Bundesgerichtshof Urteil, 03. Sept. 2013 - X ZR 16/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
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- Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 1 151 004 (Streitpatents ), das am 31. Januar 2000 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 1. Februar 1999 angemeldet wurde. Patentanspruch 1, auf den die Patentansprüche 2 bis 15 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut: Verfahren zur Herstellung von IL-1Ra in einer Spritze, wobei die Spritze mit einer Körperflüssigkeit eines Organismus gefüllt, inkubiert und das IL-1Ra in der Körperflüssigkeit gebildet wird.
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- Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 11 angegriffen. Die Beklagte hat Patentanspruch 1 im Haupt- und in fünf Hilfsanträgen in gegenüber der erteilten Fassung abgeänderten Fassungen verteidigt. Die Klägerin hat den Gegenstand des Streitpatents auch in den von der Beklagten verteidigten Fassungen als nicht patentfähig und Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags darüber hinaus als nicht zulässig angesehen.
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- Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent mit neuen Haupt- und Hilfsanträgen verteidigt.
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- Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
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- Im Auftrag des Senats hat Univ.-Prof. Dr. med. M. , Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A, Hämatologie, Onkologie und Pneumologie, Universitätsklinikum M. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe:
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- Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage, soweit die Beklagte das Streitpatent in der Fassung ihres in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellten Hauptantrags verteidigt.
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- I. Das Streitpatent betrifft im angegriffenen Umfang ein Verfahren zur Herstellung des Interleukin-1-Rezeptor-Antagonisten (IL-1Ra) in einer mit einer Körperflüssigkeit gefüllten Spritze.
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- In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass ein Bedarf an einfachen und kostengünstigen Alternativen zur Bereitstellung von bekannten therapeutisch wirksamen Proteinen bestehe, zumal nicht alle therapeutisch wirksamen Proteine als Arzneimittel zugelassen seien. Um Patienten auch solche Proteine applizieren zu können, seien aufgrund ihrer guten Körperverträglichkeit autologe (körpereigene) Proteine von besonderer Bedeutung. Zu diesen Proteinen gehöre insbesondere auch der Antagonist des inflammatorischen (entzündungsfördernden ) Zytokins Interleukin 1 (IL-1β). Derartige autologe Proteine hätten zudem den Vorteil, dass die natürlichen posttranslationellen Modifizierungen , wie Glycosylierungen, bereits vorhanden seien, was bei den üblicherweise in prokaryotischen Wirten erzeugten rekombinanten Proteinen nicht der Fall sei.
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- In der Fachliteratur sei die Stimulation von Monocyten (mononukleären Blutzellen) durch adhärentes Immunglobulin G (IgG) zur Bildung von IL-1Ra beschrieben. Andersen et al. (Autoimmunity 1995 [139], 71 ff. [N 9]) erläuterten, dass der in vivo zu beobachtende therapeutische Effekt von IgG nicht auf eine verstärkte IL-1Ra-Bildung zurückgeführt werden könne und dass die In-vitroBildung des IL-1Ra durch Monocyten in Abhängigkeit von an Polypropylen adsorbierten Serums- und Plasma-Bestandteilen stattfinde. Der therapeutische Einsatz von adsorbierten Serums- und Plasma-Bestandteilen zur Stimulation der Bildung therapeutisch interessanter Proteine in Therapien sei nicht nur sehr kostspielig, sondern auch mit der Gefahr einer Kontamination verbunden.
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- Die Patentschrift bezeichnet es als das der Erfindung zugrunde liegende Problem, ein Verfahren zur Herstellung von IL-1Ra bereitzustellen, das als sichere , kostengünstige und schnell durchzuführende Alternative zum Einsatz und zur Herstellung konventioneller Arzneimittelpräparate dient.
