Bundesgerichtshof Urteil, 29. Nov. 2002 - V ZR 309/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 7. August 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Kaufvertrags über ein Gebäude.
Die Beklagten bewohnten aufgrund Mietvertrags ein auf einem volksei- genen Grundstück errichtetes Einfamilienhaus in B. -P. . Rechtsträger des Grundstücks war die Versorgungseinrichtung des Ministerrats der DDR (VEM). Im Dezember 1989 beschloß der Ministerrat, die Einfamilienhäuser, die sich in der Rechtsträgerschaft der VEM befanden, zu verkaufen. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. Februar 1990 kauften die Beklagten das von ihnen bewohnte Haus und beantragten die Verleihung eines Nutzungsrechts an dem Grundstück. Die VEM wurde in der Notarverhandlung von dem Leiter ihrer Abteilung Recht und Grundstücksverkehr, E. , vertreten. Zur Genehmigung des Vertrages nach der Grundstücksverkehrsverordnung, zur Begründung von Gebäudeeigentum und zur Verleihung eines Nutzungsrechts an dem Grundstück kam es bis zum 3. Oktober 1990 nicht. Die Beklagten berühmen sich einer Antragsberechtigung nach § 3 Abs. 3 SachenRBerG.
Durch Bescheid vom 26. Januar 1995 wurde das Eigentum an dem Grundstück der Klägerin zugeordnet. Sie hält den Kaufvertrag vom 20. Februar 1990 für unwirksam. Sie hat beantragt, die Unwirksamkeit des Vertrages festzustellen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 21. Juli 1998 zurückgewiesen. Dieses Urteil hat der Senat durch Urteil vom 26. November 1999, V ZR 325/98, NJ 2000, 372 aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht zurückverwiesen. Mit dem nunmehr angefochtenen Urteil hat das Kammergericht der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kaufvertrag vom 20. Februar 1990 wirke gegen die Klägerin. Die VEM sei beim Abschluß des Kaufvertrages mit den Beklagten zwar nicht wirksam vertreten gewesen, weil E. weder nach dem Geschäftsverteilungsplan der VEM vertretungsberechtigt noch durch gesiegelte Vollmacht bevollmächtigt gewesen sei. Nach Treu und Glauben sei es der Klägerin jedoch verwehrt, sich auf die Nichtigkeit des Vertrages zu berufen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Die Revision hat allerdings keinen Erfolg, soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht sei durch das Senatsurteil vom 26. November 1999 gem. § 565 Abs. 2 ZPO daran gehindert gewesen, die Berufung der Klägerin auf die mangelnde Vertretung der VEM beim Abschluß des Vertrages vom 20. Februar 1990 als durch Treu und Glauben ausgeschlossen zu werten.
Das Berufungsgericht hat im ersten Berufungsurteil ausgeführt, der Kaufvertrag vom 20. Februar 1990 sei nichtig, weil die Rechtsträgerschaft an dem Grundstück vor dem Verkauf des Gebäudes auf den Rat des Stadtbezirks B. -P. hätte übertragen werden müssen. E. habe das Gebäude allein als Vertreter des Rates des Stadtbezirks verkaufen können. Das ist nach
dem Senatsurteil vom 26. November 1999 rechtsfehlerhaft. Allein insoweit war das Berufungsgericht gebunden.
Zu der nunmehr von dem Berufungsgericht entschiedenen Frage, ob der Klägerin die Berufung auf das Fehlen einer wirksamen Vertretung der VEM in der Notarverhandlung versagt ist, enthält das Senatsurteil vom 26. November 1999 keine Aussage. Soweit der Senat sich im Verfahren V ZR 325/98 an einer abschließenden Entscheidung gehindert gesehen hat, weil es zur Frage der Vertretung der VEM beim Abschluß des Vertrages vom 20. Februar 1990 weiterer Feststellungen bedürfe, bedeutet die Zulässigkeit der Geltendmachung des Vertretungsmangels durch die Klägerin nur eine mittelbare Grundlage der Entscheidung. Derartige Grundlagen einer Entscheidung nehmen nach ständiger Rechtsprechung an der Bindungswirkung eines aufhebenden Erkenntnisses nicht teil (BGHZ 3, 321, 325 f; 22, 370, 373; Senatsurt. v. 7. Februar 1969, V ZR 115/65, NJW 1969, 661).
III.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die VEM in der Urkundsverhandlung nicht wirksam vertreten worden ist. Das ist nicht zu beanstanden.
