Bundesgerichtshof Urteil, 05. Sept. 2017 - X ZR 112/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2017 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterin Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des am 19. Dezember 2001 - unter Inan1 spruchnahme der Priorität einer deutschen Patentanmeldung vom 5. Juli 2001 - angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 274 288 (Streitpatents). Die Klägerin und ihre Streithelferin, welche die Klägerin mit - von der Be2 klagten als streitpatentverletzend angesehenen - Mobiltelefonen beliefert hat, haben geltend gemacht, die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart , dass ein Fachmann sie ausführen könne. Zudem sei der Gegenstand des Streitpatents weder neu und noch beruhe er auf einer erfinderischen Tätig-
keit. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und in der Fassung von acht Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über
- 3
- die Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 1 hinausgeht. Danach haben die Patentansprüche 1 und 2 folgenden Wortlaut (wobei die jeweils gegenüber der erteilten Anspruchsfassung hinzugetretenen Merkmale unterstrichen sind): "1. Leiterbahnstrukturen auf einem nichtleitenden Trägermaterial aus thermoplastischem oder duroplastischem Kunststoff, die aus Schwermetallkeimen und einer nachfolgend auf diese aufgebrachten Metallisierung bestehen, wobei die Schwermetallkeime mittels eIektromagnetischer Strahlung eines Lasers durch Aufbrechen von feinstverteilt in dem Trägermaterial enthaltenen nichtleitenden Metallverbindungen entstanden sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Schwermetallkeime aus elementarem Metall bestehen und dass die nichtleitenden Metallverbindungen von thermisch hochstabilen , in wässrigen sauren oder alkalischen Metallisierungsbädern beständigen und nicht löslichen anorganischen Metallverbindungen gebildet sind, die in den Bereichen im Umfeld der Leiterbahnstrukturen unverändert auf dem Trägermaterial verblieben sind. 2. Verfahren zur Herstellung der Leiterbahnstrukturen nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass eine thermisch hochstabile , in wässrigen sauren oder alkalischen Metallisierungsbädern beständige und nicht lösliche anorganische Metallverbindung in das Trägermaterial aus thermoplastischem oder duroplastischem Kunststoff eingemischt wird, dass das Trägermaterial zu Bauteilen verarbeitet oder auf Bauteile als Beschichtung aufgetragen wird und dass im Bereich der zu erzeugenden Leiterbahnstrukturen mittels einer elektromagnetischen Strahlung eines Lasers Schwermetallkeime bestehend aus elementarem Schwermetall freigesetzt und diese Bereiche dann chemisch reduktiv metallisiert werden."
- 4
- Die weiteren Patentansprüche 3 bis 13 sind auf Patentanspruch 2 unmittelbar oder mittelbar rückbezogen. Mit der Berufung verfolgen die Klägerin und ihre Streithelferin das Ziel
- 5
- einer uneingeschränkten Nichtigerklärung des Streitpatents weiter. Demgegenüber verteidigt die Beklagte das Streitpatent in der Fassung des angegriffenen Urteils sowie mit den bereits erstinstanzlich gestellten Hilfsanträgen in neuer Reihenfolge.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
- 7
- I. Das Streitpatent betrifft Leiterbahnstrukturen auf einem elektrisch nichtleitenden Trägermaterial und Verfahren zu deren Herstellung.
- 8
- 1. In der Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass Verfahren bekannt seien, bei denen zur Herstellung feiner, festhaftender Leiterbahnstrukturen in ein nichtleitendes Trägermaterial nichtleitende Metallchelatkomplexe eingebracht und von diesen mittels Laserstrahlung strukturiert Metallisierungskeime abgespalten würden, um nachfolgend in den bestrahlten Teilflächen eine chemisch reduktive Metallisierung zu initiieren (Abs. 2). An derartigen Verfahren sei vorteilhaft, dass die Werkzeugkosten niedrig gehalten, das Verfahren verkürzt und auch mittelgroße Stückzahlen wirtschaftlich hergestellt werden könnten (Abs. 3). Es bestehe aber auch der Nachteil, dass die thermische Stabilität der Metallchelatkomplexe bei den Verarbeitungstemperaturen moderner Hochtemperatur -Kunststoffe, vor allem auch im Hinblick auf die zukünftige bleifreie Löttechnik , nicht gewährleistet werden könne. Zudem müssten die Metallchelatkomplexe in vergleichsweise hoher Dosierung zugesetzt werden, um bei Laseraktivierung eine hinreichend dichte Bekeimung für eine schnelle Metallisierung zu erhalten, was häufig wichtige Gebrauchseigenschaften des Trägermaterials wie die Bruchdehnung und die Schlagzähigkeit beeinträchtige (Abs. 4). Die alternativ im Stand der Technik erwogene Passivierung der durch Laserstrahlung freizusetzenden Metallisierungskeime durch Verkapselung sei wegen der Größe der Partikel im Kunststoffträgermaterial noch problematischer als die Bekeimung mit laserspaltbaren Metallchelatkomplexen (Abs. 5).
- 9
- 2. Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung das Problem zugrunde, einfach und sicher herstellbare Leiterbahnstrukturen auf nichtleitendem Trägermaterial sowie ein entsprechendes Herstellungsverfahren zur Verfügung zu stellen.
- 10
- 3. Dies soll nach Patentanspruch 1 - in der beschränkten Fassung des angefochtenen Urteils - durch folgende Merkmalskombination erreicht werden (Merkmalsgruppe 3 übereinstimmend mit dem Patentgericht): 1. Auf einem nichtleitenden Trägermaterial sind Leiterbahnstrukturen aufgebracht. 2. Das Trägermaterial 2.1 besteht aus thermoplastischem oder duroplastischem Kunststoff und 2.2 enthält feinstverteilte Metallverbindungen. 3. Die Metallverbindungen sind 3.1 nichtleitend, 3.2 thermisch hochstabil, 3.3 in wässrigen sauren oder alkalischen Metallisierungsbädern beständig und nicht löslich, 3.4 anorganisch und 3.5 durch elektromagnetische Strahlung eines Lasers aufbrechbar.
