennbarkeit vorliege, bestimme sich danach, ob eine durchschnittlich sachkundige Person auf die fragliche Bestimmung anhand der objektiven Beschaffenheitsmerkmale schließen könne. Anders als die Schläuche, die durch das Pumpsegment ein Merkmal aufwiesen, durch das sie als zumindest hauptsächlich für die Verwendung als Teil von Infusionspumpen bestimmt erkennbar seien, mangele es den Beuteln an einem entsprechenden objektiven Beschaffenheitsmerkmal. Tatsächlich handele es sich um eine Ware, deren Beschaffenheit eine Verwendung im medizinischen Bereich vermuten lassen möge, aber keine eindeutige Zuordnung zu Infusionspumpen zulasse. Abgesehen davon, dass eine sterile Verpackung keinerlei zwingenden Rückschluss auf Infusionspumpen zulasse, komme es für die zolltarifliche Einreihung nur auf die Beschaffenheit der Beutel selbst und nicht auf ihre Verpackung an. Anstatt der Abgabe eines Beutelinhalts über eine Infusionspumpe oder auch den Einsatz mit einen anderen Gerät des Kapitels 90 könnten die Beutel ebenso z. B. allein für die Aufnahme und Lagerung einer Flüssigkeit bestimmt sein. Beispielhaft sei auf die vZTA DE ...-2 hinzuweisen. Die von der Klägerin angesprochene vZTA DE ...-1 widerspreche den vorstehenden Erwägungen nicht, da dort ein Infusionsbeutel deshalb als erkennbar für ein Infusionsgerät bestimmt angesehen worden sei, weil der Beutel am Einfüllschlauch über einen hierfür bestimmten Spezialverschluss verfügt habe. Derartiges sei bei den streitgegenständlichen Beuteln nicht der Fall, da die dort vorhandenen Luer-Lock-Verschlüsse ein genormtes Verbindungssystem für unterschiedliche Anwendungen im medizinischen Bereich darstellten. Damit seien die Beutel nach stofflicher Beschaffenheit als Waren aus Kunststoff im Kapitel 39 einzureihen, dort in die Codenummer 3926 9092 900.
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Mit ihrer am 17.03.2014 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren trägt ergänzend im Wesentlichen vor: Die nach Anmerkung 2 b) zu Kapitel 90 erforderliche Erkennbarkeit der ausschließlichen oder hauptsächlichen Bestimmung der Beutel für ein Infusionsgerät ergebe sich zum einen aus dem Luer-Verbindungssystem. Dem durchschnittlich sachkundigen Betrachter werde sofort deutlich, dass die hauptsächliche Verwendungseignung im Zusammenhang mit dem Anschluss an medizinische Apparate bestehe, da sich die Luer-Verbindung objektiv ausschließlich zur Verbindung von und mit medizinischen Geräten des Kapitel 90 eigne. Es handele sich um ein genormtes Verbindungssystem für Schlauchsysteme ausschließlich/hauptsächlich im medizinischen Bereich, die Konstruktion sei entsprechend ihrer DIN EN1709:1996 als "Kegelverbindung mit einem 6 % (LUER) Kegel für Spritzen, Kanülen und bestimmte andere medizinische Geräte" beschrieben. Die Erkennbarkeit ergebe sich zudem aus der Beschaffenheit der Infusionsbeutel. Die Beutel verfügten auf der Innenseite über eine besondere geriffelte Schicht, die erst ein einwandfreies Ansaugen des Medikaments durch die Infusionspumpe in Richtung des Infusionspumpenschlauchs möglich mache. Würden die Beutel über diese Beschaffenheit nicht verfügen, so würde durch den Sog der Infusionspumpe der Infusionsbeutel derart kollabieren, dass eine Infusion des Medikaments nicht möglich wäre. Hierdurch sei auch der Preis für die streitgegenständlichen Infusionsbeutel deutlich höher als für andere, allgemein verwendbare Beutel. Die Riffelung unterscheide die Beutel von gewöhnlichen Tropfbeuteln, die ohne das Entstehen von Unterdruck ihren Inhalt lediglich durch Schwerkraft verlören. Insofern unterschieden sich die streitgegenständlichen Beutel auch von Beuteln zur Langzeitlagerung von Flüssigkeiten. Beispielhaft sei noch auf die vZTA DE ...-3 hinzuweisen, in welcher ein transparenter Leerbeutel, bestehend aus einem Beutel mit Aufdruck und Skalierung und integriertem Schlauch mit einer Schlauchklemme, der der enteralen Ernährung diene, als Teil eines Infusionssystems beschrieben und eingereiht werde.