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- Dies soll nach Patentanspruch 1 in der von der Beklagten mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten neuen Hauptantrag verteidigten Fassung durch folgendes Verfahren erreicht werden: 1. Verfahren zur Herstellung von IL-1Ra in einer Spritze zur Verwendung als Arzneimittel, wobei 2. eine Spritze mit Blut eines Organismus gefüllt, inkubiert und dadurch IL-1Ra im Blut gebildet wird, 3. mit der Maßgabe, dass nicht in einem gesonderten Verfahrensschritt innere Strukturen der Spritze mit einem Induktor beschichtet werden.
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- Dabei ist unter einem Verfahren zur Herstellung von IL-1Ra in einer Spritze zur Verwendung als Arzneimittel ein Verfahren zu verstehen, das ge- eignet ist, IL-1Ra bereitzustellen, mit dem eine klinisch-therapeutische Wirkung herbeigeführt werden kann. Nach der Beschreibung des Klagepatents, in der insoweit auf eine Vorveröffentlichung von W.P. Arend et al. (Annu. Rev. Immu. 16, 27-55) verwiesen wird, ist eine solche Eignung bei einem Verhältnis von IL-1Ra zu IL-1β von etwa 100:1 anzunehmen (Klagepatentschrift Rn. 78).
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- II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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- Das autologe IL-1Ra-Präparat zur therapeutischen Verwendung erweise sich als nicht patentfähig, weil seine Bereitstellung jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
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- Wie aus der N 9 ersichtlich, sei bekannt gewesen, dass IgG-haltige Flüssigkeiten des Menschen in der Lage seien, mononukleäre Zellen des menschlichen Blutes (MNC) ohne Zusatz weiterer Stimulantien zur Produktion von IL-1Ra anzuregen. Die dort in Figur 1 dargestellten Ergebnisse belegten, dass eine unter dem Handelsnamen Nordimmun® bekannte, für Infusionszwecke geeignete IgG-Lösung heterogenen Ursprungs (IVIg-Lösung) in mononukleären Zellen eine vergleichbare maximale IL-1Ra-Produktion induziere wie eine humane serumhaltige Flüssigkeit. Aus N 9 sei überdies bekannt gewesen, dass sich die stimulatorische Wirkung solcher IgG-haltiger Flüssigkeiten nur dann entfalten könne, wenn die Plastikoberflächen in den für die MNC-Kulturen verwendeten Kulturgefäßen nicht zuvor mit fetalem Kälberserum (FCS) beschichtet worden seien. Denn wie die Figuren 2 und 3 belegten, induzierten die getesteten IgG-haltigen Flüssigkeiten in mononukleären Zellen ohne vorherige Beschichtung des jeweiligen Kulturgefäßes eine IL-1Ra-Freisetzung von etwa 80%, während sie in FCS-beschichteten Kulturgefäßen nur noch eine IL-1RaFreisetzung von weniger als 20% stimulierten. In der N 9 werde daraus der Schluss gezogen, dass das IL-1Ra-stimulatorische Potential humaner IgG- haltiger Flüssigkeiten von der Adhärenz des Immunglobulins G an Plastikoberflächen abhängig sei. Es werde ferner festgestellt, dass das in humanen Seren oder Plasmen enthaltene IgG vermutlich nur einer von mehreren Faktoren sei, der in vitro eine IL-1Ra-Produktion stimulieren könne.