- 11
- 4. Gegenstand des Patentanspruchs 1 sind Leiterbahnstrukturen auf einem nichtleitenden Trägermaterial; der Träger, auf dem sich die Leiterbahnstrukturen befinden, gehört folglich zu dem geschützten Gegenstand.
- 12
- a) Das Trägermaterial aus thermo- oder duroplastischem Kunststoff enthält feinstverteilt (Schwer-)Metallverbindungen (Merkmal 2.2), vorzugsweise Metalloxide und insbesondere Spinelle (Abs. 11). Diese Metallverbindungen befinden sich in unterschiedlichen Zuständen: Außerhalb der Leiterbahnstrukturen sind sie unverändert als solche vorhanden (Merkmal 4). Innerhalb der Leiterbahnstrukturen sind sie mittels elektromagnetischer Laserstrahlung aufgebrochen worden, so dass Schwermetallkeime aus elementarem Metall entstanden sind (Merkmal 5.1), auf die (nach dem Ausführungsbeispiel in einem handelsüblichen chemisch reduktiven Verkupferungsbad) die Leiterbahnen durch eine Metallisierung aufgebracht worden sind (Merkmal 5.2). Ob und inwieweit sich aus den Verfahrensmerkmalen 5.1 und 5.2 räumlich-körperliche oder funktionelle Eigenschaften des geschützten Erzeugnisses (sog. "product-byprocess" ) ergeben, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Juni 2001 - X ZR 159/98, GRUR 2001, 1129, 1133 f. - zipfelfreies Stahlband; Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 81/13, GRUR 2015, 361 Rn. 9 - Kochgefäß) eine Frage der Auslegung des Patentanspruchs, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen mit heranzuziehen sind.
- 13
- b) Die Beschreibung hebt zum einen hervor, dass die thermisch hochstabilen , in wässrigen sauren oder alkalischen Metallisierungsbädern beständigen und nicht löslichen anorganischen Schwermetallverbindungen (Merkmale 3.2 bis 3.4) auch unter Einwirkung der Löttemperaturen und in den Metallisierungsbädern stabil und nicht etwa elektrisch leitend werden; sie können deshalb auf dem gesamten Trägermaterial verteilt werden und dort verbleiben (Abs. 8, 15). Zudem wird ein vergleichsweise geringer Anteil keimbildender Zusätze im Trägermaterial angestrebt (Abs. 6). Damit soll in Abgrenzung zu einem bekannten Verfahren, bei dem Metallchelatkomplexe in vergleichsweise hoher Dosierung zugesetzt werden müssen, um bei Laseraktivierung eine hinreichend dichte Bekeimung für eine schnelle Metallisierung zu erhalten, ein hoher Komplexanteil vermieden werden, weil dadurch häufig wichtige Gebrauchseigenschaften des Trägermaterials, wie beispielsweise Bruchdehnung und Schlagzähigkeit , beeinträchtigt werden (Abs. 4).
- 14
- Dagegen erfolgt im Bereich der Leiterbahnen mittels der Laserstrahlung gleichzeitig ein "Aufbrechen" der Metallverbindungen unter Freisetzung von Schwermetallkeimen aus elementarem Material und ein Abtrag des Kunststoffs unter Ausbildung einer haftvermittelnden Oberfläche, wodurch eine hervorragende Haftfestigkeit der abgeschiedenen metallischen Leiterbahnen erzielt werden soll (Abs. 9, 16). Bei der Beschreibung des Ausführungsbeispiels heißt es, dass mittels eines diodengepumpten Nd:YAG-Lasers ein geringfügiger Abtrag erzeugt werde, der mit einer strukturierten Bekeimung verbunden sei (Abs. 22).
- 15
- c) Die Laserbestrahlung hat somit eine unterschiedliche Struktur der im Trägermaterial verteilten Schwermetalle innerhalb und außerhalb der Leiterbahnstrukturen zur Folge. Während außerhalb derselben die Metalloxidkörner unverändert erhalten sind, sind sie innerhalb derselben zu Metallkeimen aufge- brochen worden, auf die sodann im Reduktionsbad eine Metallisierung aufgebracht worden ist, wodurch als Endprodukt die Leiterbahnstrukturen auf dem nichtleitenden Trägermaterial entstehen. Durch den Abtrag von Trägermaterial und das explosionsartige Aufbrechen der (Schwer-)Metallverbindungen entsteht - jeweils infolge der elektromagnetischen Bestrahlung nach Merkmal 5.1.2 - eine Oberfläche mit unregelmäßigen Konturen, die haftvermittelnd wirkt und damit zur Haftfestigkeit der abgeschiedenen metallischen Leiterbahnstrukturen auf dem Trägermaterial des hergestellten Erzeugnisses beiträgt (Abs. 9).
- 16
- Zudem dürfen die als keimbildende Zusätze dienenden Metallverbindungen im Trägermaterial nicht mit einem derart hohen Anteil im Trägermaterial enthalten sein, dass sich in den bestrahlten Bereichen die Leiterbahnstrukturen bereits aufgrund der Laserbehandlung bilden und die nachfolgend vorgesehene Metallisierung nicht mehr erforderlich wäre. Denn Sinn und Zweck der gemäß Merkmal 5.2 nach der Laserbestrahlung auf die freigelegten Schwermetallkeime aufzubringenden Metallisierung ist es, die Zugabe von Metallverbindungen in derart hoher Dosierung zu vermeiden, weil damit eine Beeinträchtigung wichtiger Gebrauchseigenschaften des Trägermaterials, wie Bruchfestigkeit und Schlagzähigkeit einhergeht (Abs. 4 und 6). Daraus folgt als eine mit dem Merkmal 5.2 erfindungsgemäß angestrebte und erforderliche räumlich-körperliche Eigenschaft des anspruchsgemäßen Erzeugnisses, dass in dem Trägermaterial , auf dem sich die Leiterbahnstrukturen befinden, Metallverbindungen nicht in einer derart hohen Dosierung feinstverteilt enthalten sein dürfen, dass die erwünschten Leiterbahnstrukturen bereits allein aufgrund der in Merkmal 5.2 vorgesehenen Laserbehandlung entstehen können.