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Die Klägerin beantragt,
den Einfuhrabgabenbescheid vom 25.10.2010 - in der Fassung des Einfuhrabgabenbescheides vom 29.07.2011 - in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2014 insoweit aufzuheben, als darin mehr als 0,14 EUR Zoll festgesetzt wird.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt er die Gründe seiner Einspruchsentscheidung und betont hinsichtlich der von der Klägerin angeführten geriffelten Schicht auf der Innenseite der Beutel, dass nicht dargelegt sei, weshalb ein durchschnittlich sachkundiger Betrachter die von der Klägerin angeführte Bedeutung der Riffelung für ein einwandfreies Ansaugen der Infusionsflüssigkeit erkennen und darüber hinaus deshalb auf eine ausschließliche oder hauptsächliche Verwendung von Infusionspumpen schließen sollte. Es gehöre nicht zum von einer durchschnittlich sachkundigen Person zu erwartenden Wissen, dass ein Infusionsbeutel nur dann ordnungsgemäß funktioniere, wenn seine Innenseite geriffelt sei. Vielmehr erscheine fraglich, ob dies überhaupt der Fall sei und, falls ja, woran dies liege. Dass der von der Klägerin angeführte Umstand aus gemeinhin bekannten wissenschaftlichen Grundsätzen oder der allgemeinen Lebenserfahren folgen würde, dränge sich jedenfalls nicht auf. Letztere spreche vielmehr dafür, dass für die Frage, wie schnell sich ein Kunststoffbeutel durch einen Sog zusammenziehe, die Kraft des Luftzuges, die Stärke des Kunststoffes sowie die Menge und Position der noch enthaltenen Flüssigkeit maßgeblich seien. Zudem liege für eine durchschnittlich sachkundige Person die Überlegung nahe, dass eine Flüssigkeit dann am besten zu einem Schlauch gelange, durch den sie angesaugt werde, wenn sie auf einem glatten Material ohne Hindernisse wie z. B. Riffelungen fließen könne. Darüber hinaus wäre auch dann, wenn man von einem durchschnittlich sachkundigen Betrachter doch die Kenntnis erwarten würde, dass ein Beutel innen eine Riffelung brauche, um beim Absaugen einer enthaltenen Flüssigkeit nicht zu kollabieren, weiterhin die Erkennbarkeit der ausschließlichen oder hauptsächlichen Verwendung mit Infusionspumpen nicht gegeben. Auch aus Beuteln, die z. B. nur für die Lagerung von Flüssigkeiten bestimmt seien, müsse die gelagerte Flüssigkeit schließlich zu gegebener Zeit wieder abgepumpt werden, ohne dass dies etwas mit einer Infusion zu tun haben müsse. Die Ware der von der Klägerin genannten vZTA DE ...-3 sei mit der streitgegenständlichen nicht vergleichbar. Alle Merkmale der dortigen Ware gemeinsam - integrierter festsitzender Schlauch, Schlauchklemme zum schnellen Applikationsstopp, beschriftbarem Beutelmaterial für eine eindeutige Patientenidentifikation und detaillierte Skalierung mit einem speziellen, verschließbaren Einfüllstutzen für die enterale Nahrung sowie einer Aufhängevorrichtung - machten diese Ware zu einem erkennbaren Teil für ein Infusionsgerät der Position 9018, während die streitgegenständliche Ware über derartige spezielle objektive Beschaffenheitsmerkmale nicht verfüge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Sachakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Anfechtungsklage - die nach Auslegung des Klagebegehrens unter Berücksichtigung der Klagebegründung von Anfang an nur auf eine Anfechtung des für die eingeführten Infusionsbeutel erhobenen Drittlandszolls, nicht jedoch auf erhobene Einfuhrumsatzsteuer und ebenfalls nicht auf den für den ferner eingeführten Klebstoff erhobenen unstrittigen Drittlandszoll gerichtet ist, so dass der in mündlichen Verhandlung gestellte Klagantrag als Klarstellung des Klagebegehrens, nicht hingegen als teilweise Klagrücknahme zu werten ist - ist unbegründet. Der Einfuhrabgabenbescheid vom 25.10.2010 - in der Fassung des Einfuhrabgabenbescheides vom 29.07.2011 - in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13.02.2014 ist, soweit er angefochten worden ist, rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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Der Beklagte hat den - hier, wie eingangs dargelegt, allein angefochtenen - Drittlandszoll für die eingeführten Infusionsbeutel zutreffend berechnet.
