Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2001 - X ZR 39/00

published on 12/12/2001 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 12. Dez. 2001 - X ZR 39/00
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 39/00 Verkündet am:
12. Dezember 2001
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Auch ein Schaden, der durch Verletzung einer Hauptleistungspflicht entsteht,
kann als entfernter Mangelfolgeschaden den Regeln der positiven Vertragsverletzung
unterliegen.
BGH, Urteil vom 12. Dezember 2001 - X ZR 39/00 -OLG Hamm
LG Arnsberg
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 10. Dezember 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger macht als Haftpflichtversicherer der Gemeinde L. (nachfolgend: Gemeinde) aus übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung eines Werkvertrags geltend. Die Gemeinde beabsichtigte , im Baugebiet G. die Mischwasserkanäle zu sanieren und dabei eine alte, im Kanalbestandsplan nicht verzeichnete Kanalstrecke zu verfül-
len. Hierzu beauftragte sie die Beklagte mit einer Untersuchung dieser Kanäle mit einer Kamera, insbesondere zur Erfassung der bestehenden Anschlüsse. Dies umfaßte auch die Strecke zwischen den Schächten 4 und 5. Die Beklagte führte die Untersuchung durch, brach sie jedoch nach 16,9 m bei einem Sturzgefälle ab; ihr schriftlicher Bericht vermerkt hier: "Abbruch. Gegenmessung nicht erforderlich" (GA 17). In dem Bereich zwischen der Abbruchstelle und Schacht 5 mündete der Anschluß des Anwesens G. 9, was bei der Untersuchung unbemerkt blieb. Beim Verfüllen durch die Streitverkündete entstand über diesen Anschluß an dem Haus Schaden, für den der Kläger als Haftpflichtversicherer der Gemeinde einzustehen hat und den er gegenüber der Beklagten in Höhe von 109.822,12 DM geltend macht.
Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, dem zugleich die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.
I. Das Berufungsgericht ist zum Ergebnis gekommen, daß die Beklagte auch das Kanalstück zwischen den Schächten 4 und 5 zu untersuchen hatte. Dies hat sie unstreitig nur teilweise getan. Damit hat die Beklagte die von ihr nach den Feststellungen des Berufungsgerichts werkvertraglich geschuldete
Hauptleistung nur teilweise erbracht. Dies war, wovon jedenfalls mangels gegenteiliger Feststellungen für das Revisionsverfahren auszugehen ist, auch ursächlich für den am Eigentum der Anlieger bei der Verfüllung eingetretenen Schaden, der reguliert wurde und für den Ausgleich begehrt wird. Im übrigen stände es entgegen der Auffassung der Beklagten der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden nicht entgegen, daû sich dieser erst durch die Verfüllung verwirklicht hat; nach der Lebenserfahrung ist nämlich davon auszugehen, daû bei Kenntnis des Anschlusses geeignete Vorkehrungen getroffen worden wären, die es verhindert hätten, daû es durch die Verfüllung zu Schäden an dem Anwesen gekommen wäre.
II. 1. Das Berufungsgericht meint, Ansprüche kämen allein auf der Grundlage positiver Vertragsverletzung wegen Verletzung einer Hinweispflicht in Betracht. Auf die teilweise Nichterfüllung des Vertrags könne der Schadensersatzanspruch nicht gestützt werden, weil sich aus dem Untersuchungsbericht eindeutig ergebe, daû die Beklagte ihre Ermittlungen nicht vollständig ausgeführt habe. Zwar hätte dies die Gemeinde berechtigt, von der Beklagten die weitere Ausmessung nach § 631 BGB zu verlangen. Um einen solchen Anspruch gehe es hier aber nicht.
2. Dies greift die Revision mit Erfolg an. Sie verweist darauf, daû der Besteller nicht auf den Erfüllungsanspruch beschränkt sei. Auch die Haftung für Mangelfolgeschäden knüpfe an eine Schlechterfüllung der Hauptleistung und nicht an eine Verletzung von Nebenpflichten an, die allerdings daneben in Betracht komme.
3. Dem ist beizutreten. Auch ein Schaden, der durch Verletzung einer Hauptleistungspflicht entsteht, kann als entfernter Mangelfolgeschaden den Regeln der positven Vertragsverletzung unterliegen (BGHZ 11, 80, 83; s. die ausführliche Kasuistik im Sen.Urt. v. 26.3.1996 - X ZR 100/94, WM 1996, 1785 ff., Gründe unter III. 2. b). In solchen Fällen wird zudem das Vorliegen eines Mangels vielfach erst dann bemerkt werden, wenn sich der Mangelfolgeschaden verwirklicht. Auch aus diesem Grund verbietet es sich, die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für solche Schäden an die strengen Voraussetzungen der §§ 633 ff., 635 oder 325, 326 BGB zu knüpfen, wie dies die Beklagte annimmt. Damit kommen aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts Schadensersatzansprüche nicht nur wegen der Verletzung von Hinweispflichten, die das Berufungsgericht verneint hat, sondern auch wegen der Verletzung von werkvertraglichen Leistungspflichten in Betracht. Für das Revisionsverfahren ist mangels gegenteiliger Feststellungen im Berufungsurteil weiter davon auszugehen, daû die Beklagte schuldhaft gehandelt hat. Eine eigene Bewertung eines Mitverschuldens ist dem Senat nicht möglich, sie muû dem Tatrichter überlassen bleiben. Soweit das erstinstanzliche Urteil entsprechende Überlegungen enthält, worauf die Revisionserwiderung hinweist, hat sich das Berufungsgericht diese nicht zu eigen gemacht.
III. Das Berufungsgericht wird sich mit der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erhobenen Rüge auseinanderzusetzen haben, daû die Überprüfung der Strecke zwischen den Schächten 4 und 5 nicht geschuldet gewesen sei.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Asendorf
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(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sac
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(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos

(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sac
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(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.

(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.

(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.