Bundesgerichtshof Urteil, 02. Okt. 2018 - X ZR 62/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Dr. Marx
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionsinstanz, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte ist Inhaberin des französischen Patents 2 852 234, das am 31. Mai 2001 angemeldet wurde und ein Verfahren zur Herstellung von Schneckenködern betrifft. Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: Procédé de production d'appâts anti-Iimace caractérisé en ce qu'il consiste: - à mélanger les ingrédients (MP1, MP2, MP3, MP4) constitués d‘un support amylacé, d'un agent de dispersion, d'un ou plusieurs conservateurs et d'un principe actif molluscicide, dans un turbo-mélangeur ou analogue (2) dont la vitesse est réglée en sorte de porter le mélange à une température de l'ordre de 90°C; - à transférer au fur et à mesure le mélange du turbo-mélangeur (2) ou analogue dans une extrudeuse à vis ou analogue (6) définissant successivement une zone (Z1) d'alimentation à température contrôlée, une zone (22) de mélange et de plastification de la matière et une zone (23) dite de montée en compression dans laquelle ladite matière est comprimée et à une température sensiblement supérieure à 100°C , le temps de séjour de la matière dans l'extrudeuse étant de l'ordre de quelques secondes, - à extruder la matière via une filière, sous forme de granules (16), - puis à effectuer les opérations finales de refroidissement et tamisage desdits granules.
- 2
- Die Klägerin stellt in Deutschland Köder zur Bekämpfung von Nacktschnecken her. Die Beklagte hatte von 2005 bis Anfang 2011 das ausschließliche Recht zum Vertrieb dieser Produkte in Frankreich. Seit dem Ende dieser Geschäftsbeziehung vertreibt die Klägerin ihre Produkte in Frankreich selbst.
- 3
- Auf Antrag der Beklagten ordnete das Landgericht mit Beschluss vom 4. Juli 2011 ein selbständiges Beweisverfahren zum Zwecke der Besichtigung und Begutachtung der Produktionsstätte der Klägerin an. Zugleich gab es der Klägerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf, diese Maßnahmen zu dulden. Während der Besichtigung am 11. August 2011 war die Produktionsstätte nicht in Betrieb. Die gerichtliche Sachverständige konnte deshalb keine Fest- stellungen zu den Temperaturen beim Mischvorgang und in der Druckanstiegszone sowie zur Verweildauer des Materials im Extruder treffen.
- 4
- In ihrem Gutachten vom 20. November 2011 kam die gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis, das Produktionsverfahren der Klägerin sei nicht zur Anwendung des geschützten Verfahrens geeignet.
- 5
- Mit ihrer am 8. Dezember 2011 erhobenen Klage beantragte die Klägerin die Feststellung, dass sie bei ihrer Produktion von Schneckenködern nicht von den (im Einzelnen aufgezählten) Merkmalen des geschützten Verfahrens Gebrauch macht. Das Landgericht setzte das Verfahren bis zur Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens aus.
- 6
- Im selbständigen Beweisverfahren beantragte die Beklagte in der Folgezeit die Herausgabe des Gutachtens und die erneute Besichtigung der Produktionsstätte. Das Landgericht wies diese Anträge zurück. Auf die Beschwerde der Beklagten ordnete das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels die Herausgabe des Gutachtens mit von der Klägerin vorgeschlagenen Schwärzungen an.
- 7
- Nach Fortsetzung des Verfahrens in der Hauptsache hat das Landgericht die begehrte Feststellung ausgesprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage mangels Feststellungsinteresse als unzulässig abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Senat zugelassenen Revision, der die Beklagte entgegentritt.
Entscheidungsgründe:
- 8
- Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
- 9
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (OLG Dresden, GRUR-RR 2016, 313) im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 10
- Das Landgericht habe die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu Recht bejaht. Diese ergebe sich aus Art. 24 Satz 1 der Verordnung Brüssel I. Anders als nach § 39 ZPO bedürfe es zur Begründung der Zuständigkeit danach nicht der rügelosen Einlassung zur Hauptsache in der mündlichen Verhandlung. Maßgeblich sei vielmehr, ob der Beklagte die Zuständigkeitsrüge in der Stellungnahme erhebe, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen sei. Hieran fehle es im Streitfall, weil die Beklagte in der Klageerwiderung den Mangel der Zuständigkeit nicht gerügt habe.
