Bundesgerichtshof Urteil, 10. Feb. 2000 - IX ZR 41/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der verklagte Notar beurkundete am 12. November 1992 einen Vertrag, durch den die G. GmbH (im folgenden: GmbH oder Verkäuferin) dem Kläger ein bestimmtes Trennstück sowie einen ideellen Anteil an einer weiteren Teilfläche eines Grundstücks in Basdorf mit einem damals im Bau befindlichen Reihenhaus verkaufte. Der Kaufpreis von insgesamt 530.453 DM war in zwei Raten auf einem vom Beklagten zu errichtenden Anderkonto zu hinterlegen, die zweite Rate spätestens bei Übergabe des Grundstücks (§ 3 Nr. 1 des Kaufvertrags ). In § 6 Nr. 2 des Vertrages wurde der Beklagte "vom Käufer unwiderruflich angewiesen, die Auszahlungen an den Verkäufer von dem vorgenann-
ten Notar-Anderkonto ... vorzunehmen", sobald die sodann unter den Buchst. a - f aufgeführten Voraussetzungen vorlagen, insbesondere (Buchst. f) "Verkäufer und Käufer dem amtierenden Notar übereinstimmend und schriftlich erklärt haben, daß der Kaufgegenstand dem Käufer übergeben worden ist".
Der Kläger überwies den Kaufpreis auf das Anderkonto. Am 31. März 1993 wurden in einem allein vom Bauleiter unterschriebenen Übergabeprotokoll Baumängel festgehalten. Der Kläger, dem die Hausschlüssel ausgehändigt wurden, vermietete das Haus ab 20. April 1993 und unterrichtete den Beklagten hiervon. Mit Schreiben vom 9. September 1993 wies er den Beklagten darauf hin, daß es bisher an übereinstimmenden Übergabeerklärungen der Kaufvertragsparteien fehle, und bat, von einer Auskehrung des hinterlegten Kaufpreises vorerst abzusehen. Der Beklagte zahlte gleichwohl am 11. Januar 1994 das Geld an die Verkäuferin aus; die Auszahlungsvoraussetzungen des § 6 Nr. 2 Buchst. a - e waren erfüllt. In einem gegen die GmbH wegen bestimmter Mängel geführten Rechtsstreit erwirkte der Kläger ein Urteil, das wegen Vermögenslosigkeit der Schuldnerin nicht vollstreckt werden konnte. Im August 1996 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH abgelehnt.
Der Kläger nimmt deswegen den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Er hat zuletzt Zahlung von rund 41.000 DM nebst Zinsen verlangt und Feststellung beantragt, daß der Beklagte ihm den Schaden zu ersetzen habe, der ihm dadurch entstanden sei, daß er wegen der Auszahlung des hinterlegten Geldes Gewährleistungsansprüche wegen bestimmter Mängel gegen die GmbH nicht habe durchsetzen können.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Klageansprüche weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO mit der Begründung verneint , dieser habe seine Pflichten als Notar deswegen nicht verletzt, weil er entgegen dem Wortlaut des § 6 Nr. 2 Buchst. f des Kaufvertrages nicht gehalten gewesen sei, die Auszahlung des hinterlegten Geldes an die Verkäuferin von der schriftlichen Erklärung des Klägers, daß ihm das Grundstück übergeben worden sei, abhängig zu machen. Eine solche Erklärung habe nicht die Bedeutung einer selbständigen Auszahlungsvoraussetzung gehabt, sondern sei nur dazu bestimmt gewesen, dem Beklagten die Feststellung der Übergabe zu erleichtern. Eine Auslegung jener Bestimmung ergebe unter Berücksichtigung des sonstigen Vertragsinhalts, daß damit nur das dem Kläger unter bestimmten Voraussetzungen eingeräumte Recht auf Übergabe schon vor der Abnahme im bauvertraglichen Sinn, nicht aber auch etwaige Gewährleistungsansprüche hätten gesichert werden sollen. Nachdem für den Beklagten auf-
grund des ihm vorliegenden Übergabeprotokolls und der ihm mitgeteilten Vermietung des Hauses durch den Kläger die Übergabe zweifelsfrei festgestanden habe, habe er das Kaufpreisgeld an die Verkäuferin auszahlen dürfen.
II.
Diese Begründung trägt, wie die Revision zu Recht rügt, die Klageabweisung nicht.
1. Der Beklagte hat dadurch, daß er das Geld auszahlte, obwohl der Kläger die die Übergabe betreffende schriftliche Erklärung nicht abgegeben, sondern ausdrücklich verweigert hatte, seine Pflichten aus dem ihm von den Vertragsparteien erteilten Treuhandauftrag verletzt.
