Bundessozialgericht Urteil, 01. Juli 2010 - B 11 AL 31/09 R

published on 01/07/2010 00:00
Bundessozialgericht Urteil, 01. Juli 2010 - B 11 AL 31/09 R
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Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. September 2009 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 24. Juni 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juni 2007 aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Nebeneinkommen auf Arbeitslosengeld (Alg) anzurechnen ist.

2

Der Kläger war vom 1.7.2002 bis 31.7.2006 bei der N. GmbH & Co-KG versicherungspflichtig beschäftigt. In der Zeit vom 1.8.2005 bis 31.7.2006 übte er zusätzlich eine geringfügige Beschäftigung im Umfang von bis zu 14 Stunden wöchentlich gegen ein monatliches Entgelt von 400 Euro bei der Firma R. Computer GmbH (R.) aus.

3

Die Beklagte bewilligte dem Kläger Alg ab 1.8.2006 in Höhe von täglich 44,82 Euro bzw ab 1.9.2006 wegen Änderung der Lohnsteuerklasse in Höhe von 38,18 Euro bis einschließlich 30.7.2007. Am 21.11.2006 nahm der Kläger eine neue geringfügige Beschäftigung beim TSV C. (C) gegen ein monatliches Entgelt von 400 Euro auf und übte diese bis einschließlich 30.4.2007 aus.

4

Nach Anhörung hob die Beklagte mit Bescheid vom 17.1.2007 die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 1.12.2006 bis 30.4.2007 teilweise auf und rechnete wegen des Nebeneinkommens von 400 Euro einen Betrag von täglich 7,83 Euro (400 Euro abzüglich Freibetrag von 165 Euro, geteilt durch 30) an, sodass sich für den Änderungszeitraum noch ein täglicher Leistungsbetrag von 30,35 Euro ergab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1.6.2007).

5

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.6.2008). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 16.9.2009). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Aufnahme einer mit einer monatlichen Entlohnung von 400 Euro verbundenen geringfügigen Beschäftigung ab 21.11.2006 stelle eine Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar. Dem Kläger stehe für das Nebeneinkommen lediglich ein Freibetrag von 165 Euro gemäß § 141 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und nicht von 400 Euro gemäß § 141 Abs 2 SGB III zu. Eine bei Anspruchsbeginn bereits beendete Erwerbstätigkeit begründe keinen privilegierten Freibetrag; § 141 Abs 2 SGB III sei vielmehr nur anzuwenden auf eine zur Zeit des Anspruchsbeginns ausgeübte und damit fortgeführte Erwerbstätigkeit. Dies ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien und aus der Kommentarliteratur zu § 141 SGB III. Der Kläger habe die geringfügige Beschäftigung nicht fortgesetzt, sondern sie zwischen Anspruchsbeginn und Aufnahme der Tätigkeit nahezu vier Monate unterbrochen; damit sei die Privilegierung nicht anwendbar. Dieses Ergebnis entspreche Sinn und Zweck des § 141 Abs 2 SGB III. Der Kläger habe das Alg zunächst anrechnungsfrei erhalten, sodass die ursprüngliche Höhe des Alg durch das spätere Arbeitseinkommen nicht beeinflusst worden sei. Sein Lebensstandard sei nicht nur durch die eingetretene Arbeitslosigkeit beeinflusst gewesen, sondern auch durch die Beendigung der geringfügigen Beschäftigung. Das Verschieben einer erneuten Beschäftigungsaufnahme während des Bezugs von Alg habe nichts mehr mit der vom Gesetzgeber gewünschten Anknüpfung an den vor der Arbeitslosigkeit bestehenden Lebensstandard zu tun.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 141 Abs 2 SGB III. Die Voraussetzungen für die Anrechnungsfreiheit des ab Dezember 2006 erzielten Nebeneinkommens seien gegeben. Er habe in den letzten 18 Monaten vor Entstehen des Anspruchs mindestens zwölf Monate lang eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt. Der Freibetrag nach § 141 Abs 2 SGB III sei von keiner weiteren Voraussetzung abhängig, insbesondere nicht davon, dass die geringfügige Beschäftigung bei Eintritt der Arbeitslosigkeit noch ausgeübt werde.

7

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG vom 16. September 2009 und des SG vom 24. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. Juni 2007 aufzuheben.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

9

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bleibt das vom Kläger in der Zeit von Dezember 2006 bis April 2007 aus einer geringfügigen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt von monatlich 400 Euro gemäß § 141 Abs 2 SGB III anrechnungsfrei. Der angefochtene Anrechnungsbescheid ist deshalb aufzuheben.

