Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2000 - VII ZR 99/99

published on 26/10/2000 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Okt. 2000 - VII ZR 99/99
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 99/99 Verkündet am:
26. Oktober 2000
Seelinger-Schardt
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 14 Nr. 1
Die Prüfbarkeit einer Schlußrechnung bestimmt sich nicht allein nach einem abstrakt
-objektiven Maßstab. Maßgebend sind die Informations- und Kontrollinteressen
des Auftraggebers, die Umfang und Differenzierung der für die Prüfung erforderlichen
Angaben der Schlußrechnung bestimmen und begrenzen.
BGH, Urteil vom 26. Oktober 2000 - VII ZR 99/99 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Oktober 2000 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel
, Dr. Kuffer und Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 10. März 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in Höhe von 266.148,34 DM und Zinsen zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin fordert von der Beklagten restlichen Werklohn für erbrachte Leistungen. Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 7. Juli 1994 mit der Errichtung einer Werk- und Lagerhalle zum Pauschalpreis von 830.000 DM; die VOB/B war vereinbart. Nachdem die Halle weitgehend fertiggestellt war, kündigten beide Parteien den Vertrag. Die Klägerin erstellte daraufhin unter dem 12. September 1995 eine Schlußrechnung, in der sie vom Pauschalpreis aus-
ging, Mehrpreise für zusätzliche Leistungen hinzuzählte und nicht erbrachte Aufwendungen absetzte. Unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen errechnete sie eine Forderung von 227.830,15 DM. Die Klägerin hat zunächst diesen Betrag geltend gemacht. Im ersten Rechtszug hat sie nach Hinweis des Gerichts unter dem 30. Mai 1996 eine neue Schlußrechnung über insgesamt noch offene 289.922,56 DM vorgelegt und diesen Betrag gefordert. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage in Höhe von 74.866,24 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin auf Hinweis des Gerichts ihre Kalkulation offengelegt. Das Berufungsgericht hat die Klage im wesentlichen wegen fehlender prüfbarer Schlußrechnung als derzeit unbegründet abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Der Senat hat sie mit Ausnahme von vier Einzelbeträgen über insgesamt 20.766,96 DM angenommen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt im Umfang der Annahme zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die Klägerin habe ihre bis zur Kündigung erbrachten Leistungen nicht prüfbar abgerechnet. Die Schlußrechnung entspreche, soweit sie sich auf den Pauschalpreisvertrag stütze, nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages. Bei einem Pauschalpreisvertrag sei nach den Kalkulationsgrundlagen abzurechnen. Die offengelegte Kalkulation der Klägerin werde jedoch nicht in Bezug zu einer prüffähigen Abrechnung gesetzt. Dies gelte für fast alle in der Schlußrechnung aufgeführten Positionen.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages überspannt und die Grundsätze zur Prüfbarkeit unvollständig berücksichtigt (A). Bei zutreffender Anwendung dieser Grundsätze ist die Schlußrechnung der Klägerin prüfbar (B).

