Finanzgericht Düsseldorf Urteil, 28. Jan. 2014 - 13 K 3534/12 E,AO

ECLI:ECLI:DE:FGD:2014:0128.13K3534.12E.AO.00
bei uns veröffentlicht am28.01.2014

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42

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Referenzen - Gesetze

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu
Finanzgericht Düsseldorf Urteil, 28. Jan. 2014 - 13 K 3534/12 E,AO zitiert 14 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Einkommensteuergesetz - EStG | § 19


(1)1Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören1.Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst;1a.Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer

Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Abgabenordnung - AO 1977 | § 174 Widerstreitende Steuerfestsetzungen


(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuhe

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 101


Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spr

Einkommensteuergesetz - EStG | § 32b Progressionsvorbehalt


(1) 1Hat ein zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraums unbeschränkt Steuerpflichtiger oder ein beschränkt Steuerpflichtiger, auf den § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 Anwendung findet, 1. a) Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Zuschüs

Abgabenordnung - AO 1977 | § 155 Steuerfestsetzung


(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 1 Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vo

Abgabenordnung - AO 1977 | § 6 Behörden, öffentliche und nicht-öffentliche Stellen, Finanzbehörden


(1) Behörde ist jede öffentliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. (1a) Öffentliche Stellen des Bundes sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes,

Abgabenordnung - AO 1977 | § 167 Steueranmeldung, Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern


(1) Ist eine Steuer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung anzumelden (§ 150 Abs. 1 Satz 3), so ist eine Festsetzung der Steuer nach § 155 nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder der Steuer- oder Haftungsschuldner

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Bundesfinanzhof Urteil, 09. Mai 2012 - I R 73/10

bei uns veröffentlicht am 09.05.2012

Tatbestand 1 I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

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(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

2

Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.

3

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.

4

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 € (2005) und 49.103 € (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.

5

Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 € (2005) und 15.040,80 € (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten "Umsatzerlöse Seminare" (2005) und "Einnahmen, Versicherungen" (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 € (2005) und 15.037 € (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

9

1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.

10

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

11

b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

12

c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.

13

aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.

14

bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.

15

2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.

16

a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff "Steuerbescheid" nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb --DB-- 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als --wie im Streitfall-- Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.

17

aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff "Steuerbescheid" nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.

18

bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.

19

aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union --EUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. --bezogen auf die Streitjahre-- Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG-- i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] --EuGH-- vom 4. Juli 2006 C-212/04 "Adeneler", Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 "Kücükdeveci", Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln --Äquivalenzgrundsatz--, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 "Wells", Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 "i-21 Germany und Arcor", Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 "Meilicke u.a.", Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).

20

bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn --wie im Streitfall-- keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich --vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen-- im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 "Schwarz und Gootjes-Schwarz", Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).

21

Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.

22

Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot", Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).

23

Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit--, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.

24

Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.

25

b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.

26

aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre "ein bestimmter Sachverhalt" in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.

27

aaa) Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).

28

Die "Berücksichtigung" eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).  

29

bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen "Umsatzerlöse Seminare" und "Einnahmen, Versicherungen" zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.

30

bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.

31

aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).

32

bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers --den Niederlanden-- steuerbar. Oder aber sie hätte --wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre --zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den "sonstigen Einkünften", für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) --DBA-Niederlande-- das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.

33

Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen "Widerstreit" im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der "Widerstreit" zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

34

cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus --wie oben ausgeführt-- gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.

35

3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes --aus seiner rechtlichen Sicht konsequent-- dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1)1Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören

1.
Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst;
1a.
Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung).2Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.3Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.4Satz 3 gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich.5Die Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind abweichend von § 8 Absatz 2 mit den anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers im Sinne des Satzes 2 anzusetzen;
2.
Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, auch soweit sie von Arbeitgebern ausgleichspflichtiger Personen an ausgleichsberechtigte Personen infolge einer nach § 10 oder § 14 des Versorgungsausgleichsgesetzes durchgeführten Teilung geleistet werden;
3.
laufende Beiträge und laufende Zuwendungen des Arbeitgebers aus einem bestehenden Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung für eine betriebliche Altersversorgung.2Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber neben den laufenden Beiträgen und Zuwendungen an eine solche Versorgungseinrichtung leistet, mit Ausnahme der Zahlungen des Arbeitgebers
a)
zur erstmaligen Bereitstellung der Kapitalausstattung zur Erfüllung der Solvabilitätskapitalanforderung nach den §§ 89, 213, 234g oder 238 des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
b)
zur Wiederherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung nach unvorhersehbaren Verlusten oder zur Finanzierung der Verstärkung der Rechnungsgrundlagen auf Grund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse, wobei die Sonderzahlungen nicht zu einer Absenkung des laufenden Beitrags führen oder durch die Absenkung des laufenden Beitrags Sonderzahlungen ausgelöst werden dürfen,
c)
in der Rentenbezugszeit nach § 236 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder
d)
in Form von Sanierungsgeldern;
Sonderzahlungen des Arbeitgebers sind insbesondere Zahlungen an eine Pensionskasse anlässlich
a)
seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung oder
b)
des Wechsels von einer nicht im Wege der Kapitaldeckung zu einer anderen nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung.
3Von Sonderzahlungen im Sinne des Satzes 2 zweiter Halbsatz Buchstabe b ist bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf nur auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach dem Wechsel die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt des Wechsels übersteigt.4Sanierungsgelder sind Sonderzahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse anlässlich der Systemumstellung einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung auf der Finanzierungs- oder Leistungsseite, die der Finanzierung der zum Zeitpunkt der Umstellung bestehenden Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften dienen; bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf ist nur von Sanierungsgeldern auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach der Systemumstellung die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Systemumstellung übersteigt.
2Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht.

(2)1Von Versorgungsbezügen bleiben ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei.2Versorgungsbezüge sind

1.
das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug
a)
auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften,
b)
nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften
oder
2.
in anderen Fällen Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge; Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat.
3Der maßgebende Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr des
Versorgungs-
beginns
VersorgungsfreibetragZuschlag zum
Versorgungs-
freibetrag
in Euro
in % der
Versorgungs-
bezüge
Höchstbetrag
in Euro
bis 200540,03 000900
ab 200638,42 880864
200736,82 760828
200835,22 640792
200933,62 520756
201032,02 400720
201130,42 280684
201228,82 160648
201327,22 040612
201425,61 920576
201524,01 800540
201622,41 680504
201720,81 560468
201819,21 440432
201917,61 320396
202016,01 200360
202115,21 140342
202214,41 080324
202313,61 020306
202412,8960288
202512,0900270
202611,2840252
202710,4780234
20289,6720216
20298,8660198
20308,0600180
20317,2540162
20326,4480144
20335,6420126
20344,8360108
20354,030090
20363,224072
20372,418054
20381,612036
20390,86018
20400,000


4Bemessungsgrundlage für den Versorgungsfreibetrag ist
a)
bei Versorgungsbeginn vor 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für Januar 2005,
b)
bei Versorgungsbeginn ab 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für den ersten vollen Monat,
jeweils zuzüglich voraussichtlicher Sonderzahlungen im Kalenderjahr, auf die zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsanspruch besteht.5Der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag darf nur bis zur Höhe der um den Versorgungsfreibetrag geminderten Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden.6Bei mehreren Versorgungsbezügen mit unterschiedlichem Bezugsbeginn bestimmen sich der insgesamt berücksichtigungsfähige Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach dem Jahr des Beginns des ersten Versorgungsbezugs.7Folgt ein Hinterbliebenenbezug einem Versorgungsbezug, bestimmen sich der Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag für den Hinterbliebenenbezug nach dem Jahr des Beginns des Versorgungsbezugs.8Der nach den Sätzen 3 bis 7 berechnete Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag gelten für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs.9Regelmäßige Anpassungen des Versorgungsbezugs führen nicht zu einer Neuberechnung.10Abweichend hiervon sind der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag neu zu berechnen, wenn sich der Versorgungsbezug wegen Anwendung von Anrechnungs-, Ruhens-, Erhöhungs- oder Kürzungsregelungen erhöht oder vermindert.11In diesen Fällen sind die Sätze 3 bis 7 mit dem geänderten Versorgungsbezug als Bemessungsgrundlage im Sinne des Satzes 4 anzuwenden; im Kalenderjahr der Änderung sind der höchste Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag maßgebend.12Für jeden vollen Kalendermonat, für den keine Versorgungsbezüge gezahlt werden, ermäßigen sich der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in diesem Kalenderjahr um je ein Zwölftel.