- 17
- II. Das Patentgericht hat, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse , zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen folgendes ausgeführt :
- 18
- Das Streitpatent offenbare die Erfindung so ausführlich, dass ein Fachmann - ein berufserfahrener Entwicklungsingenieur mit Hochschulabschluss in der Mikrosystemtechnik und Grundkenntnissen in der Chemie sowie vertieften Kenntnissen auf den Gebieten der Verfahrenstechnik und Werkstoffkunde, der mit der Entwicklung von Verfahren zur Metallisierung von Kunststoffoberflächen betraut sei - sie ausführen könne. In der Streitpatentschrift sei beschrieben, dass die Laserstrahlung beispielsweise Metalloxid zu Metall reduziere und dieses dann als Metallkeim wirke. Dabei sei als bevorzugte Metallverbindung ein kupferhaltiges Spinell genannt, für das der Fachmann durch einfache Versuche die nötige Laserintensität bestimmen könne. Zudem werde der Hinweis gegeben , dem Trägermaterial einen organischen, thermisch stabilen Metallchelatkomplex beizufügen und enthielten die in der Streitpatentschrift aufgeführten Druckschriften Hinweise auf weitere Zusatzstoffe oder Reinigungsschritte zur Entfernung von durch die Laserbestrahlung hervorgerufener Verschmutzung (Laserdebris). Der Fachmann sei hiernach aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage, die Eignung der für die Ausführbarkeit erforderlichen Materialien und Parameter unschwer durch Versuche festzustellen.
- 19
- Der Gegenstand des Streitpatents in der Fassung des ersten Hilfsantrags sei neu und werde dem Fachmann auch nicht nahegelegt.
- 20
- Das gelte für die europäische Patentschrift 693 138 (D1), die sich mit dem Problem befasse, Verfahren zur Bildung einer Metallschicht mit gutem Haftvermögen und scharfer Begrenzung auf der gesamten Oberfläche eines Kunststoffkörpers zu verbessern. Als Lösung werde ein Verfahren vorgeschlagen , bei dem ein Kunststoffkörper, in dem Körner eines Metalloxids dispergiert seien, erst mit einer stark fokussierten Laserbestrahlung hoher Energiedichte bestrahlt und dann in ein autokatalytisches Metallisierungsbad eingetaucht werde , woraufhin sich das in dem Bad enthaltene Metall selektiv auf den zuvor bestrahlten Bereichen ablagere. In der D1 werde dies damit erklärt, dass die Laserbestrahlung in den bestrahlten Bereichen zum einen zu einem Oberflächenabtrag von 0,2 µm führe und zum anderen auf der Oberfläche der Oxidkörner eine erhöhte Konzentration von Defekten zur Folge habe, die durch das Aufbre- chen interatomarer Verbindungen hervorgerufen werde. Da die Metallisierung allein durch das Vorhandensein der durch die Bestrahlung hervorgerufenen Oberflächendefekte eingeleitet werde, sei das üblicherweise vor dem Metallisierungsbad notwendige Eintauchen des Werkstückes in eine Palladiumlösung nicht mehr erforderlich.
- 21
- Die D1 offenbare damit Metallstrukturen auf einem nichtleitenden Trägermaterial aus thermoplastischem Kunststoff, die aus Metallkeimen (nämlich Oberflächendefekten auf den Oxidkörnern) und einer nachfolgend auf diese aufgebrachten Metallisierung bestünden. Dabei seien die Metallkeime, die aus dem Oxid eines Schwermetalls (Antimon und Eisen) bestünden, mittels elektromagnetischer Strahlung eines Lasers durch Aufbrechen von feinstverteilt in dem Trägermaterial enthaltenen nichtleitenden Metallverbindungen (gewisser interatomarer Verbindungen) entstanden. Die nichtleitenden Metallverbindungen seien zudem thermisch hochstabil, in wässrigen sauren oder alkalischen Metallisierungsbädern beständig und nicht löslich sowie anorganisch und verblieben in den Bereichen im Umfeld der Leiterbahnstrukturen unverändert auf dem Trägermaterial. Der D1 sei jedoch nicht zu entnehmen, dass die durch das Aufbrechen der Metallverbindungen mittels elektromagnetischer Strahlung eines Lasers entstandenen Metallkeime aus elementarem Metall bestünden. Denn die D1 lehre, die Laserparameter und Metalloxide so zu wählen, dass den Metalloxiden durch die Laserbestrahlung zwar Defekte beigebracht, diese aber gerade nicht in elementares Material aufgebrochen würden und daher weiterhin als Metalloxide vorlägen. Es sei für die Lehre der D1 von grundsätzlicher Bedeutung , dass die Oxidkörner auch nach der Laserbestrahlung weiterhin vorhanden seien, damit diese die Verankerung (d.h. den Adsorptionsvorgang) der anschließend aufzubringenden Metallschicht auf dem Kunststoff-Trägermaterial bewirken könnten. In diesem Zusammenhang werde ausdrücklich auf eine kovalente oder ionische Bindung zwischen den Oxidkörnern und der anschließend aufgebrachten Metallschicht verwiesen, aber nicht auf eine metallische Bindung, wie sie zu erwarten wäre, würden die Metalloxide in elementares Material aufgebrochen.
- 22
- Die erfindungsgemäße Lehre sei dem Fachmann aber auch nicht durch die US-amerikanische Patentschrift 4 159 414 (D2) offenbart oder nahegelegt worden. Dieser seien zwar Leiterbahnstrukturen zu entnehmen, die weitgehend der Lehre des Patentanspruchs 1 entsprächen. Nicht offenbart werde aber, eine zusätzliche Metallisierung auf die durch die Laserbestrahlung aufgebrochenen Metallverbindungen aufzubringen, so dass die durch die Laserbestrahlung generierten Metallpartikel auch keine Metallkeime im Sinne des Streitpatents seien. Im Gegensatz zur Lehre des Streitpatents, dem u.a. die Aufgabe zugrunde liege, den Anteil keimbildender Zusätze gering zu halten, erfordere es die D2, den Anteil der aufzuspaltenden Metallverbindungen sehr hoch, nämlich im Bereich von 60 bis 90 %, einzustellen und damit eine nachträgliche Metallisierung der durch die Metallpartikel vorgegebenen Strukturen entbehrlich zu machen. Dadurch solle ermöglicht werden, dass auch auf unebenen, dreidimensional strukturierten Substraten Leiterbahnen aufgebracht werden können, wobei der Nachteil in Kauf genommen werde, dass keine gleichzeitige Metallisierung der gesamten Leiterbahnstruktur erfolge.
