Bundesgerichtshof Urteil, 07. Aug. 2012 - X ZR 7/10

published on 07/08/2012 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 07. Aug. 2012 - X ZR 7/10
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Bundespatentgericht, 4 Ni 43/08, 27/10/2009

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 7/10 Verkündet am:
7. August 2012
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Patentnichtigkeitsverfahren
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. August 2012 durch den Richter Keukenschrijver, die Richterin
Mühlens und die Richter Gröning, Dr. Bacher und Hoffmann

für Recht erkannt:
Die Berufungen gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts vom 27. Oktober 2009 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen die Klägerin zu zwei Dritteln und die Beklagten jeweils zu einem Sechstel tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagten sind Inhaber des aus der internationalen Anmeldung WO 99/17916 hervorgegangenen europäischen Patents 1 019 236 (Streitpatents), das am 1. Oktober 1998 unter Inanspruchnahme der Priorität der USPatentanmeldung 943120 vom 3. Oktober 1997 angemeldet worden ist. Das Streitpatent umfasst neun Patentansprüche. Die Patentansprüche 1 und 2 lauten in der Verfahrenssprache Englisch: "1. A plastic molding apparatus comprising an extruder (3) and a vertically extending mold tunnel (20) formed by mated mold block sections (21, 25) which are moved downwardly through the mold tunnel as part of a continuous looping of the mold block sections around the apparatus, the apparatus being characterized in that the mold tunnel has an open mouth at the upper end of the tunnel, the extruder has a nozzle (6) which is directed at without being trapped within the mouth of the mold tunnel and the apparatus uses vacuum to form product within the mold tunnel. 2. A plastic molding apparatus as claimed in Claim 1, wherein said mold block sections include sets of mated mold block sections (21, 25) of different configurations and wherein said tunnel mouth shifts to different positions in a horizontal plane according to which set of mold blocks is presented at a particular time at the tunnel mouth, and said apparatus being adjustable to provide alignment of the stream of plastic (13) with the tunnel mouth at the different positions of the tunnel mouth."
2
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift haben sie folgenden Wortlaut: "1. Vorrichtung zum Formen von Kunststoffteilen (1) mit einem Extruder (3) und einem vertikal sich erstreckenden Formtunnel (20), der durch aneinandergrenzende Formbacken (21, 25) gebildet ist, welche als Teile einer kontinuierlich um die Vorrichtung laufenden Schleife von Formbacken durch den Formtunnel abwärts bewegt werden, dadurch gekennzeichnet, dass der Formtunnel am oberen Ende des Tunnels eine Öffnung aufweist, der Extruder eine Düse aufweist, die auf die Öffnung des Tunnels gerichtet ist, ohne in dieser Öffnung angeordnet zu sein, und die Vorrichtung zur Formung eines Erzeugnisses innerhalb des Formtunnels ein Vakuum verwendet. 2. Vorrichtung zum Formen von Kunststoffteilen nach Anspruch 1, wobei die Formbacken Sätze von aneinandergrenzenden Formbacken (21, 25) mit unterschiedlichen Konfigurationen einschließen, und die Öffnung des Tunnels unterschiedliche Positionen in einer horizontalen Ebene einnimmt, je nachdem welcher Satz von Formblöcken zu einem bestimmten Zeitpunkt an der Öffnung des Tunnels vorliegt und wobei die Vorrichtung zur Ausrichtung des Kunststoffstroms (13) mit der Öffnung des Tunnels bei unterschiedlichen Positionen der Öffnung des Tunnels einstellbar ist."
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig.
4
Das Patentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt, indem es Patentanspruch 1 folgende Fassung gegeben hat: "A plastic molding apparatus (1) comprising an extruder (3) and a vertically extending mold tunnel (20) formed by mated mold block sections (21, 25) which are moved downwardly through the mold tunnel as part of a continuous looping of the mold block sections around the apparatus, the apparatus being characterized in that the mold tunnel has an open mouth at the upper end of the tunnel, the extruder has a nozzle (6) which is directed at without being trapped within the mouth of the mold tunnel such that the mold tunnel and/or the extruder can be easily adjusted in position while maintaining feed of the plastic from the extruder to the mold tunnel in meeting the requirements of forming irregularly shaped plastics parts and the apparatus uses vacuum to form product within the mold tunnel."