11

1. Zu entscheiden ist ausschließlich über die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 17.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2007, mit dem die Beklagte die ursprüngliche Alg-Bewilligung nur für die Zeit vom 1.12.2006 bis 30.4.2007 teilweise aufgehoben, die Bewilligung im Übrigen aber unverändert belassen hat. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist somit die Frage, ob dem Kläger in den weiteren Zeiträumen (1.8. bis 30.11.2006 bzw 1.5. bis 30.7.2007) Alg zutreffend bewilligt worden ist.

12

2. Der Bescheid vom 17.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2007 ist rechtswidrig. Eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist im Vergleich zu den der Alg-Bewilligung zu Grunde liegenden Verhältnissen nicht eingetreten.

13

Eine Änderung ist wesentlich iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, wenn der Verwaltungsakt, so wie er ursprünglich erlassen wurde, nach neuer Sach- und Rechtslage nicht mehr ergehen dürfte; maßgebend ist das jeweilige materielle Recht (vgl ua BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19 S 36). Zwar hat sich im Vergleich zur ursprünglichen Alg-Bewilligung für die Zeit ab 1.8.2006 die Sachlage insofern geändert, als der Kläger ab 1.12.2006 ein Nebeneinkommen von 400 Euro erzielt hat. Nach dem einschlägigen materiellen Recht bleibt dieses Einkommen aber anrechnungsfrei.

14

a) Die Anrechnung von Nebeneinkommen aus einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung, die während einer Zeit, für die dem Arbeitslosen Alg zusteht, ausgeübt wird, richtet sich zunächst nach § 141 Abs 1 Satz 1 SGB III in der hier anwendbaren Fassung, die die Vorschrift durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) erhalten hat. Danach ist grundsätzlich das erzielte Arbeitsentgelt nach Abzug der Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Werbungskosten sowie eines Freibetrages in Höhe von 165 Euro für den Kalendermonat, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird, anzurechnen. Eine Sonderregelung ist jedoch in § 141 Abs 2 SGB III in der vorbezeichneten Fassung für den Fall getroffen, dass der Arbeitslose in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruchs neben einem Versicherungspflichtverhältnis eine geringfügige Beschäftigung mindestens zwölf Monate lang ausgeübt hat; erzieltes Arbeitsentgelt bleibt dann bis zu dem Betrag anrechnungsfrei, der in den letzten zwölf Monaten vor der Entstehung des Anspruchs aus einer geringfügigen Beschäftigung durchschnittlich auf den Monat entfällt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Freibetrags, der sich nach Abs 1 ergeben würde.

15

b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) liegen die Voraussetzungen des § 141 Abs 2 SGB III für die Anrechnungsfreiheit des vom Kläger in der Zeit ab Dezember 2006 erzielten Arbeitsentgelts von 400 Euro monatlich vor. Der Anspruch des Klägers auf Alg ist am 1.8.2006 entstanden. In den davor liegenden letzten 18 Monaten hat der Kläger neben seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung eine geringfügige Beschäftigung mindestens zwölf Monate lang ausgeübt, nämlich die Beschäftigung im Umfang bis zu 14 Wochenstunden gegen ein monatliches Entgelt von 400 Euro bei der Firma R. in der Zeit vom 1.8.2005 bis 31.7.2006. Hieraus folgt, dass das Arbeitsentgelt aus der vom Kläger während des Alg-Bezugs ausgeübten geringfügigen Beschäftigung bei C bis zu dem insgesamt erzielten Betrag von 400 Euro monatlich anrechnungsfrei bleibt; denn dieser Betrag entspricht demjenigen, der in den letzten zwölf Monaten vor der Entstehung des Anspruchs (August 2005 bis Juli 2006) durchschnittlich auf den Monat entfällt.

16

c) Der Gesetzeswortlaut gibt keinen Anhalt für die von der Beklagten geäußerte Auffassung, die Privilegierung bei der Anrechnung greife nur dann, wenn die ursprüngliche Tätigkeit weitergeführt werde, es sich also bei der vor Entstehung des Alg-Anspruchs und der danach ausgeübten geringfügigen Beschäftigung um dieselbe Tätigkeit handele. Ebenso wenig spricht der Wortlaut des § 141 Abs 2 SGB III für die Annahme des LSG, die während des Alg-Bezugs bzw der Anspruchsberechtigung ausgeübte Tätigkeit müsse sich ohne Unterbrechung und damit nahtlos an eine zuvor ausgeübte geringfügige Beschäftigung anschließen.

