Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2004 - XI ZR 288/02

published on 02/03/2004 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 02. März 2004 - XI ZR 288/02
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 288/02 Verkündet am:
2. März 2004
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
BGB a.F. §§ 242 Bc, 326 Db, Dc, 553
Ein vertragswidriges Verhalten des Gegners berechtigt im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses
grundsätzlich nicht zur fristlosen Kündigung ohne vorherige
Abmahnung, es sei denn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung ist derart
erschüttert, daß sie auch durch die Abmahnung nicht wieder hergestellt werden
kann.
BGH, Urteil vom 2. März 2004 - XI ZR 288/02 - OLG Celle
LG Hannover
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 2. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller und Dr. Wassermann, die Richterin Mayen und den
Richter Dr. Appl

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 25. Juni 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger begehren die Rückgabe einer Bürgschaftsurkunde, die sie den Beklagten zur Absicherung von Ansprüchen aus einem Mietgarantie - und Mietverwaltungsvertrag übergeben haben. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit notariellem Vertrag vom 4. November 1998 erwarben die Beklagten von der Ehefrau des Klägers zu 2) ein Wohn- und Geschäftshaus
in W., das die Klägerin zu 1) gemäß notariellem Bauvertrag vom selben Tag sanieren sollte. In dem ebenfalls an diesem Tag geschlossenen - nicht notariell beurkundeten - Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag verpflichteten sich die Kläger gegenüber den Beklagten, die Vermietung und Verwaltung des Objekts für die Dauer bis zum 31. Dezember 2004 zu übernehmen. Zur Absicherung ihrer Verpflichtungen aus diesem Vertrag übergaben sie den Beklagten eine Bürgschaftsurkunde der Sparkasse M. vom 27. November 1998 über 48.000 DM. Nachdem die Beklagten am 31. Mai 1999 den Bauvertrag mit der Klägerin zu 1) gekündigt, deren Mitarbeiterin Hausverbot erteilt und in der Folge ein Maklerunternehmen mit der Vermietung des betreffenden Objekts beauftragt hatten, kündigten die Kläger ihrerseits den Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrag am 31. Januar 2000 fristlos. Sie verlangen die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde und berufen sich darauf, die Beklagten hätten es ihnen nach der Kündigung des Bauvertrages mangels Angabe eines zuverlässigen Fertigstellungstermins und durch die Einschaltung einer anderen Maklerfirma unmöglich gemacht , verbindliche Verträge mit Mietinteressenten abzuschließen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat die Revision zugelassen, mit der die Beklagten die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehren.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Mietgarantievertrag sei formgültig. Er sei nicht Bestandteil des Verpflichtungsgeschäfts zur Übertragung oder zum Erwerb des Grundstücks gewesen. Hierfür spreche schon, daß die Parteien den Bau- und den Grundstückskaufvertrag sowie den Mietgarantievertrag in getrennten Urkunden niedergelegt hätten. Auch seien die Vertragspartner jeweils nicht identisch gewesen. Schließlich seien die Parteien selbst bis zum Berufungsverfahren ausdrücklich von einer selbständigen Verpflichtung der Kläger zur Vermietung und Verwaltung ausgegangen, die auch unabhängig von der Erteilung des Bauauftrags für sich genommen wirtschaftlich sinnvoll sein könne. Die Kläger seien aber berechtigt gewesen, den Mietgarantievertrag fristlos zu kündigen, da sich die Beklagten vertragsuntreu verhalten hätten, als sie eine Maklerfirma mit der Vermietung des Objekts beauftragt hätten, ohne den Klägern die Verschiebung des avisierten Fertigstellungstermins sowie das nunmehr zu erwartende Bezugsfertigkeitsdatum mitzuteilen. Einer Abmahnung vor der fristlosen Kündigung habe es deshalb nicht bedurft. Die außerordentliche Kündi-
gung sei auch nicht verfristet und außerdem als ordentliche Kündigung wirksam.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf ergänzenden schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten hat das Berufungsgericht abgelehnt. Die Beklagten hätten im Anschluß an die schriftliche Mitteilung des Vorsitzenden Richters, daß der Senat die fristlose Kündigung entgegen seiner in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung doch für möglicherweise gerechtfertigt halte, ausreichend Gelegenheit zum Vortrag gehabt.

II.


Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Überprüfung jedenfalls in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind allerdings die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Formgültigkeit des Mietgarantie - und Mietverwaltungsvertrages. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung war der Vertrag nicht wegen engen Zusammenhangs mit den beiden am selben Tag abgeschlossenen notariellen Verträgen - dem Bau- und dem Grundstückskaufvertrag - gemäß § 313 Satz 1 BGB a.F. beurkundungsbedürftig. Zwar ist auch eine für sich allein nicht formbedürftige Vereinbarung notariell zu beurkunden, wenn sie mit einem von den Beteiligten beabsichtigten Grundstückserwerb eine rechtliche Einheit bilden soll (BGHZ 101, 393, 396; BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 110/93, WM 1994, 1711; Senatsurteil vom 22. Oktober 1996 - XI ZR
249/95, WM 1996, 2230, 2231 m.w.Nachw.). Einen solchen Zusammenhang hat das Berufungsgericht hier aber nicht festgestellt. Wie es zu Recht ausgeführt hat, kommt es insoweit entscheidend darauf an, daß die Verträge nach den Vorstellungen der Beteiligten untrennbar voneinander abhängig sein sollen. Ob ein solches beurkundungsbedürftiges einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt, ist eine Frage der vom Tatrichter vorzunehmenden Würdigung des Einzelfalles (BGHZ 78, 346, 349; 101, 393, 397 und BGH, Urteil vom 14. Juli 1994 - IX ZR 110/93, aaO, jeweils m.w.Nachw.). Diese hat das Berufungsgericht angesichts der Niederlegung der Verträge in verschiedenen Urkunden (vgl. BGHZ 101, 393, 396) und angesichts des für die Feststellung des übereinstimmenden Willens zu berücksichtigenden nachvertraglichen Verhaltens der Parteien (BGH, Urteile vom 24. Juni 1988 - V ZR 49/87, WM 1988, 1599, 1600 und vom 26. November 1997 - XII ZR 308/95, NJW-RR 1998, 801, 803; BGH, Beschluß vom 3. April 2003 - BLw 33/02, Umdruck S. 3) in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten dadurch, daß sie sich nach der Kündigung des Bauvertrages übereinstimmend auf die rechtliche Unabhängigkeit und den Fortbestand des Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrags berufen haben, deutlich gemacht, daß nach ihrem Willen die Verträge nicht miteinander stehen und fallen sollten, ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
2. Von Rechtsirrtum beeinflußt sind hingegen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, der Mietgarantie - und Mietverwaltungsvertrag sei durch die fristlose Kündigung der Kläger vom 31. Januar 2000 beendet worden.

a) Dabei kann dahinstehen, ob - wie die Revision geltend macht - die nur eingeschränkter revisionsrechtlicher Nachprüfung unterliegende (Senatsurteil vom 20. Mai 2003 - XI ZR 50/02, WM 2003, 1416, 1417) tatrichterliche Entscheidung des Berufungsgerichts, es habe ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung vorgelegen, auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, weil das Berufungsgericht Vorbringen der Kläger verwertet hat, ohne den Beklagten Gelegenheit zur Erwiderung in einem nachgelassenen Schriftsatz zu geben.

b) Jedenfalls erweist sich die Annahme des Berufungsgerichts, die fristlose Kündigung sei auch ohne vorherige Abmahnung der Beklagten wirksam gewesen, mit der gegebenen Begründung als nicht haltbar. Wie die Revision zu Recht beanstandet, reicht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in aller Regel allein ein vertragswidriges Verhalten des Gegners für eine fristlose Kündigung noch nicht aus (BGH, Urteil vom 10. Mai 1984 - I ZR 94/82, WM 1984, 1375, 1376). Vielmehr entspricht es einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wie er etwa in dem Gebot der Nachfristsetzung bei Verzug oder in dem Erfordernis der Abmahnung bei vertragswidrigem Gebrauch der Mietsache zum Ausdruck kommt, daß bei Dauerschuldverhältnissen eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich erst dann in Betracht kommt, wenn der andere Vertragsteil nachdrücklich auf die Folgen seiner Vertragswidrigkeit hingewiesen worden ist (BGH, Urteile vom 10. Mai 1984 - I ZR 94/82, aaO, vom 2. Mai 1991 - I ZR 184/89, NJW-RR 1991, 1266, 1267 und vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 122/90, WM 1992, 156, 157). Ausnahmsweise kann zwar etwas anderes gelten, wenn die Vertrauensgrundlage der Rechtsbeziehung derart erschüttert ist, daß sie auch durch die Abmahnung nicht wieder hergestellt werden kann (BGH, Urteile vom 2. Mai
1991 - I ZR 184/89, aaO S. 1267 f. und vom 9. Oktober 1991 - XII ZR 122/90, aaO). Dazu fehlt es bislang jedoch an Feststellungen des Beru- fungsgerichts. Daß die Beklagten den Klägern die Verschiebung des Fertigstellungstermins nicht mitgeteilt haben, reicht insoweit nicht aus.
3. Wie die Revision zu Recht geltend macht, kann die fristlose außerordentliche Kündigung vom 31. Januar 2000 entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht in eine wirksame ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Zwar ist eine solche Umdeutung grundsätzlich möglich, wenn es ersichtlich der Wille des Kündigenden war, sich - wann auch immer - vom Vertrag zu lösen (BGH, Urteil vom 12. Januar 1981 - VIII ZR 332/79, NJW 1981, 976, 977). Eine Umdeutung setzt aber voraus, daß das Geschäft in das umgedeutet wird, zulässig ist. Das ist hier nicht der Fall. Eine ordentliche Kündigung des Dauerschuldverhältnisses scheidet nämlich bei einer festen Vertragslaufzeit aus (BGH, Urteil vom 12. März 2003 - XII ZR 18/00, WM 2003, 1094, 1096, zur Veröffentlichung in BGHZ 154, 171 vorgesehen). Eine solche war hier aber vereinbart, da den Klägern die Vermietung und Verwaltung des Objekts ausweislich Ziffer 1 des Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrags bis 31. Dezember 2004 übertragen worden ist.

III.


Das angefochtene Urteil war nach alledem aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird zur Frage der Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung
des Mietgarantie- und Mietverwaltungsvertrags ohne vorherige Abmah- nung unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens der Parteien ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
Nobbe Müller Wassermann
Mayen Appl
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kan
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

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Annotations

(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.

(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.