5
Die Klägerin beantragt mit ihrer Berufung, unter Abänderung des Berufungsurteils das Streitpatent mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.
6
Die Beklagten beantragen mit ihrer Berufung in erster Linie, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Sie verteidigen das Streitpatent hilfsweise mit ihrem Antrag auf Zurückweisung der Berufung der Klägerin sowie einem Hilfsantrag.
7
Beide Parteien beantragen, die Berufung der jeweiligen Gegenpartei zurückzuweisen.
8
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. G. M. , , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


9
I. Das Streitpatent betrifft eine Gießvorrichtung, bei der ein kontinuierlicher Strom aus geschmolzenem Kunststoff einem aus beweglichen Formteilen gebildeten Formtunnel zugeführt wird.
10
1. Im Stand der Technik waren hierzu Gießvorrichtungen zur Formung von Kunststoffteilen bekannt, in der der geschmolzene Kunststoff einem sich horizontal erstreckenden Formtunnel zugeführt wird. Rotationssymmetrische Formen wie beispielsweise Rohre lassen sich damit gut formen. Hingegen sind diese Vorrichtungen für die Formung irregulär geformter Kunststoffartikel, die eine variable Positionierung erfordern, nicht gut geeignet.
11
Weiterhin sind Gießvorrichtungen bekannt, bei denen der geschmolzene Kunststoff abwärts in einen vertikal angeordneten Formtunnel strömt. Hier wird der Kunststoff im Wege des Blasformens geformt, so dass die Produktformbereiche abgedichtet werden müssen. Weiterhin sind bei diesen Vorrichtungen die Extruderdüsen von dem oberen Bereich des Formtunnels umgeben, so dass der Extruder im Verhältnis zum Tunnel nicht bewegt werden kann.
12
Durch das Streitpatent soll eine Gießvorrichtung geschaffen werden, mit der auch irregulär geformte Kunststoffartikel auf einfache Weise hergestellt werden können.
13
2. Die erfindungsgemäße Lösung gemäß Patentanspruch 1 lässt sich wie folgt in Merkmale gliedern (in eckigen Klammern die abweichende Gliederung des Patentgerichts, Beschränkung gemäß dem Urteil des Patentgerichts kursiv): 1. Die Gießvorrichtung weist auf 1.1 einen Extruder (3) und 1.2 einen sich vertikal erstreckenden Formtunnel (20). 2. Der Formtunnel (20) ist durch aneinandergrenzende Formbacken (21, 25) gebildet. [1.1] 2.1 Die Formbacken werden als Teile einer kontinuierlich um die Vorrichtung laufenden Schleife von Formbacken durch den Formtunnel abwärts bewegt. [1.1.1] 2.2 Der Formtunnel weist am oberen Ende des Tunnels eine geöffnete Mündung ("open mouth") auf. [1.1.2] 3. Der Extruder weist eine Düse auf, [1.2] 3.1 die auf die geöffnete Mündung des Tunnels gerichtet ist, [1.2.1] 3.2 ohne in dem Mund des Formtunnels gefangen zu sein ("without being trapped within the mouth of the mould tunnel"). [1.2.1] 4. Der Formtunnel und/oder der Extruder können leicht in ihrer Position justiert werden, während die Zufuhr von Kunststoff von dem Extruder zu dem Formtunnel aufrechterhalten bleibt, um die Voraussetzungen für das Formen von ungleichmäßig geformten Kunststoffformteilen zu erfüllen. [1.2.1.1] 5. Die Vorrichtung verwendet ein Vakuum zur Formung eines Erzeugnisses innerhalb des Formtunnels. [1.3]
14
3. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.