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- Danach werde der Fachmann - ein auf dem Gebiet der inneren Medizin tätiger Facharzt, der über wissenschaftliche fundierte Forschungsarbeiten auf seinem Fachgebiet informiert sei, zugleich aber die Entwicklung im Bereich der alternativen Medizin verfolge - wissenschaftliche Studien zu Rate ziehen, die sich gezielt mit den Möglichkeiten einer In-vitro-Herstellung des IL-1Ra befassen , da In-vitro-Techniken in der Fachwelt als vielversprechend gälten. Den in der N 9 vermittelten Informationen werde er besondere Beachtung schenken, weil das darin für die IL-1Ra-Produktion nachgewiesene Erfordernis einer Adhärenz der stimulierenden Faktoren an Plastikoberflächen eine Erklärung für viele widersprüchliche Ergebnisse früherer Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet liefere. Dass die In-vitro-Freisetzung von IL-1Ra in N 9 als ein "Epiphänomen" bezeichnet werde, könne die Aussagekraft der Entgegenhaltung nicht schmälern. Denn zum einen ließen die dort getroffenen Aussagen nicht erkennen, dass es sich bei der Freisetzung des IL-1Ra nach Stimulation mononukleärer Zellen mit adhärentem IgG lediglich um ein in vitro auftretendes Artefakt handele , welches der Fachmann für In-vivo-Modelle als nicht relevant ansehen werde. Zum anderen seien In-vitro-Versuche die Grundlage für die Entwicklung jeder therapeutisch wirksamen Substanz, so dass der Fachmann diese nicht von vornherein ablehnen werde.
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- Die in N 9 beschriebene In-vitro-Herstellung von IL-1Ra werde der Fachmann allerdings insoweit als nachteilig ansehen, als hierfür nach wie vorzeitund kostenintensive MNC-Kulturen sowie teure IgG-haltige Flüssigkeiten erforderlich seien. Er werde daher nach weiteren Möglichkeiten zur einfachen, schnellen und kostengünstigen Bereitstellung von IL-1Ra suchen.
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- Dabei vermittele ihm die Veröffentlichung von Nerad et al. (Journal of Leukocyte Biology 1992 [52], 687 ff. [N 8]) die Lehre, für die IL-1Ra-Produktion an Stelle der in der N 9 verwendeten kultivierten mononukleären Zellen des Blutes autologes Vollblut zu verwenden. Die N 8 betreffe ein Verfahren, bei dem das Vollblut eines Patienten zuerst mit verschiedenen Stimulantien zur Produktion von Zytokinen angeregt und anschließend die von den Leukozyten gebildete Menge an pro- und antiinflammatorischen Zytokinen bestimmt werde, um anhand dieser Ergebnisse Aussagen über den Verlauf oder den Schweregrad von Krankheiten treffen zu können, an deren Entstehung proinflammatorische Zytokine wie IL-1β oder TNFα beteiligt seien. Die üblicherweise für eine solche Bestimmung menschlicher Zytokine verwendete In-vitro-Methode werde in N 8 wegen der hierfür erforderlichen Kultivierung mononukleärer Zellen des peripheren Blutes als arbeits-, zeit- und kostenintensiv erachtet, weshalb vorgeschlagen werde, diese Bestimmung nur noch mit 3 ml Vollblut und ohne den Einsatz von Zellkultur einfach und zuverlässig durchzuführen. Mit diesem Verfahren lasse sich auch die Produktion von IL-1Ra im Vollblut stimulieren und zwar in Mengen, die sonst nur mit den bekannten Zellkulturverfahren erhalten würden. Die Vollblutmethode werde daher in der N 8 für besser als die etablierte Zellkulturmethode erachtet, weil Vollblut stets die physiologisch korrekte Konzentration an Serumfaktoren und IgG enthalte, die als wesentliche Stimulantien für eine IL-1Ra-Produktion in mononukleären Zellen des Blutes gälten. Zudem werde in der N 8 vertreten, dass eine Stimulation der IL-1Ra-Produktion in Vollblut die In-vivo-Produktion dieses Zytokins besser widerspiegele als eine in Zellkulturen durchgeführte IL-1Ra-Produktion. Der Fachmann werde dieser Anregung folgend an Stelle von Zellkulturen Vollblut verwenden.
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- IL-1Ra in autologem Vollblut anzureichern und dieses therapeutisch zu verwenden werde der Fachmann auch insofern als vorteilhaft ansehen, als sich derart angereichertes Vollblut für eine Eigenbluttherapie eigne, die ihm als eine einfache, sichere, kostengünstige und im Vergleich zu konventionellen Ansätzen manchmal auch effektivere Therapieform bekannt sei, wie sich etwa aus der Veröffentlichung von Bocci (Mediators of Inflammation 1994 [3], 315 ff. [N 18]) ergebe.