1. Eine organschaftliche Befugnis von E. zur Vertretung der VEM bestand nicht. Nach § 9 Abs. 1 der Ordnung über die Stellung und die Aufgaben der Versorgungseinrichtung des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik B. -N. vom 16. Juli 1984 wurde die VEM im Rechtsverkehr durch ihren Direktor, im Falle dessen Verhinderung durch
den beauftragten Stellvertreter des Direktors, vertreten. Gemäß § 9 Abs. 2 der Ordnung waren darüber hinaus "die Bereichsdirektoren, Abteilungsleiter und anderen Leiter berechtigt, die Versorgungseinrichtung entsprechend den Festlegungen des Geschäftsverteilungsplans zu vertreten". Die Stellung des Leiters der Abteilung Recht und Grundstücksverkehr war in Ziff. 3.5. des Geschäftsverteilungsplans der VEM vom 1. Dezember 1987 geregelt. Nach dem dritten Anstrich der Bestimmung oblag dem Leiter der Abteilung "die Vertretung der Einrichtung im Rechtsverkehr mit der Vollmacht des Direktors". Die Notwendigkeit der Bevollmächtigung ist in dem siebten Anstrich "für den Erwerb von Grundstücken und Gebäuden" ausdrücklich wiederholt worden. Daß sie nicht auch für die im folgenden Anstrich angesprochene Berechtigung des Leiters vorgesehen ist, "auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen alle weiteren Rechtsgeschäfte in Grundstückssachen abzuschließen", bedeutet nicht, daß hierunter die Veräußerung von Gebäuden fiel, die auf Grundstücken in der Rechtsträgerschaft der VEM errichtet waren. Denn die Geschäftsordnung der VEM sah solche Verkäufe nicht vor.
2. Eine Bevollmächtigung von E. zur Vertretung der VEM in beglaubigter oder gesiegelter Form (§§ 295 Abs. 2 Satz 2 , 297 Satz 2, 57 Abs. 2 Satz 2 ZGB, Art. 231 § 8 Abs. 1 EGBGB) war entgegen der Meinung der Revisionserwiderung auch nicht deshalb entbehrlich, weil es zu den ständigen Aufgaben von E. gehört hätte, die VEM beim Verkauf von Gebäuden auf den Grundstücken zu vertreten, die sich in ihrer Rechtsträgerschaft befanden (§ 55 Abs. 2 Satz 1 ZGB). Auch soweit Mitarbeiter eines Betriebes oder einer einem Betrieb gleichgestellten Einrichtung (§ 11 Abs. 3 ZGB) in der Schlußphase der DDR damit betraut waren, Grundstücke und Gebäude aus dem Volkseigentum zu verkaufen, gehörte dies nicht zu den Aufgaben, die ei-
nem Mitarbeiter eines Betriebes üblicherweise übertragen waren und daher aufgrund Funktionsvollmacht erfolgen konnten (vgl. Mühlmann/Krüger, NJ 1976, 93, 95). Die Verkäufe von Gebäuden auf volkseigenen Grundstücke dienten nicht der Erfüllung der allgemein einem Betrieb obliegenden Aufgaben, sondern erfolgten zur Privatisierung des Volkseigentums in einer historisch einmaligen Situation. Die hierzu abgeschlossenen Verträge bedurften notarieller Beurkundung und staatlicher Genehmigung (§§ 295 Abs. 2 Satz 2, 297 Satz 2 ZGB). Der Abschluß derartiger Verträge war kein übliches Geschäft, bei dem der Geschäftspartner eines Betriebes der Notwendigkeit enthoben sein sollte, sich der Bevollmächtigung des für den Betrieb Handelnden zu versichern , und bei dem es umgekehrt von dem Betrieb hinzunehmen war, daß ein Mitarbeiter die ihm erteilte Vollmacht überschritt. Das "Handbuch für Notare der Deutschen Demokratischen Republik" ging deswegen für beurkundungspflichtige Rechtsgeschäfte auch von der Vertretung eines Betriebs durch den gesetzlichen Vertreter aus (Handbuch S. 23 ff). Von dessen Befähigung zur Vertretung hatte sich der Notar vor der Beurkundung durch Einsichtnahme in das jeweilige Register zu versichern und dies in der Urkunde zu vermerken (Ziff. 3.2.2. der Ordnung über die Organisation der Arbeit des staatlichen Notariats). Im Falle der Vertretung durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter war dessen Vollmacht nachzuweisen (Handbuch S. 27). Das ist mit der Annahme unvereinbar , die formlose Betrauung mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben in einem Betrieb könne zu der Befugnis führen, beurkundungsbedürftige Verträge in Vertretung des Betriebs zu schließen.
3. Ohne Erfolg wendet sich die Revisionserwiderung auch gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, E. habe bei Abschluß des Vertrages vom 20. Februar 1990 nicht aufgrund gesiegelter Vollmacht der VEM gehan-
delt. Die insoweit gegen das Verfahren des Berufungsgerichts erhobenen Rü- gen hat der Senat geprüft. Sie greifen nicht durch. Von einer Darstellung wird gem. § 565a ZPO a.F. abgesehen.