17

§ 141 Abs 2 SGB III nennt als Voraussetzung für die Privilegierung nur die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung in den letzten 18 Monaten vor der Entstehung des Anspruchs mit einer Dauer von mindestens zwölf Monaten. Dem Gesetzeswortlaut ist somit zu entnehmen, dass Anrechnungsfreiheit auch in Fällen in Betracht kommt, in denen eine geringfügige Beschäftigung zeitweise nicht ausgeübt worden ist. Weder für die Zeit vor Anspruchsbeginn noch für die Zeit danach findet sich im Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung, es müsse sich um eine einheitliche Beschäftigung handeln oder es sei eine zusammenhängende Ausübung zu verlangen. Dementsprechend wird im Schrifttum angenommen, dass die Gesamtdauer von zwölf Monaten auch durch Zusammenrechnung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen erreicht werden kann und dass eine Identität von Arbeitszeiten und Verdiensten nicht erforderlich ist (Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 30; Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 141 RdNr 114, Stand Oktober 2006).

18

d) Aus den im LSG-Urteil erwähnten Gesetzesmaterialien, in denen von der "Fortführung" einer Tätigkeit die Rede ist (BT-Drucks 14/873 S 14, zu Nr 21 Buchst c), lässt sich ebenfalls kein zwingendes Argument für die Auffassung herleiten, die Anrechnungsfreiheit nach § 141 Abs 2 SGB III erfordere die nahtlose Fortführung einer vor Anspruchsbeginn ausgeübten Tätigkeit. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die genannten Materialien die inzwischen aufgehobene Vorschrift des § 141 Abs 3 SGB III idF des Zweiten SGB III-Änderungsgesetzes(2. SGB III-ÄndG) vom 21.7.1999 (BGBl I 1648), also die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit, betreffen. Unabhängig davon ist zu beachten, dass sich der Begriff der "Fortführung" nicht im Gesetzeswortlaut niedergeschlagen hat. Auch schließt eine "Fortführung" nicht notwendigerweise das Erfordernis der Nahtlosigkeit ein; eine früher ausgeübte geringfügige Beschäftigung kann auch nach einem zeitlichen Intervall später wieder aufgenommen und insofern fortgeführt werden. Soweit deshalb in der Kommentarliteratur zu § 141 Abs 2 SGB III davon die Rede ist, Abs 2 beziehe sich auf Fälle, in denen der Arbeitslose eine geringfügige Tätigkeit fortführe(zB Keller in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 141 RdNr 61; Hünecke in Gagel, SGB II/SGB III, § 141 SGB III RdNr 78, Stand Mai 2007), ergibt sich hieraus nicht zwingend die Folgerung, es müsse in jedem Fall eine vor Anspruchsbeginn verrichtete Tätigkeit nahtlos weiter ausgeübt werden.

19

Aus der Entstehungsgeschichte des § 141 SGB III und den hierzu vorliegenden Gesetzesmaterialien ergeben sich auch im Übrigen keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit der Auffassung des LSG. Im Vergleich zu § 115 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der die Privilegierung noch an die ständige Ausübung einer kurzzeitigen Beschäftigung im Bemessungszeitraum geknüpft hatte(vgl § 115 Abs 2 AFG), war § 141 SGB III idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 594) darauf ausgerichtet, die Anrechnung von Nebeneinkommen großzügiger zu gestalten (vgl BT-Drucks 13/4941 S 180). § 141 Abs 2 SGB III idF des AFRG sah dementsprechend die Möglichkeit der Anrechnungsfreiheit bereits vor, wenn der Arbeitslose während des Bemessungszeitraums eine geringfügige Beschäftigung mindestens drei Monate lang ausgeübt hatte. Die nachfolgende Änderung des § 141 Abs 2 SGB III durch das 2.SGB III-ÄndG vom 21.7.1999 (BGBl I 1648) mit der Einführung eines Rahmens von zwölf Monaten, in dem eine geringfügige Beschäftigung mindestens zehn Monate lang ausgeübt worden sein musste, sollte zwar Missbrauchsmöglichkeiten entgegenwirken und Anrechnungsfreiheit nur noch zulassen, wenn der Verdienst aus der Nebenbeschäftigung bereits über einen längeren Zeitraum den Lebensstandard mitbestimmt hatte (vgl BT-Drucks 14/873 S 14, zu Nr 21 Buchst b). Weder der Begründung zum 2.SGB III-ÄndG noch den Materialien zur späteren Änderung des Abs 2 durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (aaO) mit Erweiterung des Rahmens auf 18 Monate und der für die vorherige Beschäftigung vorgeschriebenen Mindestdauer auf zwölf Monate (vgl BT-Drucks 15/1515 S 86, zu Nr 73) ist aber zu entnehmen, der Gesetzgeber habe beabsichtigt, die Anrechnungsfreiheit von dem Erfordernis der nahtlosen Fortführung einer geringfügigen Beschäftigung abhängig zu machen.