15
a) Merkmalsgruppe (3) lautet im maßgeblichen englischen Wortlaut "the extruder has a nozzle (6) which is directed at without being trapped within the mouth of the mold tunnel". Die Beschreibung erläutert die Worte "without being trapped" dahin, dass die Extrusionsdüse vom Formtunnel entsprechend der Anordnung in der nebenstehenden Figur 1 des Streitpatents beabstandet sei und damit die Möglichkeit verbessere , den Extruder mit dem Formtunnel auszurichten (Sp. 2 Abs. 11). Dem ist weder zu entnehmen, in welche Richtung diese Verschiebbarkeit zu ermöglichen ist noch in welchem Umfang. Die weitergehenden Ausführungen in der Beschreibung, wonach der Kunststofffluss unabhängig von der Form und Position der oberen Öffnung des Formtunnels zu gewährleisten ist (Sp. 3 Abs. 15 Z. 42 bis 45), indem der Extruder und/oder der Formtunnel entsprechend den in Figur 1 dargestellten Pfeilrichtungen 7, 5, 35, 37, 41 und 43 relativ zueinander bewegt werden können (Sp. 3 bis 4 Abs. 16, 18, 20), bezieht sich auf die in den Absätzen 13 und 14 beschriebene Technik mit Formblöcken, die in einer Weise unterschiedlich geformt sind, dass die sich daraus jeweils ergebenden Mündungen des Formtunnels in der horizontalen Ebene verschieben. Diese Technik ist indessen nicht Teil der Erfindung , die mit Patentanspruch 1 unter Schutz gestellt wird, sondern findet erst in dem entsprechend dem Hilfsantrag eingefügten Merkmal 4 sowie im Patentanspruch 2 seinen Niederschlag. Die näheren Darstellungen in den Absätzen 15, 16, 18 und 20 zu Richtung und Umfang der Verschiebbarkeit des Extruders oder Formtunnels können daher für die Auslegung der in Patentanspruch 1 enthaltenen Merkmalsgruppe 3 nicht berücksichtigt werden. Für das Nichtgefangensein der Düse in der Mündung des Formtunnels reicht es vielmehr aus, wenn ein geringer Abstand zum Formtunnel besteht, der eine geringe Verschiebbarkeit etwa zum Nachjustieren der Kunststoffzufuhr erlaubt.
16
b) Gemäß Merkmal (4) ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung, die er vor dem Patentgericht erhalten hat, tatsächlich in der Lage, die darin beschriebenen Justierungen während der Kunststoffzufuhr zu vollziehen. In Abgrenzung zu Merkmal (3.2) ist darunter nicht lediglich die Möglichkeit zu verstehen, eine solche Funktion dem erfindungsgemäßen Gegenstand hinzuzufügen.
17
Im Hinblick auf die Zweckangabe am Ende dieses Merkmals muss eine dementsprechende Vorrichtung für das Formen von ungleichmäßig geformten Kunststoffformteilen geeignet sein. Die hierfür in den Absätzen 13 und 14 der Beschreibung des Streitpatents beschriebenen, horizontal unterschiedlichen Positionen der Mündungen der jeweiligen Formbacken bedingen eine Synchronisation der horizontalen Position der Kunststoffzufuhr mit dem jeweiligen der Reihe nach aufeinander treffenden Formbackenpaar, das als nächstes die Mündung des Formtunnels bilden wird, und dem sich daraus ergebenden Zentrum dieser Mündung. Die Justierung muss sich entsprechend der Beschreibung des Streitpatents vornehmlich auch in den Pfeilrichtungen 7, 5, 35, 37, 41 und 43 vollziehen können (Streitpatent, Sp. 3 bis 4 Abs. 16, 18, 20). Entsprechend dem als Beispiel dargestellten Steuerungsprogramm in Absatz 23 der Beschreibung des Streitpatents und den überzeugenden mündlichen Ausführungen des Sachverständigen setzt dies automatisch steuernde Vorrichtungen zum Verschieben des Extruders und/oder des Formtunnels voraus mit einem Steuerungsprozess , der rechtzeitig die Lage der nächsten Formbackenpaare erkennt und dementsprechend die Kunststoffzufuhr in horizontaler Richtung auf das Zentrum der Mündung verschiebt.
18
II. Das Patentgericht hat das Streitpatent nur mit dem Merkmal 4 als patentfähig angesehen und dies wie folgt begründet:
19
Patentanspruch 1 sei in der erteilten Fassung nicht neu. Die veröffentlichte britische Patentanmeldung 1 059 454 (E1) beschreibe eine Gießvorrichtung zum Formen von Kunststoffteilen wie Flaschen und ähnlichen Behältern (die dort mit der nebenstehenden Zeichnung dargestellt wird) mit den Merkmalen 1 bis 3 und 5.