- 11
- Es fehle jedoch an dem für eine negative Feststellungsklage nach § 256 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Die Beklagte habe sich vorgerichtlich nicht eines Anspruchs gegen die Klägerin berühmt. Im Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens liege keine Berühmung. Ein solches Verfahren solle es dem Patentinhaber ermöglichen, sich Gewissheit über das Bestehen eines Anspruchs zu verschaffen. Diese Möglichkeit werde unterlaufen, wenn der Antragsgegner ein solches Verfahren zum Anlass für eine negative Feststellungsklage nehmen könne. Vor diesem Hintergrund seien die Verletzungsbehauptungen der Beklagten im Besichtigungsverfahren ebenfalls nicht als Berühmung zu qualifizieren.
- 12
- Die unzulässig erhobene Klage sei auch nicht in die Zulässigkeit hineingewachsen. Zwar habe die Beklagte in der Berufungsbegründung einen sich nach französischem Recht aus einer Patentverletzung ergebenden Anspruch behauptet. Es könne ihr aber nicht verwehrt sein, einer negativen Feststellungsklage hilfsweise auch in der Sache entgegenzutreten. Zudem habe sie von Beginn an aufgezeigt, dass der Vortrag ausschließlich zum Zwecke der Rechtsverteidigung erfolge.
- 13
- II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
- 14
- 1. Mit zutreffenden und von der Revisionserwiderung nicht angegriffenen Erwägungen hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bejaht.
- 15
- 2. Rechtsfehlerhaft ist das Berufungsgericht hingegen zu dem Ergebnis gelangt, es fehle an dem gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse.
- 16
- a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings entschieden, dass die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens seitens der Beklagten ein solches Feststellunginteresse noch nicht begründet hat.
- 17
- aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zu bejahen, wenn sich der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt.
- 18
- Dafür ist nicht notwendigerweise erforderlich, dass der Beklagte behauptet , bereits eine durchsetzbare Forderung gegenüber dem Kläger zu haben. Dessen Rechtsstellung ist schon dann schutzwürdig betroffen, wenn geltend gemacht wird, aus dem bestehenden Rechtsverhältnis könne sich unter bestimmten Voraussetzungen, deren Eintritt noch ungewiss ist, ein Anspruch gegen ihn ergeben (BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - X ZR 56/09, GRUR 2011, 995 Rn. 15 - Besonderer Mechanismus; Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 127/14, GRUR 2016, 93 = WRP 2016, 48 Rn. 15 - Abschlagspflicht I).
- 19
- Demgegenüber enthält die bloße Ankündigung, unter bestimmten Voraussetzungen in eine Prüfung einzutreten, ob ein Anspruch gegen den Kläger besteht, noch keinen ernsthaften, hinreichend bestimmten Eingriff in dessen Rechtssphäre, der ein alsbaldiges Interesse an gerichtlicher Klärung eines Rechtsverhältnisses der Parteien zu begründen vermag (BGH, GRUR 2011, 995 Rn. 15 - Besonderer Mechanismus).
- 21
- Ein selbständiges Beweisverfahren ermöglicht die Klärung, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen möglicherweise bestehenden Anspruch vorliegen. Dies gilt nicht nur für eine Begutachtung nach § 487 Abs. 2 ZPO, die ohnehin nur zulässig ist, wenn ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist und für die ein rechtliches Interesse nach § 487 Abs. 2 Satz 2 ZPO insbesondere dann anzuerkennen ist, wenn die angestrebte Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann, sondern auch für eine Beweiserhebung nach § 487 Abs. 1 ZPO. Eine solche kommt zwar auch während eines Rechtsstreits in Betracht. Wenn sie wie im Streitfall beantragt wird, bevor ein Rechtsstreit anhängig ist, kann aber ohne besondere Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller zur Geltendmachung seines Anspruchs unabhängig vom Ausgang des Beweisverfahrens entschlossen ist.
- 22
- Die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens als solche ist danach grundsätzlich nicht als Geltendmachung eines Anspruchs anzusehen, sondern als vorgelagerte Prüfung. Dies ist nach der eingangs aufgezeigten Rechtsprechung noch keine Berühmung. Wie bereits das OLG Dresden in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil aus dem Jahr 1929 ausgeführt hat, stünde eine abweichende Beurteilung in Widerspruch zur Zielsetzung des selbständigen Beweisverfahrens, einen Rechtsstreit nach Möglichkeit zu vermeiden (OLG Dresden, JW 1929, 519). Dies trifft auch für die heutige Rechtslage zu.