(3)1Die Energiepreispauschale nach dem Versorgungsrechtlichen Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz oder vergleichbare Leistungen zum Ausgleich gestiegener Energiepreise nach Landesrecht sind als Einnahmen nach Absatz 2 zu berücksichtigen.2Sie gelten nicht als Sonderzahlung im Sinne von Absatz 2 Satz 4, jedoch als regelmäßige Anpassung des Versorgungsbezugs im Sinne von Absatz 2 Satz 9.3Im Lohnsteuerabzugsverfahren sind die Energiepreispauschale und vergleichbare Leistungen bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe b und c nicht zu berücksichtigen.4In den Fällen des Satzes 1 sind die §§ 3 und 24a nicht anzuwenden.

(1)1Hat ein zeitweise oder während des gesamten Veranlagungszeitraums unbeschränkt Steuerpflichtiger oder ein beschränkt Steuerpflichtiger, auf den § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 Anwendung findet,

1.
a)
Arbeitslosengeld, Teilarbeitslosengeld, Zuschüsse zum Arbeitsentgelt, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld, Übergangsgeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch; Insolvenzgeld, das nach § 170 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch einem Dritten zusteht, ist dem Arbeitnehmer zuzurechnen,
b)
Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder vergleichbare Lohnersatzleistungen nach dem Fünften, Sechsten oder Siebten Buch Sozialgesetzbuch, der Reichsversicherungsordnung, dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte oder dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte,
c)
Mutterschaftsgeld, Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, die Sonderunterstützung nach dem Mutterschutzgesetz sowie den Zuschuss bei Beschäftigungsverboten für die Zeit vor oder nach einer Entbindung sowie für den Entbindungstag während einer Elternzeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften,
d)
Arbeitslosenbeihilfe nach dem Soldatenversorgungsgesetz,
e)
Entschädigungen für Verdienstausfall nach dem Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045),
f)
Versorgungskrankengeld oder Übergangsgeld nach dem Bundesversorgungsgesetz,
g)
nach § 3 Nummer 28 steuerfreie Aufstockungsbeträge oder Zuschläge sowie nach § 3 Nummer 28a steuerfreie Zuschüsse,
h)
Leistungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 5 des Unterhaltssicherungsgesetzes,
i)
nach § 3 Nummer 60 steuerfreie Anpassungsgelder,
j)
Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz,
k)
nach § 3 Nummer 2 Buchstabe e steuerfreie Leistungen, wenn vergleichbare Leistungen inländischer öffentlicher Kassen nach den Buchstaben a bis j dem Progressionsvorbehalt unterfallen, oder
2.
ausländische Einkünfte, die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben; dies gilt nur für Fälle der zeitweisen unbeschränkten Steuerpflicht einschließlich der in § 2 Absatz 7 Satz 3 geregelten Fälle; ausgenommen sind Einkünfte, die nach einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen im Sinne der Nummer 4 steuerfrei sind und die nach diesem Übereinkommen nicht unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer stehen,
3.
Einkünfte, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind,
4.
Einkünfte, die nach einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer steuerfrei sind,
5.
Einkünfte, die bei Anwendung von § 1 Absatz 3 oder § 1a oder § 50 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 im Veranlagungszeitraum bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens unberücksichtigt bleiben, weil sie nicht der deutschen Einkommensteuer oder einem Steuerabzug unterliegen; ausgenommen sind Einkünfte, die nach einem sonstigen zwischenstaatlichen Übereinkommen im Sinne der Nummer 4 steuerfrei sind und die nach diesem Übereinkommen nicht unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der Berechnung der Einkommensteuer stehen,
bezogen, so ist auf das nach § 32a Absatz 1 zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden.2Satz 1 Nummer 3 gilt nicht für Einkünfte
1.
aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte,
2.
aus einer anderen als in einem Drittstaat belegenen gewerblichen Betriebsstätte, die nicht die Voraussetzungen des § 2a Absatz 2 Satz 1 erfüllt,
3.
aus der Vermietung oder der Verpachtung von unbeweglichem Vermögen oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem anderen Staat als in einem Drittstaat belegen sind, oder
4.
aus der entgeltlichen Überlassung von Schiffen, sofern diese ausschließlich oder fast ausschließlich in einem anderen als einem Drittstaat eingesetzt worden sind, es sei denn, es handelt sich um Handelsschiffe, die
a)
von einem Vercharterer ausgerüstet überlassen oder
b)
an in einem anderen als in einem Drittstaat ansässige Ausrüster, die die Voraussetzungen des § 510 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs erfüllen, überlassen oder
c)
insgesamt nur vorübergehend an in einem Drittstaat ansässige Ausrüster, die die Voraussetzungen des § 510 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs erfüllen, überlassen
worden sind, oder
5.
aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts oder der Übertragung eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsguts im Sinne der Nummern 3 und 4.
3§ 2a Absatz 2a und § 15b sind sinngemäß anzuwenden.

(1a) Als unmittelbar von einem unbeschränkt Steuerpflichtigen bezogene ausländische Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Nummer 3 gelten auch die ausländischen Einkünfte, die eine Organgesellschaft im Sinne des § 14 oder des § 17 des Körperschaftsteuergesetzes bezogen hat und die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei sind, in dem Verhältnis, in dem dem unbeschränkt Steuerpflichtigen das Einkommen der Organgesellschaft bezogen auf das gesamte Einkommen der Organgesellschaft im Veranlagungszeitraum zugerechnet wird.

(2)1Der besondere Steuersatz nach Absatz 1 ist der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Absatz 1 zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um

1.
im Fall des Absatzes 1 Nummer 1 die Summe der Leistungen nach Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags (§ 9a Satz 1 Nummer 1), soweit er nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar ist;
2.
im Fall des Absatzes 1 Nummer 2 bis 5 die dort bezeichneten Einkünfte, wobei die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte mit einem Fünftel zu berücksichtigen sind.2Bei der Ermittlung der Einkünfte im Fall des Absatzes 1 Nummer 2 bis 5
a)
ist der Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) abzuziehen, soweit er nicht bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar ist;
b)
sind Werbungskosten nur insoweit abzuziehen, als sie zusammen mit den bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit abziehbaren Werbungskosten den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a) übersteigen;
c)
sind bei Gewinnermittlung nach § 4 Absatz 3 die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens im Zeitpunkt des Zuflusses des Veräußerungserlöses oder bei Entnahme im Zeitpunkt der Entnahme als Betriebsausgaben zu berücksichtigen.2§ 4 Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend.

(3)1Nach Maßgabe des § 93c der Abgabenordnung haben die Träger der Sozialleistungen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 für jeden Leistungsempfänger der für seine Besteuerung nach dem Einkommen zuständigen Finanzbehörde neben den nach § 93c Absatz 1 der Abgabenordnung erforderlichen Angaben die Daten über die im Kalenderjahr gewährten Leistungen sowie die Dauer des Leistungszeitraums zu übermitteln, soweit die Leistungen nicht in der Lohnsteuerbescheinigung anzugeben sind (§ 41b Absatz 1 Satz 2 Nummer 5); § 41b Absatz 2 und § 22a Absatz 2 gelten entsprechend.2Die mitteilungspflichtige Stelle hat den Empfänger der Leistungen auf die steuerliche Behandlung dieser Leistungen und seine Steuererklärungspflicht hinzuweisen.3In den Fällen des § 170 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch gilt als Empfänger des an Dritte ausgezahlten Insolvenzgeldes der Arbeitnehmer, der seinen Arbeitsentgeltanspruch übertragen hat.

(4)1In den Fällen des Absatzes 3 ist für die Anwendung des § 72a Absatz 4 und des § 93c Absatz 4 Satz 1 der Abgabenordnung das Betriebsstättenfinanzamt des Trägers der jeweiligen Sozialleistungen zuständig.2Sind für ihn mehrere Betriebsstättenfinanzämter zuständig oder hat er keine Betriebsstätte im Sinne des § 41 Absatz 2, so ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk sich seine Geschäftsleitung nach § 10 der Abgabenordnung im Inland befindet.