A

1. Nach den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwikkelten Grundsätzen zur Abrechnung eines gekündigten Pauschalpreisvertrages hat der Unternehmer die erbrachten Leistungen darzulegen und von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen. Die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen ist nach dem Verhältnis des Wertes der erbrachten Teilleistung zu
dem Wert der nach dem Pauschalpreisvertrag geschuldeten Gesamtleistung zu errechnen. Der Unternehmer muß deshalb das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung und des Preisansatzes für die Teilleistungen zum Pauschalpreis darlegen. Soweit zur Bewertung der erbrachten Leistung Anhaltspunkte aus der Zeit vor Vertragsschluß nicht vorhanden oder nicht ergiebig sind, muß der Unternehmer im nachhinein im einzelnen darlegen , wie die erbrachten Leistungen unter Beibehaltung des Preisniveaus zu bewerten sind. Die Abgrenzung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen und deren Bewertung muß den Besteller in die Lage versetzen, sich sachgerecht zu verteidigen (Urteil vom 4. Mai 2000 - VII ZR 53/99, BauR 2000, 1182, 1186 f = ZfBR 2000, 472). Die Prüfbarkeit einer nach diesen Grundsätzen aufgestellten Schlußrechnung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Selbstzweck. Die Anforderungen an die Prüfbarkeit ergeben sich vielmehr aus den Informations- und Kontrollinteressen des Auftraggebers. Diese bestimmen und begrenzen den Umfang der Differenzierung der für die Prüfbarkeit erforderlichen Angaben der Schlußrechnung. In welchem Umfang die Schlußrechnung aufgeschlüsselt werden muß, damit sie den Auftraggeber in die Lage versetzt, sie in der gebotenen Weise zu überprüfen, ist eine Frage des Einzelfalls, die abgesehen von den Besonderheiten der Vertragsgestaltung und der Vertragsdurchführung auch von den Kenntnissen und Fähigkeiten des Auftraggebers und seiner Hilfspersonen abhängt (Urteil vom 29. April 1999 - VII ZR 127/98, BauR 1999, 1185 = ZfBR 1999, 319). 2. Das Berufungsgericht legt allein einen abstrakt-objektiven Maßstab an, um die Schlußrechnung der Klägerin zu prüfen. Das widerspricht den vorstehenden Grundsätzen. Die Schlußrechnung der Klägerin ist prüfbar.