- 23
- cc) Dass ein selbständiges Beweisverfahren nach § 487 Abs. 1 ZPO auch während eines bereits anhängigen Rechtsstreits zulässig ist und ein solches Verfahren im Einzelfall auch dazu dienen kann, zusätzliches Beweismaterial für einen bereits als feststehend dargestellten Anspruch zu erlangen oder zu sichern, führt entgegen der Auffassung der Revision nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
- 24
- (1) In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall angenommen werden kann, dass der Antragsteller sich ungeachtet des von ihm angestrengten selbständigen Beweisverfahrens bereits eines Anspruchs berühmt. Eine solche Annahme kann jedenfalls nicht auf den Umstand gestützt werden, dass er ein solches Verfahren eingeleitet hat, sondern allenfalls auf ergänzende Erklärungen oder sonstiges Verhalten.
- 25
- (2) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt , dass solche besonderen Umstände im Streitfall nicht vorliegen.
- 26
- Entgegen der von der Revision erhobenen Rüge hat das Berufungsgericht die Antragsschrift und die weiteren in diesem Zusammenhang angeführten Schriftsätze der Beklagten aus dem selbständigen Beweisverfahren in seine Würdigung einbezogen. Es hat auch berücksichtigt, dass die Beklagte darin mehrfach dargelegt hat, ihr stünden Ansprüche wegen Patentverletzung zu.
- 27
- Das Berufungsgericht hat darin keine Berühmung gesehen, weil die Beklagte in der Antragsschrift ausgeführt hat, eine abschließende Bewertung sei ohne Einsichtnahme in die Produktionsstätte der Klägerin nicht möglich, und weil ihr Vorbringen im weiteren Verlauf des Verfahrens auf das Ziel gerichtet war, das eingeholte Sachverständigengutachten in vollständiger Form zu erlangen , um weiteren Aufschluss über das von der Klägerin angewendete Verfahren zu gewinnen.
- 28
- Diese Erwägungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
- 29
- Insbesondere hat das Berufungsgericht dem auf Vermeidung eines Rechtsstreits gerichteten Zweck von § 487 ZPO zu Recht dadurch Rechnung getragen, dass es Äußerungen, die bei isolierter Betrachtung als Berühmung angesehen werden könnten, vor dem Hintergrund des Verfahrens interpretiert hat, in dem sie erfolgt sind.
- 30
- Eine den Verfahrenskontext berücksichtigende Auslegung kann allerdings nicht auf den vom Berufungsgericht angeführten Gesichtspunkt gestützt werden, ein selbständiges Beweisverfahren sei unzulässig, wenn sich der Antragsteller von Beginn an als vom Bestehen des Anspruchs überzeugt zeige. Zu Recht ist das Berufungsgericht aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte durch die Erklärung, eine abschließende Bewertung sei ohne Einsichtnahme in die Produktionsstätte der Klägerin nicht möglich, und durch ihr Bestreben, das erstellte Gutachten in vollständiger Form ausgehändigt zu erhalten, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass das selbständige Beweisverfahren weiterhin der Prüfung möglicher Ansprüche dienen soll.
- 31
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es zwar grundsätzlich aus, wenn der Anspruchsteller geltend macht, ihm stehe ein materiellrechtlicher Anspruch zu; der Androhung konkreter rechtlicher Schritte bedarf es grundsätzlich nicht (BGH, Urteil vom 12. Juli 2011 - X ZR 56/09, GRUR 2011, 995 Rn. 20 - Besonderer Mechanismus). Wenn ein Antragsteller in einem selbständigen Beweisverfahren vorträgt, ihm stehe ein Anspruch zu, aber dennoch auf eine weitere Beweiserhebung und auf vollständige Überlassung des eingeholten Gutachtens dringt, kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass er an seiner Auffassung auch bei ungünstigem Ausgang des Verfahrens festhalten wird. In einer solchen Situation ist vielmehr grundsätzlich davon auszugehen, dass die Ausführungen zur Begründetheit des Anspruchs nur erfolgen, um die mit dem selbständigen Beweisverfahren angestrebte Prüfung zu ermöglichen.
- 32
- b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist jedoch das Vorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit als Berühmung anzusehen.