20

e) Die Annahme der Notwendigkeit einer nahtlosen Fortführung lässt sich entgegen der Auffassung des LSG auch nicht mit Sinn und Zweck des § 141 Abs 2 SGB III begründen, nämlich der Vermeidung einer Anrechnung wegen Nichtberücksichtigung des Entgelts aus der geringfügigen Beschäftigung bei der Bemessungsgrundlage(vgl BT-Drucks 11/4124 S 229 zur Vorgängervorschrift des § 115 Abs 2 AFG) bzw der Wahrung des Lebensstandards durch Beibehaltung eines privilegierten Freibetrags bei weiterem Bezug von Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung (BT-Drucks 14/873 S 14 zu Nr 21 Buchstabe b).

21

Soweit das LSG in diesem Zusammenhang ausführt, der Kläger habe das Alg zunächst anrechnungsfrei und damit unbeeinflusst von später erzieltem Arbeitseinkommen erhalten, verkennt es, dass § 141 Abs 2 SGB III für den Arbeitslosen erst dann relevant wird, wenn er ein Nebeneinkommen erzielt. Soweit das LSG annimmt, der Lebensstandard des Klägers sei nicht nur durch die eingetretene Arbeitslosigkeit beeinflusst gewesen, sondern auch durch die Beendigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses vor Beginn des Alg-Bezugs, beachtet es nicht hinreichend den konkreten Regelungsinhalt. Denn der Gesetzgeber hat die Zielsetzung, dem Arbeitslosen Nebeneinkünfte zu belassen, die schon längere Zeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit seinen Lebensstandard mitbestimmt haben (vgl BSGE 97, 80 = SozR 4-4300 § 141 Nr 3, jeweils RdNr 15), nicht auf Fälle der Erzielung von Nebeneinkommen ohne Unterbrechung beschränkt. Für die Privilegierung des § 141 Abs 2 SGB III reicht es vielmehr aus, dass eine den Lebensstandard mitbestimmende geringfügige Beschäftigung vor Anspruchsbeginn nur zeitweise (nämlich zwölf Monate innerhalb des Rahmens von 18 Monaten) ausgeübt worden ist. Von einer Prägung des Lebensstandards durch das Nebeneinkommen kann deshalb auch dann gesprochen werden, wenn dieses Einkommen nicht durchgehend zur Verfügung steht.

22

Der Gesichtspunkt der Verminderung des Lebensstandards als Folge einer nur zeitweisen geringfügigen Beschäftigung ist in § 141 Abs 2 SGB III im Übrigen in die gesetzliche Regelung eingeflossen, wonach erzieltes Arbeitsentgelt nur bis zu dem Betrag anrechnungsfrei bleibt, der in den letzten zwölf Monaten vor Entstehung des Anspruchs durchschnittlich auf den Monat entfällt. Damit wird eine Beschränkung der Anrechnungsfreiheit in Fällen erreicht, in denen in den letzten zwölf Monaten vor Entstehung des Alg-Anspruchs teilweise kein Nebeneinkommen und in der Folge davon ein im Vergleich zum späteren Nebenverdienst niedrigeres durchschnittliches Entgelt erzielt worden ist (vgl zu Wortlaut und Systematik des § 141 Abs 1 und 2 SGB III auch BSGE 97, 80 = SozR 4-4300 § 141 Nr 3, jeweils RdNr 17-18). Über diese ausdrücklich geregelte Beschränkung hinaus kann einer nur zeitweise ausgeübten geringfügigen Beschäftigung jedoch keine weitere Bedeutung im Sinne der Auffassung des LSG zukommen.

23

f) Unter den Umständen des vorliegenden Falles kann offen bleiben, ob - was nach dem Wortlaut des § 141 Abs 2 SGB III nicht ausgeschlossen ist - nach Anspruchsentstehung die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung beliebig lange aufgeschoben werden darf, ohne die Privilegierung einzubüßen. Denn der Kläger hat nach den getroffenen Feststellungen vor Anspruchsbeginn eine Nebenbeschäftigung bis Juli 2006 ausgeübt und dann nach einer Unterbrechung von weniger als vier Monaten wieder Nebeneinkommen ab 21.11.2006 erzielt. Da Anrechnungsfreiheit nach § 141 Abs 2 SGB III auch für Arbeitslose in Betracht kommt, die zunächst zwölf Monate lang geringfügig beschäftigt gewesen sind, dann aber bis zum Eintritt der Arbeitslosigkeit über sechs Monate hinweg keine Nebenbeschäftigung ausgeübt haben, kann die Privilegierung jedenfalls Arbeitslosen wie dem Kläger nicht versagt werden, bei denen ab Beginn der Arbeitslosigkeit in einem Zeitraum von weniger als sechs Monaten kein Nebeneinkommen erzielt worden ist.