- 23
- Die Erfindung werde auch nicht durch den Beitrag von Naundorf und Wißbrock (A fundamentally new mechanism for additive metallization of polymeric substrates in ultra fine line technology illustrated for 3D-MIDs, Galvano- technik Nr. 9 Band 91 (2000), 2449 ff.; D3) offenbart oder nahegelegt. Aus der D3 gingen zwar Leiterbahnstrukturen hervor, welche die Merkmale des Patentanspruchs 1 erfüllten. Das gelte aber nicht für Merkmal 3.4, da die in der D3 offenbarten Metallverbindungen organisch und nicht anorganisch seien. Aus der D3 ergebe sich auch in Kenntnis der D1 und der D2 kein Anlass, die organischen Metallverbindungen durch Metalloxide zu ersetzen.
- 24
- III. Das Urteil des Patentgerichts hält den Angriffen der Berufung im Ergebnis stand.
- 25
- 1. Die Erfindung wird durch das Streitpatent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann, der vom Patentgericht zutreffend und von der Berufung nicht angegriffen bestimmt worden ist, sie ausführen kann.
- 26
- a) Die die Bejahung der Ausführbarkeit tragenden Feststellungen des Patentgerichts werden von der Berufung nicht in einer Weise angegriffen, die konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit ergäbe (§ 117 Satz 1 PatG iVm § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Nach der Rechtsprechung des Senats trägt der Nichtigkeitskläger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es dem Fachmann auch nach Kenntnisnahme der Angaben in der Beschreibung und der Zeichnungen der Patentschrift nicht möglich ist, die beanspruchte Lehre unter Einsatz seines Fachwissens ohne unzumutbare Schwierigkeiten auszuführen (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 901 Rn. 31 - Polymerisierbare Zementmischung). Das wird auch von der Berufung nicht in Frage gestellt. Sie macht jedoch geltend, dass sich die Darlegungs- und Beweislast im Streitfall umgekehrt habe, weil die Beklagte das Streitpatent gegenüber der erteilten Fassung nur noch beschränkt auf aus elementarem Metall bestehende Schwermetallkeime verteidige. Dem kann nicht beigetreten werden. Die Berufung zeigt nicht auf, weshalb es dem Fachmann im Hinblick auf diese Beschränkung nicht ohne unzumutbaren Aufwand möglich sein sollte, die Erfindung auszuführen (vgl. dazu auch allgemein: Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren , 5. Aufl. Rn. 278), zumal auch das dem Fachmann im Streitpatent an die Hand gegebene Ausführungsbeispiel aus elementarem Metall bestehende Schwermetallkeime betrifft, wenn dort beschrieben wird, dass mit der Bestrahlung kupferhaltiges Spinell enthaltenden Trägermaterials mit einem diodengepumpten ND:YAG-Laser eine strukturierte Bekeimung verbunden ist (Abs. 22).
- 27
- b) Auch dem Verweis der Berufung auf den von der Beklagten im Verfahren vor dem Patentgericht als Anlage B14 vorgelegten Analysebericht, in welchem davon die Rede sei, dass bei Proben einer mit einem Kupfer-ChromSpinell versetzten Kunststoffoberfläche, die zuvor mit einem Laser bestrahlt und dann unter Schutzgas verpackt versandt worden waren, "der Nachweis des Cu(0)" darauf hindeute, dass "innerhalb des vom Laser beeinflussten Volumens metallisches Kupfer entstanden" sei, "welches oberflächennah durch eine dünne Oxidschichtbildung durch Sauerstoffanlagerung abgesättigt" worden sei (B14, S. 3), ist nicht zu entnehmen, dass die Erfindung aufgrund der Angaben in der Streitpatentschrift nicht ausgeführt werden kann. Da dem Fachmann bekannt war, dass das durch die Laserbehandlung freigelegte elementare Metall unter Umgebungsatmosphäre tendenziell wieder reoxidieren wird, wird er die chemisch reduktive Metallisierung möglichst bald nach der Laserbehandlung durchführen, so wie es sich als Handlungsanweisung auch in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels andeutet (vgl. Abs. 22: "… Nach kurzer Behandlung in einem demineralisiertes Wasser enthaltenden Ultraschall-Reinigungsbad …").Auch bei einer zügigen Verfahrensführung wird eine Reoxidierung in geringem Maße zwar nicht auszuschließen sein, wie auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird. Die Berufung zeigt aber nicht auf, dass die Reoxidierung auch bei einer solchen Handhabung zwangsläufig bereits derart fortgeschritten ist, dass sich die erfindungsgemäß angestrebten Leiterbahnstrukturen nicht mehr auf dem Trägermaterial bilden können.
- 28
- 2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des angefochtenen Urteils ist neu.
- 29
- a) Die D1 macht es sich zur Aufgabe, ein Verfahren zur Herstellung einer Metallschicht zu entwickeln, die an der Oberfläche eines zuvor hergestellten Kunststoffbauteils haftet (D1, S. 1, Z. 6 ff.). Als Lösung wird vorgeschlagen, ein Verbundkunststoffteil, das ein Polymer und Körner eines oder mehrerer Oxide (D1, S. 4, Z. 13 ff.: beispielsweise Oxide von Antimon und Eisen, insbesondere in einer Volumenkonzentration von mehr als 1% und einer Größe von nicht mehr als 50 µm) enthält, mit dem Lichtstrahl eines Excimer-Lasers zu bestrahlen (D1, Patentanspruch 1; im Einzelnen: D1, S. 4, Z. 18 ff.; erster Verfahrensschritt ), das bestrahlte Teil ohne vorheriges Aufbringen von Palladium in ein autokatalytisches Bad einzutauchen (D1, Patentanspruch 1; im Einzelnen: D1, S. 5, Z. 18 ff.; zweiter Verfahrensschritt), wobei sich das in dem Bad enthaltene Metall selektiv auf den zuvor mit dem Laserstrahl bestrahlten Bereichen ablagert (D1, S. 5, Z. 22 ff.), und den metallisierten Kunststoff mit Wärme zu behandeln , um ein Eindiffundieren des niedergeschlagenen Metalls in den Kunststoff zu erreichen (D1, Patentanspruch 1; dritter Verfahrensschritt). Da die offenbarten Metallverbindungen (Oxidkörner von Antimon und Eisen) überdies, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, aus dem Oxid von Schwermetallen bestehen und thermisch hochstabil, in wässrigem sauren oder alkalischen Metallisierungsbädern beständig und nicht löslich sowie anorganisch sind, sind zumindest die Merkmale 1 bis 4 des Patentanspruchs 1 offenbart.