Die dem Beklagten zum Zweck des Vollzugs des Kaufvertrags aufgetragene Tätigkeit war Gegenstand eines selbständigen Betreuungsgeschäfts im Sinne der §§ 23, 24 BNotO. Inhalt und Umfang der dadurch begründeten Amtspflichten des Beklagten ergaben sich aus den im Kaufvertrag festgelegten , an ihn gerichteten Weisungen. Solche Weisungen sind grundsätzlich streng zu befolgen (BGH, Urt. v. 17. Februar 1994 - IX ZR 158/93, WM 1994, 647 m.w.N.); der Notar hat dabei peinliche Genauigkeit zu beachten (Sandkühler , in: Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO 4. Aufl. § 23 Rdnr. 116 m.w.N.). Dessen war sich auch das Berufungsgericht bewußt. Es hat aber gemeint, der Beklagte habe sich hier nicht an den Wortlaut der Hinterlegungsanweisung zu halten brauchen, weil eine Auslegung des zwischen den Beteiligten geschlos-
senen Vertrages einen vom Wortlaut abweichenden Inhalt ergebe. Damit hat das Berufungsgericht verkannt, daß es grundsätzlich nur auf die dem Notar erteilte Weisung, nicht aber auf Umstände außerhalb des Treuhandauftrags ankommt (vgl. Seybold/Schippel, BNotO 6. Aufl. § 23 Rdnr. 18). Der Inhalt des zwischen den Parteien vereinbarten, vom Notar abzuwickelnden Vertrages einschließlich der darin enthaltenen, zwischen ihnen geschlossenen Hinterlegungsvereinbarung ist nicht Bestandteil der davon zu unterscheidenden Hinterlegungsanweisung (Sandkühler aaO § 23 Rdnr. 22; vgl. auch BGH, Urt. v. 18. November 1999 - IX ZR 153/98, WM 2000, 193, 195). Es ist nicht Aufgabe des Notars, den Inhalt des zwischen den Beteiligten geschlossenen Vertrages durch Auslegung zu ermitteln. Das ist sogar dann nicht anders, wenn, wie es hier gewesen zu sein scheint, der Notar den Vertrag selbst entworfen hat. Dieser darf sich deshalb grundsätzlich auch dann nicht über den Wortlaut einer ihm erteilten Weisung hinwegsetzen, wenn er meint, nach dem sonstigen Inhalt des zu vollziehenden Vertrages sei die wörtliche Befolgung der Weisung nicht erforderlich.
Es mag offenbleiben, ob ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hat, wenn der Vertragsinhalt eindeutig ergibt, daß die Parteien die Weisung nicht so gemeint haben, wie sie formuliert ist. So war es jedenfalls hier nicht. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Vertrages ist fehlerhaft und deshalb für das Revisionsgericht nicht bindend. Das Berufungsgericht hat gemeint, die Regelung in jener Vertragsbestimmung habe nicht den Zweck gehabt , dem Kläger eine mangelfreie Übergabe des Hauses zu gewährleisten. Wäre es so, dann wären die Rechte des Klägers aus den §§ 320 und 273 BGB ab Übergabe des Grundstücks infolge der dann ohne weiteres eintretenden Auszahlungsreife endgültig verloren gewesen. Das hätte die Hinterlegungsver-
einbarung grundsätzlich nach § 11 Nr. 2 AGBG unwirksam gemacht, wenn es sich, wie der Kläger in der Berufungsinstanz vorgetragen hat, um einen AGBVertrag gehandelt haben sollte (vgl. BGH, Urt. v. 11. Oktober 1984 - VII ZR 248/83, NJW 1985, 852; Sandkühler aaO § 23 Rdnr. 27; Haug, Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl. Rdnr. 692 a; Huhn/von Schuckmann, BeurkG 3. Aufl. § 11 DONot Rdnr. 8). Tatsächlich enthält indessen die Hinterlegungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Verkäuferin, soweit es um die Auszahlung des hinterlegten Geldes an diese geht, kein Zurückbehaltungsverbot. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. b des Vertrages hatte der Kläger - die Revision weist darauf zutreffend hin - bei Übergabe "alle fälligen oder dann fällig werdenden Zahlungen (zu leisten), die er dem Verkäufer aufgrund dieses Vertrages schuldet"; er durfte "wegen ausstehender oder mangelhafter Leistungen nur angemessene Kaufpreisteile" zurückhalten. Letzteres wäre ihm unmöglich gewesen, wenn mit Übergabe des Grundstücks der Beklagte ohne Rücksicht auf etwaige Mängel den vollen Kaufpreis an die Verkäuferin auszuzahlen gehabt hätte. Die Regelung in § 6 Nr. 2 Buchst. f des Vertrages verhinderte einen solchen Rechtsverlust des Klägers, indem sie die Auszahlung von entsprechenden übereinstimmenden Erklärungen der Vertragspartner abhängig machte. Dies setzte den Kläger in die Lage, bei Vorhandensein von Mängeln seine Erklärung erst dann abzugeben, wenn die Verkäuferin ihr Einverständnis dazu erteilt hatte, daß "angemessene Kaufpreisteile" bis zur Beseitigung der Mängel auf dem Notaranderkonto verblieben.
2. Der Beklagte hat die somit gegebene Pflichtverletzung fahrlässig und damit schuldhaft begangen. Das ergibt sich schon daraus, daß er, wie er selbst vorgetragen hat, bei der Auszahlung nicht einmal bemerkt hat, daß die Hinter-
legungsanweisung schriftliche Übergabeerklärungen der Vertragsparteien voraussetzte und solche Erklärungen ihm nicht vorlagen.
