Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2002 - V ZR 74/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 13. Mai 1997 als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden in allen Instanzen gegeneinander aufgehoben, jedoch mit Ausnahme der durch die Säumnis des Klägers in erster Instanz entstandenen Kosten, die dieser vorab trägt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte zu 1 (im folgenden: Beklagte) war zusammen mit ihrem 1977 verstorbenen Mann Eigentümer eines mit Hofvermerk versehenen Hofes in S. . Der Kläger und der frühere Beklagte zu 2 sind ihre Kinder.
Mit notariellem Erbvertrag vom 9. Oktober 1975 setzten sich die Ehegatten wechselseitig als Erben und Hoferben ein und bestimmten, daß der Überlebende berechtigt sein sollte, eines der gemeinschaftlichen Kinder als weiteren Hoferben zu bestimmen. Für den Fall des gleichzeitigen Versterbens sollte der Kläger Hoferbe sein.
Nach dem Tode des Mannes übernahm die Beklagte den Hof und verpachtete ihn mit Vertrag vom 30. September 1985 auf die Dauer von neun Jahren an den Kläger. Der Vertrag enthält die Bestimmung, daß er enden sollte, wenn der Hof im Wege vorweggenommener Erbfolge an den Kläger übergeben werde.
Zu dieser Übergabe kam es nicht. Mit Schreiben vom 1. Juli 1993 kündigte die Beklagte den Pachtvertrag zum 30. September 1994. Den Hofvermerk ließ sie 1995 löschen und übertrug den Grundbesitz an den früheren Beklagten zu 2, der als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wurde.
Der Kläger hält den Übergabevertrag zwischen der Beklagten und seinem Bruder für unwirksam und meint, die Beklagte sei verpflichtet, den Hof an ihn zu übertragen. Hilfsweise hat er Zahlungsansprüche geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des Übergabevertrages und auf Feststellung der Verpflichtung des früheren Beklagten zu 2 zur Rückübertragung an die Beklagte abgewiesen. Einen Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Übereignung des Hofes an den Kläger hat es - durch Urteil - abgetrennt und an das Landwirtschaftsgericht verwiesen. Auf den Hilfsantrag hat es die Beklagte (zusammen mit dem früheren Beklagten zu 2) zur Zahlung von rund 245.000 DM an den Kläger verurteilt.
Das Berufungsgericht hat dem Feststellungsantrag stattgegeben und die Beklagte verurteilt, mit dem Kläger einen notariellen Grundstücksübergabevertrag über das landwirtschaftliche Anwesen zu schlieûen. Mit der Revision hat die Beklagte das Ziel weiterverfolgt, daû die Klage mit allen Hauptanträgen abgewiesen werde und dem hilfsweise gestellten Zahlungsantrag nur in Höhe von 7.000 DM stattzugeben sei. Der Senat hat die Revision nur insoweit angenommen , als sie sich gegen die Verurteilung der Beklagten zum Abschluû eines notariellen Grundstücksübergabevertrages wendet. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat über den Antrag des Klägers, die Beklagte zum Abschluû eines notariellen Grundstücksübertragungsvertrages zu verurteilen , entschieden, obwohl das Landgericht diesen Antrag an das Landwirtschaftsgericht verwiesen hat. Zwar sei gegen den Verweisungsbeschluû - so hat es ausgeführt - an sich das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben gewe-
sen. Da der Kläger mit seiner Berufung aber auch diesen Teil der Entscheidung beanstandet habe, sei die Berufung in das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde umzudeuten, das in der Sache Erfolg habe.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand. Das Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts, den Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags auf Verurteilung der Beklagten zum Abschluû eines notariellen Grundstücksübergabevertrages an das Landwirtschaftsgericht zu verweisen , ist unzulässig.
1. Das zulässige Rechtsmittel gegen einen die Verweisung aussprechenden Beschluû ist nicht - wie das Beschwerdegericht meint - die einfache Beschwerde, sondern die sofortige Beschwerde. Das ergibt sich aus § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG, welche Vorschrift nach der Rechtsprechung des Landwirtschaftssenats des Bundesgerichtshofs auf das Verhältnis von Landwirtschaftsgericht und Prozeûgericht entsprechend anzuwenden ist (Beschl. v. 26. Oktober 1999, BLw 1/99, AgrarR 2000, 232, 233). Dem schlieût sich der Senat an. Diese Norm verweist auf die Vorschriften des jeweils anzuwendenden Verfahrensrechts. Das ist hier § 22 LwVG in Verbindung mit § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG. Die Beschwerdefrist betrug danach zwei Wochen (vgl. Barnstedt/ Steffen, LwVG, 6. Aufl., § 12 Rdn. 40-43). Diese Frist ist nicht eingehalten. Das der Beklagten am 27. Mai 2000 zugestellte Urteil hat sie mit der erst am 27. Juni 2000 bei Gericht eingegangenen Berufung angefochten.
2. Zwar läût sich dieser prozessuale Mangel dadurch beheben, daû man der Beklagten nach dem Grundsatz des Meistbegünstigungsgebotes (s. Senat, BGHZ 98, 362, 364 f) die Möglichkeit eröffnet, die durch Urteil ergangene Entscheidung über die Verweisung des Antrags an das Landwirtschaftsgericht mit dem dafür vorgesehenen Rechtsmittel der Berufung anzufechten. Doch ist auch dieses Rechtsmittel im konkreten Fall nicht zulässig. Es fehlt an der erforderlichen Begründung (§ 519 Abs. 1 Nr. 2 ZPO a.F.). Die Ausführungen zur Berufungsbegründung verhalten sich nur zu der Frage der Wirksamkeit des Übertragungsvertrages zwischen der Beklagten und dem Bruder des Klägers. Sie betreffen daher nur den Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages und der daraus sich ergebenden Verpflichtung zur Rückabwicklung. Zwar ist die Unwirksamkeit dieses Vertrages wesentliche Vorbedingung für den geltend gemachten Anspruch gegen die Beklagte auf Übereignung des Hofes. Er ergibt sich aber daraus nicht ohne weiteres. Die Erörterung der Unwirksamkeit des Vertrages zwischen der Beklagten und dem Bruder des Klägers ersetzt daher nicht eine Auseinandersetzung mit dem geltend gemachten Anspruch auf Übereignung. Auûerdem fehlen Angriffe gegen die Auffassung des Landgerichts , daû für diesen Teil des Rechtsstreits das Landwirtschaftsgericht zuständig sei.
3. Über den Mangel der Berufungsbegründung hilft - entgegen der Meinung der Revisionserwiderung - nicht hinweg, daû das statthafte Rechtsmittel die sofortige Beschwerde gewesen sei, die keiner Begründung bedürfe. Zwar erlaubte es der Grundsatz der Meistbegünstigung dem Kläger, gegen die Teilverweisung des Rechtsstreits ohne Begründung, aber gleichwohl in zulässiger Weise, Beschwerde einzulegen. Doch gelten dann auch die sonstigen Verfahrensvorschriften für das Beschwerdeverfahren. Im konkreten Fall wäre aber
- wie ausgeführt - die an die zweiwöchige Frist gebundene sofortige Beschwerde einzulegen gewesen. Daran fehlt es. Der Grundsatz der Meistbegünstigung ermöglicht es hingegen nicht, die Vorteile des einen Rechtsmittels (kein Begründungszwang ) mit denen des anderen (längere Rechtsmittelfrist) zu verbinden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 344 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger
Klein Gaier
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(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.
(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.
(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.
(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)