Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 21. März 2012 - 9 V 2958/11

published on 21/03/2012 00:00
Finanzgericht Baden-Württemberg Beschluss, 21. März 2012 - 9 V 2958/11
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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

 
Streitig ist, ob die Versagung des Vorsteuerabzugs aus den Rechnungen der Firma X.. GmbH mit Sitz in L (nachfolgend: X-GmbH) ernstlich zweifelhaft ist oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
I.
Der Antragsteller betrieb im Streitzeitraum ein Einzelunternehmen unter dem Namen "Y Automobile G. Y " mit Sitz in der A-Straße 1 in B. Gegenstand des Unternehmens war die Reparatur sowie seit dem 16. April 2008 der An- und Verkauf von Kraftfahrzeugen.
Im Herbst 2009 nahm der Antragsteller nach eigenen Angaben auf Empfehlung eines anderen Lieferanten die Geschäftsbeziehung zur X-GmbH auf und erwarb Anfang Dezember von dieser ein Fahrzeug. Zu Beginn der Geschäftsbeziehung ließ sich der Antragsteller einen Auszug aus dem Handelsregister, die Gesellschafterliste der X-GmbH und die Ausweispapiere ihres Geschäftsführers, Herrn Z, vorlegen. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der X-GmbH wurde am 1. Mai 2010 gelöscht, nachdem diese keine Voranmeldungen abgegeben hatte. Im Besteuerungszeitraum 2009 und in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar bis August 2010 zog der Antragsteller Vorsteuerbeträge aus Rechnungen der X-GmbH über die Lieferung von insgesamt 90 Fahrzeugen ab.
Sämtliche Rechnungen der X-GmbH waren adressiert an die "Y automobile GmbH, C-Straße 1, B". Diese Gesellschaft existierte jedoch nicht. Der Antragsteller betrieb unter dieser Adresse lediglich ein Einzelunternehmen. Eine X G. Automobile J GmbH mit Sitz in R wurde erst im März 2011 gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Alleininhaberin aller Gesellschaftsanteile und einzige Geschäftsführerin ist K. Y, die Ehefrau des Antragstellers.
Sämtliche von der X-GmbH erworbenen Fahrzeuge veräußerte der Antragsteller an insgesamt drei Unternehmen weiter. Zum Einen war dies die Firma Q mit Sitz in W, Belgien (nachfolgend: Q), für die ein Herr Ü. T (nachfolgend: T) auftrat, der seit dem 27. Oktober 2009 deren Geschäftsführer ("…") war. Zum anderen waren dies die Firmen H mit Sitz in S, Belgien (nachfolgend: H) und V mit Sitz in F, Niederlande (nachfolgend: V). Für beide Firmen trat Herr Ü (nachfolgend: Ü) auf, dessen private Anschrift mit dem Sitz der Firma H identisch war.
Im Rahmen einer Besprechung im Februar 2010, welche die Voranmeldung für Januar 2010 betraf, wurde vereinbart, dass der angemeldete Vorsteuerüberschuss hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 500.000 EUR als Sicherheitsleistung gemäß § 18f des Umsatzsteuergesetzes (UStG) einbehalten und im Übrigen ausgezahlt wird. Die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts D vertrat im Rahmen einer durchgeführten Prüfung die Auffassung, dass die Vorsteuer aus den Rechnungen der X-GmbH nicht abziehbar sei. Der Antragsgegner schloss sich der Auffassung der Steuerfahndung an und setzte mit Bescheiden vom 5. April 2011 (bezüglich der Voranmeldungszeiträume 2010) und vom 11. April 2011 (für 2009) die Umsatzsteuer ohne Abzug der Vorsteuerbeträge aus den Rechnungen der X-GmbH fest. Es ergaben sich folgende Rückforderungsbeträge:
Besteuerungszeitraum
Vorsteuerbetrag
Kalenderjahr 2009
12.495,54 EUR
Januar 2010
Keine Rückforderung, lediglich
geringere Erstattung
Februar 2010
109.952,39 EUR
März 2010
135.490,27 EUR
April 2010
226.169,45 EUR
Mai 2010
202.607,85 EUR
Juni 2010
214.986,14 EUR
Juli 2010
382.107,56 EUR
August 2010
226.802,52 EUR
Gesamtbetrag
1.510.611,71 EUR
Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2011 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Über die hiergegen anhängige Klage mit dem Aktenzeichen 9 K 3708/11 ist noch nicht entschieden. Die zugleich mit dem Einspruch beantragte Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner ab und wies den hiergegen eingelegten Einspruch am 22. Juli 2011 als unbegründet zurück.
Im Rahmen des Antrags auf gerichtliche Aussetzung der Vollziehung verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Sowohl die Kaufverträge als auch die Rechnungen seien zwar ausnahmslos an eine Y automobile GmbH adressiert, eine solche Firma habe es aber nicht gegeben. Die Adressierung an eine nicht existente GmbH unter postalischer Adresse des Einzelunternehmens unter direkter Ansprache des Inhabers G.Y führe dazu, dass eindeutig und leicht nachprüfbar erkennbar sei, dass Leistungsempfänger und Rechnungsadressaten tatsächlich der Antragsteller gewesen sei. Jedenfalls seien die Rechnungen im Mai 2011 wirksam mit Rückwirkung berichtigt worden. Die X-GmbH sei wirtschaftlich existent und habe dem Antragsteller an sämtlichen abgerechneten Fahrzeugen auch tatsächliche Verfügungsmacht verschafft. Die Fahrzeuge seien tatsächlich durch Mitarbeiter der X-GmbH an ihn beziehungsweise seine Mitarbeiter übergeben worden. Eine durch Mitarbeiter