Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 6 K 1880/10

published on 10/10/2011 00:00
Finanzgericht Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 6 K 1880/10
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Die Kläger werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Aus Gründen der primären Sterilität ist es ihnen verwehrt geblieben, leibliche Kinder zu zeugen. Aus ethischen und gesundheitlichen Gründen lehnen sie künstliche Befruchtungsmethoden ab. Den Klägern entstanden im Streitjahr Adoptionskosten in Höhe von 8.560,68 EUR, wobei die Adoption eines Kindes erst in den Folgejahren vollzogen werden konnte.
Im Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24. Juni 2009 erkannte das beklagte Finanzamt (FA) die Adoptionskosten nicht an; Krankheitskosten in Höhe von … EUR wirkten sich infolge der zumutbaren Eigenbelastung in Höhe von … EUR steuerlich nicht aus.
Der form- und fristgerecht eingelegte Einspruch wurde in der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2010, auf die Bezug genommen wird, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen erhoben die Kläger form- und fristgerecht Klage. Im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BStBl II 2011, 414 seien die Kläger einkommensteuerlich mit denjenigen Fällen gleichzustellen, in denen eine heterologe künstliche Befruchtung durchgeführt  worden sei, zumal im Ergebnis beide Elternpaare ein gemeinschaftliches Kind hätten, § 1754 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Im Übrigen beziehen sich die Kläger auf Artikel 2, 3 und 6 des Grundgesetzes (GG). Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof in Österreich bei gleichem Gesetzestext die Adoptionskosten für steuerlich abzugsfähig erklärt, weil die Gesellschaft ein öffentliches Interesse an Kindern habe (Urteil vom 6. Juli 2011).
Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. April 2010 dahingehend abzuändern, dass nach Abzug der zumutbaren Eigenbelastung außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 393 EUR steuerlich anerkannt werden, hilfsweise für den Fall des völligen oder teilweisen Unterliegens Zulassung der Revision.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten  wird auf die gewechselten Schriftsätze, die sich in der finanzgerichtlichen Akte befinden, die vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie die Niederschriften über den Erörterungstermin vom 1. September 2011 bzw. den Verhandlungstermin vom  10. Oktober 2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.
10 
1. Der BFH, dem sich der Senat anschließt,  hat die Zwangsläufigkeit von Adoptionsaufwendungen i.S. von § 33 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) anhand der generell zur Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals in ständiger Rechtsprechung entwickelten Kriterien im Regelfall sowohl aus rechtlichen, aus sittlichen als auch aus tatsächlichen Gründen verneint (vgl. BFH-Entscheidungen in BStBl II 1987, 495, unter 2. a und b der Gründe; in BStBl II 1987, 596; in BFH/NV 1987, 710, und in BFH/NV 1990, 430, unter 2. der Gründe).
11 
Der BFH hat zusätzlich zugunsten von Adoptiveltern die weitere Frage geprüft, ob eine Berücksichtigung derartiger Kosten unter Umständen unter dem Gesichtspunkt von Krankheitskosten bzw. Heilbehandlungsaufwendungen erfolgen könnte. Er hat mangels einer vergleichbaren objektiven Zwangslage allerdings die Frage verneint und die Adoption nicht als eine zielgerichtete medizinische Heilmaßnahme, sondern allenfalls als eine der privaten Lebensführung zuzurechnende Folgemaßnahme i.S. von § 12 Nr. 1 EStG beurteilt (Beschluss vom 17. Mai 2000 III B 71/99, BFH/NV 2000, 1352).
12 
2. Auch das BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BStBl II 2011, 414 führt zu keiner anderen Beurteilung.
13 
a) Dort führt der BFH aus, die künstliche Befruchtung der (gesunden) Ehefrau mit Fremdsamen bezwecke zwar nicht die Beseitigung oder Linderung von Schmerzen oder Beschwerden als Symptomen der Unfruchtbarkeit des Ehemannes. Sie ziele aber -wie auch eine homologe künstliche Befruchtung wegen der Sterilität des Mannes- auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit eines Paares. Dieser komme zwar nicht selbst Krankheitswert zu. Sie sei aber im dortigen Streitfall unmittelbare Folge der Erkrankung des Klägers. Damit werde auch bei einer heterologen Insemination die durch Krankheit behinderte Körperfunktion beim Kläger - die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege - durch eine medizinische Maßnahme ersetzt.
14 
b) Im Gegensatz dazu liegt in Fällen der Adoption schon keine auf das Krankheitsbild der Betroffenen abgestimmte Heilbehandlung vor (Bergkemper, jurisPR-SteuerR 15/2011 Anm. 4).
15 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
16 
4. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Der BFH hat bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob im Anschluss an das o.g. Urteil vom 16. Dezember 2010 eine Gleichstellung der Fälle einer heterologen Insemination mit denen einer Adoption zu erfolgen hat.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.
10 
1. Der BFH, dem sich der Senat anschließt,  hat die Zwangsläufigkeit von Adoptionsaufwendungen i.S. von § 33 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) anhand der generell zur Auslegung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals in ständiger Rechtsprechung entwickelten Kriterien im Regelfall sowohl aus rechtlichen, aus sittlichen als auch aus tatsächlichen Gründen verneint (vgl. BFH-Entscheidungen in BStBl II 1987, 495, unter 2. a und b der Gründe; in BStBl II 1987, 596; in BFH/NV 1987, 710, und in BFH/NV 1990, 430, unter 2. der Gründe).
11 
Der BFH hat zusätzlich zugunsten von Adoptiveltern die weitere Frage geprüft, ob eine Berücksichtigung derartiger Kosten unter Umständen unter dem Gesichtspunkt von Krankheitskosten bzw. Heilbehandlungsaufwendungen erfolgen könnte. Er hat mangels einer vergleichbaren objektiven Zwangslage allerdings die Frage verneint und die Adoption nicht als eine zielgerichtete medizinische Heilmaßnahme, sondern allenfalls als eine der privaten Lebensführung zuzurechnende Folgemaßnahme i.S. von § 12 Nr. 1 EStG beurteilt (Beschluss vom 17. Mai 2000 III B 71/99, BFH/NV 2000, 1352).
12 
2. Auch das BFH-Urteil vom 16. Dezember 2010 VI R 43/10, BStBl II 2011, 414 führt zu keiner anderen Beurteilung.
13 
a) Dort führt der BFH aus, die künstliche Befruchtung der (gesunden) Ehefrau mit Fremdsamen bezwecke zwar nicht die Beseitigung oder Linderung von Schmerzen oder Beschwerden als Symptomen der Unfruchtbarkeit des Ehemannes. Sie ziele aber -wie auch eine homologe künstliche Befruchtung wegen der Sterilität des Mannes- auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit eines Paares. Dieser komme zwar nicht selbst Krankheitswert zu. Sie sei aber im dortigen Streitfall unmittelbare Folge der Erkrankung des Klägers. Damit werde auch bei einer heterologen Insemination die durch Krankheit behinderte Körperfunktion beim Kläger - die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege - durch eine medizinische Maßnahme ersetzt.
14 
b) Im Gegensatz dazu liegt in Fällen der Adoption schon keine auf das Krankheitsbild der Betroffenen abgestimmte Heilbehandlung vor (Bergkemper, jurisPR-SteuerR 15/2011 Anm. 4).
15 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
16 
4. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Der BFH hat bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob im Anschluss an das o.g. Urteil vom 16. Dezember 2010 eine Gleichstellung der Fälle einer heterologen Insemination mit denen einer Adoption zu erfolgen hat.
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2 Referenzen - Urteile
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published on 16/12/2010 00:00

