Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2002 - V ZR 140/01

published on 28/06/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 28. Juni 2002 - V ZR 140/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 140/01 Verkündet am:
28. Juni 2002
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28. Juni 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Februar 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 6. Februar 1992 erwarben die Beklagten von der Klägerin ein 10.186 qm großes Grundstück in B. bei M. zum Preis von 615.000 DM, wovon 509.300 DM auf den Grund und Boden entfielen. In § 8 heißt es u.a.:
"Nachbewertung (1) Die Parteien sind sich darüber einig, daß wegen des noch nicht funktionsfähigen Grundstücksmarktes eine verläßliche Ermittlung des Verkehrswertes des verkauften Grund und Bodens zur Zeit nicht möglich ist. Dem zwischen Verkäufer und Käufer vereinbarten Kaufpreis liegt daher im Hinblick auf
den Grund und Boden ein vorläufiger Wertansatz zugrunde. Die Parteien vereinbaren daher die Durchführung einer Nachbewertung nach Maûgabe folgender Absätze: (2) ... (3) Bei der Nachbewertung ist der Verkehrswert des verkauften Grund und Bodens zum 31.1.1994 ("Nachbewertungsstichtag" ) festzustellen. ... (4) Von dem zu zahlenden Differenzbetrag gemäû Abs. 6 dieser Vorschrift ist ein Freibetrag in Höhe von 3 % p.a. abzuziehen. (5) Eine Nachbewertung ist mit für die Parteien verbindlicher Wirkung durch einen öffentlich bestellten Sachverständigen für Grundstücksbewertung als Schiedsgutachter durchzuführen. ... (6) Soweit der von dem Sachverständigen zum Nachbewertungsstichtag festgestellte Wert des verkauften Grund und Bodens den nach Abs. 2 dieser Vorschrift in den Kaufpreis eingegangenen Wert überschreitet, erhöht sich der Kaufpreis nachträglich um den sich hieraus ergebenden Differenzbetrag, höchstens jedoch um DM 20,- pro qm. ..."
Mit Gutachten vom 16. Mai 1994 ermittelte die Sachverständige M. einen Verkehrswert des Grundstücks von 611.000 DM. Daraufhin verlangte die Klägerin von den Beklagten die Zahlung von 95.598 DM zuzüglich 24.145,58 DM Zinsen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht sie abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie weiterhin die Durchsetzung ihrer Klage verfolgt.

Entscheidungsgründe:

I.


Nach Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei den Nachbewertungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des AGBGesetzes. Diese seien nach § 9 AGBG unwirksam, weil sie die Beklagten in unangemessener Weise benachteiligten. Auch aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung seien die Beklagten nicht zur Zahlung eines höheren Kaufpreises verpflichtet, weil die nach dem Wegfall der unwirksamen Klauseln entstandene Regelungslücke nicht geschlossen werden könne.
Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.


1. Zu Unrecht hält das Berufungsgericht den von der Klägerin verfolgten Zahlungsanspruch für unbegründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den hier streitigen Nachbewertungsklauseln um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 AGBG oder um Individualvereinbarungen handelt. Die Klauseln sind nämlich in beiden Fällen wirksam.

a) Die Preisbestimmung unterliegt der freien Disposition der Vertragsparteien. Sie sind daher nicht gehindert, bei dem Verkauf von Grundstücken deren spätere Nachbewertung mit der Folge einer eventuellen Änderung des ursprünglich festgelegten Kaufpreises zu vereinbaren. Das kann sowohl individual vertraglich als auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen geschehen.

