Bundesgerichtshof Urteil, 06. Okt. 2004 - XII ZR 318/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Rahmen des Scheidungsverbunds um nachehelichen Unterhalt. Die Antragstellerin hat die deutsche, der Antragsgegner die iranische Staatsangehörigkeit. Die 1988 in Deutschland geschlossene Ehe der Parteien blieb kinderlos. Der Antragsgegner absolvierte nach der Eheschließung eine Ausbildung zum Umwelttechniker, die 1994 beendet war. 1996 schloß er eine Fortbildung zum Umweltbeauftragten ab. Die Ausbildung umfaßte auch verschiedene Praktika. 1997 eröffnete er ein Einzelhandelsgeschäft, in dem er Lebensmittel veräußerte. Die Parteien trennten sich im Mai 1999. Im Mai 2000 gab der Antragsgegner den Geschäftsbetrieb auf, nachdem er während des gesamten Zeitraums seiner selbständigen Tätigkeit keinen Gewinn erwirtschaftet hatte. In der Folgezeit war er arbeitslos. Er bewarb sich auf eine Vielzahl vonArbeitsstellen, was bis einschließlich Juni 2001 ohne Erfolg blieb. Im Juli 2001 war der Antragsgegner aushilfsweise tätig, ab Juli 2001 war er bei der D. beschäftigt. Die Antragstellerin eG war in den letzten Jahren vor der Trennung durchgehend erwerbstätig. Durch Urteil vom 7. März 2001 hat das Amtsgericht unter Anwendung deutschen Sachrechts die Ehe der Parteien geschieden - insoweit rechtskräftig seit 15. März 2001 -, den Versorgungsausgleich zugunsten des Antragsgegners durchgeführt und dessen auf Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 1.940,06 DM gerichteten Antrag abgewiesen. Mit seiner Berufung hat der Antragsgegner das Unterhaltsbegehren in eingeschränktem Umfang weiterverfolgt. In der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hat er den Rechtsstreit für die Zeit ab Juli 2001 in der Hauptsache für erledigt erklärt , weil er aufgrund einer zwischenzeitlich erlangten Arbeitsstelle nicht mehr auf Unterhalt angewiesen sei. Da die Antragstellerin der Erledigungserklärung widersprochen hat, hat er beantragt, diese unter Berücksichtigung der Erledigungserklärung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts in Höhe von monatlich 1.684,58 DM zu verurteilen, und zwar mit der Maßgabe, daß beginnend mit März 2001 Zahlung jeweils abzüglich 1.442 DM beantragt werde, die "an die Sozialhilfe" und nicht an ihn zu zahlen seien. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der (zugelassenen) Revision verfolgt der Antragsgegner sein Berufungsbegehren weiter. Das zunächst außerdem angekündigte Begehren auf Zahlung monatlichen Unterhalts in der vorgenannten Höhe (bzw. in Höhe von 861,31 €) für die Zeit ab 1. Januar 2003 hat er zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel ist nicht begründet. 1. Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte und die Anwendbarkeit deutschen materiellen Rechts incidenter zu Recht bejaht. In der Sache hat es angenommen, daß ein Unterhaltsanspruch des Antragsgegners mangels Bedürftigkeit nicht bestehe. Dieser müsse sich für die Zeit ab Januar 2001 ein fiktives monatliches Erwerbseinkommen von 2.000 DM netto zurechnen lassen, das im Wege der Anrechnungsmethode zu berücksichtigen sei, da die ehelichen Lebensverhältnisse allein durch das Einkommen der Antragstellerin geprägt worden seien. Der Unterhaltsbedarf des Antragsgegners sei danach mit 1.498 DM (2/5 des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens der Antragstellerin von 3.745 DM) anzusetzen, so daß - nach Anrechnung des fiktiven Einkommens - kein offener Bedarf verbleibe. Zur weiteren Darstellung der betreffenden Ausführungen wird auf das Urteil des Senats in dem Parallelverfahren über den Trennungsunterhalt (XII ZR 319/01) Bezug genommen. 2. Die Auffassung, daß dem Antragsgegner für die Zeit bis einschließlich Juni 2001 kein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt, nämlich auf Aufstokkungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB, zustehe, hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.a) Ausweislich des Sitzungsprotokolls des Berufungsgerichts vom 25. Oktober 2001 hat der Antragsgegner in der Zeit von März bis Juni 2001 Sozialhilfe in Höhe von monatlich 1.442 DM bezogen. Ein nach bürgerlichem Recht bestehender Unterhaltsanspruch ist deshalb nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen. Diesem Umstand hat der Antragsgegner durch seine Antrag-