1.
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Die Voraussetzungen für die Erhebung eines Drittlandszolls von 6,5 % lagen bei dem dem streitgegenständlichen Einfuhrabgabenbescheid zugrunde liegenden Einfuhrvorgang vor. Zwischen den Beteiligten ist insoweit allein streitig die Frage der Tarifierung der eingeführten Waren. Der Beklagte ist von der zutreffenden Einreihung der Waren in die Unterposition 3926 9092 900 ("andere
Waren aus Kunststoffen, aus Folien hergestellt, andere ") mit einem Drittlandszollsatz von 6,5 % ausgegangen. Die Klägerin hingegen will die Waren - nach einer im Einspruchsverfahren anfänglich favorisierten Einreihung in die Unterposition 9018 9050 ("Transfusionsgeräte, einschließlich Infusionsgeräte") - nunmehr in die drittlandszollsatzfreie Unterposition 9021 9090 009 ("andere Teile für Vorrichtungen zum Tragen am Körper, zum Beheben von Funktionsschäden oder Gebrechen") einreihen.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union sowie des Bundesfinanzhofes (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.06.1996, Rs. C-121/95, EuGHE 1996, I-3047 Rn. 13; BFH, Urteile vom 18.12.2001, VII R 78/00, vom 09.10.2001, VII R 69/00, vom 14.11.2000, VII R 83/99, vom 05.10.1999, VII R 42/98, und vom 23.07.1998, VII R 36/97, jeweils in: juris) ist das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln des Gemeinsamen Zolltarifs festgelegt sind (vgl. die Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur). Soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, richtet sich die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 2 bis 5 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Daneben gibt es nach dem Übereinkommen zum Harmonisierten System (HS) Erläuterungen und Einreihungsavise, die ebenso wie die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur, die von der Europäischen Kommission ausgearbeitet wurden, ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (vgl. EuGH, Urteile vom 09.12.1997, Rs. C-143/96, EuGHE 1997, I-7039 Rn. 14, und vom 19.05.1994, Rs. C-11/93, EuGHE 1994, I-1945 Rn. 11 und 12). Daneben werden "Nationale Entscheidungen und Hinweise" (NEH) zur Kombinierten Nomenklatur und zum Harmonisierten System veröffentlicht, die jedoch lediglich Verwaltungsanweisungen sind, die den deutschen Zollstellen bei Schwierigkeiten mit der Einordnung von Waren eine Tarifierungshilfe geben sollen und nur unverbindlichen Charakter haben (BFH, Urteil vom 09.05.2000, VII R 14/99, in: juris). Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur dann abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen dazu ausdrücklich auf dieses Kriterium Bezug genommen wird (vgl. BFH, Urteile vom 14.11.2000, VII R 83/99, und vom 05.10.1999, VII R 42/98, jeweils in: juris; Beschluss vom 24.10.2002, VII B 17/02, in: juris).
