Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 21. Sept. 2016 - 6 B 14/16
Gericht
Gründe
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I
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Der Kläger begehrt die Neubescheidung über das Ergebnis der von ihm abgelegten zweiten juristischen Staatsprüfung. Er hat sich mit seiner Klage gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten ZR II, ÖR I und ZHG gewandt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht haben die Beteiligten einen Vergleich geschlossen, in dem sich die Beklagte bereit erklärt hat, die Aufsichtsarbeit ÖR I durch zwei neue Prüfer bewerten zu lassen und den Kläger im Hinblick auf die Gesamtnote erneut zu bescheiden. Im Gegenzug hat der Kläger von seinen Angriffen auf die Bewertung der Aufsichtsarbeit ZHG Abstand genommen und die Beteiligten haben den Rechtsstreit hinsichtlich der Aufsichtsarbeiten ÖR I und ZHG übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren im Umfang des für erledigt erklärten Teils eingestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Neubewertung der Aufsichtsarbeit ÖR I hat zu keiner besseren Bewertung geführt. Die Beklagte hat den Kläger dahingehend beschieden, dass es bei der ursprünglich zu Grunde gelegten Bewertung der Aufsichtsarbeit ÖR I und der bisherigen Gesamtnote verbleibe. Auf den im Berufungsverfahren angebrachten Antrag auf Neubescheidung über die Gesamtnote nach vorzunehmender Neubewertung der Aufsichtsarbeiten ZR II und ÖR I hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, die Aufsichtsarbeit ÖR I erneut zu bewerten und über die Gesamtnote erneut zu entscheiden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Beschwerde eingelegt und jeweils die Zulassung der Revision begehrt.
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II
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Weder die Beschwerde des Klägers (1.) noch die Beschwerde der Beklagten (2.) haben Erfolg.
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1. Der Kläger kann mit seiner auf die Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (a.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (b.) gestützten Beschwerde nicht durchdringen.
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a. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass das Oberverwaltungsgericht, wie der Kläger rügt, das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs aus § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG verletzt hat. Es geht ins Leere, wenn der Kläger geltend macht, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit seinem Vorbringen zu den an ein Überdenkensverfahren zu stellenden Anforderungen in Bezug auf die Behandlung der vorgebrachten Einwendungen und die Verfehlung dieser Anforderungen durch die Prüfer der Aufsichtsarbeit ZR II bei der Behandlung der von ihm mit seinem Widerspruch erhobenen Rügen befasst.
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Zwar hat sich das Oberverwaltungsgericht dem besagten Vortrag des Klägers nicht in einem in sich geschlossenen Zusammenhang zugewandt. Jedoch finden sich in den Urteilsgründen hinreichende Belege dafür, dass es ihn zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt hat. Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen seiner auf etwaige Fehler bei der Beurteilung der Aufsichtsarbeit ZR II gerichteten Prüfung die von dem Erstprüfer im Überdenkensverfahren abgegebene Stellungnahme zu den von dem Kläger erhobenen Rügen in Bezug gesetzt (UA S. 17) und dadurch zum Ausdruck gebracht, dass es den Inhalt der Stellungnahme für beachtlich erachtet hat. Das Oberverwaltungsgericht hat darüber hinaus zu der Stellungnahme des Zweitprüfers - wenn auch im Hinblick auf die verneinte Frage der Befangenheit - ausgeführt, die Prüfer hätten sich im Überdenkensverfahren mit den begründeten Einwendungen des Prüflings auseinanderzusetzen, müssten jedoch nicht auf jeden Aspekt dieser Einwendungen schriftlich eingehen. Es hat hierzu in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, der Stellungnahme des Zweitprüfers lasse sich trotz ihrer Kürze entnehmen, dass der Prüfer die Einwendungen des Klägers zur Kenntnis genommen und sich im Hinblick auf diese erneut mit der gefertigten Aufsichtsarbeit auseinandergesetzt habe. Denn der Zweitprüfer habe ausgeführt, der Kläger strebe eine Bewertung mit acht Punkten an und räume ein, dass in seiner Arbeit Licht und Schatten verteilt seien. Der Zweitprüfer habe sich zudem ausdrücklich mit der Frage einer höheren Bewertung der Arbeit beschäftigt. Dies ergebe sich aus seiner Erklärung, dass er eine Bewertung mit sieben Punkten nach wie vor für angemessen halte (UA S. 20).