(5) Die nach Absatz 3 übermittelten Daten können durch das nach Absatz 4 zuständige Finanzamt bei den für die Besteuerung der Leistungsempfänger nach dem Einkommen zuständigen Finanzbehörden abgerufen und zur Anwendung des § 72a Absatz 4 und des § 93c Absatz 4 Satz 1 der Abgabenordnung verarbeitet werden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

2

Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.

3

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.

4

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 € (2005) und 49.103 € (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.

5

Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 € (2005) und 15.040,80 € (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten "Umsatzerlöse Seminare" (2005) und "Einnahmen, Versicherungen" (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 € (2005) und 15.037 € (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

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1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.

10

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

11

b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

12

c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.

13

aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.

14

bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.

15

2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.

16

a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff "Steuerbescheid" nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb --DB-- 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als --wie im Streitfall-- Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.

17

aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff "Steuerbescheid" nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.

18

bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.

19

aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union --EUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. --bezogen auf die Streitjahre-- Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG-- i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] --EuGH-- vom 4. Juli 2006 C-212/04 "Adeneler", Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 "Kücükdeveci", Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln --Äquivalenzgrundsatz--, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 "Wells", Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 "i-21 Germany und Arcor", Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 "Meilicke u.a.", Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).

20

bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn --wie im Streitfall-- keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich --vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen-- im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 "Schwarz und Gootjes-Schwarz", Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).

21

Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.

22

Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot", Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).

23

Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit--, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.

24

Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.

25

b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.

26

aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre "ein bestimmter Sachverhalt" in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.

27

aaa) Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).

28

Die "Berücksichtigung" eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).  

29

bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen "Umsatzerlöse Seminare" und "Einnahmen, Versicherungen" zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.

30

bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.

31

aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).

32

bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers --den Niederlanden-- steuerbar. Oder aber sie hätte --wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre --zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den "sonstigen Einkünften", für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) --DBA-Niederlande-- das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.

33

Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen "Widerstreit" im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der "Widerstreit" zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

34

cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus --wie oben ausgeführt-- gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.

35

3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes --aus seiner rechtlichen Sicht konsequent-- dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1)1Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören

1.
Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst;
1a.
Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung).2Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.3Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.4Satz 3 gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich.5Die Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind abweichend von § 8 Absatz 2 mit den anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers im Sinne des Satzes 2 anzusetzen;
2.
Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, auch soweit sie von Arbeitgebern ausgleichspflichtiger Personen an ausgleichsberechtigte Personen infolge einer nach § 10 oder § 14 des Versorgungsausgleichsgesetzes durchgeführten Teilung geleistet werden;
3.
laufende Beiträge und laufende Zuwendungen des Arbeitgebers aus einem bestehenden Dienstverhältnis an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder für eine Direktversicherung für eine betriebliche Altersversorgung.2Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch Sonderzahlungen, die der Arbeitgeber neben den laufenden Beiträgen und Zuwendungen an eine solche Versorgungseinrichtung leistet, mit Ausnahme der Zahlungen des Arbeitgebers
a)
zur erstmaligen Bereitstellung der Kapitalausstattung zur Erfüllung der Solvabilitätskapitalanforderung nach den §§ 89, 213, 234g oder 238 des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
b)
zur Wiederherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung nach unvorhersehbaren Verlusten oder zur Finanzierung der Verstärkung der Rechnungsgrundlagen auf Grund einer unvorhersehbaren und nicht nur vorübergehenden Änderung der Verhältnisse, wobei die Sonderzahlungen nicht zu einer Absenkung des laufenden Beitrags führen oder durch die Absenkung des laufenden Beitrags Sonderzahlungen ausgelöst werden dürfen,
c)
in der Rentenbezugszeit nach § 236 Absatz 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes oder
d)
in Form von Sanierungsgeldern;
Sonderzahlungen des Arbeitgebers sind insbesondere Zahlungen an eine Pensionskasse anlässlich
a)
seines Ausscheidens aus einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung oder
b)
des Wechsels von einer nicht im Wege der Kapitaldeckung zu einer anderen nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung.
3Von Sonderzahlungen im Sinne des Satzes 2 zweiter Halbsatz Buchstabe b ist bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf nur auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach dem Wechsel die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt des Wechsels übersteigt.4Sanierungsgelder sind Sonderzahlungen des Arbeitgebers an eine Pensionskasse anlässlich der Systemumstellung einer nicht im Wege der Kapitaldeckung finanzierten betrieblichen Altersversorgung auf der Finanzierungs- oder Leistungsseite, die der Finanzierung der zum Zeitpunkt der Umstellung bestehenden Versorgungsverpflichtungen oder Versorgungsanwartschaften dienen; bei laufenden und wiederkehrenden Zahlungen entsprechend dem periodischen Bedarf ist nur von Sanierungsgeldern auszugehen, soweit die Bemessung der Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers in das Versorgungssystem nach der Systemumstellung die Bemessung der Zahlungsverpflichtung zum Zeitpunkt der Systemumstellung übersteigt.
2Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht.

(2)1Von Versorgungsbezügen bleiben ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei.2Versorgungsbezüge sind

1.
das Ruhegehalt, Witwen- oder Waisengeld, der Unterhaltsbeitrag oder ein gleichartiger Bezug
a)
auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften,
b)
nach beamtenrechtlichen Grundsätzen von Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Verbänden von Körperschaften
oder
2.
in anderen Fällen Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen wegen Erreichens einer Altersgrenze, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Hinterbliebenenbezüge; Bezüge wegen Erreichens einer Altersgrenze gelten erst dann als Versorgungsbezüge, wenn der Steuerpflichtige das 63. Lebensjahr oder, wenn er schwerbehindert ist, das 60. Lebensjahr vollendet hat.
3Der maßgebende Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Jahr des
Versorgungs-
beginns
VersorgungsfreibetragZuschlag zum
Versorgungs-
freibetrag
in Euro
in % der
Versorgungs-
bezüge
Höchstbetrag
in Euro
bis 200540,03 000900
ab 200638,42 880864
200736,82 760828
200835,22 640792
200933,62 520756
201032,02 400720
201130,42 280684
201228,82 160648
201327,22 040612
201425,61 920576
201524,01 800540
201622,41 680504
201720,81 560468
201819,21 440432
201917,61 320396
202016,01 200360
202115,21 140342
202214,41 080324
202313,61 020306
202412,8960288
202512,0900270
202611,2840252
202710,4780234
20289,6720216
20298,8660198
20308,0600180
20317,2540162
20326,4480144
20335,6420126
20344,8360108
20354,030090
20363,224072
20372,418054
20381,612036
20390,86018
20400,000


4Bemessungsgrundlage für den Versorgungsfreibetrag ist
a)
bei Versorgungsbeginn vor 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für Januar 2005,
b)
bei Versorgungsbeginn ab 2005das Zwölffache des Versorgungsbezugs für den ersten vollen Monat,
jeweils zuzüglich voraussichtlicher Sonderzahlungen im Kalenderjahr, auf die zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsanspruch besteht.5Der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag darf nur bis zur Höhe der um den Versorgungsfreibetrag geminderten Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden.6Bei mehreren Versorgungsbezügen mit unterschiedlichem Bezugsbeginn bestimmen sich der insgesamt berücksichtigungsfähige Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag nach dem Jahr des Beginns des ersten Versorgungsbezugs.7Folgt ein Hinterbliebenenbezug einem Versorgungsbezug, bestimmen sich der Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag für den Hinterbliebenenbezug nach dem Jahr des Beginns des Versorgungsbezugs.8Der nach den Sätzen 3 bis 7 berechnete Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag gelten für die gesamte Laufzeit des Versorgungsbezugs.9Regelmäßige Anpassungen des Versorgungsbezugs führen nicht zu einer Neuberechnung.10Abweichend hiervon sind der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag neu zu berechnen, wenn sich der Versorgungsbezug wegen Anwendung von Anrechnungs-, Ruhens-, Erhöhungs- oder Kürzungsregelungen erhöht oder vermindert.11In diesen Fällen sind die Sätze 3 bis 7 mit dem geänderten Versorgungsbezug als Bemessungsgrundlage im Sinne des Satzes 4 anzuwenden; im Kalenderjahr der Änderung sind der höchste Versorgungsfreibetrag und Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag maßgebend.12Für jeden vollen Kalendermonat, für den keine Versorgungsbezüge gezahlt werden, ermäßigen sich der Versorgungsfreibetrag und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in diesem Kalenderjahr um je ein Zwölftel.