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Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der eingeführten Waren sprechen dem Wortlaut der Positionen und Unterpositionen und der Anmerkungen zu den Kapiteln 39 und 90 folgend nach Überzeugung des Gerichts für eine Einreihung in die vom Beklagten angesprochene Unterposition 3926 9092 900. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Wie sich aus den unbestrittenen Feststellungen des BWZ sowie der zur Akte gereichten Warenprobe ergibt, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Waren um ca. 10,3 x 8,5 cm große Beutel aus miteinander verschweißten, klarsichtigen, auf der Innenseite mit einer Riffelung versehenen Folien aus Kunststoffen mit einem Fassungsvermögen von 65 ml, zudem sind die Beutel seitlich mit einem ca. 6 cm langen Kunststoffschlauch mit universellem Luer-Lock-Verschluss einschließlich Verschlussstopfen versehen. Sie befinden sich in einer zugeschweißten Einzelverpackung, die u. a. die Aufschrift trägt: "Pumpenreservoir für die XX - Infusionspumpe, 65 ml", "Pyrogenfrei. Im Falle einer geöffneten oder beschädigten Verpackung darf das Produkt nicht verwendet werden. Nicht neu sterilisieren". Die Beutel dienen nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin als Infusionsbeutel, die mit einem Medikament befüllt und in das tragbare Infusionsgerät "XX Infusionspumpe" eingelegt werden.
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Maßgeblich entscheidend für die streitige Einreihungsfrage ist, ob die streitgegenständlichen Waren als Teile oder Zubehör eines medizinischen Apparats oder Geräts anzusehen sind - hier konkret: einer tragbaren Infusionspumpe, die (insbesondere in Abgrenzung zu medizinischen Apparaten und Geräten im Sinne der Position 9018, die nach den Erläuterungen zur Position 9018 (HS), Rz. 01.0, im Wesentlichen durch die Tatsache gekennzeichnet sind, dass sie in fast allen Fällen üblicherweise die Handhabung durch Ärzte, Chirurgen, Zahnärzte, Tierärzte, Hebammen usw. in ihrer Berufspraxis verlangen, um entweder eine Diagnose zu stellen, einer Krankheit vorzubeugen, sie zu behandeln, eine Operation durchzuführen usw.) eine andere Vorrichtung zum Tragen am Körper, zum Beheben von Funktionsschäden oder Gebrechen im Sinne der Position 9021 ist - und damit der von der Klägerin für richtig gehaltenen Position 9021, Unterposition 9021 9090 009, zuzuordnen sind; wenn sie hingegen nicht als Teile oder Zubehör einer Vorrichtung zum Tragen am Körper, zum Beheben von Funktionsschäden oder Gebrechen im Sinne der Position 9021 und auch nicht als übrige Teile oder übriges Zubehör im Sinne der Position 9033 einzureihen sind und damit nicht als Waren des Kapitels 90 anzusehen sind - vgl. auch Anmerkung 2. u) zu Kapitel 39, wonach zu Kapitel 39 nicht Waren des Kapitels 90 gehören -, sind sie nach ihrer Materialbeschaffenheit als Waren aus Kunststoffen der von dem Beklagten angesprochenen Position 3926, Unterposition 3926 9092 900, zuzuordnen.
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Zunächst ist festzuhalten, dass die streitgegenständlichen Beutel nicht nach Anmerkung 1 f) zu Kapitel 90, wonach Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit im Sinne der Anmerkung 2 zu Abschnitt XV, aus unedlen Metallen (Abschnitt XV) und gleichartige Waren aus Kunststoffen (Kapitel 39) nicht zu Kapitel 90 gehören, von einer Einreihung als Teil oder Zubehör eines medizinischen Apparats oder Geräts ausgewiesen sind. Denn es handelt sich bei den Beuteln nicht um eine den Waren, die in der Anmerkung 2 zu Abschnitt XV genannt sind, gleichartige Ware aus Kunststoff.
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Damit ist maßgeblich entscheidend Anmerkung 2 zu Kapitel 90. Danach sind vorbehaltlich der Anmerkung 1 Teile und Zubehör für Maschinen, Apparate, Geräte, Instrumente oder andere Waren des Kapitels 90 nach den dort unter Buchstaben a) bis c) genannten Regeln einzureihen, wobei hier - da sich die streitgegenständliche Ware nicht ihrerseits als eine Ware einer Position eines der in Anmerkung 2 a) genannten Kapitel darstellt - zunächst auf Anmerkung 2 b) abzustellen ist. Danach sind andere (als in Anmerkung 2 a) genannte) Teile und anderes (als in Anmerkung 2 a) genanntes) Zubehör, wenn zu erkennen ist, dass sie ausschließlich oder hauptsächlich für eine Maschine, einen bestimmten Apparat oder ein bestimmtes Gerät oder Instrument oder für mehrere Maschinen, Apparate, Geräte oder Instrumente der gleichen Position (auch der Position 9010, 9013 oder 9031) bestimmt sind, der Position für diese Maschinen, Apparate, Geräte oder Instrumente zuzuweisen. Dies bedeutet vorliegend, dass die streitgegenständlichen Beutel dann in die Position für Vorrichtungen zum Tragen am Körper, zum Beheben von Funktionsschäden oder Gebrechen, also in die Position 9021, einzureihen sind, wenn es sich - erstens - bei den Beuteln um Teile oder Zubehör eines solchen Gerätes, hier konkret: einer tragbaren Infusionspumpe, handelt und - zweitens - zu erkennen ist, dass die Beutel ausschließlich oder hauptsächlich für ein solches Gerät, hier konkret: für eine tragbare Infusionspumpe, bestimmt sind.
