Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2011 - XI ZR 190/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von der Beklagtenseite finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Klägerseite.
- 2
- Die Klägerseite erwarb im März 1998 zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung in dem Objekt B. in D. . Der Kaufpreis betrug 116.690 DM. Zur Finanzierung des Kaufs schloss die Klägerseite mit der Beklagten zu 2), die hierbei von der Beklagten zu 1) vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 137.000 DM sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch die I. GmbH (im Folgenden : I. ) und die B. mbH (im Folgenden: B. ), zwei Unternehmen der H. Gruppe (im Folgenden: H. Gruppe), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die Beklagte zu 1) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite unstreitig unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, in welchem es nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt heißt: "Ich erteile hiermit den Auftrag mir das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Nach ebenfalls unbestrittenem Vortrag der Klägerseite sollte ausweislich Punkt 4 des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags die B. eine Finanzierungsvermittlungsgebühr in Höhe von 2% und ausweislich Punkt 5 die I. eine Courtage von 3,45% des Kaufpreises erhalten. Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt.
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- Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen, Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung, dass die Beklagtenseite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den Objekt - und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der Vermitt- lungsprovisionen getäuscht worden sei. Die Beklagtenseite ist dem entgegen getreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
- 4
- Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerseite ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 5
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt: Ein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite in Bezug auf das finanzierte Objekt liege nicht vor. Weder komme eine Aufklärungspflichtverletzung wegen Überschreitens der Kreditgeberrolle in Betracht, noch wegen Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestands, noch wegen eines zur Aufklärung verpflichtenden Interessenkonflikts. Auch eine Aufklärungspflicht wegen eines aufklärungspflichtigen Wissensvorsprungs der Beklagtenseite sei nicht festzustellen. Das finanzierte Objekt sei zwar - wie die Beweisaufnahme ergeben habe - sittenwidrig überteuert gewesen; die Klägerseite habe aber nicht bewiesen, dass das der Beklagtenseite bekannt gewesen sei oder die Klägerseite hierüber arglistig getäuscht worden sei.
II.
- 7
- Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hätte mit der gegebenen Begründung einen Schadensersatzanspruch der Klägerseite wegen eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nicht ablehnen dürfen. Zu Recht rügt die Revision, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage eines möglichen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit den im Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag ausgewiesenen Vertriebsprovisionen befasst hat.
- 8
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Finanzierungsbank vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 20 mwN). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zu ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 56 und vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 26 mwN), wird die Kenntnis der Beklagten von einer solchen arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb widerleglich vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben zum Anlageobjekt objektiv evident ist.
- 9
- Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentums- wohnung lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an die Vermittler geflossen seien.
- 10
- 1. Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe der Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte aufklären müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 (XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objektund Finanzierungsvermittlungsauftrag, der gemäß den nachstehenden Ausführungen unter 2. nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt auch im Streitfall zum Einsatz gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmäßigen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannten Vermittlungsgesellschaften zu den dort im Einzelnen genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) dahin auszulegen, dass es sich bei den als Finanzierungsvermittlungsgebühr und Courtage bezeichneten Provisionen um die Gesamtprovisionen handelt, zu denen die beiden Vermittlungsgesellschaften den Auftrag insgesamt ausführen sollten (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 Rn. 28 ff.). Dies war aber nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerseite eine bewusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die Vermittler gezahlt werden sollten und wurden.
- 11
- Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010 gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht be- rücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen.
- 12
- 2. Zu Recht macht die Revision geltend, ein Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag , wie er Gegenstand des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 gewesen ist, liege im Streitfall vor.
- 13
- Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unterzeichnete die Klägerseite nach ihrem Vortrag unter anderem einen Antrag zur Objekt- und Finanzierungsvermittlung. In den von der Klägerseite vorgelegten Mustern des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrags gemäß Anlagen B10/1 bis B10/3 heißt es mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts wie in dem Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der Gegenstand des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 gewesen ist: "Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o.g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Nach Punkt 4 der Aufstellung sollte die jeweilige Finanzierungsvermittlerin eine Finanzierungsvermittlungsgebühr , nach Punkt 5 die jeweilige Immobilienvermittlerin eine Courtage erhalten. Dass die Klägerseite einen "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag" erteilt hat, hat die Beklagtenseite - wie die Revision zu Recht geltend macht - bereits in der Klageerwiderung zugestanden (§ 288 ZPO). Die Voraussetzungen des § 290 ZPO für einen Widerruf dieses Geständnisses sind nicht dargetan.
III.
- 14
- Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
- 15
- Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, nach Maßgabe des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 (XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu treffen haben.
- 16
- Die Aufhebung und Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, Feststellungen zu der von der Klägerseite behaupteten - und bislang vom Berufungsgericht noch nicht näher erörterten - arglistigen Täuschung der Kläger durch die Vermittler über die Höhe der erzielbaren Miete zu treffen sowie im Hinblick auf die Ausführungen in der Revision den Antrag auf Anordnung der Vorlage der Einwertungsunterlagen gemäß § 142 Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof zur Anwendung dieser Vorschrift entwickelten Grundsätze (Senatsurteil vom 26. Juni 2007 - XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn. 18 ff.; Senatsbeschluss vom 15. Juni 2010 - XI ZR 318/09, WM 2010, 1448 Rn. 25) zu prüfen. Zudem wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, das Bestehen eines Schadensersatzanspruches wegen einer Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einem schwerwiegenden Interessenkonflikt der Beklagtenseite unter Berücksichtigung der Ausführungen der Parteien in der Revisionsinstanz sowie unter Berücksichtigung des Senatsbeschlusses vom 5. April 2011 - XI ZR 365/09 (WM 2011, 876) erneut zu prüfen (vgl. dazu auch Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 50 mwN, vom 25. September 2007 - XI ZR 274/05, juris Rn. 30, vom 18. März 2008 - XI ZR 241/06, BKR 2008, 249 Rn. 37 und XI ZR 246/06, WM 2008, 971 Rn. 41 sowie vom 11. Januar 2011 - XI ZR 46/09, WM 2011, 449 Rn. 20).
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 12.09.2005 - 2 O 2122/04 -
OLG Jena, Entscheidung vom 03.06.2008 - 5 U 946/05 -
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Annotations
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen zu Lasten des Verwenders.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.
(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.
Der Widerruf hat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluss, wenn die widerrufende Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrtum veranlasst sei. In diesem Fall verliert das Geständnis seine Wirksamkeit.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Das Gericht kann anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Das Gericht kann hierfür eine Frist setzen sowie anordnen, dass die vorgelegten Unterlagen während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Geschäftsstelle verbleiben.
(2) Dritte sind zur Vorlegung nicht verpflichtet, soweit ihnen diese nicht zumutbar ist oder sie zur Zeugnisverweigerung gemäß den §§ 383 bis 385 berechtigt sind. Die §§ 386 bis 390 gelten entsprechend.
(3) Das Gericht kann anordnen, dass von in fremder Sprache abgefassten Urkunden eine Übersetzung beigebracht wird, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde oder einem solchen Übersetzer jeweils gleichgestellt ist. Eine solche Übersetzung gilt als richtig und vollständig, wenn dies von dem Übersetzer bescheinigt wird. Die Bescheinigung soll auf die Übersetzung gesetzt werden, Ort und Tag der Übersetzung sowie die Stellung des Übersetzers angeben und von ihm unterschrieben werden. Der Beweis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Übersetzung ist zulässig. Die Anordnung nach Satz 1 kann nicht gegenüber dem Dritten ergehen.