Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2003 - VII ZR 411/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin fordert durch Vergleich vereinbarten Restwerklohn. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Erschließungsarbeiten für einen Wohnpark in M. Nach Abschluß der Arbeiten kam es zum Streit über Fälligkeit und Höhe des restlichen Werklohns. Die Parteien verglichen sich im Laufe des ersten Rechtszuges außergerichtlich. Danach sollte ein Restbetrag in Höhe von 95.000 DM fällig werden, sobald die Klägerin bestimmte Mängel beseitigt und unbefristete, selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaften für die Stadtwerke E.W. GmbH, den Abwasserzweckverband V. (künftig: V) und die Gemeinde M. als Berechtigte vorgelegt hatte und diese von den Berechtigten akzeptiert waren. Die Klägerin begehrt nunmehr 95.000 DM von der Beklagten. Sie hat nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Mängel beseitigt und den Berechtigten jeweils eine unbefristete, selbstschuldnerische Gewährleistungsbürgschaft vorgelegt. Die Bürgschaften sind von den Stadtwerken E. W. GmbH und der Gemeinde M. akzeptiert worden, nicht aber von V., da aus Rechtsgründen unklar ist, wer zur Abgabe der Erklärung berechtigt ist, daß die Bürgschaft akzeptiert werde. Das Landgericht und das Berufungsgericht haben die Klage mangels Erfüllung der Vergleichsvoraussetzungen als nicht fällig abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.Entscheidungsgründe:
Die Revision hat ganz überwiegend Erfolg. Sie führt bis auf einen Teil des Zinsbegehrens zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verurteilung der Beklagten, an die Klägerin 48.572,73 Das maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Abs. 1 EGBGB).I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Fälligkeit fehle, weil V. die für ihn bestimmte Bürgschaft bislang nicht akzeptiert habe. Die Rechtsanwälte des V. hätten zwar in ihren Schreiben vom 23. April und 28. August 2001 keine rechtlichen Bedenken gegenüber der vorgelegten Bürgschaft geäußert. Sie hätten aber mitgeteilt, daß sie keine weitergehenden Erklärungen abgeben könnten, da derzeit wegen eines Entflechtungsvertrages zwischen der Stadt E. und V. dessen rechtlicher Fortbestand fraglich sei; daher sei unklar, ob ihre Erklärungsbefugnis für V. fortbestehe. Diese Unklarheit begründe keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage. Bei der anzunehmenden vorübergehenden Ungewißheit über den zuständigen Rechtsträger, die noch nicht lange andauere, sei davon auszugehen, daß die Parteien auch bei Kenntnis dieser Ungewißheit in dem Vergleich keine abweichende Regelung getroffen hätten. Es sei der Klägerin zumutbar, selbst weitere Schritte zur Herbeiführung einer Klärung zu unternehmen und jedenfalls noch einige Zeit zuzuwarten, bis die Frage der Zuständigkeit beantwortet sei.II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Vergleich der Parteien nicht ausgelegt. Soweit seine Ausführungen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage zugleich als Ergebnis einer Vertragsauslegung zu verstehen sein sollten, wären sie rechtsfehlerhaft (1). Der Vergleich enthält eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen ist. Danach ist die Fälligkeit des Vergleichsbetrages mit dem Angebot der Klägerin an die Beklagte eingetreten, ihr die für V. bestimmte Bürgschaft zu übergeben (2). 1. Das Verständnis des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nach dem Vergleich das Risiko der Ungewißheit über den rechtlichen Fortbestand des V. zu tragen, entspricht nicht einer den Interessen beider Seiten gerecht werdenden Auslegung. Das Berufungsgericht übersieht das eigene wirtschaftliche Interesse der Beklagten daran, V. als ihrem Vertragspartner einen eigenen, durch Bürgschaft gesicherten Gewährleistungsanspruch gegenüber der Klägerin zu verschaffen, um nach Möglichkeit nicht selbst in Anspruch genommen zu werden. Darauf hatte sie nach dem Bauvertrag mit der Klägerin keinen Anspruch. Den Ausführungen des Berufungsgerichts, der Klägerin sei zumutbar, weitere Schritte zur Herbeiführung einer Klärung zu unternehmen, fehlt eine tragfähige Grundlage. Die Beklagte stand dem Risiko näher, einem ihrer Vertragspartner könne es vorübergehend nicht möglich sein, rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben. Die Klägerin hatte zu den Berechtigten keine vertraglichen Beziehungen. 2. Der Vergleich der Parteien enthält keinen Hinweis darauf, sie hätten die Möglichkeit bedacht, daß der rechtliche Fortbestand eines Berechtigten beiVorlage der Bürgschaft aus Rechtsgründen zweifelhaft sein und damit die Fälligkeit des vereinbarten Restwerklohns über längere Zeit nicht eintreten könnte. Diese Lücke ist durch ergänzende Vertragsauslegung zu schließen.
a) Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts am 27. September 2001 bestand nicht lediglich eine kurzfristige Unaufklärbarkeit. Die Anwälte des V. hatten die Klägerin bereits mit Schreiben vom 23. April 2001 darüber unterrichtet, daß aufgrund der Niederlegung der Vertretung des bisherigen Beauftragten des V. Zuständigkeitsprobleme eingetreten seien; ein neuer Beauftragter sei bislang nicht bestellt. Diese Unklarheiten bestanden nach ihrer Mitteilung vom 28. August 2001 fort und sollten erst in einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit geklärt werden.
b) Da die Fälligkeit der Forderung der Klägerin nicht in einem Schwebezustand von ungewisser Dauer bleiben sollte, enthält der Vergleich eine ergänzungsbedürftige Regelungslücke. Für ihre Ergänzung ist der hypothetische Wille der Parteien maßgeblich. Es ist darauf abzustellen, was sie bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten.
c) Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, legt der Senat den Vergleich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin aus, daß die Fälligkeit des Vergleichsbetrages mit dem Angebot der Klägerin, der Beklagten die Bürgschaftsurkunde für V. als Berechtigten zu übergeben, eingetreten ist; das war der 27. September 2001. Die außergerichtliche Einigung der Parteien sollte zu einer zügigen und kostengünstigen Erledigung des anhängigen Rechtsstreits führen. Danach sollte die Klägerin 95.000 DM als Teil ihres eingeklagten Restwerklohnes er-
halten, sobald sie die Mängel beseitigt und den drei Berechtigten akzeptierbare Gewährleistungsbürgschaften als Sicherheit zur Verfügung gestellt hatte. Wenn aus Rechtsgründen längerfristig unklar blieb, ob ein Berechtigter als juristische Person fortbestand oder seine Zuständigkeit auf eine andere juristische Person übergegangen war, so liegt eine den Interessen beider Parteien entsprechende Regelung darin, daß Fälligkeit eintrat, sobald die Klägerin eine für diesen Berechtigten akzeptierbare Bürgschaftsurkunde der Beklagten zur Weiterleitung zu übergeben bereit war. Danach hat die Klägerin die Vergleichsvoraussetzungen für die Fälligkeit des vereinbarten Restwerklohns erfüllt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die im Vergleich vereinbarten Mängel beseitigt und den Stadtwerken E.W. GmbH und der Gemeinde M. Bürgschaftsurkunden vorgelegt, die von diesen akzeptiert worden sind. Mit dem Angebot ihres Prozeßbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2001, dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten die für V. bestimmte und akzeptierbare Bürgschaftsurkunde zu übergeben, ist Fälligkeit eingetreten. 4. Der Zinsanspruch in Höhe der beantragten 5% ist ab Eintritt der Fälligkeit nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB begründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91a, 92 ZPO. Dressler Haß Hausmann Wiebel KniffkamoreResultsText
Annotations
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.