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- Der therapeutische Einsatz von IL-1Ra habe ebenfalls keiner Überlegungen erfinderischer Art bedurft. In dem mit IL-1Ra befassten Übersichtsartikel von Arend (Journal of Clinical Investigation 1991 [88], 1445 ff. [N 10]) werde bereits auf die therapeutische Relevanz dieser Substanz hingewiesen.
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- Schließlich sei aus der N 9 auch bekannt gewesen, dass das im menschlichen Serum bzw. Plasma und damit auch im Vollblut enthaltene IgG für eine Stimulation der mononukleären Zellen des Blutes zur IL-1Ra-Produktion geeignet sei, sofern sich das IgG an Plastikoberflächen anheften könne. In Kenntnis dessen liege nicht nur der Verzicht auf eine Beschichtung der Gefäße, die mit dem Vollblut in Kontakt kämen, für den Fachmann auf der Hand, sondern auch der Verzicht auf weitere Stimulantien.
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- III. Das Urteil des Patentgerichts hält den Angriffen der Berufungnicht stand.
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- 1. Zutreffend hat das Patentgericht allerdings, wie die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen ergeben hat, als Fachmann primär einen wissenschaftlich tätigen Facharzt für Innere Medizin zugrunde gelegt. Dieser Fachmann verfügt über vertiefte immunologische Kenntnisse und über Erfahrungen mit der Entwicklung von Therapien bei inflammatorischen Prozessen, wie sie etwa bei rheumatischen oder malignen hämatologischen Erkrankungen auftreten. Dabei sucht der Fachmann, der gegebenenfalls einen auf den genannten Gebieten tätigen Molekularbiologen oder Pharmazeuten konsultiert, grundsätzlich nach einem wissenschaftlichen Ansatz für die Lösung des techni- schen Problems, ohne sich alternativmedizinischen Überlegungen von vornherein zu verschließen.
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- 2. Entgegen den Ausführungen des Patentgerichts hatte ein solcher Fachmann, dem aus veröffentlichten Studien bekannt war, dass IL-1Ra als spezifischer Rezeptor-Antagonist gegenüber dem Zytokin Interleukin-1 wirkt und damit dessen inflammatorische Wirkung zu hemmen vermag (vgl. N 10, 1445, r. Sp.) und der sich deshalb für die Herstellung dieses Antagonisten zu therapeutischen Zwecken interessierte, keinen Anlass, bei seinen Überlegungen zur Lösung dieses Problems von der N 9 auszugehen. Denn dieser Entgegenhaltung entnahm der Fachmann, dass - wie entsprechende Untersuchungen ergeben hätten - die entzündungshemmende Wirkung von Immunglobulin G zur intravenösen Anwendung (IVIg) entgegen der bis dahin vorherrschenden Annahme gerade nicht auf eine signifikante Stimulierung der Bildung von IL-1Ra in vivo zurückzuführen sei (vgl. N 9, 127, Zusammenfassung, letzter Abs.). Dabei war zwar Ausgangspunkt für diese Untersuchungen die Erkenntnis, dass die Freisetzung von IL-1Ra aus mononukleären Zellen des menschlichen Blutes bei IVIg von 0,01 bis 0,5 mg/ml 10 bis 15 mal höher ist als bei unbehandelten Kontrollproben. Zudem ist es zutreffend, dass in diesem Zusammenhang in der N 9 beschrieben wird, dass die Freisetzung von IL-1Ra bei Verwendung