des Antragstellers erfolgte Prüfung habe keine Mängel oder Fehler erkennen lassen. Die Prüfung sei in den meisten Fällen durch Protokolle dokumentiert worden. Durch den Verkauf der Fahrzeuge, die Unterhaltung eines eigenen Kontos und die Registrierung beim zuständigen Finanzamt in L sei eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet worden, es liege also keine Scheinfirma vor. Selbst wenn die X-GmbH als Scheinfirma anzusehen sei, stehe dem Antragsteller ein Vorsteuerabzug jedenfalls im Billigkeitswege zu. Denn er habe dies nicht erkennen können, obwohl er alle Maßnahmen ergriffen habe, die vernünftigerweise von ihm erwartet werden konnten. Sie sei nach außen wie eine wirtschaftlich aktive Gesellschaft aufgetreten. Die Existenz der X-GmbH sei vor Aufnahme der Geschäftsbeziehungen anhand der Gründungsunterlagen, Handelsregisterauszüge und Identifikationspapiere des Geschäftsführers geprüft worden. Zudem sei die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer einmal für den Antragsteller durch einen spanischen Kunden geprüft worden. Alle Zahlungen an die X-GmbH seien auf deren Konten überwiesen worden. Die Abwicklung der Geschäfte habe keinen Anlass gegeben, weitere Ermittlungen anzustellen. Es sei für ihn auch zu keinem Zeitpunkt erkennbar gewesen, dass die X-GmbH die Fahrzeuge nicht selbst, sondern für einen Dritten liefern wolle. Sofern die Möglichkeit bestehe, dass die X-GmbH die Fahrzeug-Identifikationsnummern verschiedener Fahrzeuge gefälscht habe, sei dies für die Antragsteller nicht erkennbar gewesen, da die Daten mit sämtlichen Papieren übereingestimmt hätten.
10 
Er beantragt sinngemäß,
11 
die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2009 vom 11. April 2011 und der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid der für die Monate Januar bis August 2010 vom 5. April 2011 in vollem Umfang ohne Sicherheitsleistung aufzuheben;
12 
hilfsweise, die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheids 2009 vom 11. April 2011 und der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid der für die Monate Januar bis August 2010 vom 5. April 2011 in vollem Umfang gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1 Million EUR aufzuheben.
13 
Der Antragsgegner beantragt,
14 
den Antrag abzulehnen.
15 
Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug lägen nicht vor. Es sei weder die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers noch die korrekte Anschrift des Leistungsempfängers angegeben. Die X-GmbH sei keine wirtschaftlich aktive Gesellschaft gewesen. Beim Sitz des Unternehmens handele es sich um eine bloße Briefkastenanschrift. Unter dieser Adresse habe die X-GmbH zu keinem Zeitpunkt wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet. Der Gesellschafter-Geschäftsführer habe bei Ausstellung der Rechnungen seinen Sitz in O (Niederlande) gehabt und habe im Jahr 2010 Sozialhilfe in Höhe von 13.000 EUR bezogen. Ein Teil der Lieferungen sei tatsächlich nicht ausgeführt worden. Bei einem anderen Teil der Fahrzeuge seien die Fahrgestellnummern manipuliert worden. Sämtliche Rechnungen seien an die "Y automobile GmbH" adressiert, die es gar nicht gegeben habe. Die Rechnungsberichtigung sei erst im Mai 2011 also nach Ablauf des Streitzeitraums erfolgt. Eine Berücksichtigung der Vorsteuerbeträge sei auch nicht im Billigkeitswege geboten. Der Antragsteller habe bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns erkennen können, dass es sich bei der X-GmbH um eine "Scheinfirma" gehandelt habe. Sie sei weder im Internet noch anderweitig als Kraftfahrzeughändler in Erscheinung getreten, der Geschäftsführer habe keine inländische Wohnanschrift gehabt und sämtliche Abnehmer hätten darauf bestanden, die Fahrzeuge zwingend über die X-GmbH zu erwerben. Beim Transport seien teilweise völlig unwirtschaftliche Warenbewegungen erfolgt, so sei z.B. ein Fahrzeug von L zum Antragsteller und sodann nach Holland geliefert worden. Schließlich seien keine Gründe erkennbar gewesen, weshalb die ausländischen Abnehmer die Fahrzeuge nicht direkt von der X-GmbH erwerben sollten.
16 
Dem Sach- und Streitstand lagen neben den Gerichtsakten zwei Bände Rechtsbehelfsakten sowie jeweils ein Band Einkommensteuerakten, Gewerbesteuerakten und Umsatzsteuerakten zur Steuernummer 9... sowie 13 Leitzordner Ermittlungsakten der Steuerfahndung zu Grunde.
II.
A.
17 
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids für den Monat Januar 2010 ist unzulässig. Im Bescheid vom 5. April 2011 wird ein Restguthaben in Höhe von 448.364,89 EUR zur Auszahlung festgesetzt, welches die streitigen Vorsteuerbeträge nicht enthält. Das Begehren des Antragstellers geht also über die Herstellung der aufschiebenden Wirkung hinaus. Es ist dahin auszulegen, dass der Antragsteller eine einstweilige Regelungsanordnung nach § 114 Abs. 1 S. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dahingehend begehrt, dass ihm ein weiteres Guthaben in Höhe von 51.635,11 EUR ausgezahlt wird. Im Hauptsacheverfahren wäre insoweit eine Verpflichtungsklage zur Änderung des Bescheides zu erheben. Rechtsschutz ist daher im Wege der einstweiligen Anordnung zu gewähren (Koch in: Gräber, FGO, 7. Auflage 2010, § 69 RNr. 55 “Umsatzsteuerbescheide“).
