Bundesgerichtshof Urteil, 23. Sept. 2010 - IX ZR 242/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Beklagte war Verwalter in dem Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen des F. V. . Mit Beschluss des Gesamtvollstreckungsgerichts vom 25. April 2006 wurde er aus seinem Amt entlassen und der Kläger zum neuen Verwalter bestellt. Der Beklagte übergab dem Kläger verschiedene Unterlagen. Der Aufforderung des Klägers, eine Schlussrechnung über seine Verwaltertätigkeit zu legen, kam er jedoch nicht nach.
- 2
- auf Die Vorlage einer Schlussrechnung über seine Verwaltertätigkeit, bestehend aus einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, einer Schlussbilanz und einem Schlussbericht, gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision hat keinen Erfolg.
- 4
- 1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Gesamtvollstreckungsordnung sehe keine Pflicht des abberufenen Verwalters zur Erteilung einer Teilschlussrechnung gegenüber Dritten vor. Eine solche Pflicht ergebe sich auch nicht aus einem Rückgriff auf die Regelungen der Konkurs- oder Insolvenzordnung. Es sei zwar anerkannt, dass der entlassene Verwalter nach § 86 KO und § 66 Abs. 1 InsO verpflichtet sei, eine Schlussrechnung zu legen. Diese Verpflichtung bestehe aber nur gegenüber der Gläubigerversammlung und dem Gericht, nicht gegenüber dem neuen Verwalter. Jener könne nur Aufsichtsmaßnahmen des Gerichts anregen. Deshalb könne auch für das Gesamtvollstreckungsverfahren weder im Wege der Gesetzesanwendung noch im Wege der Analogie ein Klagerecht des neuen Verwalters gefolgert werden. Es sei weder eine planwidrige Regelungslücke ersichtlich, noch bestehe ein Bedürfnis für ein Klagerecht des neuen Verwalters. Ein solches könne auch nicht aus § 259 BGB, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder aus § 666 BGB hergeleitet werden.
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- 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
- 6
- a) Die Gesamtvollstreckungsordnung enthält keine Regelung, die einen abberufenen Verwalter verpflichten würde, über seine Tätigkeit dem nachfolgenden Verwalter Rechnung zu legen. Sie beschränkt sich darauf, am Ende des Gesamtvollstreckungsverfahrens nach der Verteilung die Anfertigung eines Abschlussberichts zu verlangen (§ 18 Abs. 4 GesO) und der Gläubigerver- sammlung und dem Gläubigerausschuss das Recht einzuräumen, in weiterem Umfang Berichterstattungen und Rechnungslegung zu fordern (§ 15 Abs. 5 Satz 2 und § 15 Abs. 6 Satz 2 GesO). Daraus lässt sich der geltend gemachte Anspruch, wie auch die Revision einräumt, nicht ableiten.
- 7
- b) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich ein Anspruch des neuen Verwalters auf Rechnungslegung durch den abberufenen Verwalter auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung von Normen der Konkurs- oder der Insolvenzordnung , denn es liegen weder die Voraussetzungen einer gesetzesimmanenten noch diejenigen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung vor (vgl. dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. S. 191 ff und S. 232 ff). Fraglich ist bereits, ob die Gesamtvollstreckungsordnung , soweit sie einen Anspruch des neuen Verwalters auf Rechnungslegung nicht regelt, überhaupt lückenhaft ist, sei es im Blick auf ihren eigenen Regelungsplan oder auf die Gesamtrechtsordnung, oder ob sie einen solchen Anspruch ausschließen wollte. Jedenfalls enthält weder die Konkurs- noch die Insolvenzordnung eine Regelung, die den Schluss rechtfertigte, der Gesetzgeber hätte im Falle einer gesetzlichen Regelung der Streitfrage in der Gesamtvollstreckungsordnung einen Anspruch des neuen Verwalters auf Rechnungslegung festgeschrieben, oder die es als unvereinbar mit allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen und übergeordneten Rechtsprinzipien erscheinen ließe, einen solchen Anspruch des neuen Verwalters zu verneinen (vgl. zu den Kriterien BGH, Urteil vom 20. Januar 2000 - IX ZR 58/99, BGHZ 143, 332, 334 ff; vom 14. Dezember 2006 - IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 Rn. 14 f und 19 f).
