Bundesgerichtshof Urteil, 11. Feb. 2009 - VIII ZR 36/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der beklagte Vermieter erklärte wegen Zahlungsverzugs mit einem Betrag von mindestens zwei Monatsmieten mehrfach die Kündigung des mit der Klägerin bestehenden Mietverhältnisses über eine Wohnung in K. . Der Mietrückstand beruht darauf, dass die Klägerin die Minderung der Miete wegen Mängeln für berechtigt hält.
- 2
- Die Klägerin hat beim Amtsgericht Klage auf Feststellung erhoben, dass die Kündigungen unwirksam sind. Der Beklagte begehrt widerklagend die Verurteilung der Klägerin zur Räumung und Herausgabe der Wohnung. Das Land- gericht, dessen Urteil die Berufungsanträge nicht wiedergibt und weder eigene tatbestandliche Feststellungen enthält noch auf den Tatbestand des Amtsgerichtsurteils Bezug nimmt, hat auf die Berufung des Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert, die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin zur Räumung und Herausgabe der Wohnung verurteilt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat Erfolg.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt :
- 5
- Die Klage auf Feststellung, dass die Kündigungen des Mietverhältnisses unwirksam seien, sei unbegründet. Denn der Beklagte sei zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BGB berechtigt, weil sich die Klägerin als Mieterin in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstrecke, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug befunden habe, der die Miete für zwei Monate erreiche. Der Auffassung des Amtsgerichts, die Klägerin habe den Verzug nicht zu vertreten, weil sie davon habe ausgehen dürfen, dass die Miete gemindert sei, stehe das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Oktober 2006 (VIII ZR 102/06) entgegen. Danach brauche zwar der Mieter, selbst wenn er die geschuldete Miete fahrlässig nicht leiste, eine Kündigung nicht zu befürchten, solange der sich letztlich als unberechtigt erweisende Zahlungsrückstand in zeitlicher Hinsicht und im Hinblick auf seine Höhe noch eine unerhebliche Vertragsverletzung darstelle. Es sei aber nicht mehr als unerheblich anzusehen, wenn ein Zahlungsrückstand in Höhe von mehr als zwei Monatsmieten eine spürbare Gefährdung der Interessen des Vermieters, der das Insolvenzrisiko des Mieters zu tragen habe, zur Folge habe. In diesem Fall stehe dem Vermieter ein Kündigungsrecht zu, wenn sich herausstelle, dass der Mieter zu Unrecht einen erkennbar ungesicherten Rechtsstandpunkt eingenommen habe. Demgemäß sei die Feststellungsklage als unbegründet abzuweisen und auf die Widerklage des Beklagten die Klägerin zur Räumung und Herausgabe der Mietwohnung zu verurteilen.
II.
- 6
- Mit diesen Ausführungen enthält das Berufungsurteil keine dem § 540 Abs. 1 ZPO entsprechende Darstellung der Tatsachen, die das Berufungsgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegt hat. Es leidet deshalb an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel (BGHZ 154, 99, 101).
- 7
- Das Berufungsgericht trifft weder eigene tatbestandliche Feststellungen noch nimmt es in seinem Urteil – wie in § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorgesehen – unter Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils. Damit fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die revisionsrechtliche Nachprüfung der Entscheidung (§ 559 ZPO). Lässt das Berufungsgericht die Revision zu, muss aus dem Berufungsurteil zu ersehen sein, von welchem Sach- und Streitstand es ausgegangen ist, welches Rechtsmittelbegehren die Parteien verfolgt haben und welche tatsächlichen Feststellungen der Entscheidung zugrunde liegen (BGH, Ur- teil vom 29. März 2007 – I ZR 152/04, NJW 2007, 2334, Tz. 5). Daran fehlt es hier.
- 8
- Auch den rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts lassen sich keine für eine revisionsrechtliche Überprüfung ausreichenden Feststellungen zum Sachverhalt entnehmen. Insbesondere ist nicht erkennbar, wegen welcher Mängel die Klägerin die Miete in welchem Umfang gemindert hat und ob und welche Mängel tatsächlich vorliegen. Die Revision beanstandet ferner zu Recht, dass das Berufungsurteil nicht erkennen lässt, dass nach dem amtsgerichtlichen Urteil die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigungen von der Klägerin nach Erhebung der auf Räumung gerichteten Widerklage durch den Beklagten bereits in erster Instanz einseitig für erledigt erklärt worden ist und das Amtsgericht nicht der ursprünglichen Klage stattgegeben, sondern insoweit die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt hat.
- 9
- Zudem werden weder die Berufungsanträge mitgeteilt noch lässt das Urteil in anderer Weise zweifelsfrei erkennen, was der Beklagte mit seinem Rechtsmittel erstrebt hat. Es muss zumindest deutlich werden, ob der Rechtsmittelführer seinen erstinstanzlichen Sachantrag in vollem Umfang weiterverfolgt oder – bei nur teilweiser Anfechtung – in welchem Umfang der Streitgegenstand in die Berufung gelangt ist (BGHZ 154, 99, 101; Senatsurteil vom 5. April 2006 – VIII ZR 178/05, NZM 2006, 459 = WuM 2006, 248, Tz. 8). Die Revision macht zu Recht geltend, dass der Beklagte nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nur beantragt hat, das erstinstanzliche Urteil insoweit aufzuheben, als die Widerklage abgewiesen worden ist. Das ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen.
III.
- 10
- Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ball Wiechers Hermanns Dr. Milger Dr. Hessel
AG Konstanz, Entscheidung vom 30.03.2007 - 11 C 1097/06 -
LG Konstanz, Entscheidung vom 19.12.2007 - 11 S 70/07 N -
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Annotations
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.
(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.