von Röhrchen , die mit fetalem Kälberserum (FCS) vorbeschichtet waren, auf weniger als die doppelte Hintergrundfreisetzung reduziert oder sogar fast verhindert worden sei (vgl. N 9, 127, 2. Abs.; 132, li. Sp., 3. Abs. 2. Satz; vgl. auch 129, spaltenübergreifender Abs. und Figur 2 sowie 130, spaltenübergreifender Abs. und Figur 3). Damit ist aber weder offenbart noch liegt es für den Fachmann nahe, IL-1Ra durch die Inkubation mononukleärer Zellen im Röhrchen für therapeutische Zwecke herzustellen. Die N 9 geht gerade nicht diesen Weg, indem sie sich allein mit der Frage befasst, ob die therapeutische Wirkung von IVIg auf eine signifikante Stimulierung von IL-1Ra-Bildung in vivo zurückzuführen ist, und die beobachtete IL-1Ra-Bildung in vitro als ein "Epiphänomen" bezeichnet, das strikt von der Adhärenz humaner Serums- und Plasmabestandteile an den Untersuchungsgefäßen abhänge (N 9, Zusammenfassung, letzter Abs.), und gibt auch sonst keine Anregung dafür, IL-1Ra zu therapeutischen Zwecken aus MNC-Kulturen durch Inkubation im Röhrchen herzustellen. Wenn das Patentgericht demgegenüber meint, die in N 9 getroffenen Aussagen ließen nicht erkennen , dass es sich um ein in vitro auftretendes Artefakt handele, das der Fachmann als für In-vivo-Modelle nicht relevant ansehen werde, und der Fachmann werde die Übertragbarkeit der Ergebnisse von In-vitro-Versuchen, die die Grundlage jeder therapeutisch wirksamen Substanz darstellten, auf In-vivoModelle nicht automatisch verneinen, geht dies daran vorbei, dass sich eine in vitro auftretende Adhärenz an Kunststoffoberflächen naturgemäß nicht auf ein In-vivo-Modell übertragen lässt. Erst in Kenntnis der Lehre des Streitpatents ist die N 9 geeignet, als möglicher Ausgangspunkt der Überlegungen eines Fachmanns zu dienen, der an der Bereitstellung einer Alternative zu rekombinant hergestelltem IL-1Ra und mithin an einem Stoff interessiert ist, der in vivo eine therapeutisch relevante antiinflammatorische Wirkung zu entfalten vermag.
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- Kann dem Patentgericht demnach nicht in seinem Ausgangspunkt zugestimmt werden, dass in der N 9 die In-vitro-Herstellung von IL-1Ra aus MNCKulturen zu therapeutischen Zwecken beschrieben oder zumindest nahegelegt wird, fehlt es auch für die auf dieser Annahme aufbauenden weiteren Ausführungen des Patentgerichts zu den Entgegenhaltungen N 8, N 18 und N 10 an einer tragfähigen Grundlage.
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- 3. Das Urteil des Patentgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar.
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- a) Entgegen der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht wird der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der von der Berufung im Hauptantrag verteidigten Fassung nicht durch die deutsche Offenlegungsschrift 199 03 876 vorweggenommen (Art. 54 Abs. 3 EPÜ). Denn der Anmeldetag der Offenlegungsschrift hat zugleich als Anmeldetag des Streitpatents zu gelten (Art. 89 EPÜ), weil das Streitpatent die Priorität der der Offenlegungsschrift zugrundeliegenden Anmeldung zu Recht in Anspruch nimmt.