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- aa) Nach § 66 Abs. 1 InsO hat der Verwalter bei der Beendigung seines Amtes einer Gläubigerversammlung Rechnung zu legen. Eine entsprechende Verpflichtung normierte § 86 Satz 1 KO. Die Pflicht gilt und galt anerkannter- maßen auch für den vorzeitig abberufenen Verwalter (zu § 66 InsO: BGH, Beschluss vom 14. April 2005 - IX ZB 76/04, ZIP 2005, 865, 866; vom 10. November 2005 - IX ZB 168/04, ZIP 2006, 93; Jaeger/Eckardt, InsO, § 66 Rn. 9; MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl. § 66 Rn. 3; FK-InsO/Kind, 5. Aufl. § 66 Rn. 2; Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl. § 66 Rn. 24 f; HK-InsO/Eickmann, 5. Aufl. § 66 Rn. 16; zu § 86 KO: Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl. § 86 KO Anm. 1a; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl. § 86 Rn. 2; Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. § 86 Rn. 1). Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann das Insolvenz - bzw. Konkursgericht gegen den Verwalter ein Zwangsgeld festsetzen (§ 58 Abs. 2 Satz 1 InsO, § 84 Abs. 1 Satz 1 KO; BGH, Beschluss vom 14. April 2005 - IX ZB 76/04, aaO; Jaeger/Eckardt, aaO Rn. 21; Uhlenbruck, aaO Rn. 25; Eickmann, aaO; Weber, aaO). Die übrigen Beteiligten des Verfahrens, auch der neue Verwalter, können solche Aufsichtsmaßnahmen anregen. Einen eigenen einklagbaren Anspruch auf Rechnungslegung hat der neue Verwalter hingegen nicht.
- 9
- bb) Für den Regelungsbereich der Konkursordnung ergibt sich entgegen der Ansicht der Revision aus § 86 Satz 3 KO nichts anderes. Nach dieser Norm hatte auch der nachfolgende Verwalter das Recht, Einwendungen gegen die Rechnungslegung des abberufenen Verwalters zu erheben. Dies stand aber im Zusammenhang mit der Regelung in § 86 Satz 4 KO, wonach die Rechnung als anerkannt galt, soweit im Termin der Gläubigerversammlung keine Einwendungen erhoben wurden. Durch die Möglichkeit, Einwendungen zu erheben, konnte der neue Verwalter somit eine Entlastung des bisherigen Verwalters verhindern und mögliche Schadensersatzansprüche erhalten. Ein einklagbarer Anspruch auf Rechnungslegung folgte daraus nicht. Hierfür bestand kein zwingendes Bedürfnis. Legte der alte Verwalter keine Rechnung, konnte er sich auch nicht entlasten.
- 10
- cc) Steht dem neuen Verwalter nach der Konkurs- und der Insolvenzordnung kein einklagbarer Anspruch auf Rechnungslegung gegen den abberufenen Verwalter zu, kann ein solcher auch nicht in den Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung übernommen werden. Allenfalls ist der abberufene Gesamtvollstreckungsverwalter wie ein abberufener Konkurs- oder Insolvenzverwalter den Gläubigern gegenüber zur Rechungslegung verpflichtet. Ob eine solche Pflicht des abberufenen Verwalters mit Aufsichtsmaßnahmen des Gesamtvollstreckungsgerichts durchsetzbar wäre, kann dahinstehen (die Gesamtvollstreckungsordnung sieht Zwangsmittel nicht vor; der Senat hat offen gelassen , ob die Regelungen der Insolvenz- und Konkursordnung insoweit entsprechend anwendbar sind, vgl. BGH, Urteil vom 27. April 1995 - IX ZR 102/04, ZIP 1995, 932, 934). Eine mangelhafte Pflichterfüllung des abberufenen Verwalters kann jedenfalls bei der Festsetzung seiner Vergütung berücksichtigt werden und zu einem Schadensersatzanspruch führen. Das Informationsinteresse der Gläubiger kann vom neuen Verwalter befriedigt werden.
- 11
- c) Ein Anspruch des Klägers auf Rechnungslegung durch den Beklagten ergibt sich auch nicht aus Normen oder Grundsätzen des bürgerlichen Rechts. Gegen die diesbezüglichen Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision nicht. Sie sind auch aus der Sicht des Revisionsgerichts nicht zu beanstanden.
