Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2000 - V ZR 60/99

published on 26/05/2000 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 26. Mai 2000 - V ZR 60/99
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄ UMNISURTEIL
V ZR 60/99 Verkündet am:
26. Mai 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Dr. Vogt, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. Dezember 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien streiten um den Erlös aus einem Kaufvertrag über Bodenreformgrundstücke.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war B. J . als Eigentümer mehrerer landwirtschaftlicher Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Die
Grundstücke waren ihm aus dem Bodenfonds zugewiesen worden; der Bodenreformvermerk war eingetragen.
B. J. verstarb am 28. Juli 1975. Die Beklagte ist seine einzige Erbin. Sie veräußerte mit notariellem Vertrag vom 23. Januar 1992 zwei Grundstücke zum Preis von 770.000 DM an D. R. und ließ sie ihm auf. Der Antrag auf Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Käufers ging am 21. Februar 1992 bei dem Grundbuchamt ein; die Eintragung erfolgte am 26. November 1992. Im Jahr 1994 wurde der gesamte Kaufpreis gezahlt. Davon verschenkte die Beklagte insgesamt 576.500 DM an Familienangehörige.
Am 4. September 1995 wurde zugunsten des Klägers eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Die Eigentumsumschreibung auf D. R. erfolgte am 13. November 1995.
Erstmals am 16. November 1995 machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche geltend. Mit der Klage hat er u.a. beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 770.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 173.500 DM nebst Zinsen stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung weiterer 576.500 DM verurteilt. Dagegen wendet sie sich mit der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Da der Kläger im Verhandlungstermin trotz rechtzeitiger Ladung nicht vertreten war, ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf der Säumnis (BGHZ 37, 79, 82).

II.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts hätte der Kläger als Besserberechtigter von der Beklagten nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB die Auflassung der Grundstücke verlangen können. Wegen der Veräußerung an D. R. sc hulde die Beklagte nunmehr nach Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB die Herausgabe des Kaufpreises. Soweit sie ihn verschenkt habe, müsse sie nach § 280 BGB Wertersatz leisten. Auf eine eventuelle Rechtsunkenntnis könne sie sich nach Inkrafttreten des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes am 22. Juli 1992 nicht mehr berufen.

III.


Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. 1. Zu Recht - und von der Revision nicht angegriffen - nimmt das Berufungsgericht allerdings an, daß die Beklagte als Erbin eines aus der Bodenreform Begünstigten ohne die Verfügung über die Grundstücke zu deren Auflas-
sung an den Kläger verpflichtet war und er von ihr nunmehr die Herausgabe des Veräußerungserlöses verlangen kann (vgl. Senatsurt. v. 28. Januar 2000, V ZR 78/99, WM 2000, 833 f m.w.N.).
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, das Verschenken von Teilen des Verkaufserlöses nach dem 22. Juli 1992 sei generell vorwerfbar.
Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB beschränkt den an die Stelle des Auflassungsanspruchs tretenden Ersatzanspruch des Klägers auf den Erlös, den die Beklagte für die Veräußerung der Grundstücke erhalten hat (vgl. Senatsurt. v. 18. Juni 1999, V ZR 354/97, WM 1999, 1724, 1726). Für den Fall, daß der Veräußerungserlös nach dem 22. Juli 1992 (Inkrafttreten des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes ) verschenkt wurde, hat der Senat nach Verkündung des Berufungsurteils wiederholt entschieden, der Schenker müsse darlegen und beweisen, daß er seine Erstattungspflicht weder kannte noch kennen mußte, wobei die Unkenntnis der durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz begründeten Ansprüche ihm nicht ohne weiteres vorgeworfen werden könne. Denn daß ein noch vorhandener Erlös herauszugeben ist, habe er bei Anwendung der geschuldeten üblichen Sorgfalt allein aufgrund der Verkündung des 2. Vermögensrechtsänderungsgesetzes im Bundesgesetzblatt noch nicht zu erkennen brauchen; vielmehr sei der Zeitpunkt der Berichterstattung in den allgemeinen Medien über die Auswirkungen dieses Gesetzes entscheidend (Senatsurt. v. 18. Juni 1999, aaO, m.w.N.).
Hierzu enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen.

IV.


Um den Parteien Gelegenheit zu geben, zu den vorgenannten Gesichtspunkten ergänzend vorzutragen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Beklagte muß in dem weiteren Verfahren darlegen und beweisen, daß sie jeweils im Zeitpunkt ihrer Verfügungen über den Verkaufserlös keine Kenntnis von ihrer Erstattungspflicht besaß. Da es sich um einen Negativbeweis handelt, dürfen die Anforderungen an die Beweisführung allerdings nicht überspannt werden. Die Beklagte braucht nicht etwa von vornherein alle denkbaren Möglichkeiten einer Kenntnisnahme auszuschließen. Vielmehr kann sie sich zunächst darauf beschränken , die aus dem Streitstoff eventuell folgenden Kenntnismöglichkeiten zu widerlegen. Es ist dann Sache des Klägers, weitere Tatsachen vorzutragen, aus denen gleichwohl der Schluß auf die Möglichkeit zur Kenntniserlangung gezogen werden kann. Diese muß die Beklagte dann widerlegen oder wenigstens ernsthaft in Zweifel stellen (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1992, I ZR 220/90, NJW-RR 1993, 746, 747).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 2 ZPO.
Wenzel Vogt Tropf Schneider Lemke
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Z
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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Z
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Annotations

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.

(1) Beantragt der Kläger gegen den im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Beklagten das Versäumnisurteil, so ist das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzunehmen. Dies gilt nicht für Vorbringen zur Zuständigkeit des Gerichts nach § 29 Abs. 2, § 38.

(2) Soweit es den Klageantrag rechtfertigt, ist nach dem Antrag zu erkennen; soweit dies nicht der Fall, ist die Klage abzuweisen.

(3) Hat der Beklagte entgegen § 276 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 nicht rechtzeitig angezeigt, dass er sich gegen die Klage verteidigen wolle, so trifft auf Antrag des Klägers das Gericht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung; dies gilt nicht, wenn die Erklärung des Beklagten noch eingeht, bevor das von den Richtern unterschriebene Urteil der Geschäftsstelle übermittelt ist. Der Antrag kann schon in der Klageschrift gestellt werden. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist auch insoweit zulässig, als das Vorbringen des Klägers den Klageantrag in einer Nebenforderung nicht rechtfertigt, sofern der Kläger vor der Entscheidung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.