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Zwar sind die streitgegenständlichen Beutel unzweifelhaft Teile einer tragbaren Infusionspumpe. Die Kombinierte Nomenklatur enthält weder im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen noch in den Anmerkungen eine Definition für die Begriffe "Teile" und "Zubehör" im Sinne des Kapitels 90. Ebenso wenig enthalten die Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur eine solche Definition. Nach der in Bezug auf Teile und Zubehör von Maschinen, Apparaten, Geräte oder Instrumenten ergangenen Rechtsprechung setzt der Teilebegriff voraus, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktion dieses Teil unabdingbar ist (vgl. EuGH, Urteil vom 16.06.2011, C-152/10, in: juris; vgl. auch die, allerdings erst nach dem streitgegenständlichen Einfuhrzeitpunkt in den Erläuterungen zu AV 1 (NEH), Rz. 02.0 eingefügte und als bloße Verwaltungsanweisung unverbindliche Auslegung des Begriffs "Teil", wonach ein Teil sich beim Zerlegen eines Ganzen ergibt, bei der Herstellung von vollständigen und fertigen Waren durch gesonderte Herstellungsprozesse/Fertigungstechniken hergestellt wird, und dadurch gekennzeichnet ist, dass, wird von einer vollständigen und fertigen Ware ein Teil entfernt, diese Hauptware nicht mehr voll funktionsfähig ist). Da die Beutel dafür geeignet und vorgesehen sind, mit einem Medikament befüllt und in das tragbare Infusionsgerät "XX Infusionspumpe" eingelegt zu werden, damit das Medikament sodann über ein Schlauchsystem an den diese Infusionspumpe nutzenden Patienten abgegeben werden kann, sind die Beutel für die Funktion der tragbaren Infusionspumpe unabdingbar und damit Teil der Infusionspumpe.
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Demgegenüber fehlt es jedoch an der weiteren Voraussetzung, dass zu erkennen ist, dass die Beutel ausschließlich oder hauptsächlich für eine tragbare Infusionspumpe bestimmt sind.
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Wie die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 17.10.2006, VII R 41/05; Beschluss vom 12.03.2008, VII B 137/07, jeweils in: juris) zu der Anmerkung 2 b) zu Kapitel 90 klar gestellt hat, ist hierbei nicht auf den Verwendungszweck abzustellen, den der Zollbeteiligte seiner Ware beimisst oder für den er sie bestimmt hat, sondern ist vielmehr auch insoweit die objektive Beschaffenheit der Ware aufgrund der an ihr feststellbaren Merkmale und Eigenschaften maßgeblich, die im Zeitpunkt der Zollabfertigung die ausschließliche bzw. hauptsächliche Bestimmung der Ware als Teil oder Zubehör für eine bestimmte Maschine, etc. erkennbar machen muss; die Beschaffenheitsmerkmale der Ware, die den Teile- bzw. Zubehörcharakter begründen, müssen bei der Zollabfertigung, mithin für die Beamten der abfertigenden Zollstelle, erkennbar sein, weshalb keine besondere, sondern lediglich eine durchschnittliche Sachkunde für die Erkennbarkeit der Teile- bzw. Zubehöreigenschaft vorauszusetzen ist. Zwar müssen im Zeitpunkt der Zollabfertigung die objektiven Beschaffenheitsmerkmale und Eigenschaften von Waren, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur und den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind, nicht in jedem Fall offensichtlich sein, anders verhält es sich jedoch, wenn - wie mit der in Rede stehenden Anmerkung - ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass eine bestimmte Wareneigenschaft "zu erkennen" sein muss, denn diese besondere Tarifierungsvoraussetzung hätte keine Funktion, wenn die Teile- bzw. Zubehöreigenschaft ggf. auch durch eine spätere sachverständige Warenbeschau festgestellt werden könnte.
