Bundessozialgericht Beschluss, 19. Apr. 2012 - B 2 U 5/12 C

published on 19/04/2012 00:00
Bundessozialgericht Beschluss, 19. Apr. 2012 - B 2 U 5/12 C
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Tenor

Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen das Urteil des Senats vom 31. Januar 2012 (B 2 U 12/11 R) wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1

I. In der Revisionssache B 2 U 12/11 R fand am 31.1.2012 die mündliche Verhandlung vor dem Senat statt. Sie begann um 13.03 Uhr und endete um 14.19 Uhr. Der Senat hat mit Urteil vom 31.1.2012 (B 2 U 12/11 R) die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 19.5.2011 zurückgewiesen. Das Urteil ist der Beklagten am 2.4.2012 zugestellt worden.

2

Die Beklagte hat am 8.2.2012 Anhörungsrüge erhoben. Das Urteil sei mündlich tragend dahingehend begründet worden, dass dem Bescheid der Beklagten vom 6.3.2009 eine Ermächtigungsgrundlage fehle, da die Beklagte nach abgeschlossenem Verwaltungsverfahren nicht befugt sei, gegenüber dem Kläger einen Verwaltungsakt zu erlassen. In der mündlichen Verhandlung habe der Bevollmächtigte der Beklagten aber vorgetragen, dass die an den Beigeladenen gezahlte Rente nur als Vorschuss erbracht worden sei. Mithin sei das Verwaltungsverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen, als die Beklagte den streitigen Verwaltungsakt erlassen habe. Der Vorsitzende des Senats habe erwidert, dass dies dem Gericht nicht bekannt sei. In der mündlichen Urteilsbegründung habe er das Verwaltungsverfahren aber als abgeschlossen bezeichnet. Tatsächlich sei erst unter dem 23.2.2011 ein Bescheid über die Zahlung von Verletztenrente auf Dauer erlassen worden. Da der Senat das Vorbringen der Beklagten nicht berücksichtigt habe, sei sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Verletzung sei rechtserheblich, weil nicht auszuschließen sei, dass der Senat bei Berücksichtigung ihres Vorbringens zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Insbesondere hätte § 12 Abs 2 Satz 1 SGB X doch die erforderliche Ermächtigung zum Erlass des Bescheids vom 6.3.2009 sein können.

3

Die Beklagte beantragt,
das Revisionsverfahren in die Lage zurückzuversetzen, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand und das Revisionsverfahren fortzuführen.

4

Der Kläger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

5

II. Die statthafte Anhörungsrüge ist unzulässig.

6

Zulässig ist die Anhörungsrüge, wenn eine entscheidungserhebliche Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Gericht dargelegt wird (§ 178a Abs 1 Satz 1 Nr 2, Abs 2 Satz 5 SGG). Dazu ist darzulegen, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen sich ein Revisionsführer in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren nicht habe äußern können oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder in Erwägung gezogen habe. Auch ist darzulegen, weshalb ohne den Gehörsverstoß eine günstigere Entscheidung nicht ausgeschlossen werden kann (vgl BSG vom 18.5.2009 - B 3 KR 1/09 C - SozR 4-1500 § 178a Nr 8). Daran fehlt es.

7

Die Beklagte hat die Rüge fristgerecht erhoben. Die Erhebung der Rüge schon vor Zustellung des verkündeten Urteils schadet nicht, da ausnahmsweise auch die Verkündung des Urteils als möglicher Bezugspunkt der Kenntnis der Verletzung rechtlichen Gehörs in Betracht kommt. Zwar können die Darlegungsanforderungen regelmäßig nur innerhalb der Einlegungsfrist nach § 178a Abs 2 Satz 1 Halbs 1 SGG wirksam erfüllt werden. Die Frist beginnt in aller Regel frühestens mit der Zustellung des vollständigen Textes der Entscheidung, da eine Rüge nur gegen eine ergangene Entscheidung erhoben werden kann. Ausnahmsweise kann die Kenntnis der Rechtsverletzung aber schon durch die Verkündung des Urteils bewirkt werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 178a RdNr 7).

8

Der Senat kann offenlassen, ob die von der Beklagten vorgetragenen Umstände überhaupt geeignet sind, zu einer Verletzung rechtlichen Gehörs zu führen. Denn jedenfalls hat die Beklagte nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt, dass die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs entscheidungserheblich gewesen sein kann.

9

Insoweit hat sie zwar vorgetragen, der Senat hätte zu einer anderen Entscheidung gelangen können, falls er zur Kenntnis genommen hätte, dass das Verwaltungsverfahren wegen der Zahlung einer Rente bei Erlass des Verwaltungsakts vom 6.3.2009 noch offen gewesen ist. Sie hat sich aber nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, welche Folgen es für das Revisionsgericht hat, dass zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat positiv über die Gewährung einer Rente auf Dauer an den Beigeladenen entschieden war. Sie hat auch nicht dargelegt, dass das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung noch berücksichtigt werden durfte, obwohl der Senat grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des LSG gebunden ist (§ 163 SGG).

10

Zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des gerügten Verstoßes hat sie auch nicht erörtert, ob das Verwaltungsverfahren, dessen Gegenstand die vorläufige Bewilligung von Rentenleistungen war, mit deren Bewilligung nicht abgeschlossen ist (§ 8 SGB X; § 62 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Die Erklärung der Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung könnte sich nämlich allein auf das materielle Recht beziehen, zB auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen innerhalb der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall die Höhe der MdE ohne Rücksicht auf Veränderungen neu festgestellt werden kann (§ 62 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Es wäre daher zu erörtern gewesen, ob das Verwaltungsverfahren wegen Bewilligung der Rente bis zur Entscheidung über einen Anspruch auf Rente auf Dauer "weiterläuft". Dazu bestand auch deshalb Grund, weil ein Anspruch auf Rente auf Dauer entstehen kann, ohne dass die Beklagte das Verwaltungsverfahren neu durchführt oder fortsetzt, da das Recht auf Rente als vorläufige Entschädigung allein durch Zeitablauf zu einem solchen auf Dauer werden kann (vgl § 62 Abs 2 Satz 1 SGB VII).

11

Da nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt ist, dass das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist, ist die Anhörungsrüge unzulässig und ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu verwerfen (BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 5 mwN).

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.
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published on 31/01/2012 00:00

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 19. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Die
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Annotations

(1) Beteiligte sind

1.
Antragsteller und Antragsgegner,
2.
diejenigen, an die die Behörde den Verwaltungsakt richten will oder gerichtet hat,
3.
diejenigen, mit denen die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen will oder geschlossen hat,
4.
diejenigen, die nach Absatz 2 von der Behörde zu dem Verfahren hinzugezogen worden sind.

(2) Die Behörde kann von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als Beteiligte hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten, ist dieser auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen; soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen.

(3) Wer anzuhören ist, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, wird dadurch nicht Beteiligter.

(1) Auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Formlos mitgeteilte Entscheidungen gelten mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, so ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, so hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies aufgrund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. In schriftlichen Verfahren tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können. Für den Ausspruch des Gerichts ist § 343 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(6) § 175 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Das Verwaltungsverfahren im Sinne dieses Gesetzbuches ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass des Verwaltungsaktes oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein.

(1) Während der ersten drei Jahre nach dem Versicherungsfall soll der Unfallversicherungsträger die Rente als vorläufige Entschädigung festsetzen, wenn der Umfang der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit jederzeit ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden.

(2) Spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall wird die vorläufige Entschädigung als Rente auf unbestimmte Zeit geleistet. Bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung kann der Vomhundertsatz der Minderung der Erwerbsfähigkeit abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.