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Im Übrigen gilt hier wie auch sonst, dass die mit dem Gebot des rechtlichen Gehörs verbundene Verpflichtung des Gerichts, das Vorbringen jedes Beteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, nicht bedeutet, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen behandeln muss. Vielmehr sind nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO in dem Urteil nur diejenigen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht erwähnt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem materiell-rechtlichen Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (stRspr, vgl. etwa m.w.N.: BVerwG, Beschluss vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI:DE:BVerwG:2015:270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 25). Eine derartige Konstellation besteht hier nicht. Das Oberverwaltungsgericht ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu anderen Schlussfolgerungen gelangt, als sie der Kläger für richtig hält. Dagegen schützt der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.
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b. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich nicht, dass diese Voraussetzungen für die von ihm als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen erfüllt sind.
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Der Kläger möchte zunächst grundsätzlich geklärt wissen,
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"ob der aus den Art. 12 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgende Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der Bewertung im Lichte seiner substantiierten Einwände bereits hinreichend erfüllt ist, wenn der Prüfer in seiner Stellungnahme nur behauptet, sich mit diesen auseinandergesetzt zu haben und/oder diese pauschal zurückweist, oder ob es vielmehr erforderlich ist, dass der Prüfer die Einwände des Prüflings in seiner Stellungnahme grundsätzlich im Einzelnen bescheidet."
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Der derart umschriebenen Frage kommt die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst, nicht zu, weil sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig ist.
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Zum einen stellt sich die aufgeworfene Frage auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht in entscheidungserheblicher Weise. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass sich die mit der Aufsichtsarbeit ZR II befassten Prüfer - wie von der Fragestellung vorausgesetzt und in der Beschwerdebegründung durch den Verweis auf zwei von den Oberverwaltungsgerichten Lüneburg und Münster entschiedene Fälle konkretisiert - in ihren im Rahmen des Überdenkensverfahrens abgegebenen Stellungnahmen nur behauptet hätten, sich mit den von dem Kläger angebrachten Einwänden auseinandergesetzt zu haben, bzw. diese Einwände pauschal zurückgewiesen hätten. Das Oberverwaltungsgericht hat vielmehr, wie bereits ausgeführt, im Hinblick auf die Stellungnahme des Zweitprüfers die Feststellung getroffen, dass dieser die Einwendungen des Klägers zur Kenntnis genommen hat und auf deren Grundlage in eine erneute Auseinandersetzung mit der Aufsichtsarbeit eingetreten ist. Auch die Stellungnahme des Erstprüfers hat das Oberverwaltungsgericht in Bezug auf Ausführlichkeit und Gehalt nicht in dem von dem Kläger beschriebenen Sinne eingeordnet. Es hat sie im Gegenteil in seine Prüfung betreffend das Vorliegen von Beurteilungsfehlern einbezogen.
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Zum anderen hängen der Umfang und die Begründungstiefe, die eine im Überdenkensverfahren abgegebene Stellungnahme aufweisen muss, von der Substanz der im konkreten Fall vorgebrachten Einwendungen des Prüflings ab. Sie sind deshalb einer allgemeinen, von den Umständen des Einzelfalls unabhängigen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich (vgl. BFH, Urteil vom 3. Februar 2004 - VII R 1/03 - BFHE 204, 546 <554> und zur Begründung von Prüfungsbewertungen allgemein: BVerwG, Beschluss vom 8. März 2012 - 6 B 36.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 411 Rn. 11).
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Grundsatzbedeutung misst der Kläger des Weiteren den miteinander zusammenhängenden Fragen zu,
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"welche Auswirkungen es auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung hat, wenn grundlegende Anforderungen für die Durchführung des Überdenkungsverfahrens - wie etwa das Erfordernis einer zeitnahen Stellungnahme des Prüfers - missachtet werden und ob und inwieweit hiergegen Rechtsschutz zu gewähren ist,"
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sowie
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"wann eine Stellungnahme noch 'zeitnah' im Sinne des Postulats des Bundesverwaltungsgerichts (siehe BVerwGE 92, 132 ff., 3. Leitsatz) erfolgt, und wirkungsvollen Rechtsschutz zu gewährleisten imstande ist."