Tatbestand 1 I. Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für eine heterologe künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen.
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 10/03/2015 00:00

Tenor Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden Württemberg vom 10. Oktober 2011  6 K 1880/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Nimmt ein Ehepaar ein Kind an oder nimmt ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten an, so erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten.

(2) In den anderen Fällen erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines Kindes des Annehmenden.

(3) Die elterliche Sorge steht in den Fällen des Absatzes 1 den Ehegatten gemeinsam, in den Fällen des Absatzes 2 dem Annehmenden zu.

Soweit in § 10 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 und 9 sowie Absatz 1a Nummer 1, den §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden

1.
die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.2Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen;
2.
freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten, auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen;
3.
die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind, und die Vorsteuerbeträge auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot der Nummer 1 oder des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 bis 5, 7 oder Absatz 7 gilt; das gilt auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen;
4.
in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen;
5.
(weggefallen)

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Soweit in § 10 Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 und 9 sowie Absatz 1a Nummer 1, den §§ 10a, 10b und den §§ 33 bis 33b nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden

1.
die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge.2Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen;
2.
freiwillige Zuwendungen, Zuwendungen auf Grund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht und Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gesetzlich unterhaltsberechtigte Person oder deren Ehegatten, auch wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen;
3.
die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind, und die Vorsteuerbeträge auf Aufwendungen, für die das Abzugsverbot der Nummer 1 oder des § 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 bis 5, 7 oder Absatz 7 gilt; das gilt auch für die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen;
4.
in einem Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und Leistungen zur Erfüllung von Auflagen oder Weisungen, soweit die Auflagen oder Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens dienen sowie damit zusammenhängende Aufwendungen;
5.
(weggefallen)

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.