Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 01. März 2016 - 4 K 362/15
Gericht
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, in Abänderung zu den Bescheiden vom 03. Dezember 2014 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 18. März 2015 bei der Einkommensteuer 2010 Kosten in Höhe von 870,60 €, bei der Einkommensteuer 2011 Kosten in Höhe von 152,10 € und bei der Einkommensteuer 2012 Kosten in Höhe von 292,58 € für ein häusliches Arbeitszimmer steuermindernd zu berücksichtigen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten nach Betriebsprüfung um die Abziehbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer.
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Der Kläger ist als Logopäde in angemieteten Räumen in S. und H. tätig. Im Rahmen der Gewinnermittlungen für die Einkommensteuererklärungen machte der Kläger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer 2010 in der Wohnung und ab 2011 im privat genutzten Einfamilienhaus geltend.
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Die Betriebsprüferin vertrat die Ansicht, dass für Bürotätigkeiten ein anderer Arbeitsplatz als im häuslichen Arbeitszimmer zur Verfügung stehe und daher nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 Buchst. b Einkommensteuergesetz (EStG) die Kosten des Arbeitszimmers nicht als Betriebsausgabe anerkannt werden könnten. Sie erhöhte insoweit den Gewinn in 2010 um 870,60 €, in 2011 um 152,10 € und in 2012 um 292,58 €. Weitere Feststellungen sind unstreitig.
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Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide vom 3. Dezember 2014 richtete sich der Einspruch vom 5. Dezember 2014. Die Kläger führten aus, dass die Praxen nur über Behandlungsräume verfügen würden, die von Angestellten genutzt würden. Die Praxen seien alleine für die Behandlung von Patienten ausgestattet und nicht als Büro nutzbar. Der Kläger nehme hauptsächlich Außentermine im Krankenhaus oder direkt bei Patienten war. Daneben erstelle er die Personalplanung und -abrechnung, die AZH-Abrechnung (Abrechnungs- und IT-Dienstleistungszentrum für Heilberufe GmbH), lese die Patientendaten in eine Datenbank ein, verwalte das Geschäftskonto, erstelle Ausgangsrechnungen, Gutachten und Behandlungsberichte. Diese Tätigkeiten würden qualitativ seine Berufsausübung prägen und stellten den Mittelpunkt der Tätigkeit dar. Damit sei die Einrichtung eines typischen Arbeitszimmers unabdingbar.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 18. März 2015 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er vertrat die Ansicht, dass die für den Beruf des Logopäden wesentlichen und prägenden Tätigkeiten, Handlungen und Leistungen in den Praxisräumen bzw. bei Außenterminen im Krankenhaus oder im Rahmen der Patientenbesuche ausgeführt würden. Der qualitative Schwerpunkt der Tätigkeit und damit der Tätigkeitsmittelpunkt richte sich nach dem Schwerpunkt des konkret ausgeübten Berufes. Im Streitfall sei der Tätigkeitsmittelpunkt eines Logopäden damit nicht das häusliche Arbeitszimmer. Zudem habe sich die Prüferin im Rahmen der Besichtigung der Praxis davon überzeugen können, dass sich in der Praxis in einem großen Raum ein Schreibtisch mit PC, Drucker und diverse Schränke befunden hätten und dass bestimmte Prüfungsfragen unter Zuhilfenahme dort vorhandener Akten und technischer Ausstattungen hätten beantwortet werden können. Damit stehe dem Kläger ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Es sei dem Kläger auch zumutbar, dass er seine schriftlichen Arbeiten – gegebenenfalls außerhalb der Praxisöffnungszeiten – in dem entsprechenden Raum ausführe.