18 
Der so ausgelegte Antrag ist aber unbegründet, da kein Anordnungsgrund vorliegt.
19 
Wenn eine Geldleistung im Wege einer einstweiligen Anordnung begehrt wird, ist ein Anordnungsgrund regelmäßig nur gegeben, wenn die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Betroffenen durch die Ablehnung unmittelbar oder ausschließlich bedroht ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH -vom 30. Juli 1986 - V B 31/86, Sammlung der nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1987, 42). Dass der Betrag von 51.635,11 EUR bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht erstattet wird, führt keine Existenzgefährdung des Antragstellers herbei. Er ist isoliert von den verbleibenden Beträgen zu würdigen, da für diese die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung besteht.
B.
20 
Der zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegen die verbleibenden Bescheide wird abgelehnt. Der Antragsteller kann aus den Rechnungen der X-GmbH keinen Vorsteuerabzug geltend machen.
21 
Nach § 69 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll das Gericht die Vollziehung aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel bestehen dann, wenn bei einer summarischen Prüfung des Verwaltungsakts anhand der präsenten Beweismittel neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht bewirken. Ernstliche Zweifel in tatsächlicher Hinsicht sind zu bejahen, wenn in Bezug auf die im Einzelfall entscheidungserheblichen Tatsachen Unklarheiten bestehen, die anhand der vorliegenden Unterlagen und der präsenten Beweismittel nicht beseitigt werden können und die vom Steuerpflichtigen behauptete Rechtsfolge unter den gegebenen Umständen als möglich erscheint (vgl. Koch in: Gräber, FGO 7. Auflage 2010, § 69 RNr. 92). Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung (§ 69 Abs. 2 S. 7 FGO).
22 
1. Der Antragsteller kann aus den Rechnungen der X-GmbH keinen Vorsteuerabzug beanspruchen, da in den Rechnungen nicht der tatsächliche Sitz des leistenden Unternehmers aufgeführt ist.
23 
Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen, soweit diese der gesetzlich geschuldeten Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen entspricht, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14 a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG muss die Rechnung u.a. den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Rechnungsaussteller und leistender Unternehmer müssen grundsätzlich identisch sein, wofür die Angabe der zutreffenden Anschrift in der Rechnung erforderlich ist. So wird der Finanzverwaltung eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglicht. Diese Regelung entspricht auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. BFH-Urteil vom 30. April 2009 - V R 15/07, BFH/NV 2009, 1342 mit weiteren Nachweisen). Der Antragsteller trägt die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen; insbesondere der in einer Rechnung einer GmbH angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 – V R 61/05, BFH/NV 2008, 907). Dies ist auch im Aussetzungsverfahren zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 4. April 1996 - V B 6/96, BFH/NV 1996, 795).
24 
Der Senat kann offenlassen, ob der Vorsteuerabzug bereits daran scheitert, dass sämtliche Rechnungen an die nicht existente "Y automobile GmbH" adressiert sind oder die X-GmbH als Unternehmerin anzusehen ist. Sie unterhielt jedenfalls in der Ö-Straße 2 in L keinen Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Eine fiktive Ansiedlung in der Form, wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder eine "Strohfirma" charakteristisch ist, ist nicht als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einzustufen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 28. Juni 2007 - C-73/06 - Planzer - RNr. 62, BFH/NV 2007, Beilage 4, 418). Nach den Ermittlungen des Antragsgegners hat die X-GmbH an dieser Adresse nicht über eigene Geschäftsräume verfügt. Eine erkennbare wirtschaftliche Aktivität hat die X-GmbH von dieser Adresse aus ebenfalls nicht entfaltet. In den dem Gericht vorliegenden Unterlagen des Antragstellers findet sich kein einziges Fax der Gesellschaft, das von der L-er Faxnummer versendet wurde. Die Kaufverträge und Rechnungen wurden vor Ort bei Ablieferung der Fahrzeuge übergeben. Sämtliche Anmeldungen beim Handelsregister erfolgten durch Notar P in N, der auch den Verkauf des Gesellschaftsanteils beurkundet hatte. Auch Rückfragen des Handelregistergerichts hat der Notar P beantwortet. Ihren steuerlichen Erklärungspflichten ist die X-GmbH nicht nachgekommen, was am 1. Mai 2010 zur Löschung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer führte. Soweit ersichtlich, nahm die X-GmbH unter der Adresse Ö-Straße 2 lediglich die Leistungen eines Büroserviceunternehmens in Anspruch. Hierdurch wird kein wirtschaftlicher Sitz begründet (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 – V R 61/05, BFH/NV 2008, 907).