(3)1Die Energiepreispauschale nach dem Versorgungsrechtlichen Energiepreispauschalen-Gewährungsgesetz oder vergleichbare Leistungen zum Ausgleich gestiegener Energiepreise nach Landesrecht sind als Einnahmen nach Absatz 2 zu berücksichtigen.2Sie gelten nicht als Sonderzahlung im Sinne von Absatz 2 Satz 4, jedoch als regelmäßige Anpassung des Versorgungsbezugs im Sinne von Absatz 2 Satz 9.3Im Lohnsteuerabzugsverfahren sind die Energiepreispauschale und vergleichbare Leistungen bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe b und c nicht zu berücksichtigen.4In den Fällen des Satzes 1 sind die §§ 3 und 24a nicht anzuwenden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

2

Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.

3

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.

4

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 € (2005) und 49.103 € (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.

5

Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 € (2005) und 15.040,80 € (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten "Umsatzerlöse Seminare" (2005) und "Einnahmen, Versicherungen" (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 € (2005) und 15.037 € (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

9

1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.

10

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

11

b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

12

c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.

13

aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.

14

bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.

15

2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.

16

a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff "Steuerbescheid" nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb --DB-- 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als --wie im Streitfall-- Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.

17

aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff "Steuerbescheid" nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.

18

bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.

19

aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union --EUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. --bezogen auf die Streitjahre-- Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG-- i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] --EuGH-- vom 4. Juli 2006 C-212/04 "Adeneler", Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 "Kücükdeveci", Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln --Äquivalenzgrundsatz--, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 "Wells", Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 "i-21 Germany und Arcor", Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 "Meilicke u.a.", Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).

20

bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn --wie im Streitfall-- keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich --vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen-- im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 "Schwarz und Gootjes-Schwarz", Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).

21

Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.

22

Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot", Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).

23

Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit--, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.

24

Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.

25

b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.

26

aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre "ein bestimmter Sachverhalt" in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.

27

aaa) Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).

28

Die "Berücksichtigung" eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).  

29

bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen "Umsatzerlöse Seminare" und "Einnahmen, Versicherungen" zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.

30

bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.

31

aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).

32

bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers --den Niederlanden-- steuerbar. Oder aber sie hätte --wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre --zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den "sonstigen Einkünften", für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) --DBA-Niederlande-- das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.

33

Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen "Widerstreit" im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der "Widerstreit" zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

34

cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus --wie oben ausgeführt-- gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.

35

3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes --aus seiner rechtlichen Sicht konsequent-- dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Behörde ist jede öffentliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1a) Öffentliche Stellen des Bundes sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1b) Öffentliche Stellen der Länder sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1c) Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, gelten ungeachtet der Beteiligung nicht-öffentlicher Stellen als öffentliche Stellen des Bundes, wenn

1.
sie über den Bereich eines Landes hinaus tätig werden oder
2.
dem Bund die absolute Mehrheit der Anteile gehört oder die absolute Mehrheit der Stimmen zusteht.
Anderenfalls gelten sie als öffentliche Stellen der Länder.

(1d) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter die Absätze 1a bis 1c fallen. Nimmt eine nicht-öffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle im Sinne dieses Gesetzes.

(1e) Öffentliche Stellen des Bundes oder der Länder gelten als nicht-öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen.

(2) Finanzbehörden im Sinne dieses Gesetzes sind die folgenden im Gesetz über die Finanzverwaltung genannten Bundes- und Landesfinanzbehörden:

1.
das Bundesministerium der Finanzen und die für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden als oberste Behörden,
2.
das Bundeszentralamt für Steuern, das Informationstechnikzentrum Bund und die Generalzolldirektion als Bundesoberbehörden,
3.
Rechenzentren sowie Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist, als Landesoberbehörden,
4.
die Oberfinanzdirektionen als Mittelbehörden,
4a.
die nach dem Finanzverwaltungsgesetz oder nach Landesrecht an Stelle einer Oberfinanzdirektion eingerichteten Landesfinanzbehörden,
5.
die Hauptzollämter einschließlich ihrer Dienststellen, die Zollfahndungsämter, die Finanzämter und die besonderen Landesfinanzbehörden als örtliche Behörden,
6.
Familienkassen,
7.
die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes und
8.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 40a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes).

(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.

(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:

1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten),
2.
die Vorschriften des Zweiten Teils(Steuerschuldrecht),
3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84(Allgemeine Verfahrensvorschriften),
4.
die Vorschriften des Vierten Teils(Durchführung der Besteuerung),
5.
die Vorschriften des Fünften Teils(Erhebungsverfahren),
6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2,
7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3,
8.
die Vorschriften des Achten Teils(Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).

(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

2

Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.

3

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.

4

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 € (2005) und 49.103 € (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.

5

Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 € (2005) und 15.040,80 € (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten "Umsatzerlöse Seminare" (2005) und "Einnahmen, Versicherungen" (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 € (2005) und 15.037 € (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

9

1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.

10

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

11

b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

12

c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.

13

aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.

14

bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.

15

2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.

16

a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff "Steuerbescheid" nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb --DB-- 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als --wie im Streitfall-- Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.

17

aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff "Steuerbescheid" nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.

18

bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.

19

aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union --EUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. --bezogen auf die Streitjahre-- Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG-- i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] --EuGH-- vom 4. Juli 2006 C-212/04 "Adeneler", Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 "Kücükdeveci", Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln --Äquivalenzgrundsatz--, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 "Wells", Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 "i-21 Germany und Arcor", Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 "Meilicke u.a.", Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).

20

bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn --wie im Streitfall-- keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich --vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen-- im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 "Schwarz und Gootjes-Schwarz", Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).

21

Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.

22

Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot", Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).

23

Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit--, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.

24

Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.

25

b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.

26

aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre "ein bestimmter Sachverhalt" in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.

27

aaa) Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).

28

Die "Berücksichtigung" eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).  

29

bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen "Umsatzerlöse Seminare" und "Einnahmen, Versicherungen" zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.

30

bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.

31

aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).

32

bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers --den Niederlanden-- steuerbar. Oder aber sie hätte --wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre --zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den "sonstigen Einkünften", für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) --DBA-Niederlande-- das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.

33

Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen "Widerstreit" im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der "Widerstreit" zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

34

cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus --wie oben ausgeführt-- gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.

35

3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes --aus seiner rechtlichen Sicht konsequent-- dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

2

Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.

3

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.

4

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 € (2005) und 49.103 € (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.

5

Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 € (2005) und 15.040,80 € (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten "Umsatzerlöse Seminare" (2005) und "Einnahmen, Versicherungen" (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 € (2005) und 15.037 € (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

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1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.

10

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

11

b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

12

c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.

13

aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.

14

bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.

15

2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.

16

a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff "Steuerbescheid" nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb --DB-- 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als --wie im Streitfall-- Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.

17

aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff "Steuerbescheid" nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.

18

bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.

19

aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union --EUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. --bezogen auf die Streitjahre-- Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG-- i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] --EuGH-- vom 4. Juli 2006 C-212/04 "Adeneler", Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 "Kücükdeveci", Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln --Äquivalenzgrundsatz--, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 "Wells", Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 "i-21 Germany und Arcor", Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 "Meilicke u.a.", Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).

20

bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn --wie im Streitfall-- keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich --vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen-- im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 "Schwarz und Gootjes-Schwarz", Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).

21

Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.

22

Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot", Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).

23

Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit--, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.

24

Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.

25

b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.

26

aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre "ein bestimmter Sachverhalt" in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.

27

aaa) Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).

28

Die "Berücksichtigung" eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).  

29

bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen "Umsatzerlöse Seminare" und "Einnahmen, Versicherungen" zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.

30

bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.

31

aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).

32

bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers --den Niederlanden-- steuerbar. Oder aber sie hätte --wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre --zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den "sonstigen Einkünften", für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) --DBA-Niederlande-- das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.