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Hiergegen richtet sich die Klage vom 14. April 2015. Unstreitig liege ein häusliches Arbeitszimmer vor, um dessen steuerliche Berücksichtigung der Streit gehe. Hier habe der Kläger in den Praxen keinen anderen Arbeitsplatz in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise, um seine Bürotätigkeiten auszuführen. In den Praxen würden sich ausschließlich durch die Angestellten genutzte Behandlungsräume befinden. Zwar seien diese auch mit Tischen, Computern und teilweise mit Aktenschränken ausgestattet, würden jedoch dem Kläger nicht zur konkreten Erledigung aller betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten zur Verfügung stehen. In den vorhandenen Tischen und Aktenschränken würden sich ausschließlich Patientenunterlagen für die laufende Behandlung befinden. Die Tische würden ausschließlich zu Behandlungs- und Therapiezwecken dienen und würden nur von den Angestellten genutzt. Es handele sich mithin nicht um einen eigenen Arbeitsplatz zur ausschließlichen Nutzung durch den Kläger. Während der laufenden Behandlungen sei die Verrichtung von Verwaltungstätigkeiten nicht möglich, da dort ungestörte Ruhe und Konzentration notwendig sei. Da die Verwaltungsarbeiten (z.B. taggenaue Patientenabrechnungen) auch während der Praxisöffnungszeiten verrichtet werden müssten, sei ein häusliches Arbeitszimmer erforderlich. Zudem würden andernfalls ggf. vertrauliche Daten dem Zugriff der Mitarbeiter ausgesetzt und sei es nicht zumutbar, die erforderlichen Büroarbeiten immer nach Dienstschluss durchzuführen. Die Annahme des Beklagten, dass die Arbeiten außerhalb der Praxiszeiten ausgeführt werden sollten, stelle einen Eingriff in die organisatorischen Abläufe dar und würde den Kläger in unzumutbarer Weise einschränken.
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Soweit der Beklagte darauf hinweise, dass im Rahmen der Prüfung Unterlagen in der Praxis eingesehen worden seien, liege dies daran, dass der Kläger Daten auf einem USB-Stick mitgebracht habe. Dieser Datenbestand sei betriebsintern und nicht für die Mitarbeiter bestimmt und werde daher auch nicht in der Praxis bereitgehalten. Dies gelte insbesondere für die Lohnbuchhaltung. Soweit Patientendaten betroffen seien, könne der Kläger auf diese Unterlagen mittels eines Datenträgers zu greifen, so dass er nicht auf die Praxisräume angewiesen sei.
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Zudem könne in der Praxis kein weiterer Arbeitsplatz eingerichtet oder ein zusätzlicher Arbeitsplatz abgetrennt werden. Es sei auch nicht zumutbar, zulasten von Behandlungsräumen – die zudem speziell eingerichtet worden seien (Schallisolierung) – bestehende Nutzungen zu verändern.
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Die Kläger beantragen,
die Einkommensteuerbescheide 2010, 2011 und 2012 zu ändern und die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer für 2010 i.H.v. 870,60 €, 2011 i.H.v. 152,10 € und 2012 i.H.v. 292,58 € anzuerkennen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 11
Der Beklagte hält an seiner bisher vertretenen Auffassung fest. Zudem weist er darauf hin, dass im Rahmen der Betriebsprüfung in der Praxis auch Unterlagen eingesehen worden seien, die nicht nur Patienten betroffen hätten. Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger in den Praxisräumen bei den dort vorhandenen Computerarbeitsplätzen die Gelegenheit habe, seine betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten auszuführen, wenn nötig auch nach Feierabend oder am Wochenende. Die Möglichkeit der Ausübung bzw. der Einrichtung eines Büroarbeitsplatzes in der Praxis reiche aus, wie zum Beispiel die Besprechung mit der Betriebsprüferin gezeigt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sei ein anderer Arbeitsplatz grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet sei. Weitere Anforderungen würden nicht gestellt werden, unbeachtlich seien die konkreten Arbeitsbedingungen und Umstände. Dass der Kläger aus persönlichen oder praktischen Gründen die vorhandenen Räume nicht nutze, sei irrelevant.
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Zudem geht der Beklagte davon aus, dass der Kläger zur Erstellung von Abrechnungen und Berichten auf Patientenakten angewiesen sei. Es sei nicht glaubhaft, dass er diese Akten dann immer mit in sein häusliches Arbeitszimmer nehme. Auch seien Absprachen hinsichtlich der Behandlung und des Arbeitseinsatzes mit den Angestellten erforderlich. Der Beklagte bezweifelt die Angaben des Klägers, dass diese Arbeiten alleine im häuslichen Arbeitszimmer verrichtet worden sein sollen. Es liege näher, dass diese Tätigkeiten in der Praxis erfolgt seien. Der Beklagte geht auch nicht davon aus, dass sämtliche Praxisräume dauerhaft während der Öffnungszeiten genutzt würden, da Logopäden ihrer Arbeit auch in Kindergärten oder Schulen nachgehen würden und die drei Behandlungsräume bei vier Angestellten nicht ständig besetzt seien.