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- Den von der Klägerin insoweit vorgetragenen Bedenken, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der von der Berufung im Hauptantrag verteidigten Fassung sei durch die deutsche Offenlegungsschrift nicht offenbart, wenn die Zweckangabe "zur Verwendung als Arzneimittel" - wie oben ausgeführt - dahin zu verstehen sei, dass damit eine Eignung zur Verwendung als Arzneimittel gefordert sei, die ein Verhältnis von IL-1Ra zu IL-1β von mindestens etwa 100:1 voraussetze, kann nicht gefolgt werden. Zutreffend ist zwar, dass sich die Stelle in der Beschreibung des Streitpatents, in der erläutert wird, dass das Verhältnis von IL-1Ra zu IL-1β erwartungsgemäß für eine klinischtherapeutische Wirkung des produzierten IL-1Ra mehr als 100:1 sein soll, in der Offenlegungsschrift nicht findet. In dieser wird jedoch ein Verfahren zur Herstellung eines therapeutisch wirksamen Proteins durch Inkubation von Blut in der Spritze offenbart, das IL-1Ra sein kann (vgl. Offenlegungsschrift, Patentansprüche 1, 10 und 11). Aus Sicht des Fachmanns bedeutet eine solche therapeutische Wirksamkeit nichts anderes als ein Verhältnis von IL-1Ra zu IL-1β, das mindestens bei etwa 100:1 liegt (vgl. zu den Anforderungen an die Offenbarung in der Prioritätsanmeldung als zur Erfindung gehörend allgemein: BGH, Urteil vom 11. September 2001 - X ZR 168/98, BGHZ 148, 383, 388 - Luftverteiler; Urteil vom 14. August 2012 - X ZR 3/10 Rn. 30 ff., GRUR 2012, 1133 - UVunempfindliche Druckplatte).
- 29
- b) Der Gegenstand des Streitpatents war dem Fachmann durch den von der Klägerin angeführten Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
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- Aus Sicht des Fachmanns, der sich mit der Herstellung von IL-1Ra zu therapeutischen Zwecken beschäftigte, bot es sich an, den aus dem Jahr 1991 stammenden Überblicksaufsatz von Arend mit dem Titel "Interleukin 1-Rezeptor -Antagonist - Ein neues Mitglied der Interleukin 1-Familie" (N 10) heranzuziehen und sich zunächst mit dem Abschnitt zu befassen, der unter der Überschrift "In-vivo-Wirkung von IL-1Ra" steht. Dieser Veröffentlichung konnte er entnehmen , dass IL-1 potentiell an der Zerstörung von Gewebe beteiligt sei und dass die Verfügbarkeit von rekombinantem IL-1Ra die Untersuchung dieser wichtigen Fragen zunächst in Tiermodellen von Krankheiten und schließlich bei Humankrankheiten erlaube (N 10, 1448, l. Sp., letzter Abs. und r. Sp., erster Abs.). Damit war einerseits die Verwendung von IL-1Ra als Arzneimittel angesprochen , andererseits wurde zur Gewinnung des insoweit benötigten IL-1Ra auf die rekombinante Herstellung hingewiesen, was nach den Erläuterungen des gerichtlichen Sachverständigen dem allgemeinen Interesse bei der Entwicklung von Arzneimitteln entspricht, in ausreichenden Mengen einen möglichst reinen Wirkstoff zu erhalten.
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- Allerdings konnte der Fachmann dem Überblicksaufsatz an anderer Stelle unter der Überschrift "Bildung von IL-1Ra" ("IL-1Ra production") entnehmen, dass 1% AB Serum in Gegenwart von löslichem IgG die IL-1Ra-Produktion von Monozyten stimuliere, während die Stimulation der IL-1β-Produktion unterbleibe (vgl. N 10, 1447, r. Sp., Abs. 1: "… The presence of 1% AB serum, soluble IgG, or GM-CSF all enhanced IL-1Ra production but not that of IL-1β. …"). Zog der Fachmann vor diesem Hintergrund als Alternative zu der ihm ausdrücklich in der N 10 beschriebenen rekombinanten Herstellung von IL-1Ra für die therapeutische Verwendung auch eine Herstellung durch Isolierung und Aufreinigung des IL-1Ra aus einer mononukleären Zellkultur in Erwägung, so wurde für ihn die N 9 interessant, weil darin gleichermaßen von einer durch IVIg erhöhten Freisetzung von IL-1Ra aus MNC berichtet wird. Dabei wurde ihm - über den Offenbarungsgehalt der N 10 hinaus - durch die N 9 die Erkenntnis vermittelt, dass der Ertrag an IL-1Ra bei Verwendung von Kunststoffröhrchen, die mit FCS vorbeschichtet waren, im Vergleich mit solchen, die nicht vorbeschichtet waren, signifikant geringer war.