20
Die Entgegenhaltung zeige auch die Merkmale 3.1 und 3.2. Nach der Beschreibung seien die aus zwei Teilen bestehenden Formen (5) unterhalb des Extrusionsdüsenkopfs angeordnet. In der Position B gemäß der Zeichnung sei der Tunnelmund bereits gebildet und befinde sich unterhalb der Austrittsöffnung der Extrusionsdüse. Demnach offenbare die E1 auch das Merkmal 3.2, nach dem die Düse auf den geöffneten Mund des Tunnels gerichtet sei, ohne in diesem geöffneten Mund eingeschlossen oder festgehalten oder gefangen - im Sinne der englischen Fassung des Patentanspruchs 1 "without being trapped" - zu sein. Damit seien sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 bereits in der E1 offenbart.
21
Die Beschränkung des Patentanspruchs 1 durch die Hinzufügung des Merkmals 4 sei zulässig. Das Merkmal sei bereits in Absatz 5 der Streitpatentschrift und der dieser zugrunde liegenden Patentanmeldung enthalten.
22
Der Gegenstand des so beschränkten Patentanspruchs sei neu und ergebe sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
23
Keine der Entgegenhaltungen beschreibe eine Gießvorrichtung mit einem sich vertikal erstreckenden Formtunnel, bei der der Extruder und/oder der Formtunnel leicht in ihrer Position veränderbar seien, während gleichzeitig der Strom der Kunststoffschmelze von dem Extruder in den Formtunnel aufrechterhalten bleibe. Auch aus der E1 sei eine solche Verschiebbarkeit nicht zu entnehmen.
24
Der Fachmann könne zwar davon ausgehen, dass bei einer Vorrichtung entsprechend der E1 die Position des Extruders vor Beginn der Produktion einzustellen sei, um dessen Düse genau auf die oberste Öffnung des Formtunnels auszurichten. Dies führe aber nicht dazu, dass die Position der Düse auch während der Produktion verändert werden könne. Vielmehr zeige die E1 nur die Herstellung von achssymmetrischen und daher gleichmäßig geformten Kunststoffteilen , so dass sich aus ihr auch kein Hinweis dafür ergebe, die Lage der den Tunnelmund bildenden Öffnung der Formteile zu verändern, womit dort die Voraussetzungen für das Formen von ungleichmäßig geformten Kunststoffteilen nicht zu erkennen seien.
25
Die weiteren Entgegenhaltungen enthielten ebenfalls keine dem Merkmal 4 näherkommenden Hinweise. Insbesondere soweit diese Veröffentlichungen eine Formung der Kunststoffteile durch ein Aufblasen der Kunststoffschmelze gegen die Formteile vorsähen, setze dies eine feste Verbindung zwischen dem Extruder und dem Formtunnel voraus, wodurch die Extruderdüse gefangen und folglich weder der Extruder noch der Formtunnel während der Produktion verstellbar sei.
26
Der Stand der Technik habe dem Fachmann folglich stets zu erkennen gegeben, dass während der Zufuhr des Kunststoffschmelzstroms Extruder und Formtunnel fest zueinander eingestellt seien und eine Veränderung der Lage der Düse oder des Tunnelmundes nicht vorgesehen sei. Es habe deshalb erfinderischer Tätigkeit bedurft, um eine Vorrichtung mit einer Merkmalskombination unter Einschluss des Merkmals 4 bereit zu stellen.
27
III. Dies hält - abgesehen vom Kostenpunkt - der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
28
1. Es kann offen bleiben, ob dem Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung die für die Patentfähigkeit erforderliche Neuheit fehlt. Jedenfalls beruht er nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
29
Ausgehend von der erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten veröffentlichten internationalen Patentanmeldung WO 85/01471 (E4) war dem Fachmann, den das Patentgericht zutreffend als einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Kunststofftechnik definiert, der besondere Fachkenntnisse und langjährige praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Entwicklung und Konstruktion von Kunststoffformmaschinen besitzt, eine Gießvorrichtung zum Herstellen von Kunststoffrohren bekannt, die aus einem Extruder den Kunststoff bezieht (E4, S. 6 Z. 25-26), mit sich vertikal erstreckenden Formtunneln arbeitet (E4, Anspruch 1 Buchstabe a 1. Alternative), die durch aneinandergrenzende Formbacken gebildet werden (E4, S. 6 Z. 24-29). Die Formbacken werden als Teile einer umlaufenden Schleife entlang dem Formtunnel abwärts bewegt (E4, S. 6 Z. 18-29) und bilden am oberen Ende des Tunnels eine geöffnete Mündung (E4, S. 6 Z. 20-22). Der Extruder hat eine Dü- se (E4, Anspruch 1 Buchstabe e), die auf die geöffnete Mündung des Tunnels gerichtet ist (E4, S. 6 Z. 24-29).