- 33
- aa) Aus der von der Revision angeführten Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsverteidigung im Prozess als Berühmung angesehen werden kann, können insoweit allerdings keine Schlussfolgerungen gezogen werden.
- 34
- Die von der Revision zitierten Entscheidungen (BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 - X ZR 41/90, BGHZ 117, 264 = GRUR 1992, 612 - Nicola; Urteil vom 31. Mai 2001 - I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174 = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe) befassen sich mit der Frage, ob dem Vorbringen eines auf Unterlassung in Anspruch genommenen Beklagten entnommen werden kann, dass die einen Unterlassungsanspruch begründende Gefahr eines erstmaligen Verstoßes besteht. Die Voraussetzungen dieses Anspruchsmerkmals decken sich nicht vollständig mit den Voraussetzungen für ein rechtliches Interesse an einer negativen Feststellungsklage.
- 35
- bb) Eine die Erhebung einer negativen Feststellungsklage rechtfertigende Berühmung liegt im Streitfall jedoch vor, weil die Beklagte nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens an ihrem Standpunkt festgehalten hat, ihr stünden gegen die Klägerin Ansprüche wegen Verletzung ihres Patents zu.
- 36
- Mit dem Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens entfällt die Grundlage für die Annahme, dass entsprechende Äußerungen des Antragstellers nur erfolgen, um eine Prüfung möglicher Ansprüche zu ermöglichen. Anders als in Fällen, in denen es bereits zu einer Berühmung gekommen ist (dazu BGH, Urteil vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/03, NJW 2006, 2780 Rn. 24; Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 353/07, NJW 2008, 2842 Rn. 28), muss der Antragsteller in dieser Situation zwar keinen Verzicht auf seine Ansprüche erklären, um ein rechtliches Interesse der Gegenseite an einer negativen Feststellungsklage auszuräumen. Wenn der Antragsteller trotz Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens weiterhin geltend macht, er halte die Ansprüche für begründet , ist dies angesichts der geänderten Rahmenumstände aber grundsätzlich als Berühmung anzusehen, die ein hinreichendes Interesse des Gegners begründet , die Rechtslage gerichtlich klären zu lassen.
- 37
- cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt der Umstand, dass die Beklagte auf ihren während des Beweisverfahrens geäußerten Rechtsstandpunkt erst nach Rechtshängigkeit der negativen Feststellungsklage zurückgekommen ist und hierbei erklärt hat, dies diene lediglich der Rechtsverteidigung , nicht zu einer abweichenden Beurteilung.
- 38
- Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Feststellungsklage schon deshalb zulässig war, weil die Beklagte nach Abschluss des Beweisverfahrens nicht ausdrücklich erklärt hat, dass sie an ihrem dort geäußerten Rechtsstandpunkt nicht mehr festhält. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird eine negative Feststellungsklage, für die ursprünglich kein hinreichendes Feststellungsinteresse bestanden hat, jedenfalls dann zulässig, wenn sich der Beklagte zumindest hilfsweise auch mit materiell-rechtlichen Argumenten verteidigt.
- 39
- Wenn sich der Beklagte hilfsweise und zum Zwecke der Rechtsverteidigung des Rechts berühmt, eine bestimmte Handlung vorzunehmen, mag daraus zwar keine einen Unterlassungsanspruch begründende Erstbegehungsgefahr resultieren, denn aus der Äußerung der Rechtsauffassung, zu einem bestimmten Verhalten berechtigt zu sein, kann nicht ohne weiteres gefolgert werden , dass der Äußernde sich in dieser Weise verhalten will oder wird. Mit der Behauptung, ihm stehe ein bestimmter Anspruch gegen den Kläger zu, schafft der Beklagte aber einen Zustand der Rechtsunsicherheit, der grundsätzlich ein hinreichendes Interesse an gerichtlicher Klärung begründet. Dem Umstand, dass die Rechtsbehauptung nur zum Zwecke der Rechtsverteidigung gegen eine negative Feststellungsklage erfolgt, die der Beklagte in erster Linie als unzulässig beanstandet, kommt in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Wenn der Beklagte zum Ausdruck bringt, dass er sich bei Zulässigkeit der Klage auf eine ihm zustehende Rechtsposition berufen will, lässt er unabhängig vom Anlass dieser Äußerung erkennen, dass er ein solches Recht für sich in Anspruch nimmt und unter bestimmten Voraussetzungen geltend machen will. Damit liegt eine Berühmung im eingangs genannten Sinne vor.
