Bundesgerichtshof Urteil, 30. März 2007 - V ZR 89/06
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 14. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Mit Notarvertrag vom 29. September 1998 kaufte der Kläger von der Beklagten eine Eigentumswohnung in L. . Er macht geltend, die Beklagte habe sich zum Vertrieb der Wohnung der Firma C. bedient, die wiederum die Herren W. und H. mit dem Vertrieb beauftragt habe. W. und H. hätten ihn dadurch zum Vertragsabschluss veranlasst, dass sie ihm eine Modellrechnung vorgelegt hätten, nach welcher er ohne Ein- satz von Eigenkapital die Wohnung nach Steuern mit einer monatlichen Belastung von weniger als 50 DM erwerben könne. Tatsächlich sei seine laufende Belastung weit höher.
- 2
- Der Kläger verlangt von der Beklagten nach näherer Maßgabe Ersatz seiner Aufwendungen für den Kauf der Wohnung gegen deren Rückübertragung. Das Landgericht hat die Behauptung einer fehlerhaften Darstellung der monatlichen Belastung des Klägers durch den Erwerb der Wohnung für nicht erwiesen angesehen und die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr im Wesentlichen stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Entscheidungsgründe:
I.
- 3
- Das Berufungsgericht hält die Klage für im Wesentlichen begründet. Es meint, der Kläger habe die Wohnung in der Erwartung erworben, hierfür weniger als 50 DM pro Monat aus seinem laufenden Einkommen aufwenden zu müssen. Diese Erwartung sei unzutreffend gewesen; der für den Erwerb der Wohnung monatliche Aufwand sei erheblich höher. Dass ein Betrag von weniger als 50 DM pro Monat nicht ausreichte, die Wohnung zu erwerben, hätten W. und H. gewusst. Ihr Wissen und Handeln habe sich die Beklagte zurechnen zu lassen.
- 4
- Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
- 5
- Es fehlt schon an Festsstellungen zu einem Haftungstatbestand, den das Berufungsgericht zudem noch nicht einmal konkret benennt.
- 7
- Werden Eigentumswohnungen aufgrund einer Beratung über die wirtschaftlichen Folgen des Erwerbs, insbesondere unter Einsatz von Berechnungsbeispielen , die die Auswirkungen des Erwerbs auf das von dem Käufer zur Verfügung bleibende Einkommen unter Berücksichtigung steuerlicher Umstände zum Gegenstand haben, vertrieben, kann eine Verantwortlichkeit des Verkäufers gegenüber dem Käufer nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen in Betracht kommen, wenn die Angaben des Verkäufers oder eines für diesen tätigen Verhandlungsgehilfen unrichtig sind (vgl. Senat, BGHZ 114, 263, 266; Urt. v. 26. November 1997, V ZR 29/96, WM 1997, 2309). Darüber hinaus kann neben dem Kaufvertrag ein Beratungsvertrag zwischen dem Verkäufer und dem Käufer zustande kommen (st. Rechtspr., vgl. Senat, BGHZ 140, 111, 115; 156, 371, 374; Urt. v. 20. November 1987, V ZR 66/86, WM 1987, 95, 96; v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1813; v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 821; v. 15. Oktober 2004, V ZR 223/03, WM 2005, 69,
70).
- 8
- Ist dem Verkäufer die Unrichtigkeit seiner Angaben vorzuwerfen und erleidet der Käufer hierdurch einen Schaden, kann der Käufer wegen der Verletzung der vorvertraglichen Pflichten des Verkäufers oder der Verletzung dessen Pflichten als Berater als Ersatz die Freistellung von den Pflichten aus dem Kaufvertrag gegen Rückübertragung der verkauften Wohnung verlangen (Senat , Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, WM 2003, 1686, 1687; v. 8. Oktober 2004, V ZR 223/03, WM 2004, 2349, 2350). Ob dem Kläger ein Schaden entstanden ist, hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht festgestellt. Der Umstand, dass er bei vollständiger Information über die erforderlichen Aufwendung den Vertrag nicht geschlossen hätte, begründet einen allein von § 123 BGB sanktionierten Angriff auf die Entschließungsfreiheit, belegt aber nicht die Entstehung eines für einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Vermögensschadens (Senat, Urt. v. 26. September 1997, V ZR 29/96, NJW 1998, 302; v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; v. 19. Dezember 1997, V ZR 112/96, NJW 1998, 898; v. 22. Dezember 1999, VIII ZR 111/99, NJW 2000, 1254; Krüger , Festschrift Kohlhosser, 2004, S. 239 ff.). Der Schaden des Käufers muss dabei nicht in einem Minderwert der Wohnung liegen. Für die Feststellung eines Schadens reicht es vielmehr aus, dass der Käufer durch den Abschluss des Kaufvertrags in seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit nachhaltig beeinträchtigt wird (vgl. Senat, aaO).