30
Damit waren die Merkmale 1, 1.1, Gruppe 2, 3 und 3.1 des Streitpatents aus der E4 bekannt. Hinsichtlich des Merkmals 1.2 kann offen bleiben, ob dieses nach dem Streitpatent voraussetzt, dass die Formbacken nur einen einzigen Formtunnel bilden, während eine Vorrichtung gemäß der E4 darauf ausgerichtet ist, mit den Formbacken mehrere Formtunnel zu bilden. Soweit es für den Fachmann erstrebenswert war, eine Gießvorrichtung mit nur einem Formtunnel herzustellen, lag es auf der Hand, die von der E4 gezeigten weiteren Formtunnel wegzulassen.
31
Durch die E4 war auch das Merkmal 5 nahegelegt, denn sie beschreibt in Anspruch 1 Buchstabe d 1. Alternative als Mittel zur Formung des Kunststoffstroms an die Formbacken, die dazwischen befindliche Luft abzusaugen. Dies entspricht dem in Merkmal 5 vorgesehenen Vakuum.
32
Schließlich ist auch das Merkmal 3.2 der E4 zu entnehmen, indem diese vorsieht, den Rahmen für die Formbacken nebst ihrer Führungsmittel quer zur Umlaufebene (E4, Anspruch 1 Buchstabe i) sowie in der Flucht mit der Extrusionsdüse (E4, Anspruch 1 Buchstabe e) zu verschieben. Dies gab, wie es der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, dem Fachmann zu erkennen, dass die Extrusionsdüse von der Mündung des Formtunnels nicht gefangen ist, vielmehr die Vorrichtung ein Verschieben in verschiedene Richtungen erlaubt. Von einem solchen Verschieben wurde der Fachmann auch dann nicht abgehalten, wenn er statt drei Formtunnel nur einen vorsieht, weil sich auch dann entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen ein Bedarf zur Justierung und damit zur Verschiebbarkeit der Extrusionsdüse und/oder des Formtunnels ergibt. Hierfür ist es erforderlich, genügend Abstand zwischen der Düse und den umlaufenden Formbacken zu wahren.
33
Demzufolge waren sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung aus der E4 entweder bekannt oder jedenfalls in einer Weise nahegelegt, dass eine dahingehende Weiterentwicklung keine erfinderische Leistung darstellt.
34
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend die Zulässigkeit des in erster Instanz gestellten Hilfsantrags bejaht und das Streitpatent im Umfang dieses Hilfsantrags beschränkt.
35
a) Der Hilfsantrag stellt eine zulässige Beschränkung des Streitpatents dar, denn das darin dem Patentanspruch 1 hinzugefügte Merkmal 4 wurde bereits in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart (WO 99/17916, S. 1 Z. 30 bis 36). Dort ist die Möglichkeit einer Justierung des Extruders und/oder des Formtunnels relativ zueinander bereits beschrieben. Ferner ist als zur Erfindung gehörend offenbart, dass diese Möglichkeit geschaffen wird, indem der Extruder in der in Merkmal 3.2 beschriebenen Weise angeordnet wird (S. 3 Z. 24-29).
36
b) Der so beschränkte Gegenstand des Streitpatents ist auch patentfähig.
37
aa) Mit Merkmal 4 ist die Lehre neu, denn weder in der E1 noch in den weiteren Entgegenhaltungen wird ein Gegenstand gezeigt, bei dem der Extruder und/oder der Formtunnel tatsächlich während der Kunststoffzufuhr relativ zueinander verschoben werden kann.