- 30
- Im Gegensatz zu Merkmal 5.1.2 lehrt die D1 jedoch nicht, die im Trägermaterial verteilten Schwermetalloxidkörner (Schwermetallverbindungen) mittels elektromagnetischer Laserbestrahlung in elementares Metall aufzubrechen, sondern sieht lediglich vor, durch die Laserbestrahlung bei den Schwermetalloxidkörnern "eine erhöhte Konzentration von Defekten, entstanden durch Aufbrechen gewisser interatomarer Verbindungen" zu erzeugen (D1, S. 5, Abs. 2 b). Wie das Patentgericht festgestellt hat, sind die Oxidkörner also nach der Laserbehandlung weiterhin vorhanden. Die diesen beigebrachten Defekte dienen zur "interstitiellen (das heißt durch kovalente oder ionische Bindungskraft bedingte) Fixierung von Metallionen des autokatalytischen Bades", in welches der Verbundstoff nach dem in der D1 offenbarten Verfahren anschließend einzutauchen ist (D1, S. 6, Abs. 3).
- 31
- Die Berufung legt nicht schlüssig dar, dass bei der in der D1 vorgeschlagenen Verwendung eines Excimer-Lasers als Laserquelle mit einer Wellenlän ge zwischen 170 und 360 nm, dessen Energiedichte in der Weise gewählt werden soll, dass eine erhöhte Konzentration von Strukturfehlern an der Oberfläche der Oxidkörner entsteht, die sich in der Oberfläche des Verbundkunststoffs befinden, damit diese Fehler die Metallisierung dieses Stoffs durch Eintauchen in das Elektrolytbad ermöglichen (D1, Patentanspruch 2, vgl. auch S. 4 f.), Metalloxidkörner in einem praktisch relevanten Umfang zu elementarem Material aufgebrochen werden. In dem von ihr insoweit herangezogenen Lehrbuch von Völklein/Zetterer (Praxiswissen Mikrosystemtechnik, Grundlagen, Technologien, Anwendungen, 2. Aufl. 2006, S. 124; VR2, vorletzte Seite) wird lediglich allgemein ausgeführt, dass die von Excimer-Lasern emittierten Photonen Energien in Bereich einiger eV erzeugt werden könnten, was die Möglichkeit zur Lösung chemischer Bindungen biete. Dass dies auch bei der in der D1 gelehrten Anwendung zur Erzeugung von Strukturfehlern in der Oberfläche der Oxidkörner der Fall ist, folgt daraus nicht. Auch dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten L. (NK13, S. 8) lässt sich dies nicht entnehmen.
- 32
- In der D1 wird zwar weiterhin vorgeschlagen, Oberflächenbereiche mit hoher Energiedichte zu bestrahlen (D1, S. 7, Z. 8 ff., 26 ff.). Zudem wird ausgeführt , dass oberhalb einer gewissen Energiedichte durch Fokussieren des Strahls auf eine bestimmte Fläche (typischerweise 0,5 J/cm2) die Wirkung der Bestrahlung gegenüber einer Bestrahlung mit einer geringeren Energiedichte (zwischen 0,05 und 0,2 J/cm2, vgl. D1, S. 4, Z. 18 ff.) eine Doppelte sein könne (D1, S. 4, Z. 31 ff. Übergang zu Seite 5). Zugleich wird aber auch darauf hingewiesen , dass der Wert von der Beschaffenheit und der Konzentration der Oxidkörner in dem Verbundmaterial abhänge (D1, aaO). Entsprechend hat das Patentgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Fachmann in der D1 eine solche Laserintensität (0,5 J/cm2) konkret nur für Antimontrioxid (Sb2O3) genannt wird (D1, S. 8 ff., Beispiele) und daher nicht darauf geschlossen werden kann, dass er diese Laserintensität unabhängig von der Art des Metalloxids auch bei Kupferoxid verwenden wird, wenn er die Lehre der D1 nacharbeitet. Vielmehr wird er dazu angeleitet, die Energiedichte auf einen Wert einzustellen, von dem anzunehmen ist, dass damit bei dem jeweiligen Metalloxid der von der D1 angestrebte Effekt einer erhöhten Konzentration von Strukturfehlern in der Oberfläche der Oxidkörner erreichen werden kann (vgl. D1, Patentanspruch 2).
- 33
- Vor dem Hintergrund, dass es der D1 auf das Beibringen von Defekten auf der Oberfläche der Oxidkörner ankommt und der diese nacharbeitende Fachmann versuchen wird, die dafür erheblichen Parameter (insbesondere Energiedichte, Wellenlänge und Pulsphasen des Laserstrahls, Absorptionsneigung des jeweiligen Metalloxids) entsprechend einzustellen, ergibt sich daher nicht, dass eine Nacharbeitung des in der D1 offenbarten Verfahrens durch den Fachmann die Laser-Bestrahlung zwangsläufig auch zu einem Aufbrechen der Metallverbindungen führen wird.