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In Anwendung dieser Maßstäbe ist die spezielle Teileeigenschaft der streitgegenständlichen Beutel nicht zu erkennen. Die Beutel weisen keine für einen mit durchschnittlicher Sachkunde ausgestatteten Betrachter erkennbare Beschaffenheitsmerkmale auf, die sie als Teile von tragbaren Infusionspumpen ausweisen. Es handelt sich um ca. 10,3 x 8,5 cm große Beutel aus miteinander verschweißten, klarsichtigen, auf der Innenseite mit einer Riffelung versehenen Folien aus Kunststoffen mit einem Fassungsvermögen von 65 ml, die seitlich mit einem ca. 6 cm langen Kunststoffschlauch mit universellem Luer-Lock-Verschluss einschließlich Verschlussstopfen versehen sind. Die Klägerin betont, dass die hochwertige Fertigung der Beutel sowie insbesondere die geringe Größe, durch die die am Körper zu tragende Anwendung ermöglicht werde, und die Ausstattung mit einem Luer-Lock-Verschluss sowie die Riffelung auf der Innenseite erkennen ließen, dass es sich nicht um Beutel mit einer allgemeinen Verwendungsbestimmung, sondern allein um Beutel für die spezielle medizinische Anwendung in einer tragbaren Infusionspumpe handeln könne. Der Klägerin ist zwar zuzugeben, dass die Abmessungen des Beutels, der Schlauch mit dem Luer-Lock-Verschluss sowie die Innenriffelung die Annahme nahe legen, dass es sich um einen Beutel handelt, der für eine spezielle Verwendung bestimmt ist, bei der diese besondere Formgebung von Bedeutung ist. Welcher Art diese spezielle Verwendung ist, lässt sich jedoch, jedenfalls ohne weitere besondere Sachkunde, nicht ersehen. Zum einen mag zwar der Schlauch mit dem Luer-Lock-Verschluss durchaus für eine Verwendung der streitgegenständlichen Beutel im medizinischen Bereich sprechen, da sich der Luer-Lock-Verschluss als Teil eines genormten Verbindungssystems für Anwendungen hauptsächlich im medizinischen Bereich darstellt. Gleichwohl kann daraus nicht auf die spezielle Verwendung in einer tragbaren Infusionspumpe geschlossen werden, da der Luer-Lock-Verschluss als solcher lediglich eine Verbindungsmöglichkeit darstellt und im Rahmen der genormten Verbindungen gerade in vielfältiger Weise zum Einsatz kommen kann. Soweit die Klägerin darauf verweist, dass der Luer-Lock-Verschluss gerade für die Befüllung durch Spritzen geeignet und vorgesehen sei, so kann auch daraus nicht darauf geschlossen werden, dass die Beutel hauptsächlich für die Verwendung in einer tragbaren Infusionspumpe bestimmt sind. Denn Befüllungen durch Spritzen sind auch im Zusammenhang mit anderen medizinischen Anwendungen als einer tragbaren Infusionspumpe denkbar. Auch in Zusammenschau mit den weiteren Beschaffenheitsmerkmalen, nämlich der Größe des Beutels und der geriffelten Innenseite, erschließt sich die spezielle Verwendung der Beutel in einer tragbaren Infusionspumpe nicht. Die geringe Größe des Beutels ist zwar der Verwendung in einer am Körper tragbaren Infusionspumpe angepasst, da naturgemäß die Funktion einer tragbaren Infusionspumpe begrenzt ist auf die Verabreichung von Medikamentenmengen, die ohne übermäßige Einschränkungen der Beweglichkeit durch den Patienten unmittelbar am Körper mit sich getragen werden können. Dass Beutel dieser Größe aber ausschließlich für tragbare Infusionspumpen verwendet werden könnten, erschließt sich aus der Warenbeschaffenheit nicht. Vielmehr ist es auch genauso gut denkbar, dass die Beutel der Abfüllung, Aufbewahrung und Wiederabgabe von Medikamenten oder anderen Flüssigkeiten zu anderen Verwendungszwecken als in einer tragbaren Infusionspumpe dienen. Entsprechendes gilt schließlich auch für die Innenriffelung der Beutel. Zwar ist