38
bb) Die Ergänzung einer Gießvorrichtung mit einer dem Merkmal 4 entsprechenden Funktion beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
39
Allerdings bestand für den Fachmann Anlass, nach einer Gießvorrichtung zu suchen, mit der er irregulär geformte Kunststoffteile, insbesondere solche , die nicht rotationssymmetrisch geformt sind, gießen konnte. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat, gab es zum Prioritätszeitpunkt in der Fachwelt - insbesondere der Automobilindustrie - das Bedürfnis nach einem Produktionsverfahren für solche nicht rotationssymmetrischen Kunststoffteile (Gutachten, S. 17 Abs. 3).
40
Es sind indessen keine Hinweise oder Anregungen im Stand der Technik zu erkennen, die dem Fachmann eine Lösung entsprechend dem Merkmal 4, also die Wahl unterschiedlich großer Formbacken mit in horizontaler Richtung verschiedenen Formöffnungspositionen und ein darauf bezogenes Justieren des Extruders und/oder des Formtunnels gaben. Für darüber hinausgehende allgemeine und fachspezifische Kenntnisse und Erfahrungen des Fachmanns (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 Rn. 17 - Installiereinrichtung II), auf Grund derer sich dieser Lösungsweg dem Fachmann als naheliegend erwiesen hätte, ist ebenfalls nichts ersichtlich. Der Stand der Technik war vielmehr davon geprägt, die Formbacken für einen kontinuierlichen Extrusionsbetrieb jeweils gleich groß mit einer Formteilöffnung in der Mitte zu gestalten sowie den Extruder und den Formtunnel während der Kunststoffzufuhr - abgesehen von einem gelegentlichen Nachjustieren, um ungewollte und geringfügige Verschiebungen während des laufenden Produktionsprozesses auszugleichen - nicht gegeneinander zu verschieben, damit die Kunststoffschmelze sicher in die Öffnung des Formtunnels hineinfließen kann. Insbesondere ist dem Stand der Technik kein Hinweis dafür zu entnehmen, das Justieren des Extruders und/oder Formtunnels synchron zur horizontalen Positionsverschiebung der Formteilöffnungen mittels einer Regeleinrichtung zu bewirken (Streitpatent, Sp. 4 Abs. 24). Solche Hinweise waren dem Stand der Technik auch nicht aus der E4 sowie den vom Sachverständigen bei seiner An- hörung angegebenen Anwendungsfällen mit einer Extrusionsdüse zu entnehmen , die in jeder Hinsicht und in weitem Umfang vom Formtunnel verschoben werden konnte, wie etwa eine an einem Schlauch angeschlossene Extrusionsdüse für das Kunststoffschweißen. Solche Anwendungsfälle gaben keinen Hinweis darauf, die Extrusionsdüse synchron automatisch entsprechend der sich in horizontaler Ebene verschiebenden Zentren von aneinander geketteten Formbacken zu verschieben, wie sie für die Erzeugung irregulär geformter Kunststoffformteile gebraucht werden.
41
IV. Für die Kostenentscheidung ist auch diejenige der ersten Instanz insgesamt zu prüfen. Eine danach notwendige Abänderung ist auch im Patentnichtigkeitsverfahren nicht auf die Anträge der Parteien beschränkt, weil über die Kosten des Rechtsstreits von Amts wegen zu befinden ist (BGH, Urteil vom 23. September 1997 - X ZR 64/96, GRUR 1998, 138 - Staubfilter, unter II 1).
42
Danach sind die den Beklagten aufzuerlegenden Kosten gemäß § 101 Abs. 1 ZPO unter diesen nach Kopfteilen aufzuteilen (vgl. BGH - Staubfilter aaO, unter II 2). Die demgemäß für beide Instanzen zu treffende Kostenentscheidung beruht im Übrigen auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO. Keukenschrijver Mühlens Gröning Bacher Hoffmann
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.10.2009 - 4 Ni 43/08 (EU) -
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebeninte
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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published on 20/12/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 6/10 vom 20. Dezember 2011 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Installiereinrichtung II GebrMG § 1 Abs. 1, § 18 Abs. 4; PatG § 100, § 106, § 99 Abs. 1; ZPO § 91a A
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Annotations

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.