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Dem Senat haben zwei Bände Betriebsprüfungsakten, eine Bilanzakte, eine Einkommensteuerakte sowie die Einspruchsakte vorgelegen.
Entscheidungsgründe
- 14
II. Der Senat entscheidet nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung. Diese haben im Rahmen des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 28. September 2015 übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Die zulässige Klage ist begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Streitjahre nicht steuermindernd berücksichtigt. Die Entscheidung des Beklagten verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
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Nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 Buchst. b S. 1 EStG dürfen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung den Gewinn nicht mindern. Nach
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 Buchst. b S. 2 EStG gilt dies nicht, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1250 € begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 Buchst. b S. 3 EStG.
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Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die geltend gemachten Aufwendungen ein häusliches Büro betreffen. Unstreitig hatte der Kläger sowohl in seiner privaten Wohnung wie ab 2011 in seinem privat genutzten Einfamilienhaus ein eingerichtetes häusliches Arbeitszimmer.
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Ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6 Buchst. b EStG ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist (so BFH-Urteil vom 08.08.2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78). Ausreichend wäre insoweit das Vorhandensein eines Schreibtisches mit Bürostuhl und PC sowie gegebenenfalls abschließbaren Aktenschränken.
- 19
Nach dem Urteil vom 07.04.2005 (IV R 43/03, BFH/NV 2005, 1541, m.w.N.) hat der BFH erkannt, dass anders als bei Arbeitnehmern der Schreibtischarbeitsplatz eines Selbstständigen bereits indiziert, dass ihm dieser Arbeitsplatz für alle Aufgabenbereiche seiner Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Selbstständige andernfalls durch entsprechende Gestaltung des außerhäuslichen Arbeitsplatzes das grundsätzliche Abzugsverbot für das häusliche Arbeitszimmer unterlaufen kann. Es liegt auf der Hand, dass Selbstständige einen Teil der mit der Praxis oder Kanzlei verbundenen schriftlichen Arbeiten, z. B. die Buchführung, insbesondere aber auch die berufliche Fortbildung, besser in einem häuslichen Arbeitszimmer erledigen können. Für bestimmte Berufsgruppen nichtselbständig Tätiger (z.B. Richter, Beamte und Angestellte), denen ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, ist der Gesetzgeber (BTDrucks 13/1686, 16) davon ausgegangen, dass der Abzug für Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer ganz entfällt. Für Selbstständige gilt nichts anderes (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. August 2002 XI B 9/02, BFH/NV 2003, 151).
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Zu der Frage, ob der (betriebliche) Arbeitsplatz jedoch auch zumutbar ist, hat der BFH darauf abgestellt, ob „ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann.“ (so auch BFH-Urteil vom 26.02.2014 VI R 40/12, BFHE 245, 14, BStBl II 2014, 568). Denn nur dann ist der Steuerpflichtige nicht auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen. Muss er hingegen dort einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichten, weil er seinen Arbeitsplatz nur eingeschränkt nutzen kann, kommt das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 Buchst. b S. 1 EStG nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen. Denn auch in einem solchen Fall ist das häusliche Arbeitszimmer notwendig und der Steuerpflichtige kann sich diesen Aufwendungen nicht entziehen. Allerdings ist eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit auf den anderen Arbeitsplatz nicht zwingende Voraussetzung des beschränkten Werbungskostenabzugs. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 Buchst. b S. 2 EStG, der nicht auf eine jederzeitige Verfügbarkeit des anderen Arbeitsplatzes abstellt, sondern auf eine Verfügbarkeit „für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit“.
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Ob das der Fall ist, ist eine Frage der Tatsachenfeststellung, die von den Finanzgerichten anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalles beantwortet werden muss (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26.02.14 VI R 11/12, BFHE 245, 150, BStBl II 2014, 674; VI R 37/13, BFHE 245, 22, BStBl II 2014, 570). Anhaltspunkte sind sowohl die Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage, Ausstattung) als auch die Rahmenbedingungen seiner Nutzung (Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes bzw. Zugang zu dem betreffenden Gebäude etc.). Ein häusliches Arbeitszimmer ist danach dann nicht erforderlich, wenn der Selbständige seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit in angemieteten oder in seinem Eigentum stehenden Räumen nachgeht und „es ihm dort zumutbar und auf Grund der räumlichen Situation grundsätzlich auch möglich ist, einen zur Erledigung aller betrieblichen und beruflichen Schreibtischtätigkeiten geeigneten, büromäßigen Arbeitsplatz einzurichten“.