stellung Rechnung getragen. Das ergibt die Auslegung seines Antrags, die der Senat selbst vornehmen kann. Danach war das Begehren des Antragsgegners auf Zahlung monatlichen Unterhalts von 1.684,58 DM abzüglich des Betrags der gewährten Sozialhilfe von monatlich 1.442 DM gerichtet, d.h. der Antragsgegner begehrte für sich lediglich einen den Betrag von monatlich 1.442 DM übersteigenden Unterhalt. Im Umfang der Sozialhilfeleistungen wollte er - ebenso wie in dem gleichzeitig verhandelten Parallelverfahren über den Trennungsunterhalt - nicht auf Leistung an den Träger der Sozialhilfe antragen. Vielmehr ist die Formulierung, daß insoweit "an die Sozialhilfe" und nicht an den Antragsgegner zu leisten sei, als bloße Begründung für sein von dem zunächst gestellten Antrag abweichendes Begehren zu verstehen. Für eine Verurteilung zugunsten des Sozialhilfeträgers würde es neben der eindeutig formulierten Erklärung eines Zahlungsverlangens auch an jeglicher Konkretisierung des Zahlungsempfängers fehlen. Gerade darauf wäre aber besonders geachtet worden, wenn in dem vorliegenden Rechtsstreit anders als in dem Parallelprozeß hätte verfahren werden sollen.
b) Ein den Betrag der gewährten Sozialhilfe von 1.442 DM monatlich übersteigender Unterhaltsanspruch des Antragsgegners besteht indessen in keinem Fall. Wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat, muß er sich ab Januar 2001 ein fiktives monatliches Nettoeinkommen von 2.000 DM zurechnen lassen. Insoweit wird zur Begründung auf das Senatsurteil in dem Verfahren XII ZR 319/01 Bezug genommen.
c) Selbst wenn dieses Einkommen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht im Wege der Anrechnungsmethode, sondern der Additions - bzw. Differenzmethode berücksichtigt wird, verbleibt für die hier streitige Zeit kein den Betrag von 1.442 DM übersteigender Unterhaltsanspruch, sondern nur ein solcher von 698 DM [(3.745 DM - 20 %) 2.996 DM + (2.000 DM -
20 %) 1.600 DM = 4.596 DM : 2 = 2.298 DM - 1.600 DM]. Auf die Frage, deretwegen das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, kommt es deshalb auch im vorliegenden Rechtsstreit nicht an.
d) Bei dieser Sachlage erweist sich auch das Begehren, die Erledigung der Hauptsache für die Zeit ab Juli 2001 festzustellen, als unbegründet.
Hahne Sprick Weber-Monecke
Wagenitz Dose
Annotations
(1) Soweit ein geschiedener Ehegatte keinen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, kann er gleichwohl Unterhalt verlangen, solange und soweit er nach der Scheidung keine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden vermag.
(2) Reichen die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt (§ 1578) nicht aus, kann er, soweit er nicht bereits einen Unterhaltsanspruch nach den §§ 1570 bis 1572 hat, den Unterschiedsbetrag zwischen den Einkünften und dem vollen Unterhalt verlangen.
(3) Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn Unterhalt nach den §§ 1570 bis 1572, 1575 zu gewähren war, die Voraussetzungen dieser Vorschriften aber entfallen sind.
(4) Der geschiedene Ehegatte kann auch dann Unterhalt verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit wegfallen, weil es ihm trotz seiner Bemühungen nicht gelungen war, den Unterhalt durch die Erwerbstätigkeit nach der Scheidung nachhaltig zu sichern. War es ihm gelungen, den Unterhalt teilweise nachhaltig zu sichern, so kann er den Unterschiedsbetrag zwischen dem nachhaltig gesicherten und dem vollen Unterhalt verlangen.
(5) (weggefallen)