IV.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, der Klägerin sei unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben die Berufung auf die mangelnde Vertretung der VEM bei Abschluß des Kaufvertrags verwehrt. Zwar ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urt. v. 10. Mai 2001, III ZR 111/99, WM 2001, 1723, 1725) bei der Frage, ob eine öffentlichrechtliche Körperschaft trotz der Verletzung der für sie geltenden besonderen Formvorschriften auf Vertragserfüllung in Anspruch genommen werden kann, wegen der gleichartigen Interessenlage, wie sie bei der Mißachtung von allgemeinen Formvorschriften besteht, immer zu prüfen, ob der Grundsatz von Treu und Glauben einer Berufung auf den Formmangel entgegensteht. Grundsätzlich kommt dies nur dann in Betracht, wenn die Nichtigkeitsfolge für den anderen Vertragsteil schlechthin untragbar ist oder wenn das für die Willensbildung der Körperschaft maßgebliche Beschlußorgan den Abschluß des Verpflichtungsgeschäfts gebilligt hat. Diese Rechtsprechung betrifft aber nur die Verletzung von Formvorschriften, nicht dagegen den Mangel der Vertretungsmacht. Dieser Mangel kann im Ergebnis grundsätzlich nicht durch den Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben außer Kraft gesetzt werden (BGH aaO S. 1726). So verhält es sich hier. Der durch E. als vollmachtlosen Vertreter abgeschlossene Kaufvertrag vom 20. Februar 1990 ist mangels Genehmigung durch die VEM unwirksam. Insoweit käme lediglich eine Verpflichtung von E. auf Ersatz des Vertrauensschadens gemäß § 59 Abs. 2 ZGB in
Betracht. Daß der Verkauf des Gebäudes an die Beklagten auf einen Beschluß des Ministerrats der DDR zurückgeht, ist dagegen ebenso ohne Bedeutung wie die Tatsache, daß der Urkundsnotar im Hinblick auf die Vertretungsmacht von E. einem Irrtum unterlegen ist. Beides führt nicht unter dem Gesichtspunkt Treu und Glauben zu einer Beschränkung der Rechte der Klägerin.
Wenzel Krüger Klein Gaier Schmidt-Räntsch
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(1) In den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Fällen können Grundstückseigentümer und Nutzer (Beteiligte) zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an den Grundstücken Ansprüche auf Bestellung von Erbbaurechten oder auf Ankauf der Grundstücke oder der Gebäude nach Maßgabe dieses Kapitels geltend machen. Die Beteiligten können von den gesetzlichen Bestimmungen über den Vertragsinhalt abweichende Vereinbarungen treffen.
(2) Die Bereinigung erfolgt zur
- 1.
Anpassung der nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik bestellten Nutzungsrechte an das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze, - 2.
Absicherung aufgrund von Rechtsträgerschaften vorgenommener baulicher Investitionen, soweit den Nutzern nicht das Eigentum an den Grundstücken zugewiesen worden ist, und - 3.
Regelung der Rechte am Grundstück beim Auseinanderfallen von Grundstücks- und Gebäudeeigentum.
(3) Nach diesem Gesetz sind auch die Fälle zu bereinigen, in denen der Nutzer ein Gebäude oder eine bauliche Anlage gekauft hat, die Bestellung eines Nutzungsrechts aber ausgeblieben und selbständiges, vom Eigentum am Grundstück getrenntes Eigentum am Gebäude nicht entstanden ist, wenn der Nutzer aufgrund des Vertrags Besitz am Grundstück erlangt hat oder den Besitz ausgeübt hat. Dies gilt nicht, wenn der Vertrag
- 1.
wegen einer Pflichtverletzung des Käufers nicht erfüllt worden ist, - 2.
wegen Versagung einer erforderlichen Genehmigung aus anderen als den in § 6 der Verordnung über die Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 1990 (BGBl. I S. 2162) genannten Gründen nicht durchgeführt werden konnte oder - 3.
nach dem 18. Oktober 1989 abgeschlossen worden ist und das Grundstück nach den Vorschriften des Vermögensgesetzes an den Grundstückseigentümer zurückzuübertragen ist oder zurückübertragen wurde; für diese Fälle gilt § 121.
Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und seine Zurücknahme, über die Rügen der Unzulässigkeit der Klage und über die Einforderung, Übersendung und Zurücksendung der Prozessakten sind auf die Revision entsprechend anzuwenden. Die Revision kann ohne Einwilligung des Revisionsbeklagten nur bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Revisionsbeklagten zur Hauptsache zurückgenommen werden.