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Nach Überzeugung des Senats steht dem Kläger für die Ausübung seiner erforderlichen Büro- und Verwaltungstätigkeiten kein anderer Arbeitsplatz im konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise zur Verfügung, so dass die Kosten des häuslichen Arbeitszimmers bis zu dem gesetzlichen Höchstbetrag von 1250 € in Abzug gebracht werden können.
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Zunächst kann vom Kläger nicht erwartet werden, dass er seine Bürotätigkeiten in den Praxisräumen in H. erledigt. Zum einen wohnt der Kläger in S. und müsste insoweit regelmäßige nicht unerhebliche Fahrleistungen (einfache Entfernung: ca. 47 km, Fahrtdauer ca. ¾ Stunde) auf sich nehmen, zum anderen ist er nach eigenen Angaben in der Praxis in H. nicht tätig, hält sich demnach nicht regelmäßig vor Ort auf, und wird die dortige Praxis mit einem Therapieraum sowie einem Hörraum von einer Angestellten genutzt, die dort auch die fachliche Leitung hat.
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Soweit der Beklagte die Ansicht vertritt, dass der Kläger seine Praxisräume in S. nutzen könne, folgt der Senat dem nicht. Der Kläger hat dargestellt, dass in der Praxis in S. drei Therapieräume vorhanden sind, die aufgrund der Schallisolierung und der Einrichtung mit PC mit logopädischer Spezialsoftware sowie teilweise mit Aktenschränken, in denen sich ausschließlich Therapiematerialien befinden, gesondert ausgestattet sind und einem besonderen Praxiskonzept unterliegen. Es handelt sich damit um Betriebsräume, die nur eingeschränkt für andere Tätigkeiten nutzbar sind. Darüber hinaus beschäftigt der Kläger in seiner Praxis in S. drei angestellte Arbeitskräfte, so dass die Räume weitestgehend dauerhaft genutzt werden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Patienten teilweise während der Therapiestunde die Räume wechseln, um spezielle Trainings durchzuführen. Dies findet sich auch in der unterschiedlichen Ausstattung der Therapieräume wieder. Die Therapieräume I und II sind auch für Bewegung ausgestattet und mit Spiegeln versehen. Demgegenüber ist der Therapieraum III nur für sitzende Therapien geeignet und um hier Hörtraining durchzuführen. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die durchzuführenden Therapien aufgrund der Berufstätigkeit bzw. der Schulpflicht der Patienten in der Regel nur nachmittags stattfinden können. Insoweit gibt der Kläger an, dass er vormittags im Krankenhaus tätig sei und demzufolge die zu diesem Zeitpunkt wohl ungenutzten Praxisräume aufgrund eigener anderweitiger Beschäftigung nicht nutzen könne.
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Dem Kläger ist zuzugestehen, dass die Vornahme von Bürotätigkeiten, insbesondere Abrechnungen für Patienten sowie Lohnabrechnungen der angestellten Mitarbeiter, vertraulich zu behandeln sind und demzufolge entsprechender Schriftverkehr und notwendige Akten nicht oder nur sehr begrenzt offen in der Praxis aufbewahrt werden können. Insoweit finden die vorhandenen Räume auch eine Einschränkung dadurch, dass die Patienten während der Therapiestunden teilweise unterschiedliche Räume nutzen. Dem Kläger ist es daher nicht unbeschränkt möglich, über einen längeren Zeitraum einen Raum für seine Verwaltungs- und Bürotätigkeiten zu nutzen. Der Kläger stellte auch dar, dass er keine Empfangskraft nutze und die Patienten zu ihren vorgesehenen Therapiezeiten selbstständig in der Diele Platz nehmen und dort aufgerufen werden. Dieses offene Konzept erschwert die zu wahrende Vertraulichkeit in einem weiteren Maße.