- 12
- d) Nach der Rechtsprechung des Senats kann im Geltungsbereich der Insolvenzordnung dem neuen Verwalter ein Anspruch gegen den vormaligen Verwalter auf Auskunft zustehen, wenn er auf bestimmte, das bisherige Verfahren betreffende Informationen angewiesen ist (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2003 - IX ZR 222/02, ZIP 2003, 326, 328). Ein solcher Anspruch ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden, auf Rechnungslegung gerichteten Klage. Der Kläger begehrt nicht die Erteilung einer konkreten, nur dem Beklagten als früherem Verwalter möglichen Auskunft, sondern eine umfassende und förmliche Zusammenstellung der Masse und der vom bisherigen Verwalter getätigten Einnahmen und Ausgaben und seiner sonstigen Maßnahmen. Dass eine solche Rechnungslegung besondere, aus den übergebenen Unterlagen nicht ersichtliche und nur dem Beklagten verfügbare Kenntnisse voraussetzte, wird vom Kläger nicht behauptet.
Gehrlein Grupp
Vorinstanzen:
AG Stendal, Entscheidung vom 27.05.2009 - 3 C 1038/08 -
LG Stendal, Entscheidung vom 17.12.2009 - 22 S 71/09 -
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(1) Der Insolvenzverwalter hat bei der Beendigung seines Amtes einer Gläubigerversammlung Rechnung zu legen.
(2) Vor der Gläubigerversammlung prüft das Insolvenzgericht die Schlußrechnung des Verwalters. Es legt die Schlußrechnung mit den Belegen, mit einem Vermerk über die Prüfung und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, mit dessen Bemerkungen zur Einsicht der Beteiligten aus; es kann dem Gläubigerausschuß für dessen Stellungnahme eine Frist setzen. Der Zeitraum zwischen der Auslegung der Unterlagen und dem Termin der Gläubigerversammlung soll mindestens eine Woche betragen.
(3) Die Gläubigerversammlung kann dem Verwalter aufgeben, zu bestimmten Zeitpunkten während des Verfahrens Zwischenrechnung zu legen. Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend.
(4) Der Insolvenzplan kann eine abweichende Regelung treffen.
(1) Wer verpflichtet ist, über eine mit Einnahmen oder Ausgaben verbundene Verwaltung Rechenschaft abzulegen, hat dem Berechtigten eine die geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder der Ausgaben enthaltende Rechnung mitzuteilen und, soweit Belege erteilt zu werden pflegen, Belege vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass die in der Rechnung enthaltenen Angaben über die Einnahmen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gemacht worden sind, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen die Einnahmen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) In Angelegenheiten von geringer Bedeutung besteht eine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Der Beauftragte ist verpflichtet, dem Auftraggeber die erforderlichen Nachrichten zu geben, auf Verlangen über den Stand des Geschäfts Auskunft zu erteilen und nach der Ausführung des Auftrags Rechenschaft abzulegen.
(1) Der Insolvenzverwalter hat bei der Beendigung seines Amtes einer Gläubigerversammlung Rechnung zu legen.
(2) Vor der Gläubigerversammlung prüft das Insolvenzgericht die Schlußrechnung des Verwalters. Es legt die Schlußrechnung mit den Belegen, mit einem Vermerk über die Prüfung und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, mit dessen Bemerkungen zur Einsicht der Beteiligten aus; es kann dem Gläubigerausschuß für dessen Stellungnahme eine Frist setzen. Der Zeitraum zwischen der Auslegung der Unterlagen und dem Termin der Gläubigerversammlung soll mindestens eine Woche betragen.
(3) Die Gläubigerversammlung kann dem Verwalter aufgeben, zu bestimmten Zeitpunkten während des Verfahrens Zwischenrechnung zu legen. Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend.
(4) Der Insolvenzplan kann eine abweichende Regelung treffen.
(1) Der Insolvenzverwalter steht unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts. Das Gericht kann jederzeit einzelne Auskünfte oder einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung von ihm verlangen.
(2) Erfüllt der Verwalter seine Pflichten nicht, so kann das Gericht nach vorheriger Androhung Zwangsgeld gegen ihn festsetzen. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von fünfundzwanzigtausend Euro nicht übersteigen. Gegen den Beschluß steht dem Verwalter die sofortige Beschwerde zu.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend für die Durchsetzung der Herausgabepflichten eines entlassenen Verwalters.