- 9
- Dass der Kläger im Hinblick auf die Höhe seiner monatlichen Belastungen bei einem Kauf der Wohnung eine unzutreffende Erwartung hegte, wie es das Berufungsgericht als unstreitig ansieht, bedeutet kein der Beklagten zurechenbares Fehlverhalten ihrer Vertriebsbeauftragten oder die Verletzung eines Beratungsvertrags zwischen den Parteien. So verhält es sich nur, wenn die Erwartung des Klägers Folge einer unvollständigen oder fehlerhaften Beratung war oder W. und H. die unzutreffende Erwartung des Klägers erkannt haben oder erkennen mussten und es vorwerfbar unterlassen haben, den Irrtum des Beklagten zu korrigieren. Dass es sich so verhält, ist nicht festgestellt.
III.
- 10
- Soweit die nachzuholenden Feststellungen nach den dargestellten Grundsätzen dazu führen, die Voraussetzungen einer Verantwortlichkeit der Beklagten gegenüber dem Kläger zu bejahen, gibt das angefochtene Urteil Anlass darauf hinzuweisen, dass die Beklagte den Vortrag des Klägers bestritten hat, der Kläger habe für seine "Finanzberatung" an die C. Zahlungen geleistet. Fehlt es hieran, kann ein zum Ersatz verpflichtender Fehler bei der Beratung des Klägers nicht daraus folgen, dass die Belastung des Klägers durch den Kauf der Wohnung aus diesem Grund höher ist, als der Kläger erwartet hat. Den Beweis der von der Beklagten bestrittenen Behauptung hat der Kläger zu führen.
- 11
- Der Beklagten obliegt es auch nicht, Überweisungsbelege vorzulegen aus denen sich die Verwendung von der Firma C. vereinnahmter Zahlungen des Klägers ergibt. Die Beklagte hat behauptet, Zahlungen des Klägers an die C. seien zur Ablösung von dem Kläger anderweit aufgenommener Darlehen verwendet worden, auf die er nach seiner Selbstauskunft monatlich 480 DM zu zahlen gehabt habe. Hierzu hat das Berufungsgericht dem Kläger aufgegeben, darzustellen, was aus den Darlehen geworden sei. Dies hat der Kläger bisher unterlassen. Damit fehlt jeder Anlass, von der Beklagten zur weiteren Substantiierung ihres Vortrags die Vorlage von Belegen zu verlangen.
IV.
- 12
- Das Verfahren des Berufungsgerichts und das angefochtene Urteil geben Anlass, von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen.
Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 07.05.2004 - 13 O 1224/03 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 08.03.2006 - 11 U 1105/04 -
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Annotations
(1) Auf einen Dienstvertrag oder einen Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat, finden, soweit in diesem Untertitel nichts Abweichendes bestimmt wird, die Vorschriften der §§ 663, 665 bis 670, 672 bis 674 und, wenn dem Verpflichteten das Recht zusteht, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, auch die Vorschriften des § 671 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
(2) Wer einem anderen einen Rat oder eine Empfehlung erteilt, ist, unbeschadet der sich aus einem Vertragsverhältnis, einer unerlaubten Handlung oder einer sonstigen gesetzlichen Bestimmung ergebenden Verantwortlichkeit, zum Ersatz des aus der Befolgung des Rates oder der Empfehlung entstehenden Schadens nicht verpflichtet.
(3) Ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, die Anmeldung oder Registrierung des anderen Teils zur Teilnahme an Gewinnspielen zu bewirken, die von einem Dritten durchgeführt werden, bedarf der Textform.
(1) Durch den Kaufvertrag wird der Verkäufer einer Sache verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen. Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen.
(2) Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.