Bundesgerichtshof Urteil, 15. Jan. 2002 - X ZR 31/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Rechtsstreit wird insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verkauft und vermietet gepanzerte Fahrzeuge. Mit Vertrag vom 4. August 1997 verpflichtete sich die Beklagte, zwei von der Klägerin zu liefernde ... Fahrzeuge der “...” in der Stufe B6 zum Preis von je 105.000,-- DM zzgl. MwSt. als Musterfahrzeuge zu panzern. Die Klägerin sagte zu, für den Zeitraum von drei Jahren keinen anderen Hersteller mit der Panzerung von ... Fahrzeugen zu beauftragen. Im gleichen Zeitraum sollte die
Beklagte für keinen anderen Händler oder Dritten ... Fahrzeuge mit Panzerungen aufbauen. Sie "garantierte, daß sie nach verbindlich erfolgter Bestellung ... bis zu 40 ... im Jahr panzern" werde. Die Aufbauzeit der Panzerung sollte im Regelfall zwischen 10 - 12 Wochen dauern. Im Begleitschreiben zu diesem Vertrag führte die Klägerin aus, obwohl die ... für die Beklagte ein "noch nicht so bekanntes neues Gebiet" darstelle, vertraue sie auf eine saubere Ausführung der Arbeiten, wenngleich ihr bewußt sei, "daß ein ...-Niveau zu dem ... Zielpreis natürlich unmittelbar nicht realisierbar" sei.
Die Klägerin lieferte der Beklagten zwei ... Fahrzeuge zur Panzerung, deren Eingang die Beklagte am 1. September 1997 bestätigte. Mit Schreiben vom 30. September 1997 nannte sie als Fertigstellungstermine die 1. Dezemberwoche 1997 und den 20. Dezember 1997. Die Klägerin lieferte ein weiteres Fahrzeug Ende September 1997. Die Rücklieferung sollte in der 7. Kalenderwoche 1998 erfolgen. Am 24. November 1998 beauftragte die Klägerin die Beklagte mit dem Aufbau von zwei weiteren ... Sonderschutzfahrzeugen.
Die Beklagte lieferte das erste Fahrzeug am 4. Februar 1998, das zweite am 13. Mai 1998 und das dritte am 5. August 1999 aus.
Zuvor hatte die Klägerin am 11. September 1997 mit Y. einen Vertrag über die Lieferung von 120 gepanzerten Sonderschutzfahrzeugen der ... (Schutzklasse B6) geschlossen, wobei der Sonderschutz durch die Beklagte ausgeführt werden sollte. Die Vertragspartner vereinbarten einen Kaufpreis von 502.347,-- DM (exklusiv Mehrwertsteuer) je Fahrzeug und fol-
gende Liefertermine - mit einer Verlängerungsoption von bis zu 30 Tagen für die Klägerin -:
15. - 21. Mai 1998 30 1. - 7. Juni 1999 36 Sonderschutz1. - 7. März 2000 40 fahrzeuge 15. - 21. Januar 2001 14 Mit Schreiben vom 2. Dezember 1997 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige, "die Sparte Schutztechnik und Sonderfahrzeuge auszugründen und in eine andere unternehmerische Führung zu übergeben". Sie versicherte der Klägerin, daû sie auch dann die vom Verkehr mit ihrem Namen verbundene Qualität zu wirtschaftlichen Konditionen bekommen werde, da das Personal und damit die "Know-How-Träger" die gleichen bleiben würden. Sie bitte um Verständnis dafür, daû die D. in dieser Situation keine weiteren Verpflichtungen eingehen wolle.
Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 9. Dezember 1997, das Schreiben der Beklagten habe bei ihr zu groûer Verunsicherung geführt. Geschäftsgrundlage ihrer Kunden sei, daû gerade die Beklagte den Panzerungsaufbau betreibe, da der durch diese vertretene ...-Sicherheitsstandard sich kauf- und auftragsentscheidend auswirke. Die Beklagte teilte am 19. Dezember 1997 mit, die Sparte Schutztechnik und Sonderfahrzeuge werde von der H. AG übernommen und unter dem Firmennamen M. GmbH fortgeführt. Das neue Unternehmen sei an der Weiterführung der bisher aufgebauten Geschäftsbeziehungen interessiert und auch bereit, in die bestehenden Verpflichtungen einzusteigen. Nach dem Betriebsübergang dürfe allerdings mit "D. Schutztechnik und Sonderfahrzeuge" nicht mehr geworben werden. Die Klägerin bat darauf um weitere Aufklärung. Mit Schreiben vom 29. Januar 1998 teilte die Beklagte mit, der Betriebsübergang auf die M. sei rückwirkend zum 1. Dezember 1997
erfolgt. Dies bedeute, daû die entsprechenden Produkte, auch die noch nicht fertiggestellten, keine D.-Produkte mehr seien und eine D.-Auftragserfüllung nicht mehr zugesichert werden könne. Werbung mit ihrem Namen sei nicht mehr gestattet.
Die Klägerin teilte daraufhin am 29. Januar 1998 der Firma Y. mit, die Beklagte sei vertragsbrüchig geworden; diese werde keine Aufrüstung von Sonderschutzfahrzeugen mehr durchführen und habe Werbung mit ihrem Namen untersagt. Die Y. antwortete unter dem 2. Februar 1998, daû bisher ein von der Beklagten gepanzertes Fahrzeug verkauft worden sei, man mit der Klägerin nicht mehr zusammenarbeiten und den Schaden einklagen werde.
Die Beklagte vertrat mit Schreiben vom 17. März 1998 die Auffassung, aus dem Schriftverkehr könne nicht gefolgert werden, daû sie ernstlich und endgültig die Erfüllung des Vertrages verweigere. Sie bat die Klägerin um eine eindeutige Mitteilung, ob diese an der Vereinbarung festhalte und auf der Basis der ihr zugeleiteten Konditionen Aufträge erteilen wolle. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 27. März 1998, daû sie an der Vereinbarung festhalte.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 6.656.558,40 DM in Anspruch genommen. Sie hat vorgetragen, für sie sei es ebenso wichtig wie interessant gewesen, ein Konzernprodukt mit gewährleistetem ...-Standard am sensiblen Markt für gepanzerte Limousinen bewerben und vermarkten zu können. Der Name der Beklagten habe eine an eine Absatzgarantie reichende Vertriebssicherheit begründet. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, sie an die M. zu verweisen. Das Verhalten der Beklagten
beinhalte eine ernstliche und endgültige Erfüllungsverweigerung, so daû sie berechtigt sei, aus dem Vertrag Schadenersatz zu verlangen. Darüber hinaus hafte die Beklagte aus unerlaubter Handlung auf Ersatz des Schadens, weil sie schon bei Vertragsschluû die Absicht gehabt habe, den Vertrag nicht zu erfüllen. Ihr sei pro Fahrzeug ein Gewinn in Höhe von 221.885,28 DM entgangen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat behauptet, die Klägerin habe die Strategie verfolgt, mit dem von ihr geprägten Begriff “... Sonderschutzfahrzeug” potentiellen Abnehmern gegenüber einen angeblich einheitlichen ...-Standard für "Sonderschutzfahrzeuge" vorzuspiegeln. Sie habe versucht, Preise für die gepanzerten Fahrzeuge zu erzielen, die nur knapp unter denen der ... AG für "werksgepanzerte" Fahrzeuge gelegen hätten. Nur so sei nachzuvollziehen, daû die Y. bereit gewesen sei, für den Sonderschutz einen Betrag von 314.925,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat sich weiter auf die Unwirksamkeit des Vertrages wegen offenen Einigungsmangels berufen und bestritten, die Umrüstung der von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge verweigert zu haben; sie sei bereit gewesen, die von der Klägerin erteilten Aufträge in eigenem Namen durch die M. GmbH zu erfüllen, die hierzu auch in der Lage gewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin Aufhebung des angefochtenen Urteils und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 665.655,84 DM. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg; sie führt im Umfang des Angriffs zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat unter Bezug auf die Ausführungen des Landgerichts angenommen, daû die Parteien am 4. August 1997 eine Vereinbarung über die Panzerung von Fahrzeugen geschlossen haben, die inhaltlich ausreichend klar und eindeutig ist, und daû deshalb kein Einigungsmangel vorliegt. Die Revision greift dies nicht an. Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
2. Das Berufungsgericht hat die materiellen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 326 BGB a.F. und aus positiver Vertragsverletzung unterstellt und das Verhalten der Beklagten als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung gewertet, so daû eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nach § 326 BGB a.F. nicht erforderlich gewesen sei.