25 
2. Der Antragsgegner hat ermessensfehlerfrei auch den Abzug der Vorsteuer im Billigkeitswege abgelehnt. Bei Berücksichtigung der präsenten Beweismittel hat der Senat keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Antragsteller nicht alle von ihm vernünftigerweise zu erwartenden Maßnahmen ergriffen hat, um seine Einbeziehung in einen Mehrwertsteuerbetrug zu vermeiden.
26 
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sieht § 15 UStG den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nicht vor (BFH--Urteil vom 30. April 2009 - V R 15/07, BFH/NV 2009, 1342). Jedoch kann im Interesse der Rechtssicherheit des umsatzsteuerlichen Rechtsverkehrs nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein Wirtschaftsteilnehmer, der alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Umsätze nicht in einen Betrug - sei es eine Mehrwertsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug - einbezogen sind, auf die Rechtmäßigkeit dieser Umsätze vertrauen können, ohne den Vorsteuerabzug zu verlieren (vgl. EuGH-Urteil vom 06. Juli 2006 - C-439/04 und C-440/04 - Axel Kittel - RNr. 51, BFH/NV 2006, Beilage 4, 454 und vom 12. Januar 2006 - C-354/03, C-355/03 und C-484/03 - Optigen Ltd. u.a. - RNr. 55; BFH/NV 2006, Beilage 2, 144). Ob der Vorsteuerabzug dem Antragsteller aus Gründen der Rechtssicherheit zu belassen ist, ist im Rahmen des Billigkeitsverfahrens nach § 163 der Abgabenordnung zu entscheiden. Soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen eine Billigkeitsmaßnahme erfordern, ist das der Finanzbehörde eingeräumte Ermessen auf Null reduziert (BFH-Urteil vom 30. April 2009 - V R 15/07, BFH/NV 2009, 1342).
27 
Nach Beginn der Geschäftsbeziehung im Dezember 2009 hat der Antragsteller bereits bis Ende Februar Fahrzeuge im Nettowert von fast 1 Million EUR von der X-GmbH erworben. Insgesamt erreichte der Handel mit der X-GmbH ein Umsatzvolumen von 8,2 Millionen EUR (netto, d.h. 9,7 Millionen EUR brutto) für 90 überwiegend fabrikneue Fahrzeuge. Dabei trat die X-GmbH zu keinem Zeitpunkt erkennbar als Händler im Internet oder sonst im allgemeinen Markt in Erscheinung. Auch konnte der Antragsteller aus dem Handelsregisterauszug erkennen, dass die X-GmbH zuvor keinen Bezug zum Automobilmarkt hatte, Z selbst erst am 29. September 2009 die Gesellschaftsanteile erworben hatte und zum Geschäftsführer bestellt wurde. Es handelte sich auch nicht um einen I-Vertragshändler; der Geschäftsführer der X-GmbH hat gegenüber dem Antragsteller lediglich behauptet, er habe gute Kontakte zu I Niederlassungen, die es ihm erlaube, günstige Neufahrzeuge zu guten Konditionen zu beschaffen. Entgegen der Abwicklung in den allermeisten anderen Fällen wurden sämtliche Fahrzeuge der X-GmbH zum Antragsteller gebracht. Die Zahlung erfolgte nachträglich per Überweisung, nicht wie sonst üblich im Voraus. Ein Besuch am Geschäftssitz der X-GmbH in L ist während der gesamten Geschäftsbeziehung nicht erfolgt, obwohl der Antragsteller durchaus auch Mitarbeiter an die Geschäftssitze seiner ausländischen Abnehmer geschickt hat, um deren Geschäftsräume zu prüfen.
28 
Auch die Gestaltung der Rechnungen der X-GmbH gibt Anlass zu Zweifeln. So ist in sämtlichen Rechnungen über einen Zeitraum von acht Monaten die Adressierung an die nicht existente "Y automobile GmbH" erfolgt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb bei einer über acht Monate andauernden Geschäftsbeziehung ein solch offenkundiger Fehler weder der Sachbearbeiterin noch der kontierenden Ehefrau des Antragstellers aufgefallen ist. Ferner enthalten die Rechnungen außerordentlich viele Rechtschreibfehler. In den Rechnungen, die ab Mai 2010, d.h. unmittelbar nach Löschung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, ausgestellt wurden, finden sich weder Telefon- noch Faxnummer, dafür aber eine neue Kontoverbindung der D-Bank in N. Die zuvor angegebenen Nummern waren eine Mobilfunknummer und die Faxnummer des Büroserviceunternehmens.
29 
Ferner ergeben sich aus dem Weiterverkauf der Fahrzeuge erhebliche Zweifel in Bezug auf die gelieferten Fahrzeuge. So weichen die in den Rechnungen der X-GmbH angegebenen Kilometer teilweise ganz erheblich von den Kilometerständen ab, die in den Übergabebescheinigungen bzw. in den Rechnungen an die Anschlusskäufer ab (z.B. die Fahrzeuge, über die mit den Rechnungen Nr. 1, 2, 3, 4, 5 der X-GmbH abgerechnet wurde). So ist etwa bei dem bereits am 20. Januar 2010 mit Rechnung Nr. 1 erworbenen I (Fahrgestellnummer: U...) eine Laufleistung von 1.000 km angegeben. Laut Übergabebescheinigung hatte dieses Fahrzeug dagegen einen Kilometerstand von 17.760 km, in der Rechnung an Q finden sich jedoch nur 1.000 km wieder. Die Ausgangsrechnung wurde bereits am 18. Januar 2010 erstellt, der Kaufvertrag dagegen erst am 20. Januar 2010. Es ist nicht erkennbar, dass sich die enorme Abweichung bei der Laufleistung in irgendeiner Weise auf den Einkaufs- oder Verkaufspreis niedergeschlagen hätte. Schließlich wurde der Kaufvertrag am 20. Januar 2010 um 11:31 Uhr von einem Fax mit der Kennung "CH.." übermittelt, der nach Angabe des Antragstellers die Geschäftsbeziehung mit der X-GmbH angebahnt hat (Gerichtsakten, Bl. 313). Eine erhebliche Abweichung besteht auch bei dem am 3. Februar 2010 mit Rechnung Nr. 2 gelieferten I (Fahrgestellnummer: U2..; Laufleistung laut Kaufvertrag/Rechnung X-GmbH: neu ohne/0; laut Übergabebescheinigung/Verkaufsrechnung je 1.440 km). Gerade die vom Kläger selbst dargestellte 1.000 km-Grenze (vgl. Fax vom 18. November 2011, S. 3 - Gerichtsakten, Bl. 268) war zu Beginn der Lieferbeziehungen häufig überschritten.