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Auch diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
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Beide Fragen sind in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Ob Verfahrensfehler bei der Durchführung des Überdenkensverfahrens Auswirkungen - und gegebenenfalls welche - auf die Rechtmäßigkeit einer Prüfungsentscheidung haben, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur in Bezug auf den jeweils in Rede stehenden Verfahrensfehler beantworten. Wird die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene erste Frage deshalb unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens einschränkend dahingehend verstanden, dass es dem Kläger lediglich um die Auswirkungen von Verstößen gegen das Erfordernis einer zeitnahen Stellungnahme des Prüfers auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsentscheidung geht, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit. Denn zur Klärung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, da sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten lässt. Nach der Rechtsprechung des Senats verbieten es weder der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Grundrechtsschutz im Hinblick auf die Gestaltung des Prüfungsverfahrens noch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes, eine Bewertung einer Prüfungsleistung mit entsprechender neuer Begründung nachzuholen und auf diese Weise einen früheren Begründungsmangel zu korrigieren. Zwar sollen die inhaltliche Befassung mit der Prüfungsleistung und deren Bewertung (samt Begründung) grundsätzlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung erfolgen, sie sind aber auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <270 ff.>). Dies gilt grundsätzlich auch für das Überdenkensverfahren. Erfolgt die inhaltliche Befassung mit der Prüfungsleistung und deren Bewertung nicht mehr in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung, kann dies zwar gegebenenfalls zu Schadensersatzansprüchen wegen einer Amtspflichtverletzung führen. Verzögerungen bei der Durchführung des Überdenkensverfahrens haben jedoch ebenso wenig wie Verstöße gegen das allgemeine verfahrensrechtliche Gebot der Zügigkeit des Verfahrens (vgl. § 10 Satz 2 VwVfG) die Fehlerhaftigkeit der Prüfungsentscheidung zur Folge, solange keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Verzögerung auch auf das Ergebnis ausgewirkt hat. Solche Anhaltspunkte hat der Kläger nicht dargelegt und sind auch nicht ersichtlich.
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Die zweite Frage des Klägers ist ebenfalls in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Wann eine Stellungnahme noch "zeitnah" erfolgt, lässt sich nicht losgelöst von den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilen.
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Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Entscheidung, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZR II nicht aus der langen Dauer des im vorliegenden Fall durchgeführten Überdenkensverfahrens herleiten könne, selbstständig tragend darauf gestützt, dass die von dem Kläger begehrte Neubewertung der Aufsichtsarbeit ZR II den Abstand zwischen erbrachter Prüfungsleistung und Bewertung nur noch weiter vergrößern und damit dem Zweck eines möglichst zeitnah durchgeführten Überdenkensverfahrens erst recht zuwiderlaufen würde. Auf diesen Begründungsstrang geht der Kläger mit den beiden hier in Rede stehenden Fragen nicht ein. Ist eine angegriffene Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen gestützt, kann die Revision jedoch nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 4. Oktober 2013 - 6 B 13.13 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 181 Rn. 20 und vom 15. Mai 2015 - 6 B 53.14 - juris Rn. 6).
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2. Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Beklagten hat ebenfalls keinen Erfolg.
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Die Beklagte hält folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
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"Gibt es einen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz des Inhalts, dass die Bewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf?
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Wenn ja, stellt es einen Widerspruch in diesem Sinne dar, wenn der Prüfer eine Lösung als im konkreten Fall vertretbar ansieht, sie aber zugleich - etwa als unglücklich - abwertet?"
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Diese Fragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
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Die Frage, ob es einen allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz des Inhalts gibt, dass die Bewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf, ist nicht klärungsbedürftig; denn sie lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten ohne weiteres bejahen. Nach ständiger Rechtsprechung ist der den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen verbleibende Entscheidungsspielraum überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. August 2011 - 6 B 18.11 - juris Rn. 16 m.w.N.). Es bedarf keiner vertieften Begründung, dass allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe jedenfalls dann verletzt werden, wenn die Begründung einer Bewertung nicht in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist. Ebenso wenig muss in einem Revisionsverfahren geklärt werden, dass eine in diesem Sinne widersprüchliche Begründung nicht bereits dann vorliegt, wenn eine Lösung zwar als vertretbar, aber nicht als optimal bewertet wird. Ob es im Sinne der zweiten Frage der Beklagten einen Widerspruch darstellt, wenn der Prüfer eine Lösung als im konkreten Fall vertretbar ansieht, sie aber zugleich - etwa als "unglücklich" - kritisiert, ist eine Frage des Einzelfalls und entzieht sich einer rechtsgrundsätzlichen Klärung.