Die Revision wendet sich auch gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts nicht. Im Ergebnis halten sie trotz der Bedenken der Revisionserwiderung als tatrichterliche Würdigung einer revisionsrechtlichen Überprüfung auch stand; denn der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedenfalls aus positiver Vertragsverletzung in Verbindung mit § 326 BGB a.F. gerechtfertigt , weil sich die Beklagte schuldhaft unberechtigt vom Vertrag losgesagt und damit ihre Vertragstreue aufgekündigt hat, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
3. a) Das Berufungsgericht hat sodann einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint, weil diese nicht nachgewiesen habe, daû die Erfüllungsverweigerung der Beklagten für ihren geltend gemachten entgangenen Gewinn ursächlich gewesen sei. Es hat ausgeführt: Die Klägerin habe den Nachweis nicht erbracht, daû sie ohne die Erfüllungsverweigerung ihre Lieferverpflichtung gegenüber Y. habe einhalten können und daû dieses Unternehmen wegen der Erfüllungsverweigerung vom Vertrag zurückgetreten sei. Die Klägerin habe ihrer Lieferverpflichtung gegenüber Y. aus der Vereinbarung vom 11. September 1997 selbst dann nicht erfüllen können, wenn die Beklagte ihren Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 4. August 1997 nachgekommen wäre; denn die Liefer- und Fertigstellungstermine beider Vereinbarungen hätten nicht korrespondiert. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung einer 30-tägigen Verlängerung die ersten 30 Sonderschutzfahrzeuge bis spätestens 21. Juni 1998 an Y. liefern müssen, während die Beklagte lediglich verpflichtet gewesen sei, nach verbindlicher Bestellung bis zu 40 Fahrzeuge pro Jahr zu panzern. Als hypothetischer Beginn für diesen Jahreszeitraum müsse vom Zeitpunkt der endgültigen Erfüllungsverweigerung mit dem Schreiben der Beklagten vom 26. Januar 1998 ausgegangen werden, das eine verbindliche Bestellung illusorisch gemacht habe. Eine verbindliche Bestellung von Fahrzeugen habe auûerdem erst nach Auslieferung des ersten Musterfahrzeuges (4. Februar 1998) erfolgen können. Das Beweisangebot der Klägerin, die Beklagte sei in der Lage gewesen, die für die Einhaltung der Lieferverpflichtung gegenüber Y. erforderliche Stückzahl zu panzern, sei unerheblich, weil nach der Vereinbarung der Parteien insoweit keine Verpflichtung der Beklagten bestanden habe. Unsubstantiiert
sei auch das weitere Beweisangebot der Klägerin, Y. hätte es hingenommen, wenn die ersten 30 Fahrzeuge bis zum Jahresende ausgeliefert worden wären. Die Klägerin habe nicht dargelegt, wann, bei welcher Gelegenheit, mit welchem Inhalt und vor allem aus welchem Anlaû eine Vereinbarung dieses Inhalts getroffen worden sei.
