Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 13. Juli 2009 - 9 K 303/06

published on 13/07/2009 00:00
Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 13. Juli 2009 - 9 K 303/06
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Streitig ist, ob Zahlungen eines Mieters Schadensersatz darstellen.
Die Klägerin (Kl) ist eine Grundstücksgemeinschaft, die mit Vertrag vom 31. Juli 1994 Räume des Gebäudes A-Straße 1 in X an den selbständigen Masseur B. für eine Monatsmiete von 2.700 DM zuzüglich Umsatzsteuer vermietet hatte. Am 1. Juni 1999 kündigte der Mieter ohne Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist das Mietverhältnis zum 31. August 1999. Zur Begründung führte er zwingende wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten an. Zum 15. Oktober 1999 konnte auf Bemühungen B. der Masseur C. als Mietinteressent für die von ihm gemieteten Räume gefunden werden. Im Einvernehmen mit B. schloss die Kl mit C. einen Mietvertrag,  der bis 15. Oktober 2000 befristet war und sich jeweils um ein Jahr verlängerte, sofern er nicht drei Monate vor Ablauf der Frist gekündigt würde.  Da C. lediglich zur Zahlung einer Monatsmiete von 1.600 DM zuzüglich Umsatzsteuer bereit war, erklärte sich B. zur Zahlung eines monatlichen Mietausgleichs in Höhe von 1.100 DM bereit. Da Vergleichsverhandlungen der Kl mit B. zur einvernehmlichen Beendigung des Mietverhältnisses scheiterten, endete das Mietverhältnis erst mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Mietzeit am 31. Juli 2004. Die von B. von Januar 2000 bis 31. Juli 2004 geleisteten monatlichen Mietausgleichszahlungen sah die Kl als nicht steuerbaren Schadensersatz an, weshalb sie von B. keine Umsatzsteuer verlangte. In ihren Umsatzsteuererklärungen 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 setzte sie die Ausgleichszahlungen nicht als steuerpflichtige Umsätze an. Die Umsatzsteuer wurde für die Jahre 2.000 und 2001 zunächst wie erklärt festgesetzt und zwar für 2000 auf 2.346,37 DM und für 2001 auf 2.704,70 DM.
Von 19. Januar 2004 bis 22. Juni 2004 führte der Beklagte (Bekl) bei der Kl eine Außenprüfung für die Prüfungszeiträume 2000 und 2001 durch. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Ausgleichszahlungen des Mieters B. um steuerpflichtige Mietentgelte handle. Er erhöhte die steuerpflichtigen Umsätze in den Jahren 2000 und 2001 um jeweils 11.379 DM (= 100/116 x [12 x 1.100,00 DM]). Der Bekl folgte der Auffassung des Prüfers und setzte mit Bescheiden vom 9. August 2004 die Umsatzsteuer 2000 auf 4.167,00 DM, die Umsatzsteuer 2001 auf 4.525,00 DM und die Umsatzsteuer 2002 auf 2.677,72 EUR fest.
Hiergegen legte die Kl am 19. August 2004 Einspruch ein. Bei den Ausgleichszahlungen des Mieters B. handle es sich um nicht steuerbaren Schadensersatz. Sie beruhten auf dessen pflichtwidrigem Handeln, das in der vorzeitigen Kündigung des Mietverhältnisses bestehe. Zu keiner Zeit habe der Vermieter einer einvernehmlichen Beendigung des Mietverhältnisses zugestimmt.
Nachdem die Kl die Ausgleichszahlungen B. auch in den Umsatzsteuererklärungen für 2003 und 2004 nicht erklärte, erließ der Bekl entsprechende Umsatzsteuerbescheide. Im Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 1. März 2005 erhöhte er die steuerpflichtigen Umsätze um 5.818 EUR (11.379 DM), im Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 20. Januar 2006 um 3.394 EUR (6.668,09 DM, Ausgleichszahlung für 7 Monate). Auch gegen die Umsatzsteuerbescheide 2003 und 2004 legte die Kl rechtzeitig Einspruch ein.
Mit Entscheidung vom 16. Juni 2006 wies der Bekl die Einsprüche wegen Umsatzsteuer 2000 bis 2004 als unbegründet zurück. Ob die Ausgleichszahlungen für den Verzicht auf die Geltendmachung weiterer Vermieterrechte oder zur Erfüllung des fortbestehenden Mietvertrages geleistet worden seien, könne dahinstehen. In beiden Fällen lägen Entgelte für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen vor.
Am 13. Juli 2006 hat die Kl Klage erhoben. Sie ist nach wie vor der Auffassung, die Mietausgleichszahlungen seien aufgrund pflichtwidrigen Verhaltens des Mieters geleistet worden und „entsprechend der zivilrechtlichen Behandlung“ als nicht steuerbarer Schadensersatz anzusehen. Die fristlose und pflichtwidrige Kündigung eines Mietvertrages durch den Mieter entspreche der endgültigen Verweigerung der weiteren Vertragserfüllung und führe zu einer schwerwiegenden Vertragsverletzung, die den Ausgleichszahlungen den Charakter von Schadensersatz verleihe. Der Sachverhalt sei dem des Urteils des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 24. August 1995 V R 55/94 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFHE- 178, 485 Bundessteuerblatt -BStBl- 1995, 808) vergleichbar, wo das Gericht im Falle der vorzeitigen Beendigung eines Leasingvertrages vertragsgemäß zu leistende Zahlungen eines Leasingnehmers als echten und damit nicht steuerbaren Schadensersatz angesehen habe.
Der Sachverhalt ist den vom Bekl vorgelegten Steuerakten (s. Gerichtsakten Bl. 36) und den im Klageverfahren gewechselten Schriftsätzen entnommen.
Die Kl beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 2006 aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2000, 2001, 2002 und 2003 dahin zu ändern, dass die steuerpflichtigen Umsätze jeweils um 11.379 DM (5.818 EUR) herabgesetzt werden, den Umsatzsteuerbescheid 2004 dahin, dass eine Minderung der steuerpflichtigen Umsätze um 3.394 EUR erfolgt, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise: die Revision zuzulassen.
10 
Der Bekl hält an seiner Rechtsauffassung fest und beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

