Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2003 - VII ZR 8/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger verlangen von den Beklagten unter anderem Feststellung der Ersatzpflicht wegen Mängeln an der Abdichtung der Tiefgarage und des Kellergeschosses am "KOM-Center" in M. Im Revisionsverfahren ist nur noch die Ersatzpflicht des Beklagten zu 2 im Streit.Die Kläger und die B. GmbH und Co. KG ließen das Objekt in zwei Losen errichten. Die Kläger sind Bauherrn des Loses 2. Bauherrin des Loses 1 ist die B. GmbH und Co. KG. Sie betreibt den Parallelrechtsstreit VII ZR 4/02. Die Kläger machen die Beklagte zu 1 wegen Mängel der Bauarbeiten und den Beklagten zu 2 wegen Mängel in der beauftragten Architektentätigkeit verantwortlich. Insofern tragen sie die im Parallelverfahren VII ZR 4/02 getroffenen Feststellungen wie folgt vor: Der Beklagte zu 2 habe auf die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bodengutachters hingewiesen und mehrere in Betracht kommende Bodengutachter benannt. Es sei daraufhin der Diplom-Ingenieur U. beauftragt worden. Nach dessen Gutachten vom 8. März 1993 sei mit drückendem Grundwasser nicht zu rechnen gewesen. Maßnahmen dagegen seien deswegen nicht vorgesehen worden. Die vom Beklagten zu 2 gefertigte Baubeschreibung habe nur eine Ringdrainage vorgesehen. Sein Leistungsverzeichnis habe weder eine weiße noch eine schwarze Wanne ausgewiesen. Nach Fertigstellung der Gründungssohle habe U. am 9. Februar 1994 ein weiteres Gutachten erstellt. Dort seien weitere Maßnahmen nicht für erforderlich gehalten worden. Nachdem der Rohbau fertiggestellt gewesen sei, sei Wasser in geringen Mengen aufgetreten. U. habe nach einer Baubesprechung zu dieser Problemstellung am 12. Dezember 1994 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben. Als nach Fertigstellung der Tiefgarage Wasser ausgetreten sei, sei ein Beweissicherungsverfahren durchgeführt worden. Die Begutachtung habe ergeben , daß die Bodenplatte wegen des vorhandenen drückenden Grundwassers nicht ausgereicht hätte. Zur Abdichtung wäre die Ausführung einer weißen oder schwarzen Wanne erforderlich gewesen.
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des Beklagten zu 2 abgewiesen. Das Berufungsgericht, das die Akten des Parallelverfahren urkundsbeweislich beigezogen hat, hat die Ersatzpflicht des Beklagten zu 2 festgestellt. Mit der dagegen gerichteten Revision erstrebt der Beklagte zu 2 die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß das Berufungsgericht ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten zu 2 festgestellt hat. Sie beanstandet, daß das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 ZPO den kausalen Zusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Beklagten zu 2 und dem eingetretenen Schaden bejaht hat. Die hiergegen gerichteten Rügen des Beklagten zu 2 haben Erfolg. Sie führen zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.I.
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, es liege, wie vom Senat im Parallelverfahren (Urteil vom 14. Februar 2001 - VII ZR 176/99, BGHZ 147, 1,5) angenommen, ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten zu 2 vor. Zwischen diesem und dem eingetretenen Schaden bestehe ein kausaler Zusammenhang. Hätte der Beklagte zu 2 die richtigen Vorgaben gemacht oder hätte er das vorhandene Gutachten überprüft, hätten ihm dessen Unzulänglichkeiten auffallen müssen.