24

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha
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published on 01/03/2011 00:00

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juli 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gerich
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Annotations

(1) Die oder der Arbeitslose hat sich elektronisch im Fachportal der Bundesagentur oder persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Das in Satz 1 genannte elektronische Verfahren muss die Voraussetzungen des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 5 erster Halbsatz des Ersten Buches erfüllen. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

(2) Ist die zuständige Agentur für Arbeit am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit der oder des Arbeitslosen nicht dienstbereit, so wirkt eine Meldung an dem nächsten Tag, an dem die Agentur für Arbeit dienstbereit ist, auf den Tag zurück, an dem die Agentur für Arbeit nicht dienstbereit war.

(3) Die Wirkung der Meldung erlischt

1.
bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit,
2.
mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

(4) Die zuständige Agentur für Arbeit soll mit der oder dem Arbeitslosen unverzüglich nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ein persönliches Beratungs- und Vermittlungsgespräch führen. Dies ist entbehrlich, wenn das persönliche Beratungs- und Vermittlungsgespräch bereits in zeitlicher Nähe vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, in der Regel innerhalb von vier Wochen, vor Eintritt der Arbeitslosigkeit geführt worden ist.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Die oder der Arbeitslose hat sich elektronisch im Fachportal der Bundesagentur oder persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Das in Satz 1 genannte elektronische Verfahren muss die Voraussetzungen des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 5 erster Halbsatz des Ersten Buches erfüllen. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

(2) Ist die zuständige Agentur für Arbeit am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit der oder des Arbeitslosen nicht dienstbereit, so wirkt eine Meldung an dem nächsten Tag, an dem die Agentur für Arbeit dienstbereit ist, auf den Tag zurück, an dem die Agentur für Arbeit nicht dienstbereit war.

(3) Die Wirkung der Meldung erlischt

1.
bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit,
2.
mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

(4) Die zuständige Agentur für Arbeit soll mit der oder dem Arbeitslosen unverzüglich nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ein persönliches Beratungs- und Vermittlungsgespräch führen. Dies ist entbehrlich, wenn das persönliche Beratungs- und Vermittlungsgespräch bereits in zeitlicher Nähe vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, in der Regel innerhalb von vier Wochen, vor Eintritt der Arbeitslosigkeit geführt worden ist.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Die oder der Arbeitslose hat sich elektronisch im Fachportal der Bundesagentur oder persönlich bei der zuständigen Agentur für Arbeit arbeitslos zu melden. Das in Satz 1 genannte elektronische Verfahren muss die Voraussetzungen des § 36a Absatz 2 Satz 4 Nummer 1 in Verbindung mit Satz 5 erster Halbsatz des Ersten Buches erfüllen. Eine Meldung ist auch zulässig, wenn die Arbeitslosigkeit noch nicht eingetreten, der Eintritt der Arbeitslosigkeit aber innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten ist.

(2) Ist die zuständige Agentur für Arbeit am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit der oder des Arbeitslosen nicht dienstbereit, so wirkt eine Meldung an dem nächsten Tag, an dem die Agentur für Arbeit dienstbereit ist, auf den Tag zurück, an dem die Agentur für Arbeit nicht dienstbereit war.

(3) Die Wirkung der Meldung erlischt

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bei einer mehr als sechswöchigen Unterbrechung der Arbeitslosigkeit,
2.
mit der Aufnahme der Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder als mithelfender Familienangehöriger, wenn die oder der Arbeitslose diese der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mitgeteilt hat.

(4) Die zuständige Agentur für Arbeit soll mit der oder dem Arbeitslosen unverzüglich nach Eintritt der Arbeitslosigkeit ein persönliches Beratungs- und Vermittlungsgespräch führen. Dies ist entbehrlich, wenn das persönliche Beratungs- und Vermittlungsgespräch bereits in zeitlicher Nähe vor Eintritt der Arbeitslosigkeit, in der Regel innerhalb von vier Wochen, vor Eintritt der Arbeitslosigkeit geführt worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.