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Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass im Rahmen der Betriebsprüfung Unterlagen in der Praxis ausgewertet worden seien und auch dort Zugriff auf den PC habe erfolgen können, führt das nach Überzeugung des Senats zu keiner anderen Beurteilung. Der Kläger hat insoweit überzeugend dargestellt, dass er alle für Bürotätigkeiten erforderlichen Unterlagen zu Hause aufbewahre und die für die Betriebsprüfung erforderlichen Daten auf einem USB-Stick mit sich geführt habe und auf diese Art und Weise der Prüferin Auskunft geben konnte. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass die Praxisräume wiederholt oder dauerhaft im konkret erforderlichen Umfange für die erforderlichen Bürotätigkeiten des Klägers genutzt werden können. Voraussetzung wäre insoweit auch die weitere Ausstattung der Praxisräume mit abschließbaren oder besonders gesicherten Aktenschränken zur Aufbewahrung der vertraulichen Unterlagen. Bei der Größe der vorhandenen Räume und des vorgesehenen Praxiskonzeptes sowie der Nutzung der Therapieräume dürfte der Wegfall des dafür erforderlichen Platzes nicht zumutbar sein. Ebenso wenig kann dem Kläger bereits unter therapeutischen Gesichtspunkten zugemutet werden, in den Praxisräumen einen weiteren Arbeitsplatz einzurichten oder aber einen Raum zur ausschließliche Nutzung für Büro- und Verwaltungstätigkeiten zu verwenden und damit die Behandlungsmöglichkeiten einzuschränken.
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Zwar dürfte es grundsätzlich möglich sein, auch in den Praxisräumen Bürotätigkeiten auszuüben, doch fehlt es im Streitfall an einem anderen Arbeitsplatz in dem Maße, dass dieser im konkret erforderlichen Umfang und für die konkret erforderliche Art und Weise tatsächlich zur Verfügung steht. Hierbei berücksichtigt der Senat auch, dass die Lohnabrechnungen für vier Angestellte und Bruttoeinnahmen aus der Praxistätigkeit zwischen 195.000 und 263.000 € jährlich einen entsprechenden Verwaltungsaufwand und damit verbundenen Zeitaufwand erfordern.
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Der Kläger kann auch nicht darauf verwiesen werden, die Bürotätigkeiten in den Abendstunden oder am Wochenende außerhalb der Praxisöffnungszeiten in der Praxis auszuführen. Der Senat sieht eine solche Anforderung an Steuerpflichtige als unzumutbar an, wobei er hier die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt. Zwar wäre außerhalb der Öffnungszeiten die Praxis nicht durch Therapiezwecke anderweitig genutzt, erkennbar wird aber, dass nur am Wochenende und außerhalb der Öffnungszeiten die Möglichkeit der Praxisnutzung für Büroarbeiten gegeben wäre. Bereits dies spricht dagegen, dass ein anderer Arbeitsplatz im konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich zur Verfügung steht. Insoweit führt auch ein Vergleich mit angestellten Arbeitskräften zum Ergebnis, dass diese außerhalb der üblichen Arbeitszeiten betriebliche Räume in der Regel nicht nutzen können. Die Tatsache, dass hier der Kläger Praxisinhaber ist und somit den jederzeitigen Zugriff auf die Praxisräume hat, kann im direkten Vergleich mit Arbeitnehmern nicht dazu führen, dass der selbstständig tätige Kläger in unzumutbarer Weise auf seine Räume außerhalb der Öffnungszeiten verwiesen wird. Die vorhandenen Räumlichkeiten und das Praxiskonzept erfordern im Streitfall nach Überzeugung des Senats die Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers.
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Zu berücksichtigen ist auch, dass die entstandenen Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer verhältnismäßig gering sind und das Arbeitszimmer im Haus des Klägers mit einer Größe von 11,5 m² lediglich eine anteilige Fläche von 7,1 % umfasst und die Verlagerung privater Ausgaben in die betriebliche Sphäre in größerem Umfange nicht zu besorgen ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die Frage der Zumutbarkeit der Nutzung betrieblicher Räume durch Selbstständige außerhalb der üblichen Praxiszeiten ist vom Bundesfinanzhof nach Auffassung des hier streitentscheidenden Senats nicht abschließend entschieden worden.
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Annotations
(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Soll gegen den Bund, ein Land, einen Gemeindeverband, eine Gemeinde, eine Körperschaft, eine Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts vollstreckt werden, so gilt für die Zwangsvollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung sinngemäß; § 150 bleibt unberührt. Vollstreckungsgericht ist das Finanzgericht.
(2) Vollstreckt wird
- 1.
aus rechtskräftigen und aus vorläufig vollstreckbaren gerichtlichen Entscheidungen, - 2.
aus einstweiligen Anordnungen, - 3.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen.
(3) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.