Eine Nachfrage bei U. hätte ergeben, daß das Gründungsgutachten über größere Tiefen keine Angaben machen konnte und wollte. Es bestehe kein Anlaß daran zu zweifeln, daß der inzwischen verstorbene Gutachter U. erklärt hätte, Aussagen über die Wasserverhältnisse in diesen Tiefen auf Grund der bisherigen Untersuchungen nicht machen zu können. Dieser habe nämlich erklärt , daß er bei Erstellung des Gutachtens davon ausgegangen sei, daß das Gebäude oberhalb der Felsaufschlüsse bleibe. Für Aussagen über Grundwasser in größeren Tiefen hätte er tiefer gebohrt. Es spreche nichts dafür, daß der Gutachter bei seinen bisherigen Aussagen zu den Grundwasserverhältnissen gebliebe wäre, wenn ihm mitgeteilt worden wäre, daß das Gebäude fast bis an den normalerweise in M. mindestens anzutreffenden Grundwasserstand heranreichen werde und seine bisherigen Bohrungen nicht einmal die Hälfte der Gebäudetiefe erreicht hatten. Ohne Bedeutung hierbei sei die Erklärung des Sachverständigen U. nach Anruf des Statikers K. im März 1993; denn U. habe zu diesem Zeitpunkt nicht gewußt, wie tief das Gebäude ins Erdreich gesetzt werde. Dagegen spreche auch nicht, daß U. die offene Baugrube gesehen habe. Denn bei der Besichtigung vor dem Gutachten vom 9. Februar 1994, das sich mit den Bodenpressungen und nicht mit den Wasserständen und der Abdichtung befaßt habe, sei die Baugrube nur großflächig ausgehoben gewesen, so daß die tatsächliche Tiefe des Baukörpers nicht zu erkennen gewesen sei. Dazu habe der Zeuge H. erklärt, daß der Gründungsgutachter nach Aushub der Baugrube bis auf die Gründungssohle von 2 m bis 2,5 m Tiefe geholt worden sei. Auch bei der erneuten Hinzuziehung des Sachverständigen U. im November 1994, als Wasser in den Rohbau der Tiefgarage eingedrungen sei, ha-
be dem Gutachter die Gebäudetiefe nicht offenbar werden müssen, weil der Rohbau bereits fertiggestellt gewesen sei. Dem Gutachten vom 19. Dezember 1994 sei zu entnehmen, daß Bohrungen wieder nur auf eine Tiefe von 3,8 m vorgenommen worden seien. Selbst wenn U. zu diesem Zeitpunkt auf die Tiefe der Gründung hingewiesen worden wäre, könne daraus nicht geschlossen werden , wie er sich vor Erstellung des Gebäudes verhalten hätte. Zudem sei es Aufgabe des Beklagten zu 2 gewesen, den Bauherrn auf die tatsächliche Gebäudetiefe hinzuweisen, wenn U. sich dem Hinweis auf die richtige Tiefe verschlossen hätte. Es gebe keine Anhaltspunkte, daß der Bauherr sich weiteren Untersuchungen verschlossen hätte, wenn der Beklagte zu 2 offengelegt hätte, daß das Gründungsgutachten auf Bohrungen zwischen 2,4 und 3,2 m beruhe, das Gebäude aber 4,6 bis 4,8 m tief in die Erde gesetzt werden sollte.
II.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Sie beanstandet zu Recht, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Kausalität wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat. 1. Das Berufungsgericht läßt außer Acht, daß die fehlenden Vorgaben des Beklagten zu 2 über die Gründungstiefe für den Gutachter U. bei den gefertigten Gutachten und Stellungnahmen nicht von Bedeutung waren. U. wurde "laut" seinem Angebot der Auftrag erteilt. Das Angebot über die Gründungsgutachten vom 5. Februar 1993 sah Sondierungsbohrungen bis zu einer Tiefe von 5 m vor. Nach den Gutachten vom 8. März 1993, das sich unter der Bezeichnung "Geologie und Hydrologie" abschließend mit der Grundwassersituationbefaßt, sind Bohrungen bis zur wasserundurchlässigen Mergelschicht ausgeführt worden. Auch im weiteren Gutachten vom 9. Februar 1994, das bei Abnahme der Gründungssohle erstellt wurde, ist festgestellt, daß die Gründung des Fundaments auf Mergelstein erfolgen kann und daß neben der Entfernung aufgelockerter und weicherer Bodenschichten weitergehende Maßnahmen bei der Gründung nicht erforderlich sind. Diese Feststellungen des Gutachters U. legen bereits die Annahme nahe , daß es aus der Sicht des Sachverständigen nicht erforderlich war, die angebotene Bohrtiefe zu erreichen, weil bereits bei geringerer Tiefe wegen des vorgefundenen wasserundurchlässigen Mergelsteins die Bodenbeschaffenheit für die Gründung festgestellt werden konnte. Genauere Vorgaben des Beklagten zu 2 hinsichtlich der Gebäudetiefe wären danach für die gutachterlichen Feststellungen bedeutungslos gewesen. Das weitere Verhalten des Sachverständigen U. bestätigt das. Sogar als nach Fertigstellung des Rohbaus der Tiefgarage erstmals Wasser auftrat, hat U. in der Stellungnahme vom 9. Dezember 1994 erklärt, Ursache seien Störungen des Mergelsteinhorizonts durch die Bauarbeiten. In der nach Durchführung mehrerer Bohrungen erneut nur bis zu einer Tiefe von 3,8 m zur Klärung des Wassereintritts eingeholten Stellungnahme des Sachverständigen U. heißt es, daß kein Grundwasser der Tiefgarage zuströme, die Ursache für das Eindringen von Wasser vielmehr die Verfüllung der Arbeitsräume mit Sand sei. Die Ansicht des Berufungsgerichts, aus dieser aus Anlaß des Eindringens von Wasser erneuten Begutachtung und dem Unterlassen einer Bohrung über eine Tiefe von 3 m hinaus könne nichts dafür hergeleitet werden, wie sich U. verhalten hätte, wenn er bereits vor Errichtung des Gebäudes zutreffend informiert worden wäre, ist unter diesem Aspekt nicht nachvollziehbar. Diese Auffassung kann auch nicht mehr verläßlich auf die Angaben des vor seinem