B

Die Bedenken des Berufungsgerichts sind nicht begründet. Position Erd-, Beton-, Kanal- und Maurerarbeiten: 1. Das Berufungsgericht führt aus:
a) In der vorgelegten Kalkulation der Klägerin sei unter Position 6 für Maurerarbeiten ein Betrag von 37.430 DM veranschlagt. Die Klägerin habe nicht dargelegt, welche Maurerarbeiten sie erbracht habe, für die sie ausweislich der Schlußrechnung einen Betrag von 5.470 DM geltend mache.
b) Die Klägerin hätte darlegen müssen, welche Flächen an Betonplatten sie im Untergeschoß nach dem Vertrag hätte verlegen müssen, welchen Anteil diese Betonplatten insgesamt an den durch den Pauschalpreis abgedeckten Leistungen gehabt hätten und wie sie danach den qm-Preis für die Betonplatte errechnet habe. Gleiches gelte für die Lagermatten. Dies alles habe die Klägerin nicht in ein Verhältnis gesetzt. 2. Damit überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Abrechnung und ihre Prüfbarkeit. Zu a): Es handelt sich um ein Schreibversehen in der als Anlage K 23 vorgelegten Schlußrechnung. Die dort unter der Position "nicht erbrachte Maurerarbeiten" eingesetzten beiden Beträge sind eindeutig den Betonarbeiten zuzuordnen. Zu b): Der Umfang der von der Klägerin geschuldeten Leistungen ergibt sich aus dem Vertrag vom 7. Juli 1994 und dem darin genannten Leistungsverzeichnis. Der Umfang der ausgeführten Arbeiten steht auf der Grundlage des
von der Beklagten vorgelegten Privatgutachtens fest. Die Klägerin hat zur Darlegung der Relation des Preisansatzes für die ausgeführten Teilleistungen zum Pauschalpreis auf ihre offengelegte Kalkulation Bezug genommen. Der von ihr kalkulierte Wert für die nicht ausgeführte Betonplatte ergibt sich aus Pos. 1.17. Da der für diese Position kalkulierte Preis nach Kosten pro Quadratmeter berechnet ist, mußte die Klägerin keine Relation zum Gesamtpreis dieser Position bilden. Der Preis für die benötigten Stahlmatten errechnet sich entsprechend aus Pos. 1.28 ihrer Kalkulation. Ob die Kalkulation richtig ist, berührt die Frage der Prüfbarkeit der Schlußrechnung nicht. Position Dacheindeckung: 1. Das Berufungsgericht führt aus, in dieser Position der Kalkulation der Klägerin sei kein Preis für die Dachisolierung ausgewiesen. Zudem sei nicht zu erkennen, wie die Klägerin das Verhältnis des für die Dachisolierung als erspart abgezogenen Betrages zu den Gesamtkosten der Dacheindeckung ermittelt habe. 2. Die Bedenken sind unbegründet. Die Klägerin hat in ihrer Schlußrechnung für die von ihr nicht ausgeführte Dachisolierung 42.555 DM von dem für diese Position insgesamt geforderten Betrag von 76.117 DM abgesetzt. Auch wenn die Kalkulation eine Position "Dachisolierung" nicht ausweist, liegt es nahe, daß sich der Abzug aus den Positionen Dachaufbau und Dampfsperre (33.600 DM) sowie Fallrohre und Halbrundrinne (8.995 DM) zusammensetzt; die Summe beträgt 42.595 DM. Sie entspricht rechnerisch nahezu dem von der Klägerin abgesetzten Betrag. Damit wird nach dem Vortrag der Klägerin zugleich der jeweilige Wert der ausgeführten Leistung zu der nicht ausgeführten Leistung hinreichend prüfbar bezeichnet. Ob die Wertrelation richtig ist, berührt die Frage der Prüfbarkeit nicht.
Positionen Profilverglasung, Gasbetonwand und Kassettenwand: 1. Das Berufungsgericht führt aus, die Kalkulation dieser Positionen enthalte , anders als in der Schlußrechnung jeweils aufgeführt, keine Angaben für die Montage oder Beschichtung. 2. Die Kostenansätze für Montage oder Beschichtung sind prüffähig. Die Klägerin hat auch zu diesen Positionen ihre Kalkulation offengelegt. Danach hatte sie die zu liefernde und einzubauende Profilverglasung, die Gasbetonwand und die Kassettenwand jeweils nach Stückpreisen kalkuliert. Daher mußte sie nachträglich einen Preis für die Montage oder Beschichtung ermitteln , wenn sie die vorgesehenen Materialien nur geliefert, aber nicht montiert oder beschichtet hatte. Diese Nachkalkulation hat sie in ihrer Schlußrechnung vorgenommen. Das Wertverhältnis ergibt sich aus der Relation des für die jeweilige Position insgesamt kalkulierten Betrages zu dem nachkalkulierten Wert für die nicht ausgeführte Leistung. Damit ist der geltend gemachte Ansatz prüffähig. Ob er richtig ist, berührt die Frage der Prüffähigkeit der Schlußrechung nicht. Position Schlosserarbeiten: 1. Das Berufungsgericht führt aus, die Addition der unter diesen Positionen aufgeführten Einzelbeträge ergebe eine Summe von 10.190 DM; es sei nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin den in der Schlußrechnung angegebenen Betrag von 13.993 DM errechnet habe. 2. Das ist nicht richtig. Die Klägerin hat die in ihrer Kalkulation eingesetzten Preise für die Tore von 6.950 DM und 7.300 DM addiert. Von der Summe von 14.250 DM hat sie rechnerisch 1,8 % abgezogen, da ihre kalkulierten Preise durchschnittlich um diesen Prozentsatz über dem vereinbarten
Pauschalpreis lagen. Daraus ergibt sich rechnerisch bis auf eine geringfügige Differenz der in der Schlußrechnung eingesetzte Betrag. Positionen Fenster- und Metallbauarbeiten: Die Bedenken des Berufungsgerichts, es sei nicht ersichtlich, wie sich der für die Montage der Fenster- und Metallbauarbeiten in der Schlußrechnung eingesetzte Betrag von 15.820 DM errechne, betreffen allein die Richtigkeit, nicht aber die Prüffähigkeit des von der Klägerin nachträglich dafür kalkulierten Ansatzes.

III.

Danach kann das Urteil im Umfang der Annahme nicht bestehenbleiben; es ist insoweit aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen , um die erforderlichen weiteren Feststellungen treffen zu können.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß die Ansprüche der Klägerin in Höhe von 7.371 DM, die durch Aufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch von 8.000 DM erloschen sind, lediglich als Nettobeträge berücksichtigt worden sind. Die von der Klägerin für diese Beträge geltend gemachte Mehrwertsteuer von 15 % führt zu einem Bruttobetrag von 8.476,75 DM. Daher wird in die vom Berufungsgericht zu ermittelnde Abrechnung jedenfalls ein Betrag von 476,75 DM zugunsten der Klägerin einzustellen sein.
Thode Hausmann Wiebel Kuffer Kniffka
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