Die Klägerin habe auch nicht nachgewiesen, daû Y. nicht wegen der Nichteinhaltung der mit der Klägerin vereinbarten Fristen vom Vertrag zurückgetreten wäre. Nicht nachgewiesen sei ferner, daû Y. die Fahrzeuge als vertragsgemäû abgenommen und den vereinbarten Stückpreis von 502.347,-- DM ohne MwSt. bezahlt hätte. Diese unter Beweis gestellte Behauptung der Klägerin könne nicht durch den Zeugen A. bewiesen werden, da nicht vorgetragen worden sei, daû der Zeuge eines der gepanzerten Fahrzeuge gesehen habe.
b) Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. aa) Im Ergebnis mit Recht rügt die Revision, die Annahme des Berufungsgerichts , eine Schadenskausalität liege nicht vor, weil die Beklagte die Konditionen der Y. ohnehin nicht habe erfüllen müssen, beruhe auf einer fehlerhaften Auslegung des Vertrages der Parteien vom 4. August 1997.
Nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen sind Verträge so auszulegen , daû sie den Interessen beider Parteien gerecht werden (BGH, Urt. v. 2. Juli 1992 - I ZR 181/90, NJW-RR 1992, 1386). Im Zweifel ist dasjenige gewollt , was nach den Maûstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Beschl. v. 9. Februar 1993
- XI ZB 2/93 - NJW 1993, 1925). Diesen Grundsätzen wird die Auslegung des Berufungsgerichts nicht gerecht. Das Berufungsgericht hat zum Inhalt des Vertrages festgestellt, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, "nach verbindlicher Bestellung bis zu 40 Fahrzeuge pro Jahr zu panzern". Daran hat es die Annahme geknüpft, eine verbindliche Bestellung von Panzerungen habe frühestens nach Auslieferung der Musterfahrzeuge ab 4. Februar 1998 erfolgen können, die Beklagte habe erst ein Jahr nach der Bestellung - also nicht vor dem 3. Februar 1999 und damit lange nach der Kündigung des Liefervertrages durch Y. - 40 gepanzerte Fahrzeuge ausliefern müssen. Damit hat das Berufungsgericht bei seiner Auslegung des Vertrages zu Lasten der Klägerin zwei Extremsituationen unterstellt und miteinander verknüpft. Auf diese Überlegungen kann hier eine Auslegung nicht gestützt werden. Zum einen läût sich seine Annahme nicht rechtfertigen, die Klägerin hätte auch ohne Kündigung der Y. vor dem 4. Februar 1998 keine weiteren Fahrzeuge zur Panzerung in Auftrag gegeben. Das Berufungsgericht hat hierbei nicht berücksichtigt, daû die Klägerin abgesehen von den beiden Musterfahrzeugen am 22. September 1997 ein weiteres Fahrzeug (Fahrgestellendnummer 290) und im November 1997 die Panzerung von zwei weiteren Fahrzeugen der ... in Auftrag gegeben hat. Zum anderen läût sich die Auffassung des Berufungsgerichts, die Parteien hätten einen jährlichen Liefertermin vereinbart, die Beklagte habe sich deshalb mit der Panzerung der in Auftrag gegebenen Fahrzeuge ein Jahr Zeit lassen dürfen, nur schwer mit dem Vertragstext vereinbaren. Die Verpflichtung der Beklagten, "bis zu 40 Fahrzeuge pro Jahr" zu liefern, kann bei interessengerechter Auslegung eher produktbezogen dahin verstanden werden, daû die Beklagte während eines Jahres nicht mehr als ein Kontingent von höchstens 40 Fahrzeugen für die Klägerin zu panzern hatte. Ein dahingehendes Verständnis der streitigen Vereinbarung stimmt auch mit dem Verhalten der Beklagten nach Ver-
tragsschluû überein. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte für die Musterfahrzeuge Fertigstellungstermine in der 1. Dezemberwoche 1997 und am 20. Dezember 1997 sowie für das dritte Fahrzeug als Liefertermin die 7. Kalenderwoche 1998 zugesagt; für die beiden weiteren Fahrzeuge hat die Klägerin unwidersprochen eine Lieferzusage bis spätestens Ende Februar 1998 verlangt. Die Beklagte hat demnach ihre Lieferpflicht keineswegs dahin verstanden, daû sie, wie das Berufungsgericht angenommen hat, die gepanzerten Fahrzeuge nicht vor dem 3. Februar 1999 hat ausliefern müssen. Wie die Revision zu Recht rügt (§ 286 ZPO), hat das Berufungsgericht bei seiner Auslegung des Vertrages zudem nicht berücksichtigt, daû die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin bereits bei Vertragsschluû gemäû einer internen Mitteilung zur "Panzerung von Fahrzeugen der... durch D. Schutztechnik" vom 7. August 1997 eine personelle und sachliche Jahreskapazität für 100 Auftragspanzerungen vorgehalten hat. Hiervon ausgehend, konnte und durfte die Klägerin die jährliche Liefervereinbarung dahin verstehen, daû die Beklagte ihre ausreichend vorhandenen Kapazitäten für die zügige Erfüllung der Panzerungen einsetzen werde.