3. Die Pflichtverletzung des Beklagten war dafür ursächlich, daß der Kläger seine Gewährleistungsansprüche, soweit solche bestanden, nicht durchsetzen konnte. Wäre das hinterlegte Geld noch vorhanden, so könnte er notfalls im Rechtswege erreichen, daß die Verkäuferin der Auszahlung des Geldes an ihn in dem Umfang zustimmt, in dem es ihr wegen der Mängel nicht zusteht.
III.
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Es fehlt bisher nicht nur zur Höhe des mit den bezifferten Klageanträgen geltend gemachten Schadens, sondern auch zum Vorhandensein
der Mängel, die der Kläger zum Gegenstand seiner Feststellungsklage gemacht hat, an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Damit sie nachgeholt werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Paulusch Kreft Stodolkowitz Kirchhof Fischer
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Die Notare sind auch zuständig, Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten, die ihnen von den Beteiligten übergeben sind, zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen; die §§ 57 bis 62 des Beurkundungsgesetzes bleiben unberührt.
(1) Verletzt der Notar vorsätzlich oder fahrlässig die ihm anderen gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er diesen den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Notar nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Verletzten nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermögen; das gilt jedoch nicht bei Amtsgeschäften der in §§ 23, 24 bezeichneten Art im Verhältnis zwischen dem Notar und seinen Auftraggebern. Im übrigen sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Schadensersatzpflicht im Fall einer von einem Beamten begangenen Amtspflichtverletzung entsprechend anwendbar. Eine Haftung des Staates an Stelle des Notars besteht nicht.
(2) Hat ein Notarassessor bei selbständiger Erledigung eines Geschäfts der in §§ 23, 24 bezeichneten Art eine Amtspflichtverletzung begangen, so haftet er in entsprechender Anwendung des Absatzes 1. Hatte ihm der Notar das Geschäft zur selbständigen Erledigung überlassen, so haftet er neben dem Assessor gesamtschuldnerisch; im Verhältnis zwischen dem Notar und dem Assessor ist der Assessor allein verpflichtet. Durch das Dienstverhältnis des Assessors zum Staat (§ 7 Abs. 3) wird eine Haftung des Staates nicht begründet. Ist der Assessor als Notarvertretung des Notars tätig gewesen, so bestimmt sich die Haftung nach § 46.
(3) Für Schadensersatzansprüche nach Absatz 1 und 2 sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschließlich zuständig.
Die Notare sind auch zuständig, Geld, Wertpapiere und Kostbarkeiten, die ihnen von den Beteiligten übergeben sind, zur Aufbewahrung oder zur Ablieferung an Dritte zu übernehmen; die §§ 57 bis 62 des Beurkundungsgesetzes bleiben unberührt.
(1) Zu dem Amt des Notars gehört auch die sonstige Betreuung der Beteiligten auf dem Gebiete vorsorgender Rechtspflege, insbesondere die Anfertigung von Urkundenentwürfen und die Beratung der Beteiligten. Der Notar ist auch, soweit sich nicht aus anderen Vorschriften Beschränkungen ergeben, in diesem Umfange befugt, die Beteiligten vor Gerichten und Verwaltungsbehörden zu vertreten.
(2) Nimmt ein Anwaltsnotar Handlungen der in Absatz 1 bezeichneten Art vor, so ist anzunehmen, daß er als Notar tätig geworden ist, wenn die Handlung bestimmt ist, Amtsgeschäfte der in den §§ 20 bis 23 bezeichneten Art vorzubereiten oder auszuführen. Im übrigen ist im Zweifel anzunehmen, daß er als Rechtsanwalt tätig geworden ist.
(3) Soweit der Notar kraft Gesetzes ermächtigt ist, im Namen der Beteiligten bei dem Grundbuchamt oder bei den Registerbehörden Anträge zu stellen (insbesondere § 15 Abs. 2 der Grundbuchordnung, § 25 der Schiffsregisterordnung, § 378 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit), ist er auch ermächtigt, die von ihm gestellten Anträge zurückzunehmen. Die Rücknahmeerklärung ist wirksam, wenn sie mit der Unterschrift und dem Amtssiegel des Notars versehen ist; eine Beglaubigung der Unterschrift ist nicht erforderlich.
(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(2) Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.
(1) Hat der Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger, so kann er, sofern nicht aus dem Schuldverhältnis sich ein anderes ergibt, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird (Zurückbehaltungsrecht).
(2) Wer zur Herausgabe eines Gegenstands verpflichtet ist, hat das gleiche Recht, wenn ihm ein fälliger Anspruch wegen Verwendungen auf den Gegenstand oder wegen eines ihm durch diesen verursachten Schadens zusteht, es sei denn, dass er den Gegenstand durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.
(3) Der Gläubiger kann die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts durch Sicherheitsleistung abwenden. Die Sicherheitsleistung durch Bürgen ist ausgeschlossen.