 
11 
I. Die Klage ist unbegründet.
12 
1. Entgegen der Ansicht der Kl beruhen die von dem Mieter B. geleisteten Mietausgleichszahlungen auf einem steuerbaren Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG). Danach unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Im Falle einer echten Schadensersatzleistung fehlt es an einem Leistungsaustausch. Der Schadensersatz wird nicht geleistet, weil der Leistende eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten hat, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat.
13 
Im Streitfalle hat B. für seine Mietausgleichszahlungen eine sonstige Leistung in Form der Nutzungsüberlassung der von ihm gemieteten Räume erhalten. Zwar sind die Mieträume ab 15. Oktober 1999 nicht mehr B., sondern dem von ihm gefundenen weiteren Mieter C. überlassen worden. In der Gebrauchsüberlassung an B. ist aber lediglich eine von B. und der Kl vereinbarte Modifizierung des ursprünglichen Mietvertrages zu sehen. Da Vergleichsverhandlungen zur Beendigung des Mietvertrages scheiterten, blieb die Kl ihrem Mieter B. zur Gebrauchsüberlassung und dieser ihr zur Zahlung der vereinbarten Miete verpflichtet. Wäre das Mietverhältnis zwischen C. und der Kl nach Ablauf der dort vereinbarten jeweiligen Jahresfristen nicht verlängert worden, hätte B. die volle Monatsmiete wieder aus eigenen Mitteln aufbringen müssen; so aber verringerte sich seine Belastung auf die monatlichen Ausgleichszahlungen. B. war daher bereit, auf den Besitz an den von ihm gemieteten Räumen zu verzichten, um es der Kl zu ermöglichen, ihren zweiten Mietvertrag mit C. zu erfüllen. Von dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 24. August 1995, V B 103/09 (BFHE 178, 485; BStBl 1995, 808) unterscheidet sich der vorliegende Fall in einem ausschlaggebenden Punkt. Dort war das Leasingverhältnis vorzeitig aufgehoben worden. Anschließend fehlte es an der einen steuerbaren Leistungsaustausch begründenden Gebrauchsüberlassung.
14 
2. In dem Umstand, dass die Kl von B. rechtsirrtümlich keine Umsatzsteuer auf die Mietausgleichzahlungen verlangte, ist kein Verzicht auf die Option zur Steuerpflicht der Mietumsätze zu sehen.
15 
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
16 
III. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe, die nach § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung die Zulassung der Revision erfordern würden, sind nicht ersichtlich.

Gründe

 
11 
I. Die Klage ist unbegründet.
12 
1. Entgegen der Ansicht der Kl beruhen die von dem Mieter B. geleisteten Mietausgleichszahlungen auf einem steuerbaren Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG). Danach unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Im Falle einer echten Schadensersatzleistung fehlt es an einem Leistungsaustausch. Der Schadensersatz wird nicht geleistet, weil der Leistende eine Lieferung oder sonstige Leistung erhalten hat, sondern weil er nach Gesetz oder Vertrag für den Schaden und seine Folgen einzustehen hat.
13 
Im Streitfalle hat B. für seine Mietausgleichszahlungen eine sonstige Leistung in Form der Nutzungsüberlassung der von ihm gemieteten Räume erhalten. Zwar sind die Mieträume ab 15. Oktober 1999 nicht mehr B., sondern dem von ihm gefundenen weiteren Mieter C. überlassen worden. In der Gebrauchsüberlassung an B. ist aber lediglich eine von B. und der Kl vereinbarte Modifizierung des ursprünglichen Mietvertrages zu sehen. Da Vergleichsverhandlungen zur Beendigung des Mietvertrages scheiterten, blieb die Kl ihrem Mieter B. zur Gebrauchsüberlassung und dieser ihr zur Zahlung der vereinbarten Miete verpflichtet. Wäre das Mietverhältnis zwischen C. und der Kl nach Ablauf der dort vereinbarten jeweiligen Jahresfristen nicht verlängert worden, hätte B. die volle Monatsmiete wieder aus eigenen Mitteln aufbringen müssen; so aber verringerte sich seine Belastung auf die monatlichen Ausgleichszahlungen. B. war daher bereit, auf den Besitz an den von ihm gemieteten Räumen zu verzichten, um es der Kl zu ermöglichen, ihren zweiten Mietvertrag mit C. zu erfüllen. Von dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 24. August 1995, V B 103/09 (BFHE 178, 485; BStBl 1995, 808) unterscheidet sich der vorliegende Fall in einem ausschlaggebenden Punkt. Dort war das Leasingverhältnis vorzeitig aufgehoben worden. Anschließend fehlte es an der einen steuerbaren Leistungsaustausch begründenden Gebrauchsüberlassung.
14 
2. In dem Umstand, dass die Kl von B. rechtsirrtümlich keine Umsatzsteuer auf die Mietausgleichzahlungen verlangte, ist kein Verzicht auf die Option zur Steuerpflicht der Mietumsätze zu sehen.
15 
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.
16 
III. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe, die nach § 115 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung die Zulassung der Revision erfordern würden, sind nicht ersichtlich.
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu
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published on 19/10/2010 00:00

Gründe 1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 2 Entgegen der A
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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.