bb) Zutreffend beanstandet die Revision weiter, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daû die Beklagte selbst dann, wenn man von verbindlichen Bestellungen ab 4. Februar 1998, dem Zeitpunkt der Lieferung des ersten Musterfahrzeuges, ausgehe, jedenfalls bis zum 21. Juni 1998, dem ersten Liefertermin nach dem Liefervertrag mit Y., einige Fahrzeuge vertragsgemäû hätte liefern können. Zwar mag es sein, daû dies nicht 15 Fahrzeuge mit einem Gewinn von 3.328.779,20 DM gewesen wären, wie die Revision errechnet. Jedoch läût sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsge-
richts nicht ausschlieûen, daû die Klägerin der Beklagten einige Fahrzeuge angeliefert und diese bei vertragsgemäûer Abwicklung der Vereinbarung die gepanzerten Fahrzeuge der Klägerin rechtzeitig vor dem 21. Juni 1998 zur Lieferung an Y. ausgeliefert hätte. cc) Die Revision rügt ferner mit Recht als verfahrensfehlerhaft, daû das Berufungsgericht der unter Beweis (Zeuge A.) gestellten Behauptung der Klägerin nicht nachgegangen ist, die Firma Y. hätte Verzögerungen der Lieferungen hingenommen, wenn die an sie zu liefernden ersten 30 Fahrzeuge zumindest im Wochenturnus ab der 20. Kalenderwoche bis zum Jahresende 1998 ausgeliefert worden wären. Für die Berechnung des Nichterfüllungsschadens , der Gegenstand des Rechtsstreits ist, kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf an, ob die Klägerin mit der Y. im gegenseitigen Einvernehmen eine solche Vereinbarung getroffen hat. Entscheidend ist vielmehr, ob Y. die Verzögerung hingenommen hätte, ohne sich von ihrer Abnahmeverpflichtung zu lösen. Das Berufungsgericht übersieht, daû sich die Klägerin und Y. zum Zeitpunkt der vom Berufungsgericht angenommenen endgültigen Erfüllungsverweigerung durch die Beklagte (26. Januar 1998) noch keine Gedanken darüber machen muûten, was bei Überschreitung der zwischen ihnen vereinbarten Lieferfristen geschehen sollte. Der Nichterfüllungsschaden kann nur aufgrund einer Prognose der Geschehnisse berechnet werden, wie sie sich ohne die Erfüllungsverweigerung der Beklagten ab 26. Januar 1998 voraussichtlich entwickelt hätten. Das Berufungsgericht kann daher von der Klägerin nicht den Vortrag konkreter Umstände einer etwa mit Y. vereinbarten Fristverlängerung verlangen. Entscheidend ist allein, ob Y. die Überschreitung der ursprünglich vereinbarten Lieferfrist geduldet bzw. einer entsprechenden Vereinbarung mit der Klägerin zugestimmt hätte. Dies hat die Klägerin durch den Zeugen A. unter Beweis gestellt.
4. Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe für den von ihr behaupteten Schaden nicht genügend Tatsachen vorgetragen. Das Berufungsgericht hat die Darlegungs- und Beweiserleichterungen unberücksichtigt gelassen, die sich hinsichtlich der Geltendmachung des entgangenen Gewinns aus § 252 Satz 2 BGB und § 287 Abs. 1 ZPO ergeben. Nach diesen Bestimmungen braucht der Geschädigte insoweit nur die Umstände darzulegen und zu beweisen, die für gewöhnlich oder nach den Umständen des Falles die Erzielung eines Gewinns wahrscheinlich machen. Dabei dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (BGH, Urt. v. 3. März 1998 -VI ZR 385/96, NJW 1998, 1634, 1635; Urt. v. 17. Januar 1995 -VI ZR 62/94, NJW 1995, 1023, 1024). Dem hat das Berufungsgericht nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Klägerin hat dargelegt, daû sie auf Grund des Vertrages vom 11. September 1997 mit der Firma Y. 1998 mit entsprechendem Gewinn 30 Fahrzeuge hätte absetzen können. Dieser von der Beklagten nicht widerlegte Vortrag reichte jedenfalls aus, um einen nicht unerheblichen Gewinnausfall der Klägerin zu begründen.
5. Mit Recht macht die Revision schlieûlich geltend, daû das Berufungsgericht die Klage jedenfalls nicht in vollem Umfang hätte abweisen dürfen. Steht ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung zur Höhe, muû der Tatrichter im Rahmen des Möglichen den Schaden nach § 287 ZPO schätzen. Dazu muû er die schadensbegründenden Tatsachen im einzelnen feststellen (BGH, Urt. v. 23. Oktober 1991 - XII ZR 144/90, NJW-RR 1992, 202 m.w.N.). Dies hat das Berufungsgericht nicht getan. Es hat eine Schadensschätzung gemäû § 287 ZPO nicht vorgenommen. Dies wird es gegebenenfalls nachzuholen haben.
6. Das angefochtene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird bei der erneuten Befassung mit der Sache den Inhalt des Vertrages der Parteien erneut unter Berücksichtigung der Grundsätze einer in
teressengerechten Auslegung zu bestimmen und sodann, gegebenenfalls nach Beweisaufnahme, den Schaden nach den Grundsätzen des § 287 ZPO zu schätzen haben.
Melullis Jestaedt Scharen Keukenschrijver Asendorf
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Annotations
(1) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung; bei einer Teilleistung findet § 441 Abs. 3 entsprechende Anwendung. Satz 1 gilt nicht, wenn der Schuldner im Falle der nicht vertragsgemäßen Leistung die Nacherfüllung nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu erbringen braucht.
(2) Ist der Gläubiger für den Umstand, auf Grund dessen der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht, allein oder weit überwiegend verantwortlich oder tritt dieser vom Schuldner nicht zu vertretende Umstand zu einer Zeit ein, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme ist, so behält der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Befreiung von der Leistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
(3) Verlangt der Gläubiger nach § 285 Herausgabe des für den geschuldeten Gegenstand erlangten Ersatzes oder Abtretung des Ersatzanspruchs, so bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet. Diese mindert sich jedoch nach Maßgabe des § 441 Abs. 3 insoweit, als der Wert des Ersatzes oder des Ersatzanspruchs hinter dem Wert der geschuldeten Leistung zurückbleibt.
(4) Soweit die nach dieser Vorschrift nicht geschuldete Gegenleistung bewirkt ist, kann das Geleistete nach den §§ 346 bis 348 zurückgefordert werden.
(5) Braucht der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten, kann der Gläubiger zurücktreten; auf den Rücktritt findet § 323 mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass die Fristsetzung entbehrlich ist.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.