b) Gegen die Wirksamkeit individuell ausgehandelter Nachbewertungsklauseln bestehen von vornherein keine Bedenken. Handelt es sich dagegen um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sind sie ebenfalls wirksam. Das hat der Senat bereits mit Urteil vom 26. Januar 2001 (BGHZ 146, 331), dem nahezu wortgleiche Klauseln zugrunde liegen, und auch danach mehrfach (Urt. v. 11. Mai 2001, V ZR 491/99, WM 2001, 1305, 1306; Urt. v. 22. Februar 2002, V ZR 251/00, ZIP 2002, 808) entschieden. Hieran wird festgehalten.
aa) Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daû die Klauseln nicht so ungewöhnlich sind, daû sie nach § 3 AGBG nicht Vertragsbestandteil geworden sind. Für den maûgeblichen Erwerberkreis (Investoren) war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar, daû es im Beitrittsgebiet noch keinen funktionsfähigen Grundstücksmarkt gab und deswegen die Vereinbarung eines angemessenen Kaufpreises vielfach nicht möglich war; auch lag es auf der Hand, daû die Grundstückspreise zunächst einmal stiegen. Auf diese Umstände wurde hier eingangs der Nachbewertungsklauseln ausdrücklich hingewiesen; dementsprechend wurde der Kaufpreis für den Grund und Boden als "vorläufiger Wertansatz" bezeichnet. Damit ist ein Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (vgl. Senat, BGHZ 109, 197, 201) zu Lasten der Beklagten ausgeschlossen.
Auch eine erhebliche Abweichung vom dispositiven Recht, die ebenfalls eine Ungewöhnlichkeit im Sinne des § 3 AGBG begründen kann (Senatsurt. v. 26. Mai 2000, V ZR 49/99, WM 2000, 2099, 2100 m.w.N.), liegt nicht vor. Die in Nr. 4 der Anlage IX zum Vertrag über die Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs - und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 (Erster Staatsvertrag,
BGBl. II S. 518, 566) enthaltenen Grundsätze, nach denen bereits vor dem 3. Oktober 1990 wegen eines fehlenden funktionsfähigen Grundstücksmarkts und entsprechender Marktpreise im Beitrittsgebiet eine Nachbewertung auch durch Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart werden konnte (Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO), sind auch auf die hier streitigen Klauseln anwendbar. Die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unterschieden sich nämlich nicht wesentlich von denen vor dem 3. Oktober 1990.
bb) Die Klauseln unterliegen auch keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 911 AGBG, denn es handelt sich um Preishauptabreden. Sie bestimmen den endgültigen Preis des Grundstücks, indem sie solche Regelungen treffen, die auch aus der Sicht der Beklagten die zukünftige, bei Vertragsschluû noch nicht ausreichend bezifferbare Geldforderung nach allgemeinen Kriterien deutlich bestimmbar umschreiben. Das macht die Klauseln nach § 8 AGBG kontrollfrei. Dem steht nicht entgegen, daû sie einen Erhöhungsvorbehalt zugunsten der Verkäuferin vorsehen und die preisbildenden Faktoren - bei nicht erzielbarem Einvernehmen der Vertragsparteien - durch einen Sachverständigen ermittelt werden sollen; auch wird nicht in den Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung eingegriffen (siehe im einzelnen Senatsurt. v. 22. Februar 2002, aaO).

III.


Das Berufungsurteil hat somit keinen Bestand. Es ist aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
damit es die für die Höhe des Anspruchs der Klägerin erforderlichen Feststellungen treffen kann. Falls das aufgrund des vorliegenden Sachverständigengutachtens nicht möglich sein sollte, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben , ob es die Leistungsbestimmung unter Beachtung der Freibetragsklausel nach § 319 Abs. 1 BGB durch Urteil treffen muû (vgl. dazu Senatsurt. v. 26. Januar 2001, aaO, 339 f).
Wenzel Tropf Krüger
Klein Gaier
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt,
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(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt,
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published on 26/05/2000 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 49/99 Verkündet am: 26. Mai 2000 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR
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(1) Soll der Dritte die Leistung nach billigem Ermessen bestimmen, so ist die getroffene Bestimmung für die Vertragschließenden nicht verbindlich, wenn sie offenbar unbillig ist. Die Bestimmung erfolgt in diesem Falle durch Urteil; das Gleiche gilt, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.

(2) Soll der Dritte die Bestimmung nach freiem Belieben treffen, so ist der Vertrag unwirksam, wenn der Dritte die Bestimmung nicht treffen kann oder will oder wenn er sie verzögert.