33

Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen "Widerstreit" im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der "Widerstreit" zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

34

cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus --wie oben ausgeführt-- gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.

35

3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes --aus seiner rechtlichen Sicht konsequent-- dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

2

Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.

3

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.

4

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 € (2005) und 49.103 € (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.

5

Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 € (2005) und 15.040,80 € (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten "Umsatzerlöse Seminare" (2005) und "Einnahmen, Versicherungen" (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 € (2005) und 15.037 € (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

9

1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.

10

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

11

b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

12

c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.

13

aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.

14

bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.

15

2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.

16

a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff "Steuerbescheid" nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb --DB-- 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als --wie im Streitfall-- Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.

17

aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff "Steuerbescheid" nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.

18

bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.

19

aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union --EUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. --bezogen auf die Streitjahre-- Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG-- i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] --EuGH-- vom 4. Juli 2006 C-212/04 "Adeneler", Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 "Kücükdeveci", Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln --Äquivalenzgrundsatz--, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 "Wells", Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 "i-21 Germany und Arcor", Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 "Meilicke u.a.", Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).

20

bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn --wie im Streitfall-- keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich --vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen-- im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 "Schwarz und Gootjes-Schwarz", Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).

21

Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.

22

Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot", Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).

23

Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit--, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.

24

Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.

25

b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.

26

aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre "ein bestimmter Sachverhalt" in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.

27

aaa) Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).

28

Die "Berücksichtigung" eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).  

29

bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen "Umsatzerlöse Seminare" und "Einnahmen, Versicherungen" zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.

30

bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.

31

aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).

32

bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers --den Niederlanden-- steuerbar. Oder aber sie hätte --wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre --zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den "sonstigen Einkünften", für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) --DBA-Niederlande-- das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.

33

Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen "Widerstreit" im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der "Widerstreit" zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

34

cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus --wie oben ausgeführt-- gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.

35

3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes --aus seiner rechtlichen Sicht konsequent-- dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Steuerbescheide zugunsten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) geändert werden müssen.

2

Der Kläger wohnte in den Streitjahren (2005 und 2006) in den Niederlanden. In der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit, mit denen er der beschränkten Steuerpflicht unterlag. Außerdem bezog er seit 2004 eine Berufsunfähigkeitsrente, die in den Niederlanden zu versteuern war.

3

Im Rahmen seiner Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 hatte der Kläger unter anderem beantragt, die Einnahmen aus der Rente in die Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer einzubeziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) hatte dies mit der Begründung abgelehnt, die Rente müsse nach dem insoweit maßgeblichen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) in den Niederlanden versteuert werden. Daraufhin hatte der Kläger einen insoweit eingelegten Einspruch zurückgenommen.

4

In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre berücksichtigte das FA Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit in der vom Kläger erklärten Höhe von 38.456 € (2005) und 49.103 € (2006). Die Steuererklärungen und die dazugehörenden Gewinnermittlungen hatte eine Steuerberaterin (S) erstellt. Die Steuerbescheide ergingen am 26. Juli 2007 (2005) und am 16. Juni 2008 (2006) und wurden nicht innerhalb der Rechtsbehelfsfristen angefochten.

5

Im Jahr 2009 beantragte der Kläger, die Bescheide nach § 174 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. In ihnen seien Beträge von 14.995,60 € (2005) und 15.040,80 € (2006) berücksichtigt, bei denen es sich um die in den Niederlanden zu versteuernden Rentenbezüge handele. Diese Beträge waren in den Gewinnermittlungen des Klägers in den Konten "Umsatzerlöse Seminare" (2005) und "Einnahmen, Versicherungen" (2006) enthalten gewesen. Das FA lehnte die beantragte Änderung ab. Ein Einspruch des Klägers, der sein Begehren nunmehr auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stützte, hatte ebenso wie die anschließend erhobene Klage keinen Erfolg. Das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 7. Juli 2010  7 K 369/10 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 2045 abgedruckt.

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006 zu ändern und dabei die Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit um 14.977 € (2005) und 15.037 € (2006) verminderten Beträgen zu berücksichtigen.

7

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt im Streitfall eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO in Betracht. Um beurteilen zu können, ob dessen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, bedarf es jedoch noch weiterer tatsächlicher Feststellungen.

9

1. Frei von Rechtsfehlern hat das FG entschieden, dass die vom Kläger begehrte Änderung der Steuerbescheide nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt werden kann.

10

a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist ein grobes Verschulden in diesem Zusammenhang unerheblich (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO); ein solcher Sachverhalt liegt aber im Streitfall nicht vor.

11

b) Im Streitfall ist dem FA, auf dessen Kenntnis es bei der Anwendung des § 173 AO ankommt, eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nachträglich bekannt geworden. Denn das FA hat erst nach Durchführung der Veranlagungen und sogar erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerbescheide erfahren, dass der Kläger in seinen Steuererklärungen Einnahmen aus der in den Niederlanden bezogenen Berufsunfähigkeitsrente angegeben und den steuerpflichtigen Einkünften zugeordnet hatte. Diese Tatsache führt deshalb zu einer niedrigeren Steuer, weil die daraufhin in den Bescheiden erfassten Einkünfte in Deutschland nicht hätten besteuert werden dürfen. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

12

c) Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheidet jedoch deshalb aus, weil die unrichtige Angabe der Einkünfte dem Kläger als grobes Verschulden anzulasten ist.

13

aa) Ein grobes Verschulden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, wenn jemand die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2010 III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237, m.w.N.). Ob ein solcher Sachverhalt im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2010 IX B 199/09, BFH/NV 2010, 1079) und in erster Linie vom FG zu beurteilen. Dessen Würdigung kann im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer rechtsfehlerhaften Auslegung des Begriffs "grobes Verschulden" oder auf einem Verfahrensfehler beruht oder ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 VIII B 18/02, BFH/NV 2005, 1212; BFH-Urteil vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531). Fehlt es daran, so ist die Beurteilung durch das FG auch dann revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn eine abweichende Einschätzung ebenfalls vertretbar wäre.

14

bb) Im Streitfall weist die vom FG vorgenommene Würdigung keinen derartigen Rechtsfehler auf. Das FG hat insbesondere beachtet, dass sich ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO das Verschulden eines von ihm hinzugezogenen steuerlichen Beraters wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (BFH-Urteil vom 17. November 2005 III R 44/04, BFHE 211, 401, BStBl II 2006, 412, m.w.N.) und dass von einem steuerlichen Berater die Kenntnis und sachgemäße Anwendung steuerrechtlicher Bestimmungen erwartet werden kann (BFH-Urteil vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324). Wenn die Vorinstanz auf dieser Basis zu der Einschätzung gelangt ist, dass zumindest S ein grobes Verschulden traf, so liegt darin kein vom Revisionsgericht zu beanstandender Fehler. Diese Würdigung wird nicht nur durch den Umstand gestützt, dass ein steuerlicher Berater die Angaben seines Mandanten nicht ungeprüft übernehmen darf, sondern eigenverantwortlich aus dem steuerrechtlichen Blickwinkel überprüfen und bei Unklarheiten ggf. Nachfrage halten muss. Vielmehr bestand gerade im Streitfall eine besondere Sorgfaltspflicht deshalb, weil S wusste, dass der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung für 2004 die Rentenzahlungen fälschlich den im Inland zu versteuernden Einkünften zugeordnet hatte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass S die ihr vom Kläger vorgelegten Unterlagen unter diesem Gesichtspunkt hätte überprüfen müssen und dass ihr bei einer solchen Überprüfung der Fehler aufgefallen wäre, nicht zu beanstanden. Die von der Revisionserwiderung aufgeworfene Frage, ob insoweit auch den Kläger selbst ein grobes Verschulden trifft, muss deshalb im Streitfall nicht erörtert werden.

15

2. Jedoch bietet § 174 Abs. 1 Satz 1 AO eine Grundlage für eine Änderung der Steuerbescheide zugunsten des Klägers. Diese Vorschrift setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen; in diesem Fall ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern (§ 174 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Voraussetzungen dieser Korrekturvorschrift würden hier vorliegen, wenn die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossene Berufsunfähigkeitsrente nicht nur in den vom FA erlassenen Steuerbescheiden erfasst, sondern auch im Rahmen der in den Niederlanden vorgenommenen Besteuerung zuungunsten des Klägers berücksichtigt worden wäre.