- 34
- An dieser Beurteilung ändert auch das vom Oberlandesgericht Karlsruhe in dem Patentverletzungsverfahren 6 U 118/14 eingeholte Gutachten K. nichts, wonach sich hochschmelzende Kupferoxide bei eine Laserbestrahlung mit einer Wellenlänge von 1.024 nm und Energiedichten von 0,5 bis 5 J/cm2 in ihre atomaren Bestandteile zerlegen sollen (BK9, unter 2.1 und 2.2). Denn auch diese Erläuterungen rechtfertigen nicht die Annahme, dass der Fachmann, der den Oxidkörnern in Ausübung der Lehre der D1 Oberflächendefekte beibringen wollte, den Laser bei Verwendung eines Kupferspinells entsprechend den im Gutachten K. genannten Werten eingestellt und dadurch eine Aufspaltung der Oxidkörner bewirkt hätte. Dafür ergeben sich aus der D1 keine Anhaltspunkte.
- 35
- Sind die Oxidkörner also nach dem in der D1 gelehrten Verfahren zur Positiv-Metallisierung eines Verbundkunststoffteils bei der Bestrahlung zwar an der Oberfläche beschädigt worden, aber als solche auch im fertigen Produkt noch vorhanden, haben sich an der darunterliegenden Oberfläche des Trägermaterials keine unregelmäßigen Konturen derart bilden können, wie sie bei einem Aufbrechen der Oxidkörner entsprechend Merkmal 5.1.2 als räumlichkörperliche Eigenschaft entstanden wären und erfindungsgemäß zur Verbesse- rung der Haftfestigkeit der abgeschiedenen metallischen Leiterbahnstrukturen auf dem Trägermaterial des hergestellten Erzeugnisses erreicht werden sollen. Entsprechend fehlt es an einer Verwirklichung jedenfalls dieses Merkmals bei Leiterbahnstrukturen, die nach dem in der D1 offenbarten Verfahren auf einem nichtleitenden Trägermaterial erzeugt worden sind, weshalb die Lehre aus Patentanspruch 1 aus dieser Entgegenhaltung nicht vorbekannt ist.
- 36
- b) Die D2 offenbart Leiterbahnstrukturen auf einem nichtleitenden Trägermaterial aus einem thermo- oder duroplastischen Kunststoff (D2, Sp. 3, Z. 4 f.: "… polyethylene" "… or an epoxy resin."), die aus Schwermetallpartikeln bestehen (D2, Sp. 3, Z. 8 ff.: "… The metal compounds may be any of the types which decompose upon heating to an elemental metal state, …Metal oxides appear to be among the most preferable compounds. Typical metal compounds which may be utilized are Cu2O, CuO, TbO, NiO, CuCl2 or SnO, for example. …"). Die Schwermetallpartikel sind mittels elektromagnetischer Strahlung eines Lasers durch Aufbrechen von feinstverteilt in dem Trägermaterial enthaltenen nichtleitenden Metallverbindungen entstanden (D2, Sp. 3, Z. 29 ff.: "… that the laser impinges on the substrate and raises the temperature of the substrate surface sufficiently high to cause the metal compound filler therein to decompose so that it is reduced to its elemental metal state."). In den Bereichen im Umfeld der Leiterbahnstrukturen sind die Metallverbindungen unverändert auf dem Trägermaterial verblieben (D2, Sp. 2, Z. 24 ff.: "The surface is then subjected to heat at the locations which form a desired conductive path 11 thereon."). Die nichtleitenden Metallverbindungen sind von thermisch hochstabiler, in wässrigen sauren oder alkalischen Metallisierungsbädern beständiger und nicht löslicher Beschaffenheit (D2, Sp. 2, Z. 14 f., etwa Cu2O, CuO; vgl. Streitpatentschrift , Abs. 12, 18 und 22; Unteranspruch 9).
- 37
- Wie das Patentgericht ausgeführt hat, lehrt die D2, den Anteil der aufzuspaltenden Metallverbindungen von vornherein so hoch - typischerweise im Bereich von 60 bis 90 % - einzustellen, dass sich die Leiterbahnstrukturen bereits nach der Laserbestrahlung bilden und damit eine nachträgliche Metallisierung nicht mehr erforderlich ist (vgl. D2, Sp. 1, Z. 66 ff.; Patentansprüche 1 und 12). Entsprechend enthält das Trägermaterial des nach der Lehre der D2 hergestellten Produktes außerhalb der Leiterbahnstrukturen einen entsprechend hohen Komplexanteil, den die erfindungsgemäße Lehre im Hinblick auf die damit verbundenen Beeinträchtigungen wichtiger Gebrauchseigenschaften des Trägermaterials , wie Bruchdehnung und Schlagzähigkeit, vermeiden möchte (vgl. Streitpatentschrift, Abs. 4 und 6) und zu diesem Zweck eine der Laserbestrahlung der lediglich als Keime dienenden, zu elementarem Metall aufgebrochenen Metallverbindungen nachfolgende Metallisierung vorsieht. Als räumlich-körperliche Eigenschaft ergibt sich daraus die Maßgabe, dass in dem erfindungsgemäßen Produkt Metallverbindungen nicht in einer derart hohen Dosierung feinstverteilt enthalten sein dürfen, dass die erwünschten Leiterbahnstrukturen bereits allein aufgrund der in Merkmal 5.2 vorgesehen Laserbehandlung entstehen können. Daran fehlt es bei dem in der D2 offenbarten Trägermaterial, in dem der Anteil der aufzuspaltenden Metallverbindungen typischerweise in einem Bereich von 60 bis 90 % liegen soll.
- 38
- c) In dem weiterhin von der Klägerin entgegengehaltenen Beitrag von Naundorf und Wißbrock (A fundamentally new mechanism for additive me- tallization of polymeric substrates in ultra fine line technology illustrated for 3DMIDs , Galvanotechnik 2000, 2449 ff.; D3) fehlt es an einer Offenbarung des Merkmals 3.4, da die in der Arbeit offenbarten Metallverbindungen organisch sind (D3, unter 3, Abs. 1 und 2).