30 
Aus den Akten ist weiterhin erkennbar, dass in den allermeisten Fällen der Antragsteller die Fahrzeuge erst nach einer verbindlichen Bestellung (des Antragstellers) beim jeweiligen Verkäufer abholen ließ. Dies haben auch die Mitarbeiter in den eidesstattlichen Versicherungen und in den Aussagen vor der Steuerfahndung so bestätigt. Die Fahrzeuge wurden ihm dabei vom jeweiligen Abnehmer vorgegeben, die auf das Fahrzeug durch eine vom Verkäufer im Internet geschaltete Anzeige aufmerksam geworden waren. Dass der Antragsteller eine verbindliche Bestellung an die X-GmbH versandt hätte, bevor diese die Fahrzeuge über eine Strecke von 600 km von L nach B anlieferte, ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Abnehmer die Fahrzeuge aufgrund einer öffentlichen Anzeige der X-GmbH z.B. im Internet bestellt hätten, wie dies regelmäßig bei den übrigen ausländischen Abnehmern erfolgt ist. Hinzu kommt, dass die Abnehmer ihren Sitz in Belgien bzw. in den Niederlanden hatten. Dass die Abnehmer die Fahrzeuge ausdrücklich zum Bezug von der X-GmbH bestellten, zeigt, dass diese auch den Abnehmern bekannt war. Dann macht es aber keinen Sinn, die Fahrzeuge nicht direkt über diese Gesellschaft zu beziehen.
31 
Daneben hat der Antragsteller auch verschiedene weitere Rechnungen oder Kaufverträge von der X-GmbH per Fax von Absendern erhalten, die nicht mit der X-GmbH in Verbindung gebracht werden können. Die Rechnungen mit den Nummern 6 bis 8 (alle vom 15. Juli 2010) hat der Antragsteller per Fax am 15. Juli 2010 um 0:34 Uhr erhalten. Die Faxkennung "QER " und die Faxnummer sind erkennbar nicht diejenigen der X-GmbH. Die gefaxten Dokumente befinden sich außerdem nicht auf Briefpapier der X-GmbH und sind mit dem handschriftlichen Vermerk "H" versehen.
32 
3. Die Aussetzung ist auch nicht aufgrund einer durch die Vollstreckung der Steuerforderungen entstehenden unbilligen Härte für den Antragsteller zu gewähren. Nach § 69 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 69 Abs. 2 S. 2 FGO soll das Gericht die Vollziehung aussetzen, wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Erfolgsaussichten des Einspruchs als offen zu betrachten sind und eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers unstreitig vorhanden ist (BFH-Beschluss vom 4. April 1996 - V B 6/96, BFH/NV 1996, 795). Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte scheidet jedoch auch dann aus, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit fast ausgeschlossen sind (BFH-Beschluss vom 9. Januar 1996 - VII B 189/95, BFH/NV 1996, 589; Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler - AO/FGO, § 69 FGO, RNr. 346).
33 
Nach diesen Grundsätzen sind die Erfolgsaussichten des Einspruchs nicht als offen zu betrachten. Der erkennende Senat hält einen weitergehenden Erfolg des Antragstellers für die Frage des Vorsteuerabzugs im Hauptsacheverfahren aufgrund der oben unter II. 1. und 2. ausgeführten Würdigung hinsichtlich der Vorsteuer aus den Rechnungen der X-GmbH für nahezu ausgeschlossen. Er verkennt dabei nicht, dass nach den übereinstimmenden Aussagen sämtlicher Mitarbeiter auch gegenüber der Steuerfahndung die X-GmbH tatsächlich Fahrzeuge auf das Gelände des Antragstellers angeliefert hat. Auch der Senat geht davon aus, dass die Fahrzeuge, ggf. mit gefälschten Papieren und ausgetauschten Windschutzscheiben angeliefert wurden. Der Senat stützt diese Entscheidung auch nicht auf ein etwaiges kollusives Zusammenwirken des Antragstellers mit den Geschäftsführern der übrigen Gesellschaften. Es erscheint nach dem Inhalt der vorliegenden Akten jedoch offensichtlich, dass die X-GmbH in L keinen Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit hatte. Ebenso war es dem Antragsteller bei einer dauerhaften Geschäftsbeziehung dieses Umfangs ohne weiteres zumutbar, den Geschäftssitz der X-GmbH in L selbst oder durch Mitarbeiter in Augenschein zu nehmen. Hierfür hätte sich z.B. die stichprobenweise Abholung einiger Fahrzeuge aufgedrängt.
34 
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
35 
5. Die Beschwerde war nicht zuzulassen. Es sind keine Anhaltspunkte für einen Zulassungsgrund im Sinne von § 115 Abs. 2 in Verbindung mit § 128 Abs. 3 S. 2 FGO ersichtlich.
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd
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published on 21/07/2014 00:00