16

a) Die Frage, ob der in § 174 AO verwendete Begriff "Steuerbescheid" nur nach inländischem Recht erlassene Verwaltungsakte (so z.B. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 174 AO Rz 26, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 174 Rz 56, Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 174 Rz 12; Haug-Adrion, Der Betrieb --DB-- 1985, 1969) oder auch damit vergleichbare Maßnahmen ausländischer Behörden umfasst (so Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 174 AO Rz 8; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 174 Rz 15; Birkenfeld, Betriebs-Berater 1993, 1185, 1187; App, DB 1985, 939, 941), ist im Schrifttum streitig. Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung jedenfalls insoweit, als --wie im Streitfall-- Maßnahmen von Steuerbehörden von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) in Rede stehen.

17

aa) Für eine Begrenzung auf inländische Verwaltungsakte kann allerdings ins Feld geführt werden, dass der Begriff "Steuerbescheid" nach der allgemeinen Terminologie der Abgabenordnung (in § 155 Abs. 1 Satz 2 AO) einen Verwaltungsakt bezeichnet, durch den eine von einer Bundesfinanzbehörde oder einer Landesfinanzbehörde (vgl. § 6 Abs. 2 AO) verwaltete Steuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO) festgesetzt wird (§ 155 Abs. 1 Satz 1 AO). Dem Zweck des § 174 AO, der darin besteht, Vorteile und Nachteile auszugleichen, die sich durch einander inhaltlich widersprechende Steuerbescheide ergeben (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 3), kann indes eine zwingende Begrenzung dahin, dass ein (unrichtiger) inländischer Bescheid nur geändert werden darf, wenn der inhaltliche Widerspruch zu einem anderem inländischen Bescheid besteht, nicht entnommen werden. Die in § 174 AO angelegte Durchbrechung der Bestandskraft des Steuerbescheids zugunsten der materiellen Richtigkeit der Besteuerung ist der Sache nach vielmehr nicht minder gerechtfertigt, wenn der in Rede stehende Widerspruch zwischen dem (unrichtigen) inländischen Steuerbescheid und einem von einer ausländischen Behörde erlassenen Steuerbescheid besteht.

18

bb) Die von Wortlaut (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO: "soweit nichts anderes vorgeschrieben ist") und Zweck der Norm her mögliche Einbeziehung ausländischer Verwaltungsakte in den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 1 AO ist unter dem Aspekt der unionsrechtskonformen Auslegung der nationalen Rechtsnormen jedenfalls insoweit geboten, als es um die Berücksichtigung von Steuerbescheiden geht, die von Steuerbehörden aus EU-Mitgliedstaaten erlassen worden sind.

19

aaa) Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaftsorgane (Art. 4 Abs. 3 des Vertrages über die Europäische Union --EUV-- i.d.F. des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2007, Nr. C 306, S. 1] bzw. --bezogen auf die Streitjahre-- Art. 10 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft --EG-- i.d.F. des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte [Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C 325, 1]; vgl. dazu von Bogdandy/Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 4 EUV Rz 47 ff.) folgt der auch die nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts (Zuleeg, Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1994, 154, 165 ff.; von Bogdandy/ Schill in Grabitz/Hilf/Nettesheim, a.a.O., Art. 4 EUV Rz 94, m.w.N.). Danach haben die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung der Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften [seit 2009 Gerichtshof der Europäischen Union] --EuGH-- vom 4. Juli 2006 C-212/04 "Adeneler", Slg. 2006, I-6057; vom 19. Januar 2010 C-555/07 "Kücükdeveci", Slg. 2010, I-365, DB 2010, 228). Der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung findet seinen primären Anwendungsbereich zwar in den durch EU-Richtlinien harmonisierten Rechtsbereichen. Dazu gehören nach ständiger Spruchpraxis des EuGH mangels einer einschlägigen Unionsregelung nicht die Verfahrensmodalitäten, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen; vielmehr sind diese nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats. Nach ebenfalls ständiger Spruchpraxis des EuGH dürfen diese Verfahrensmodalitäten aber nicht ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte innerstaatlicher Art regeln --Äquivalenzgrundsatz--, und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren --Effektivitätsgrundsatz-- (vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 7. Januar 2004 C-201/02 "Wells", Slg. 2004, I-723, Rz 67; vom 19. September 2006 C-392/04 und C-422/04 "i-21 Germany und Arcor", Slg. 2006, I-8559, Rz 57; vom 30. Juni 2011 C-262/09 "Meilicke u.a.", Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 1262). Der besagte Grundsatz unionsrechtskonformer Auslegung gilt insbesondere mit Blick auf die unionsrechtlichen Grundfreiheiten deshalb auch darüber hinaus (vgl. Schön in Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V., Bd. 19 (1996), S. 167, 180; Gosch, DStR 2007, 1553, 1555; Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.54, 3.57; Kahl in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 4 EUV Rz 92 f.; Drüen in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 240).

20

bbb) Im Lichte der unionsrechtlichen Grundfreiheiten erscheint dem Senat eine Auslegung des § 174 Abs. 1 AO dahingehend, dass ein fehlerhafter inländischer Steuerbescheid auch dann geändert werden kann, wenn der widerstreitende Steuerbescheid von der Behörde eines Mitgliedstaats der EU erlassen wurde, vorzugswürdig. Selbst wenn --wie im Streitfall-- keine der speziellen Grundfreiheiten (z.B. Niederlassungsfreiheit, Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit oder Kapitalverkehrsfreiheit) einschlägig ist, ist zumindest der Anwendungsbereich des Art. 18 EG (jetzt: Art. 21 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABlEU 2008, Nr. C 115, S. 47) berührt, der jedem Unionsbürger das Recht gewährt, sich --vorbehaltlich bestimmter Beschränkungen und Bedingungen-- im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Diese Vorschrift vermittelt eine allgemeine Grundfreiheit, die auch bei der Wahrnehmung von Besteuerungsbefugnissen zu beachten ist (EuGH-Urteil vom 11. September 2007 C-76/05 "Schwarz und Gootjes-Schwarz", Slg. 2007, I-6849, BFH/NV 2008, Beilage 1, 5).

21

Eine Beschränkung des § 174 Abs. 1 AO auf ausschließlich inländische Steuerbescheide würde zwar nicht zu einer Diskriminierung ausländischer oder im Ausland wohnhafter Steuerpflichtiger im Vergleich zu deutschen oder im Inland wohnhaften Steuerpflichtigen führen. Denn der daraus resultierende Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO würde in gleicher Weise auch deutsche Staatsangehörige oder im Inland wohnhafte Steuerpflichtige treffen, zu deren Ungunsten ein widerstreitender Steuerbescheid einer ausländischen Finanzbehörde ergangen ist.

22

Jedoch folgt aus den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten über die Diskriminierungsverbote hinaus ein Beschränkungsverbot, von dem auch Inländer profitieren, wenn sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind (vgl. zur Arbeitnehmerfreizügigkeit EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00 "de Groot", Slg. 2002, I-11819, BFH/NV 2003, Beilage 2, 75; zur Niederlassungsfreiheit EuGH-Urteil vom 13. April 2000 C-251/98 "Baars", Slg. 2000, I-2787; zur Kapitalverkehrsfreiheit EuGH-Urteile vom 6. Juni 2000 C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071, und vom 21. November 2002 C-436/00 "X und Y", Slg. 2002, I-10829, BFH/NV 2003, Beilage 2, 92; Schön, Steuerberater-Jahrbuch 2003/2004, 27, 31; Schaumburg, a.a.O., Rz 4.16).

23

Ein Ausschluss der Korrekturmöglichkeit nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit eines inländischen Steuerbescheids mit einem solchen aus einem EU-Mitgliedstaat würde eine Beschränkung der jeweils einschlägigen Grundfreiheit darstellen. Denn die Steuerpflichtigen --unabhängig von ihrer Nationalität und Ansässigkeit--, die international aktiv und dadurch in mehr als einem Mitgliedstaat steuerpflichtig sind, würden gegenüber solchen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Aktivitäten sich auf das Inland beschränken und die deshalb mit ihren Steuerangelegenheiten nur einem Fiskus unterworfen sind.