- 32
- Gleichwohl fand der Fachmann in der N 9 keine Bestätigung für den Ansatz , alternativ zur rekombinanten Herstellung von IL-1Ra für die therapeutische Verwendung auch die Herstellung des Antagonisten durch Isolierung und Aufreinigung aus der Zellkultur in Betracht zu ziehen. Denn, wie der gerichtliche Sachverständige erläutert hat, liegt die um das 10 bis 15fache erhöhte Freisetzung von IL-1Ra in Gegenwart von IgG, von der in der N 9 berichtet wird, weit unterhalb der Werte, die unter praktischen Gesichtspunkten eine solche Art der Herstellung eines Wirkstoffs für therapeutische Zwecke als geeignet erscheinen ließen. Erst recht ergab sich daraus bereits im Hinblick auf die in der N 9 beschriebenen Mengenverhältnisse kein Anhalt dafür, neben der rekombinanten und der Herstellung von IL-1Ra aus einer MNC-Kultur als dritten Herstellungsweg für ein therapeutisch einsetzbares IL-1Ra über die Inkubation von Blut in einem unbeschichteten Kunststoffbehältnis zur Bildung von IL-1Ra nachzudenken. Dagegen spricht im Übrigen, dass die In-vivo-Infusion von hochdosiertem IgG nach den Erkenntnissen gerade keine signifikante Wirkung auf den Serumspiegel von IL-1Ra hatte.
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- An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn mit dem Patentgericht angenommen wird, dass sich der Fachmann auf seiner Suche nach einem günstigen Verfahren zur Herstellung von IL-1Ra zusätzlich mit dem Bericht von Nerad et al. mit dem Titel "Interleukin-1β (IL-1β), IL-1-Rezeptor-Antagonist und TNFα-Bildung im Vollblut" (N 8) befasst hat. Nach den Angaben der Entgegenhaltung hat der Zweck der durchgeführten Untersuchungen in der Entwicklung und Standardisierung eines praktischen Verfahrens zur Messung der Zytokinbildung durch Leukozyten von menschlichen Probanden in Situationen gele- gen, in denen die standardmäßigen In-vitro-Verfahren undurchführbar sind (N 8, 687, l. Sp., Einführung). In der Diskussion wird ausgeführt, nach der Entdeckung und Beschreibung von IL-1Ra sei klar, dass eine vollständige Bewertung des Interleukin-1-Status (auch) die Messung dieses Antagonisten erfordere. Dafür sei die Bildung von IL-1β und TNFα in Vollblutproben mit Endotoxin und/oder Phytohämagglutinin in EDTA enthaltenden Standard-Vakuumsammelröhrchen stimuliert worden (N 8, 687, l. Sp. "Zusammenfassung"; 687, r. Sp. "Zytokinstimulierung mit Vollblut"). Das Vollblutverfahren habe signifikante und den für Zellkulturen berichteten ähnliche Mengen an IL-1Ra erbracht. Unter Hinweis auf vermutete unterschiedliche Regulierungen des Agonisten und des Antagonisten und eine von anderen Autoren beobachtete erhebliche Steigerung der IL-1Ra-Bildung ohne Auswirkung auf die IL-1β-Bildung bei der Zugabe von 1% Serum zu isolierten mononukleären Zellkulturen (verwiesen wird hier auf denselben Aufsatz von Poutsiaka et al., Blood 78, 1275, auf den auch in N 10 Bezug genommen wird) schlussfolgern die Verfasser, dass das Vollblutverfahren , das die physiologisch korrekte Konzentration von Serumfaktoren und IgG enthalte, ein geeigneteres Vorgehen zum Untersuchen von IL-1Ra sei; die Vollblutstimulierung von IL-1Ra spiegele die In-vivo-Bildung dieses Zytokins genauer wider als die Verwendung kultivierter mononukleärer Zellen (N 8, 690, r. Sp. 2. vollständiger Abs.).