- 39
- d) Die erfindungsgemäße Lehre war auch nicht aus der europäischen Patentschrift 311 274 (E11) bekannt. In der E11 ist als Trägermaterial für die Leiterbahnstrukturen Glas bzw. Glaskeramik vorgesehen und damit nicht ein thermo- oder duroplastischer Kunststoff. Daran ändert auch eine vor der Laserbehandlung auf das Glas aufgebrachte dünne Kunststoffschicht nichts, da diese - wie das Patentgericht festgestellt hat - durch den Laser im bestrahlten Bereich zerstört wird, um als Reduktionsmittel für die Metalloxide zu dienen (vgl. E11, S. 3, Z. 42 ff., 46 ff.)
- 40
- 3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist dem Fachmann auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt worden.
- 41
- a) Entgegen der Ansicht der Berufung gab es für den Fachmann ausgehend von dem Offenbarungsgehalt der D1 keine Veranlassung, Schwermetallkeime dadurch entstehen zu lassen, dass die in dem Trägermaterial feinstverteilt enthaltenen nichtleitenden Metallverbindungen mittels elektromagnetischer Strahlung eines Lasers aufgebrochen werden. Die K1 lehrt den Fachmann die Laserbestrahlung so einzustellen, dass neben der Abtragung von Kunststoff an der Oberfläche des Trägermaterials "nach Maßgabe der Wahl der inkorporierten kornförmigen Substanz auf der Oberfläche der Körner, die in größerer Zahl in der Oberfläche des Verbundstoffs (…) liegen, eine erhöhte Konzentration von Defekten … durch Aufbrechen interatomarer Verbindungen unter den kombinierten Einflüssen der Elektronenanregungen aufgrund der Absorption von Photonen durch das Material" herbeizuführen (D1, S. 5, Z. 4 ff.). Wie auch das Patentgericht ausgeführt hat, zielt die K1 also gerade nicht darauf ab, die Metalloxide aufzubrechen, sondern es geht ihr allein darum, die Elektronen im Metalloxid anzuregen und polarisierte Defekte auf der Oxidkörneroberfläche zu erzeugen, die zur Verbesserung der Adsorption der nachfolgend aufzubringenden Metallschicht auf dem Kunststoff-Trägermaterial dienen sollen (vgl. D1, S. 6, Z. 11 ff.). Entsprechend wird in der D1 auf die "interstitielle (das heißt durch kovalente oder ionische Bindungskraft) erzeugte Fixierung von Metallionen des autokatalytischen Bades auf den Defekten der auf dieser rauen Oberfläche befindlichen anorganischen Körner" hingewiesen, die "selektiv und stark" sei (D1, S. 6, Z. 13 ff.). Daran ändert auch der Hinweis in der D1 nichts, dass sich die Dauer der Inkubationszeit (bei der nachfolgenden Metallisierung) verringere, wenn man die Energiedichte des in dem ersten Schritt eingesetzten Laserstrahls steigere (D1, S. 6, Z. 4 ff.; S. 7, Z. 26 ff.). Denn der Fachmann wird dies im Kontext der D1 nicht dahin verstehen, dass die Energiedichte auch so hoch sein kann, dass den Metallkörnern durch die Laserbestrahlung nicht nur Defekte an der Oberfläche beigebracht werden, sondern die Metallverbindungen aufgebrochen werden. Vielmehr wird er darin einen Hinweis auf die Möglichkeit sehen, die Intensität der Laserbestrahlung innerhalb einer bestimmten Bandbreite im Hinblick auf das Beibringen von Defekten variieren zu können, wie dies etwa in Patentanspruch 2 der D1 für einen Excimer-Laser mit einer Wellenlänge zwischen 170 und 360 nm offenbart ist. Nichts anderes gilt unter dem Gesichtspunkt der einzustellenden Energiedichte.
- 42
- b) Eine Anregung, Schwermetallkeime dadurch entstehen zu lassen, dass die in dem Trägermaterial feinstverteilt enthaltenen nichtleitenden Metallverbindungen mittels elektromagnetischer Strahlung eines Lasers aufgebrochen werden, ergab sich für den Fachmann auch nicht, wenn er - neben der D1 - die D2 in seine Überlegungen zur Entwicklung einfach und sicher herstellbarer Leiterbahnstrukturen auf nichtleitendem Trägermaterial einbezog.
- 43
- Die D2 sieht zwar ausdrücklich ein Aufbrechen der in einem Trägermaterial verteilten Metallverbindungen durch Laserbestrahlung vor (D2, Sp. 2, Z. 26 ff.; Sp. 4, Z. 13 ff.). Dabei geht die Entgegenhaltung jedoch von einem besonders hohen Anteil aufzubrechender Metallverbindungen in der Kunststoffmatrix aus. Genannt wird insoweit ein Bereich von etwa 60 bis etwa 90 % bzw. etwa 75 % Volumen (D2, Sp. 2, Z. 17 ff.; Sp. 4, Z. 55 ff.). Durch einen derart hohen Anteil von Metallverbindungen im Trägermaterial soll es möglich werden , die Leiterbahnstrukturen unmittelbar durch das Aufbrechen der Metallverbindungen mittels Laserbestrahlung herzustellen, ohne dass also noch ein nachfolgender Metallisierungsschritt erforderlich wird (vgl. D2, Sp. 4, Z. 13 ff.).
- 44
- Damit unterscheidet sich das in der D2 offenbarte Verfahren grundlegend von dem in der D1 gelehrten Ansatz, wonach eine Volumenkonzentration der in dem Trägermaterial verteilten Metallverbindungen von mehr als 1 % (D1, S. 4, Z. 15); 4 % (D1, S. 9, Z. 5) oder in einem Bereich zwischen 0,2 und 30 % (D1, Patentanspruch 9) vorgeschlagen wird und der vor allem in einem ersten Verfahrensschritt lediglich das Beibringen von Defekten in der Oberfläche der Metallkörner und in einem nachfolgenden zweiten Verfahrensschritt das Aufbringen einer Metallisierungsschicht durch Eintauchen in ein autokatalytisches Bad vorsieht, wobei die Metallionen des autokatalytischen Bades auf den Defekten durch kovalente oder ionische Bindung fixiert werden. Eine Anregung, beide Verfahren dergestalt zu kombinieren, dass sich dem in der D2 offenbarten Verfahren des Aufbrechens der Metallverbindungen, die in der D2 offenbarte Metallisierung anschließt, lässt sich keiner der beiden Entgegenhaltungen entnehmen und ergibt sich auch nicht aus dem allgemeinen Wissen und Können des Fachmanns.