Tenor 1. Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 11. April 2011 und die Einspruchsentscheidung vom 31. Oktober 2011, soweit diese die Umsatzsteuer 2009 betrifft, werden ersatzlos aufgehoben.2. Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 11. Oktober 2013 wird dahing
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Annotations

Bei Steueranmeldungen im Sinne von § 18 Abs. 1 und 3 kann die Zustimmung nach § 168 Satz 2 der Abgabenordnung im Einvernehmen mit dem Unternehmer von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Satz 1 gilt entsprechend für die Festsetzung nach § 167 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung, wenn sie zu einer Erstattung führt.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Rechnung ist jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit müssen gewährleistet werden. Echtheit der Herkunft bedeutet die Sicherheit der Identität des Rechnungsausstellers. Unversehrtheit des Inhalts bedeutet, dass die nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben nicht geändert wurden. Jeder Unternehmer legt fest, in welcher Weise die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit der Rechnung gewährleistet werden. Dies kann durch jegliche innerbetriebliche Kontrollverfahren erreicht werden, die einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Rechnung und Leistung schaffen können. Rechnungen sind auf Papier oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers elektronisch zu übermitteln. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird.

(2) Führt der Unternehmer eine Lieferung oder eine sonstige Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 aus, gilt Folgendes:

1.
führt der Unternehmer eine steuerpflichtige Werklieferung (§ 3 Abs. 4 Satz 1) oder sonstige Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück aus, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen;
2.
führt der Unternehmer eine andere als die in Nummer 1 genannte Leistung aus, ist er berechtigt, eine Rechnung auszustellen. Soweit er einen Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen oder an eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist, ausführt, ist er verpflichtet, innerhalb von sechs Monaten nach Ausführung der Leistung eine Rechnung auszustellen. Eine Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung besteht nicht, wenn der Umsatz nach § 4 Nummer 8 bis 29 steuerfrei ist. § 14a bleibt unberührt.
Unbeschadet der Verpflichtungen nach Satz 1 Nr. 1 und 2 Satz 2 kann eine Rechnung von einem in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfänger für eine Lieferung oder sonstige Leistung des Unternehmers ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde (Gutschrift). Die Gutschrift verliert die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Eine Rechnung kann im Namen und für Rechnung des Unternehmers oder eines in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Leistungsempfängers von einem Dritten ausgestellt werden.