24

Ein triftiger Grund dafür, widerstreitende Steuerbescheide ausländischer Behörden nicht zum Anlass für Korrekturen nach § 174 Abs. 1 AO zu nehmen, ist nicht ersichtlich. Der Gesichtspunkt der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 25. Februar 2010 C-337/08 "X-Holding", Slg. 2010, I-1215, BFH/NV 2010, 1064) ist nicht berührt; denn über § 174 Abs. 1 AO kann ein Bescheid nur insoweit geändert werden, als er fehlerhaft ist (BFH-Beschluss vom 17. Februar 2005 II B 115/03, BFH/NV 2005, 1004), eine Besteuerungsbefugnis des deutschen Fiskus also materiell-rechtlich nicht besteht. Es bleibt der Umstand, dass sich die deutschen Finanzbehörden bei Berücksichtigung auch ausländischer Rechtsakte ggf. mit ausländischem Steuerrecht befassen müssen, wenn es z.B. zum Zwecke der Berechnung der Antragsfrist gemäß § 174 Abs. 1 Satz 2 AO um den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des letzten der widerstreitenden Bescheide geht. Diese Erschwernis erscheint aber hinnehmbar und nicht derart gravierend, dass sie einer Auslegung der Vorschrift im vom Senat vertretenen Sinne ernstlich entgegensteht.

25

b) Die weiteren Voraussetzungen einer Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wären im Streitfall erfüllt.

26

aa) Wäre die Berufsunfähigkeitsrente auch vom niederländischen Fiskus besteuert worden, wäre "ein bestimmter Sachverhalt" in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt worden.

27

aaa) Der Begriff des "bestimmten Sachverhalts" in § 174 AO knüpft an einen einheitlichen Lebensvorgang an, an den das Gesetz steuerliche Folgen knüpft (z.B. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997, 647). Eine widerstreitende Steuerfestsetzung liegt nur vor, wenn derselbe Lebensvorgang in verschiedenen Steuerbescheiden unterschiedlich berücksichtigt worden ist (vgl. von Wedelstädt in Beermann/Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 18 f.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 Rz 18).

28

Die "Berücksichtigung" eines bestimmten Sachverhalts i.S. von § 174 Abs. 1 AO setzt voraus, dass er dem FA bei der Entscheidungsfindung bekannt war und als Entscheidungsgrundlage herangezogen und verwertet worden ist. Dabei ist es nicht erforderlich, dass das FA den erfassten Sachverhalt in allen Einzelheiten kennt; vielmehr kann der Vorgang z.B. in ein komprimiertes Zahlenwerk eingegangen sein, das dem FA bei der Entscheidungsfindung vorlag. Legt das FA der Veranlagung oder der Gewinnfeststellung einen vom Steuerpflichtigen erklärten Gewinn zugrunde, so sind damit alle Geschäftsvorfälle berücksichtigt, die der Steuerpflichtige bei seiner Gewinnermittlung erfasst hat (BFH-Urteil vom 6. März 1990 VIII R 28/84, BFHE 160, 140, BStBl II 1990, 558; von Wedelstädt in Beermann/ Gosch, a.a.O., § 174 AO Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 10).  

29

bbb) Der Lebensvorgang, um den es im Streitfall geht, sind die quartalsweisen Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente durch die niederländische Rentenkasse an den Kläger. Zwar war dem FA bei Steuerfestsetzung nicht bekannt und bewusst, dass es sich bei den den Gewinnermittlungspositionen "Umsatzerlöse Seminare" und "Einnahmen, Versicherungen" zugrunde liegenden Vorgängen um jene Rentenzahlungen handelte. Geht man aber davon aus, dass die auf den Gewinnermittlungen des Klägers basierenden Steuerfestsetzungen alle Geschäftsvorfälle berücksichtigen, die der Kläger bei seinen Gewinnermittlungen erfasst hat, dann muss das auch für die Rentenzahlungen gelten, selbst wenn sie in den Gewinnermittlungen des Klägers sowohl unter falscher Beschreibung als auch unter falscher rechtlicher Einordnung erfasst worden sind.

30

bb) Wäre die in den Streitjahren vom Kläger bezogene Berufsunfähigkeitsrente auch in den Niederlanden besteuert worden, lägen widerstreitende Steuerbescheide vor.

31

aaa) Die Anwendung des § 174 Abs. 1 AO erfordert nach einhelliger Auffassung das Vorliegen von (positiv) widerstreitenden Steuerfestsetzungen zu Lasten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger. Ein "Widerstreiten" in diesem Sinne setzt voraus, dass die in den (kollidierenden) Bescheiden getroffenen Regelungen (Steuerfestsetzungen oder Feststellungen) aufgrund der materiellen Rechtslage nicht miteinander vereinbar und daher widersprüchlich sind, weil nur eine der festgesetzten oder angeordneten Rechtsfolgen zutreffen kann. Die in der mehrfachen Erfassung eines bestimmten Sachverhalts liegenden Unrichtigkeiten müssen einander nach materiellem Recht zwingend (denknotwendig) ausschließen (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991 IV R 52/90, BFHE 165, 449, BStBl II 1992, 126; vom 26. Januar 1994 X R 57/89, BFHE 174, 1, BStBl II 1994, 597; vom 7. Juli 2004 X R 26/01, BFHE 207, 35, BStBl II 2005, 145).

32

bbb) Nach der materiellen Rechtslage war in den Streitjahren eine Berücksichtigung der dem Kläger zugeflossenen Berufsunfähigkeitsrente sowohl in der Bemessungsgrundlage der deutschen als auch in der Bemessungsgrundlage der niederländischen Einkommensteuer zwingend ausgeschlossen. Denn entweder war die Rente ohnehin nur nach dem Welteinkommensprinzip im Wohnsitzstaat des Klägers --den Niederlanden-- steuerbar. Oder aber sie hätte --wenn ein Tatbestand des § 49 des Einkommensteuergesetzes 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassungen (EStG 2002) erfüllt wäre --zusätzlich in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht unterlegen. Auch in diesem Falle wäre indes der Besteuerungszugriff durch den deutschen Fiskus ausgeschlossen. Denn die Berufsunfähigkeitsrente zählt zu den "sonstigen Einkünften", für die Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1781, BStBl I 1960, 381) --DBA-Niederlande-- das Besteuerungsrecht dem Wohnsitzstaat zuweist. Somit ist auf der Grundlage des materiellen Rechts ein Besteuerungszugriff sowohl der Niederlande als auch Deutschlands auf die Berufsunfähigkeitsrente zwingend ausgeschlossen.

33

Das FG hält demgegenüber (unter Bezugnahme auf Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 174 Rz 56) einen "Widerstreit" im Verhältnis der beiderseitigen Steuerfestsetzungen nicht für gegeben, weil das Kollisionsverhältnis zwischen dem Steuerzugriff des Wohnsitzstaats und dem Staat, der im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuert, durch die Regelungen in den Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder durch Anrechnung gemäß § 34c EStG 2002 aufgelöst werde (insoweit zustimmend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 174 AO Rz 8). Dem vermag der Senat jedenfalls in Bezug auf Staaten, mit denen DBA geschlossen worden sind, nicht beizupflichten (ebenso Klein/Rüsken, a.a.O., § 174 AO Rz 15). Denn die DBA-Vorschriften, die einen parallelen Zugriff beider Vertragsstaaten auf das gleiche Steuersubstrat verhindern, sind Bestandteil der materiellen Rechtslage, aufgrund derer der "Widerstreit" zu beurteilen ist. Die abkommensrechtliche Verteilung der Besteuerungskompetenzen darf deshalb bei der Prüfung des Widerstreits nicht außer Acht gelassen werden.