- 45
- c) Wie vom Patentgericht ausgeführt, ist in der D3 zwar beschrieben, dass auf Schwermetallkeime, die mittels elektromagnetischer Strahlung eines Lasers durch Aufbrechen von feinstverteilt in dem Trägermaterial enthaltenen nichtleitenden Metallverbindungen entstanden sind, eine Metallisierung aufgebracht wird. Ein solches Verfahren ist aber ausschließlich für metallorganische Übergangskomplexe ("metalorganic compounds") offenbart, wobei eine Vielzahl von Möglichkeiten erwähnt werden, wie vorzugsweise solche, die auf Palladium (Pd2+)- oder auf Kupfer (Cu2+)-Basis aufgebaut seien, aber auch synergistische Systeme mit verschiedenen Übergangsmetallen, wobei polyfunktionelle Chelatbildner mit mehreren Ligandenatomen wie N, O, S, P allein oder zusammen mit ionisierenden Gruppen von Hydroxyl- oder Carboxylgruppen eine besonders hohe Stabilität besitzen könnten (D3, unter 3). An keiner Stelle wird jedoch die Möglichkeit angedeutet, anorganische Metallverbindungen zu verwenden. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, hatte der Fachmann daher auch in Kenntnis der D1 und der D2 keine Veranlassung, die organischen Metallverbindungen der D3 durch anorganische Metalloxide zu ersetzen.
- 46
- Daran ändert auch der Hinweis in der D3 nichts, dass es bekannt sei, "eine weitere Modifizierung der Polymermatrix" mit geeigneten meistens anorganischen Füllstoffen durchzuführen, die resistent gegenüber der Laserstrahlung seien (D3, unter 2, Abs. 2). Denn damit sind nicht die (im vorhergehenden Absatz erwähnten) nichtleitenden Metallverbindungen gemeint, die durch die Laserbehandlung freigesetzt werden und an denen im nächsten Prozessschritt der additive Aufbau der Kupfer- oder Nickelstrukturen beginnt (D3, unter 2, Abs. 1). Vielmehr soll "parallel zur Keimerzeugung" durch die anorganischen Füllstoffe eine (weitere) Verbesserung der Haftfestigkeit durch gegenüber der Laserbestrahlung "resistente" anorganische Füllstoffe bewirkt werden (vgl. auch D3 unter 4 Abs. 3, 2. Alternative). Ein Anlass für den Fachmann darüber nachzudenken , die in der D3 für die Keimerzeugung ausschließlich erwähnten organischen Metallverbindungen durch anorganische ganz oder teilweise zu ersetzen , ergibt sich aufgrund der unterschiedlichen technischen Funktionen nicht.
- 47
- Schließlich führt auch das Vorbringen der Berufung, es sei für den Fachmann selbstverständlich gewesen, dass Kunststoffe, wie sie für das Verfahren nach der D3 vorgesehen seien, (nahezu) immer auch anorganische, nichtleitende Metallverbindungen als Additive enthielten und das im Streitpatent genannte Spinell Kupferchromoxid gehöre zu den gängigsten Pigmentiermitteln, zu keiner anderen Beurteilung. Denn wie auch von der Berufung nicht in Abrede gestellt worden ist, liegt der Anteil des den Kunststoffen zur Pigmentierung beigefügten kupferhaltigen Spinells bei maximal 1 % des Trägermaterials, was für eine Keimbildung zur Bildung von Leiterbahnstrukturen deutlich zu wenig ist.
- 48
- d) Gleiches gilt für die deutsche Offenlegungsschrift 197 31 346 (E9), die ebenfalls Leiterbahnstrukturen offenbart, die durch Aufbrechen "organischer nichtleitender Schwermetallkomplexe" in einem nichtleitenden Trägermaterial und anschließender Metallisierung entstanden sind.
- 49
- e) Ging der Fachmann bei seinen Überlegungen, einfach und sicher herstellbare Leiterbahnstrukturen auf nichtleitendem Trägermaterial zu entwi- ckeln, von der E11 aus, gab ihm diese keinen Anlass, Glas oder Glaskeramik - wie dort allein als Trägermaterial offenbart - durch einen thermoplastischen oder duroplastischen Kunststoff zu ersetzen. Dies gilt erst Recht, wenn berücksichtigt wird, dass in der E11 eine dünne Kunststoffschicht auf der Glasoberfläche zwar vorgeschlagen wird, deren Funktion aber nicht darin liegt, die Metallverbindungen als Trägermaterial aufzunehmen, sondern darin, als Reduktionsmittel für die Metalloxide eingesetzt zu werden (vgl. E11, S. 3, Z. 42 ff.). Werden hingegen die D1, die D2 oder die D3 als Ausgangspunkt der Überlegungen des Fachmanns genommen, gab es für diesen aus der E11 ebenfalls keine Anregung , Änderungen vorzunehmen, da sich diese allein auf Glas oder Glaskeramik bezieht.
- 50
- f) Die weiteren von der Klägerin und ihrer Streithelferin vorgelegten Entgegenhaltungen liegen noch weiter ab von der Lehre des Streitpatents, so dass insoweit auf die Ausführungen des Patentgerichts verwiesen werden kann.
- 51
- 4. Aus den genannten Gründen ist der Gegenstand des Patentanspruchs 2 - und sind infolgedessen auch die auf diesen rückbezogenen weiteren Patentansprüche - ebenfalls patentfähig.
- 52
- IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO. Die Streithelferin der Klägerin gilt als deren Streitgenossin (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - X ZR 226/02, GRUR 2008, 60 - Sammelhefter II; Urteil vom 11. August 2015 - X ZR 83/13 Rn. 38).
Hoffmann Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.07.2015 - 2 Ni 43/13 (EP) -
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
Auf den Prüfungsumfang des Berufungsgerichts, die verspätet vorgebrachten, die zurückgewiesenen und die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sind die §§ 529, 530 und 531 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Dabei tritt an die Stelle des § 520 der Zivilprozessordnung der § 112.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.
(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)