Tod als Zeuge vernommenen U. gestützt werden, der erklärt hat, er habe den Gutachtensauftrag nicht als "hydrogeologisches Gutachten" verstanden. Ob U. insoweit glaubwürdig ist, läßt sich nicht mehr feststellen. Gegen die Glaubhaftigkeit seiner Erklärung sprechen die schriftlichen Unterlagen. 2. Die Annahme des Berufungsgerichts, nichts spreche dafür, daß U. bei seiner Beurteilung der Grundwasserverhältnisse geblieben wäre, wenn ihm mitgeteilt worden wäre, das Gebäude reiche bis an den "normalerweise" in M. mindestens auftretenden Grundwasserstand heran, beruht auf einer nicht mit Tatsachen belegten Unterstellung. Nach den Ausführungen des zu den Grundwasserständen vernommenen Sachverständigen Kr. handelt es sich in diesem Bereich nicht um "normales" Grundwasser, sondern um "gespanntes Kluftgrundwasser" , also Wasser, das sich infolge einer wasserundichten Absperrung nach oben nicht ausbreiten kann und abgedichtet wird. Erst durch das Anschneiden der wasserabdichtenden Schicht konnte das Wasser ansteigen und wegen des Wasserdrucks bis auf eine Höhe von etwa 1 m oberhalb der Garagensohle aufsteigen. Normale Grundwasserverhältnisse lagen nicht vor. 3. Bei der Würdigung der Aussage des Statikers K. läßt das Berufungsgericht außer acht, daß der Sachverständige U. auch diesem gegenüber erklärt hat, daß drückendes Grundwasser auf dem Baugrundstück nicht anstehe und deshalb insofern keine konstruktiven Vorkehrungen oder Abdichtungsmaßnahmen getroffen werden mußten. Da nach den Feststellungen des Sachverständigen Kr. für den Statiker wegen des Auftriebs der Grundwasserstand für die Tragfähigkeit und die Ausführung der wasserdichten Sohle von Bedeutung ist, hat das Berufungsgericht verkannt, daß U. unabhängig von der Gebäudetiefe eine allgemeine Aussage über den Grundwasserstand gemacht hat. Daher liegt es fern, den Äußerungen
des Sachverständigen U. gegenüber dem Statiker keine Bedeutung beizumessen. 4. Soweit das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Kausalität der Tatsache Bedeutung beimißt, daß dem Sachverständigen U. bei Erstellung des Gutachtens vom 9. Februar 1994 die tatsächliche Gründungstiefe immer noch nicht bekannt war, liegt ein Verfahrensfehler vor, weil das Berufungsgericht den Zeugen H. unter Übergehung des Beweisantrags des Beklagten hierzu nicht vernommen hat. Das Berufungsgericht geht davon aus, H. habe bei seiner Vernehmung vom 9. September 1998 erklärt, daß der Gutachter nach Aushub der Baugrube bis auf die Gründungssohle von 2 m bis 2,5 m Tiefe geholt worden sei. Allein aus dieser Aussage entnimmt es, daß die Fundamentgräben und insbesondere die Aufzugsunterführung zum Zeitpunkt der Besichtigung des Sachverständigen U. noch nicht erstellt waren. Der Beklagte zu 2 hat jedoch im Schriftsatz vom 6. September 2001 die Vernehmung des Zeugen H. dazu beantragt, daß zum Zeitpunkt des Gutachtens die Fundamente ausgehoben waren, insbesondere die Schächte für die Unterfahrt der Aufzüge. Das Berufungsgericht durfte daher ohne erneute Vernehmung des Zeugen H. nicht davon ausgehen, daß zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen U. nur 2 m bis 2,5 m tief ausgehoben war. 5. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts ist auch deswegen lükkenhaft , weil es hinsichtlich des Ansehens des Sachverständigen U. den Sachvortrag des Beklagten zu 2 außer acht läßt. Mangels gegenteiliger Feststellungen ist zugunsten der Revision zu unterstellen, daß es sich bei U. um den erfahrensten und kompetentesten Gutachter in dieser Region handelte, der allein im Raum M. mehrere tausend Bodengutachten erstattet hatte.
Im Rahmen der vom Berufungsgericht vorzunehmenden Prüfung der Kausalität des Verhaltens des Beklagten zu 2 kommt diesem Umstand wesentliche Bedeutung zu. Wenn ein derart ausgewiesener Gutachter mit Rücksicht auf seine Kenntnisse und Erfahrungen in der ihm bekannten Gegend ohne Rücksicht auf die Gründungstiefe das Vorhandensein drückenden Grundwassers , auch nach Abnahme der Gründung und trotz Eindringens von Wasser in den Rohbau ausschließt, ist das ein derart bedeutender Umstand, daß er nicht bei der Beurteilung der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 außer Acht gelassen werden darf.
III.
Danach hat das Urteil keinen Bestand. Es ist aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch und verweist die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts.Dressler Thode Haß Kuffer Kniffka
Annotations
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.