(3) Unbeschadet anderer nach Absatz 1 zulässiger Verfahren gelten bei einer elektronischen Rechnung die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Inhalts als gewährleistet durch

1.
eine qualifizierte elektronische Signatur oder
2.
elektronischen Datenaustausch (EDI) nach Artikel 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission vom 19. Oktober 1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches (ABl. L 338 vom 28.12.1994, S. 98), wenn in der Vereinbarung über diesen Datenaustausch der Einsatz von Verfahren vorgesehen ist, die die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit der Daten gewährleisten.

(4) Eine Rechnung muss folgende Angaben enthalten:

1.
den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers,
2.
die dem leistenden Unternehmer vom Finanzamt erteilte Steuernummer oder die ihm vom Bundeszentralamt für Steuern erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer,
3.
das Ausstellungsdatum,
4.
eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer),
5.
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung,
6.
den Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung; in den Fällen des Absatzes 5 Satz 1 den Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts oder eines Teils des Entgelts, sofern der Zeitpunkt der Vereinnahmung feststeht und nicht mit dem Ausstellungsdatum der Rechnung übereinstimmt,
7.
das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 10) sowie jede im Voraus vereinbarte Minderung des Entgelts, sofern sie nicht bereits im Entgelt berücksichtigt ist,
8.
den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag oder im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf, dass für die Lieferung oder sonstige Leistung eine Steuerbefreiung gilt,
9.
in den Fällen des § 14b Abs. 1 Satz 5 einen Hinweis auf die Aufbewahrungspflicht des Leistungsempfängers und
10.
in den Fällen der Ausstellung der Rechnung durch den Leistungsempfänger oder durch einen von ihm beauftragten Dritten gemäß Absatz 2 Satz 2 die Angabe „Gutschrift”.
In den Fällen des § 10 Abs. 5 sind die Nummern 7 und 8 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Bemessungsgrundlage für die Leistung (§ 10 Abs. 4) und der darauf entfallende Steuerbetrag anzugeben sind. Unternehmer, die § 24 Abs. 1 bis 3 anwenden, sind jedoch auch in diesen Fällen nur zur Angabe des Entgelts und des darauf entfallenden Steuerbetrags berechtigt. Die Berichtigung einer Rechnung um fehlende oder unzutreffende Angaben ist kein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung.

(5) Vereinnahmt der Unternehmer das Entgelt oder einen Teil des Entgelts für eine noch nicht ausgeführte Lieferung oder sonstige Leistung, gelten die Absätze 1 bis 4 sinngemäß. Wird eine Endrechnung erteilt, sind in ihr die vor Ausführung der Lieferung oder sonstigen Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Steuerbeträge abzusetzen, wenn über die Teilentgelte Rechnungen im Sinne der Absätze 1 bis 4 ausgestellt worden sind.

(6) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens durch Rechtsverordnung bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen

1.
Dokumente als Rechnungen anerkannt werden können,
2.
die nach Absatz 4 erforderlichen Angaben in mehreren Dokumenten enthalten sein können,
3.
Rechnungen bestimmte Angaben nach Absatz 4 nicht enthalten müssen,
4.
eine Verpflichtung des Unternehmers zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (Absatz 4) entfällt oder
5.
Rechnungen berichtigt werden können.

(7) Führt der Unternehmer einen Umsatz im Inland aus, für den der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b schuldet, und hat der Unternehmer im Inland weder seinen Sitz noch seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird oder die an der Erbringung dieses Umsatzes beteiligt ist, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so gelten abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Unternehmer seinen Sitz, seine Geschäftsleitung, eine Betriebsstätte, von der aus der Umsatz ausgeführt wird, oder in Ermangelung eines Sitzes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Satz 1 gilt nicht, wenn eine Gutschrift gemäß Absatz 2 Satz 2 vereinbart worden ist. Nimmt der Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat an einem der besonderen Besteuerungsverfahren entsprechend Titel XII Kapitel 6 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung teil, so gelten für die in den besonderen Besteuerungsverfahren zu erklärenden Umsätze abweichend von den Absätzen 1 bis 6 für die Rechnungserteilung die Vorschriften des Mitgliedstaates, in dem der Unternehmer seine Teilnahme anzeigt.