34

cc) Die streitbefangenen Festsetzungsbescheide des FA sind im Hinblick auf die (unbeabsichtigte) Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente fehlerhaft. Der Kläger hat in den Streitjahren nicht im Inland gewohnt und war deshalb hier nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht ist nicht einschlägig. Nach § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG 2002 unterfallen Einkünfte i.S. von § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG 2002 in der in den Streitjahren geltenden Fassung (bestimmte wiederkehrende Bezüge) nur dann der beschränkten Steuerpflicht, wenn sie von inländischen Unternehmen oder Einrichtungen gewährt werden. Im Streitfall stammen die Rentenzahlungen jedoch von einem niederländischen Versicherungsunternehmen. Aber selbst wenn ein Tatbestand der beschränkten Steuerpflicht erfüllt wäre, wäre die Besteuerung durch den deutschen Fiskus --wie oben ausgeführt-- gemäß Art. 16 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 DBA-Niederlande ausgeschlossen.

35

3. Das FG ist teilweise von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist noch nicht entscheidungsreif. Denn den tatrichterlichen Feststellungen lässt sich zwar entnehmen, dass die vom Kläger empfangenen Rentenzahlungen in den Niederlanden steuerpflichtig waren. Keine Feststellungen hat das FG indes --aus seiner rechtlichen Sicht konsequent-- dazu getroffen, ob die Zahlungen in den Niederlanden tatsächlich besteuert worden sind. Da dies aber Voraussetzung für eine Änderung der streitbefangenen Steuerbescheide nach § 174 Abs. 1 AO ist, wird das FG die erforderlichen Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen haben. Auf die erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen im Rahmen der Ermittlung von Auslandssachverhalten (§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO) wird hingewiesen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Behörde ist jede öffentliche Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1a) Öffentliche Stellen des Bundes sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1b) Öffentliche Stellen der Länder sind die Behörden, die Organe der Rechtspflege und andere öffentlich-rechtlich organisierte Einrichtungen eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes oder sonstiger der Aufsicht des Landes unterstehender juristischer Personen des öffentlichen Rechts sowie deren Vereinigungen ungeachtet ihrer Rechtsform.

(1c) Vereinigungen des privaten Rechts von öffentlichen Stellen des Bundes und der Länder, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, gelten ungeachtet der Beteiligung nicht-öffentlicher Stellen als öffentliche Stellen des Bundes, wenn

1.
sie über den Bereich eines Landes hinaus tätig werden oder
2.
dem Bund die absolute Mehrheit der Anteile gehört oder die absolute Mehrheit der Stimmen zusteht.
Anderenfalls gelten sie als öffentliche Stellen der Länder.

(1d) Nicht-öffentliche Stellen sind natürliche und juristische Personen, Gesellschaften und andere Personenvereinigungen des privaten Rechts, soweit sie nicht unter die Absätze 1a bis 1c fallen. Nimmt eine nicht-öffentliche Stelle hoheitliche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, ist sie insoweit öffentliche Stelle im Sinne dieses Gesetzes.

(1e) Öffentliche Stellen des Bundes oder der Länder gelten als nicht-öffentliche Stellen im Sinne dieses Gesetzes, soweit sie als öffentlich-rechtliche Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen.

(2) Finanzbehörden im Sinne dieses Gesetzes sind die folgenden im Gesetz über die Finanzverwaltung genannten Bundes- und Landesfinanzbehörden:

1.
das Bundesministerium der Finanzen und die für die Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden als oberste Behörden,
2.
das Bundeszentralamt für Steuern, das Informationstechnikzentrum Bund und die Generalzolldirektion als Bundesoberbehörden,
3.
Rechenzentren sowie Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Finanzverwaltungsgesetzes die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist, als Landesoberbehörden,
4.
die Oberfinanzdirektionen als Mittelbehörden,
4a.
die nach dem Finanzverwaltungsgesetz oder nach Landesrecht an Stelle einer Oberfinanzdirektion eingerichteten Landesfinanzbehörden,
5.
die Hauptzollämter einschließlich ihrer Dienststellen, die Zollfahndungsämter, die Finanzämter und die besonderen Landesfinanzbehörden als örtliche Behörden,
6.
Familienkassen,
7.
die zentrale Stelle im Sinne des § 81 des Einkommensteuergesetzes und
8.
die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 40a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes).

(1) Dieses Gesetz gilt für alle Steuern einschließlich der Steuervergütungen, die durch Bundesrecht oder Recht der Europäischen Union geregelt sind, soweit sie durch Bundesfinanzbehörden oder durch Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Es ist nur vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union anwendbar.

(2) Für die Realsteuern gelten, soweit ihre Verwaltung den Gemeinden übertragen worden ist, die folgenden Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend:

1.
die Vorschriften des Ersten, Zweiten, Vierten, Sechsten und Siebten Abschnitts des Ersten Teils (Anwendungsbereich; Steuerliche Begriffsbestimmungen; Datenverarbeitung und Steuergeheimnis; Betroffenenrechte; Datenschutzaufsicht, Gerichtlicher Rechtsschutz in datenschutzrechtlichen Angelegenheiten),
2.
die Vorschriften des Zweiten Teils(Steuerschuldrecht),
3.
die Vorschriften des Dritten Teils mit Ausnahme der §§ 82 bis 84(Allgemeine Verfahrensvorschriften),
4.
die Vorschriften des Vierten Teils(Durchführung der Besteuerung),
5.
die Vorschriften des Fünften Teils(Erhebungsverfahren),
6.
§ 249 Absatz 2 Satz 2,
7.
die §§ 351 und 361 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3,
8.
die Vorschriften des Achten Teils(Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren).

(3) Auf steuerliche Nebenleistungen sind die Vorschriften dieses Gesetzes vorbehaltlich des Rechts der Europäischen Union sinngemäß anwendbar. Der Dritte bis Sechste Abschnitt des Vierten Teils gilt jedoch nur, soweit dies besonders bestimmt wird.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Ist eine Steuer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung anzumelden (§ 150 Abs. 1 Satz 3), so ist eine Festsetzung der Steuer nach § 155 nur erforderlich, wenn die Festsetzung zu einer abweichenden Steuer führt oder der Steuer- oder Haftungsschuldner die Steueranmeldung nicht abgibt. Satz 1 gilt sinngemäß, wenn die Steuer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu entrichten ist. Erkennt der Steuer- oder Haftungsschuldner nach Abschluss einer Außenprüfung im Sinne des § 193 Abs. 2 Nr. 1 seine Zahlungsverpflichtung schriftlich an, steht das Anerkenntnis einer Steueranmeldung gleich.

(2) Steueranmeldungen gelten auch dann als rechtzeitig abgegeben, wenn sie fristgerecht bei der zuständigen Kasse eingehen. Dies gilt nicht für Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern.

(1) Die Steuern werden, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Steuerbescheid ist der nach § 122 Abs. 1 bekannt gegebene Verwaltungsakt. Dies gilt auch für die volle oder teilweise Freistellung von einer Steuer und für die Ablehnung eines Antrags auf Steuerfestsetzung.

(2) Ein Steuerbescheid kann erteilt werden, auch wenn ein Grundlagenbescheid noch nicht erlassen wurde.

(3) Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, so können gegen sie zusammengefasste Steuerbescheide ergehen. Mit zusammengefassten Steuerbescheiden können Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche, auf die dieses Gesetz anzuwenden ist, gegen einen oder mehrere der Steuerpflichtigen verbunden werden. Das gilt auch dann, wenn festgesetzte Steuern, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Ansprüche nach dem zwischen den Steuerpflichtigen bestehenden Rechtsverhältnis nicht von allen Beteiligten zu tragen sind.

(4) Die Finanzbehörden können Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen auf der Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen und der Angaben des Steuerpflichtigen ausschließlich automationsgestützt vornehmen, berichtigen, zurücknehmen, widerrufen, aufheben oder ändern, soweit kein Anlass dazu besteht, den Einzelfall durch Amtsträger zu bearbeiten. Das gilt auch

1.
für den Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, den Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten sowie,
2.
wenn die Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen mit Nebenbestimmungen nach § 120 versehen oder verbunden werden, soweit dies durch eine Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen oder der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet ist.
Ein Anlass zur Bearbeitung durch Amtsträger liegt insbesondere vor, soweit der Steuerpflichtige in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung Angaben im Sinne des § 150 Absatz 7 gemacht hat. Bei vollständig automationsgestütztem Erlass eines Verwaltungsakts gilt die Willensbildung über seinen Erlass und über seine Bekanntgabe im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als abgeschlossen.

(5) Die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften sind auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.