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Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob das Oberverwaltungsgericht auf den Rechtssatz, dass die Bewertungsbegründung nicht in sich widersprüchlich sein darf, überhaupt entscheidungserheblich abgestellt hat. Hieran bestehen allerdings Zweifel.
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Die Beklagte knüpft mit den von ihr als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen vor allem an den von dem Oberverwaltungsgericht verwandten Satz an, das Votum des Erstprüfers der Aufsichtsarbeit ÖR I sei widersprüchlich und verletze damit allgemeine Bewertungsmaßstäbe (UA S. 13). Näheren Aufschluss über den Rechtssatz, auf den das Oberverwaltungsgericht seine Einschätzung, das in Rede stehende Votum sei fehlerhaft, gestützt hat, geben indes erst die mit dem besagten Satz zusammenhängenden weiteren Gründe des Berufungsurteils (UA S. 13 f.). Darin heißt es, der Prüfer habe den Aufbau der Aufsichtsarbeit zum einen als unglücklich, zum anderen aber als wohl vertretbar bezeichnet. Ein vertretbares Ergebnis könne unzureichend begründet sein, oder ein grundsätzlich vertretbarer Aufbau könne im Einzelfall auf Grund von Besonderheiten des Falls unglücklich sein. Soweit aber ein Aufbau als im konkreten Fall vertretbar angesehen werde, könne dieser nicht widerspruchsfrei zugleich als unglücklich abgewertet werden. Falls der Erstprüfer lediglich seine persönliche, nicht zu Lasten des Klägers gehende Auffassung zum Ausdruck habe bringen wollen, sei dies nicht hinreichend deutlich geworden. Denn die Bezeichnung als vertretbar werde durch den Zusatz "wohl" eingeschränkt, was bereits Zweifel daran wecke, ob der Erstprüfer den Prüfungsaufbau tatsächlich als vertretbar angesehen habe. Auch stelle der die Vertretbarkeit betreffende Satz nur einen Nachklapp im Anschluss an die Passage dar, in der sich der Erstprüfer kritisch über den Prüfungsaufbau äußere. Auf Grund dieses Kontextes der Aufbaukritik müsse angenommen werden, dass diese maßgeblich für die Bewertung gewesen sei und nicht lediglich eine beiläufige, für die Bewertung unerhebliche Mitteilung der persönlichen Auffassung des Prüfers darstelle.
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Nach diesen Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts liegt die Annahme nicht fern, dass es im Ergebnis nicht auf einen eigenständigen Bewertungsgrundsatz der Widerspruchsfreiheit in dem von der Beklagten angenommenen Sinne, sondern vielmehr auf den allgemeingültigen Bewertungsgrundsatz abgestellt hat, dass richtige oder vertretbare Aufgabenlösungen nicht als falsch bewertet werden dürfen. Durch diesen Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch der jenseits der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit des fachwissenschaftlichen Bereichs einer Prüfungsbeurteilung bestehende Beurteilungsspielraum der Prüfer für prüfungsspezifische Wertungen - insbesondere im Hinblick auf die für die Notenvergabe entscheidende Gewichtung der Stärken und Schwächen der jeweiligen Bearbeitung - beschränkt (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Mai 2004 - 6 B 25.04 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 406 S. 68 und vom 16. August 2011 - 6 B 18.11 - juris Rn. 16). Ein entsprechendes Verständnis des Berufungsurteils zu Grunde gelegt, wäre das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen den besagten Grundsatz auch dann vorliegt, wenn ein Prüfer eine Antwort zwar als vertretbar ansieht, diese aber bei der Bewertung abwertet, weil sie nicht die optimale Lösung darstelle (vgl. dazu: Fischer, in: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 634). Das Oberverwaltungsgericht hätte danach unter Würdigung der von ihm festgestellten Umstände des konkreten Einzelfalls einen Beurteilungsfehler bejaht.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Annotations
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.