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- Diese Ausführungen enthalten keine Anregung für den Fachmann, die Invitro -Inkubierung autologen Blutes zur Bildung von IL-1Ra für therapeutische Zwecke in Erwägung zu ziehen. Es ist bereits zweifelhaft, ob die in der N 8 offenbarten Erkenntnisse zur Messung des IL-1Ra-Anteils in Vollblutproben dem Fachmann überhaupt Anlass zu Überlegungen im Hinblick auf die Herstellung dieses Antagonisten zu therapeutischen Zwecken gaben, nachdem ihm insoweit in der N 10 allein die rekombinante Herstellung offenbart worden war und er zudem wusste, dass IL-1Ra auch allgemein durch die Isolierung und Aufrei- nigung aus Monozyten hergestellt werden kann. Selbst wenn er jedoch entsprechende Überlegungen angestellt haben sollte, vermittelte ihm die N 8 jedenfalls keinen Grund, diesen Überlegungen weiter nachzugehen. Denn die in der N 8, insbesondere auch in der Figur 3 wiedergegebenen Mengen der IL-1Ra-Bildung sind sowohl absolut als auch in Relation zur Bildung von IL-1β ("dem Gegenspieler von IL-1Ra") bei weitem nicht derart signifikant, dass daraus eine therapeutische Wirksamkeit hätte abgeleitet werden können, wie der gerichtliche Sachverständige in der Verhandlung unwidersprochen und (im Hinblick auch auf die im Streitpatent insoweit angegebenen Werte, vgl. dort Rn. 78) überzeugend ausgeführt hat. Hinzu kommt, dass aus der N 8 nicht hervorgeht, welchen Einfluss die Zugabe von Stimulantien auf die dort dokumentierte Bildung von IL-1Ra gehabt hat. Aus fachlicher Sicht ist dies aber bei einer therapeutischen Anwendung, bei der das autologe Blut nach der Inkubation wieder in den Körper zurückgegeben wird und sich daher jedenfalls der Einsatz der in der N 8 verwendeten toxischen Stimulantien verbietet, von erheblicher Bedeutung.
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- c) Das Urteil des Patentgerichts stellt sich schließlich auch dann nicht als im Ergebnis zutreffend dar, wenn, wie von der Klägerin im Verhandlungstermin erwogen, als Fachmann von einem nicht im wissenschaftlichen Bereich, sondern im Bereich der ärztlichen Versorgung tätigen praktischen Arzt oder Internisten oder auch von einem fortgeschrittenen Studenten der Medizin ausgegangen wird, der offen für alternativmedizinische Anwendungen ist. Ein derart definierter Fachmann mag - anders als der im wissenschaftlichen Bereich tätige Fachmann nach der oben unter III. 1. gegebenen Definition - den auch vom Patentgericht herangezogen Aufsatz von Bocci mit dem Titel "Ein vernünftiger Ansatz für die Behandlung der HIV-Infektion in der Anfangsphase mit Ozontherapie (Eigenblutbehandlung) - Wie 'entzündliche' Zytokine bei der Therapie eine Rolle spielen können" (N 18) zu Rate gezogen haben. Verwertbare Erkenntnisse für die Frage, ob eine Vollblutinkubation in einer Spritze als ein alternatives Verfahren zur Herstellung von IL-1Ra zu therapeutischen Zwecken nahelag, folgen daraus dennoch nicht. Denn diese Entgegenhaltung befasst sich lediglich allgemein mit der physiologischen Freisetzung von Zytokinen nach einer Eigenblutbehandlung, ohne IL-1Ra und die Inkubation von Vollblut in der Spritze zur Bildung von IL-1Ra zu therapeutischen Zwecken anzusprechen (vgl. N 18, 317 f.).
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- IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.09.2010 - 3 Ni 12/09 (EU) -
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Annotations
(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.
(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)