- 40
- Dieses Ergebnis steht in Einklang mit dem Grundsatz, dass für die Zulässigkeit und Begründetheit einer Klage die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich sind. Wenn ein Beklagter, der zuvor keinen Anlass zur Klage gegeben hat, im Laufe des Prozesses sich des in Rede stehenden Anspruchs berühmt, entspricht es zudem der Prozessökonomie, den nunmehr entstandenen Streit im bereits anhängigen Rechtsstreit einer Entscheidung zuzuführen.
- 41
- Die Gefahr, dass ein Schuldner dem Gläubiger auf diese Weise einen diesem nicht genehmen Gerichtsstand aufzwingen kann, besteht bei innerstaatlichen Streitigkeiten schon deshalb nicht, weil es dem Gläubiger ungeachtet der negativen Feststellungsklage freisteht, seinen Anspruch in einem anderen Gerichtsstand mittels Leistungsklage geltend zu machen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Dezember 1996 - VIII ZR 154/95, BGHZ 134, 201, 208 f. = NJW 1997, 870, 872). Im Anwendungsbereich der Verordnungen Brüssel I und Brüssel Ia kommt einer später erhobenen Leistungsklage im Verhältnis zu einer negativen Feststellungsklage zwar kein entsprechender Vorrang zu (BGHZ 134, 201, 209 ff. = NJW 1997, 870, 872 f.). Dies beruht indes auf dem Gedanken, dass der Schuldner durch schnelle Erhebung einer negativen Feststellungsklage die gleiche Chance haben soll, sich das streitentscheidende Gericht auszusuchen, wie der Gläubiger (BGHZ 134, 201, 211 = NJW 1997, 870, 872). Dem Gläubiger wird dadurch nicht die Möglichkeit genommen, seinen Anspruch im Wege der Leistungsklage geltend zu machen. Er kann vielmehr nach Art. 6 Nr. 3 Brüssel-I-VO bzw. Art. 8 Nr. 3 Brüssel-Ia-VO Leistungswiderklage erheben.
- 42
- III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif.
- 43
- 1. Die Klage ist nicht deshalb abweisungsreif, weil der Klageantrag nicht auf das Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet ist.
- 44
- a) Der bisher gestellte Klageantrag ist allerdings unzulässig, weil er sich nicht auf ein Rechtsverhältnis bezieht, sondern auf eine dafür relevante Vorfrage.
- 45
- Gegenstand einer Feststellungsklage kann nach § 256 Abs. 1 ZPO nur das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses sein, nicht aber eine bloße Vorfrage oder ein einzelnes Element eines Rechtsverhältnisses (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Dezember 1994 - II ZR 269/93, NJW 1995, 1097).
- 46
- Als Rechtsverhältnis in diesem Sinn kommen die von der Beklagten postulierten Ansprüche aus der Verletzung ihres Patents durch die Produktion von Schneckenködern seitens der Klägerin in Betracht. Die von der Klägerin beantragte und vom Landgericht zugesprochene Feststellung, dass die Klägerin bei der Produktion von Schneckenködern nicht von den Verfahrensschritten des Patents Gebrauch macht, betrifft nicht diese Ansprüche, sondern eine einzelne Voraussetzung dafür.
- 47
- b) Dies hat indes nicht zur Folge, dass die Klage abzuweisen ist.
- 48
- Das Berufungsgericht wird der Klägerin im wiedereröffneten Berufungsverfahren Gelegenheit geben müssen, einen zulässigen und sachdienlichen Klageantrag zu formulieren (vgl. BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 53/16, WM 2018, 264 Rn. 14 - Festzins Plus).
- 49
- 2. Zur Begründetheit der geltend gemachten Ansprüche hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Dies wird es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.
Hoffmann Marx
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 03.02.2015 - 5 O 3638/11 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 31.05.2016 - 14 U 247/15 -
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Annotations
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Der Antrag muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Gegners; - 2.
die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll; - 3.
die Benennung der Zeugen oder die Bezeichnung der übrigen nach § 485 zulässigen Beweismittel; - 4.
die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen.
Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Der Antrag muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Gegners; - 2.
die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll; - 3.
die Benennung der Zeugen oder die Bezeichnung der übrigen nach § 485 zulässigen Beweismittel; - 4.
die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.