(1) Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:

1.
die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte Rechnung besitzt. Soweit der gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Umsätze entfällt, ist er bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist;
2.
die entstandene Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 eingeführt worden sind;
3.
die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen, wenn der innergemeinschaftliche Erwerb nach § 3d Satz 1 im Inland bewirkt wird;
4.
die Steuer für Leistungen im Sinne des § 13b Absatz 1 und 2, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Soweit die Steuer auf eine Zahlung vor Ausführung dieser Leistungen entfällt, ist sie abziehbar, wenn die Zahlung geleistet worden ist;
5.
die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6 geschuldete Steuer für Umsätze, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt die Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstands, den der Unternehmer zu weniger als 10 Prozent für sein Unternehmen nutzt.

(1a) Nicht abziehbar sind Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 bis 4, 7 oder des § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gilt, entfallen. Dies gilt nicht für Bewirtungsaufwendungen, soweit § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes einen Abzug angemessener und nachgewiesener Aufwendungen ausschließt.

(1b) Verwendet der Unternehmer ein Grundstück sowohl für Zwecke seines Unternehmens als auch für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb sowie für die sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit diesem Grundstück vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Verwendung des Grundstücks für Zwecke des Unternehmens entfällt. Bei Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und bei Gebäuden auf fremdem Grund und Boden ist Satz 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist die Steuer für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen sowie für die sonstigen Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung folgender Umsätze verwendet:

1.
steuerfreie Umsätze;
2.
Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt würden.
Gegenstände oder sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung einer Einfuhr oder eines innergemeinschaftlichen Erwerbs verwendet, sind den Umsätzen zuzurechnen, für die der eingeführte oder innergemeinschaftlich erworbene Gegenstand verwendet wird.

(3) Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach Absatz 2 tritt nicht ein, wenn die Umsätze

1.
in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei sind oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei sind und sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden;
2.
in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nr. 2
a)
nach § 4 Nr. 1 bis 7, § 25 Abs. 2 oder nach den in § 26 Abs. 5 bezeichneten Vorschriften steuerfrei wären oder
b)
nach § 4 Nummer 8 Buchstabe a bis g, Nummer 10 oder Nummer 11 steuerfrei wären und der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig ist oder diese Umsätze sich unmittelbar auf Gegenstände beziehen, die in das Drittlandsgebiet ausgeführt werden.

(4) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten, eingeführten oder innergemeinschaftlich erworbenen Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der Unternehmer kann die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln. Eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. In den Fällen des Absatzes 1b gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend.

(4a) Für Fahrzeuglieferer (§ 2a) gelten folgende Einschränkungen des Vorsteuerabzugs:

1.
Abziehbar ist nur die auf die Lieferung, die Einfuhr oder den innergemeinschaftlichen Erwerb des neuen Fahrzeugs entfallende Steuer.
2.
Die Steuer kann nur bis zu dem Betrag abgezogen werden, der für die Lieferung des neuen Fahrzeugs geschuldet würde, wenn die Lieferung nicht steuerfrei wäre.
3.
Die Steuer kann erst in dem Zeitpunkt abgezogen werden, in dem der Fahrzeuglieferer die innergemeinschaftliche Lieferung des neuen Fahrzeugs ausführt.

(4b) Für Unternehmer, die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und die nur Steuer nach § 13b Absatz 5, nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 14c Absatz 1 oder nur Steuer nach § 13b Absatz 5 und § 13a Absatz 1 Nummer 4 schulden, gelten die Einschränkungen des § 18 Absatz 9 Satz 5 und 6 entsprechend.

(5) Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen darüber treffen,

1.
in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für den Vorsteuerabzug auf eine Rechnung im Sinne des § 14 oder auf einzelne Angaben in der Rechnung verzichtet werden kann,
2.
unter welchen Voraussetzungen, für welchen Besteuerungszeitraum und in welchem Umfang zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten in den Fällen, in denen ein anderer als der Leistungsempfänger ein Entgelt gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3), der andere den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen kann, und
3.
wann in Fällen von geringer steuerlicher Bedeutung zur Vereinfachung oder zur Vermeidung von Härten bei der Aufteilung der Vorsteuerbeträge (Absatz 4) Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, unberücksichtigt bleiben können oder von der Zurechnung von Vorsteuerbeträgen zu diesen Umsätzen abgesehen werden kann.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.

(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.