diese nach der Darstellung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unerlässlich dafür, dass die Medikamentenflüssigkeit in der vorgesehenen Menge vollständig wieder aus dem Beutel abgepumpt werden kann, da es ohne die Riffelung zu einem Unterdruck käme mit der Folge, dass Restmengen im Beutel verblieben, zumal bei der tragbaren Infusionspumpe ein Einsatz der Schwerkraft zum Entleeren der Medikamentenflüssigkeit aus dem Beutel wegen des unmittelbaren Tragens am Körper nicht möglich ist. Ein vollständiges Abpumpen des eingefüllten Medikaments ist zwar für die ordnungsgemäße Funktion der tragbaren Infusionspumpe notwendig und kann - dies einmal zugunsten der Klägerin unterstellt - im Zusammenhang mit der Verwendung der Beutel in einer tragbaren Infusionspumpe offenbar allein durch eine geriffelte Innenfläche hinreichend sichergestellt werden. Abgesehen davon, dass bereits äußerst zweifelhaft ist, ob der geschilderte funktionale Zusammenhang zwischen einer geriffelten Oberflächenstruktur der Innenseite des eine Flüssigkeit aufnehmenden Beutels und einem nur dadurch sichergestellten vollständigen Entleeren des Beutels mittels Abpumpens der Flüssigkeit einem Betrachter mit durchschnittlicher Sachkunde überhaupt geläufig ist, deutet aber die Innenriffelung jedenfalls auch bei vorhandener Kenntnis dieses funktionalen Zusammenhangs nicht zwingend auf die Verwendung der Beutel in einer tragbaren Infusionspumpe hin. Denn ist es auch hinsichtlich der Innenriffelung genauso gut denkbar, dass die Beutel zur Aufbewahrung und Wiederabgabe von Medikamenten oder anderen Flüssigkeiten zu anderen Verwendungszwecken als in einer tragbaren Infusionspumpe dienen. Auch außerhalb von tragbaren Infusionspumpen sind Sachverhalte vorstellbar, in denen ein Abpumpen von Flüssigkeiten aus Beuteln erforderlich ist, beispielsweise um gelagerte Flüssigkeiten zu (labor)medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken zuverlässig und vollständig abpumpen zu können, wobei auch hier Fallgestaltungen denkbar sind, in denen der Beutel nicht hängend unter Nutzung der Schwerkraft positioniert werden kann oder in denen aus Zeitgründen ein schnelles Abpumpen unabhängig von der Schwerkraftwirkung erforderlich sein kann.
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Darauf, wie die Ware bezeichnet ist oder wie die Ware verpackt ist, insbesondere auch darauf, dass die Ware ausweislich der Angaben auf ihrer Verpackung steril verpackt ist, kommt es nicht an. Entscheidend sind die erkennbaren objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware und nicht, für welchen Verwendungszweck die Ware vom Einführer vorgesehen ist (vgl. BFH, Beschluss vom 12.03.2008, VII B 137/07, in: juris). Auch ist die sterile Verpackung kein Merkmal, das die Ware ausschließlich dem medizinischen Bereich und dort speziell der Verwendung in einer tragbaren Infusionspumpe zuordnet. Vielmehr sind zahlreiche Anwendungsbereiche für sterile Beutel, sowohl in medizinischen als auch in sonstigen Bereichen, denkbar.
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Schließlich vermag auch der Umstand, dass die streitgegenständlichen Beutel nach Darstellung der Klägerin aufgrund ihrer Hochwertigkeit einen relativ hohen Preis haben, der eine allgemeine Verwendung außerhalb der tragbaren Infusionspumpe wirtschaftlich nicht sinnvoll erscheinen lässt, keine der Klägerin günstigere Beurteilung zu rechtfertigen. Denn für die nach der Anmerkung 2 b) zu Kapitel 90 erkennbare Teile- bzw. Zubehöreigenschaft kommt es hierauf ebenfalls nicht an (vgl. BFH, Urteil vom 17.10.2006, VII R 41/05, in: juris, m. w. N. aus der Rspr. des BFH).
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Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich ferner, dass die streitgegenständlichen Beutel auch nicht im Sinne der Anmerkung 2 c) zu Kapitel 90, wonach alle übrigen Teile und alles übrige Zubehör nach Position 9033 einzureihen sind, als übrige Teile oder übriges Zubehör in die Position 9033 (Teile und Zubehör
für Maschinen, Apparate, Geräte, Instrumente oder andere Waren des Kapitels 90) mit einem Drittlandszollsatz von 3,7 % einzureihen sind. Denn es fehlt ihnen nicht nur - wie bereits dargelegt - an der erkennbaren Teileeigenschaft für eine bestimmte Maschine, einen bestimmten Apparat oder ein bestimmtes Gerät oder Instrument des Kapitels 90, hier konkret: einer tragbaren Infusionspumpe, sondern überhaupt an einer erkennbaren Teile- oder Zubehöreigenschaft für Waren des Kapitels 90, womit eine solche Einreihung nicht in Betracht kommt (vgl. auch BFH, Urteil vom 17.10.2006, VII R 41/05, in: juris). Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf das von der Klägerin betonte Vorhandensein eines Luer-Lock-Verschlusses. Zwar legt der Luer-Lock-Verschluss eine Verwendung der Beutel im medizinischen Bereich nahe, dies allein reicht jedoch für eine Erkennbarkeit einer Teile- oder Zubehöreigenschaft zu Waren des Kapitels 90, namentlich zu den medizinischen und chirurgischen Instrumenten, Apparaten und Geräten der Position 9018, nicht aus, da das Luer-System als genormtes Verbindungssystem grundsätzlich auch in anderweitigen Anwendungsbereichen zum Einsatz kommen kann und daher eine Verwendung der Beutel außerhalb des medizinischen Bereichs nicht ausgeschlossen ist.
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Schließlich vermögen auch die von der Klägerin in Bezug genommenen verbindlichen Zolltarifauskünfte (vZTA DE ...-1 vom 13.01.2006 für einen Infusionsbeutel als Teil eines Infusionsgerätes und vZTA DE ...-3 vom 19.10.2010 für einen transparenten Leerbeutel zur Flüssigkeitsbilanzierung bei enteraler Ernährung als Teil eines Infusionsgerätes) ihre Einreihungsauffassung nicht zu stützen. Die genannten verbindlichen Zolltarifauskünfte betreffen keine hinreichend mit der streitgegenständlichen Ware vergleichbaren Waren, da sie jeweils weitere besondere Beschaffenheitsmerkmale wie einen speziellen Einfüllschlauch mit Gummistopfen zum Anbringen des Kathedersystems bzw. eine Schlauchklemme und einen speziellen verschließbaren Einfüllstutzen mit Aufhängeöse aufweisen.
- 30
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass, selbst für den Fall, dass eine verbindliche Zolltarifauskunft existierte, mit der eine der streitgegenständlichen Ware vergleichbare Ware im Sinne der Klägerin eingereiht würde, diese Einreihung durch eine andere Zollbehörde für das Gericht nicht bindend wäre. Entscheidend ist für die gerichtliche Entscheidung allein, welche zolltarifliche Einreihung zutreffend ist. Erweist sich eine einem Einführer erteilte verbindliche Zolltarifauskunft als unzutreffend, kann ein anderer Einführer in einem anderen Einfuhrfall nicht unter Berufung auf den Gleichheitssatz von der zuständigen Zollbehörde verlangen, dass sie der Abfertigung dieselbe unzutreffende Tarifauffassung zugrunde legt (vgl. BFH, Beschluss vom 30.03.2015, VII B 117/14, in: juris).
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Damit sind die streitgegenständlichen Beutel nach ihrer Materialbeschaffenheit als Waren aus Kunststoffen in die Position 3926, und dort in die Unterposition 3926 9092 900 einzureihen.
2.
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Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Einfuhrabgabenschuld drängen sich dem Gericht keine Bedenken auf, auch die Klägerin macht solche nicht geltend.
II.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
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(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.