Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01
published on 17/07/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 17. Juli 2002 - IV ZR 268/01
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Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 268/01 Verkündet am:
17. Juli 2002
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, den Richter Seiffert, die Richterin Ambrosius, den
Richter Wendt und die Richterin Dr. Kessal-Wulf auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juli 2002
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 31. Januar 2001 aufgehoben, soweit die Berufung gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Juni 2000 hinsichtlich des Deckungsschutzes für den Schadensfall S. ./. D. Versicherung AG zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Deckungsschutz aus einer mit ihr abgeschlossenen Haftpflichtversicherung für Rechtsanwälte in Anspruch. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungender Beklagten für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Rechtsanwälten und Patentanwälten (AVB-A) zugrunde.
Am 8. September 1992 beauftragte eine Mandantin den Kläger mit der Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 22. Januar 1990 gegen die D. Versicherung AG sowie aus einem weiteren Verkehrsunfall vom 9. August 1992 gegen die A. Versicherung AG. Wegen der Ansprüche gegen die D. Versicherung AG ließ der Kläger im Juni 1993 beim Landgericht F. durch einen dort zugelassenen Kollegen Klage einreichen. Sie wurde nicht zugestellt, weil der Gerichtskostenvorschuß nicht eingezahlt wurde. Am 3. August 1995 wurde die Klage auf Veranlassung des Klägers zurückgenommen. Eine erneute Klage wurde nicht eingereicht. Die D. Versicherung AG hat sich inzwischen auf Verjährung berufen. Auch die A. Versicherung AG hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Mandantin nimmt den Kläger wegen fehlerhafter Bearbeitung der beiden Verkehrsunfallsachen auf Schadensersatz in Anspruch. Sie hat im Mai 1999 Klage beim Landgericht F. erhoben. Wegen des materiellen Schadens verlangt sie Zahlung von 445.491,88 DM, ferner Ersatz für ein entgangenes Schmerzensgeld von mindestens 50.000 DM sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden. Das Landgericht hat durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 30. März 2000 Ansprüche aus dem Mandat gegen die A. Versicherung AG abgewiesen, weil der Unfall vom 9. August 1992 nach dem eigenen Vortrag der (dortigen) Klägerin zu keinen weiteren nachteiligen Folgen geführt habe; hinsichtlich des Mandats gegen die D. Versicherung AG hat das Landgericht eine Haftung des Klägers angenommen und die
Zahlungsanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt sowie die Ersatzpflicht des Klägers für künftige Schäden festgestellt.
Der Kläger hat von der Beklagten Deckungsschutz wegen der von der Mandantin gegen ihn erhobenen Ansprüche aus beiden Unfallangelegenheiten verlangt. Die Beklagte stützt ihre Ablehnung auf § 4 Nr. 5 AVB-A. Danach bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche wegen Schadenverursachung durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Auftraggebers oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzung.
Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich des zweiten Verkehrsunfalls schon deshalb abgewiesen, weil insoweit die Klage im Haftpflichtprozeû abgewiesen worden sei. Hinsichtlich der Bearbeitung des Mandats wegen der Ansprüche gegen die D. Versicherung AG hat es Leistungsfreiheit der Beklagten wegen wissentlicher Pflichtverletzung angenommen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision erstrebt er Deckungsschutz nur noch wegen der Ansprüche, die gegen ihn aus der Bearbeitung der Unfallsache gegen die D. Versicherung AG erhoben werden.
Entscheidungsgründe:
Die Revision führt im beantragten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht nimmt an, der Versicherungsschutz sei nach § 4 Nr. 5 AVB-A wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung des Klägers ausgeschlossen. Aus seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 22. Juni 1998 an die Beklagte ergebe sich, daû ihm das die Hemmung der Verjährung beendende Ablehnungsschreiben der D. Versicherung AG vom 5. April 1992 jedenfalls im Jahr 1995 vorgelegen habe. Daraus folge, daû er spätestens bis zum 5. April 1995 hätte tätig werden müssen , um die Verjährung des Schadensersatzanspruchs seiner Mandantin sicher zu verhindern. Nach dem von ihm nicht substantiiert bestrittenen Vortrag der Beklagten sei ihm bekannt gewesen, daû er im Hinblick auf das Ablehnungsschreiben vom April 1992 verjährungsunterbrechende Handlungen hätte vornehmen müssen; ihm sei bewuût gewesen, in dieser Richtung nichts unternommen zu haben.
II. 1. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung schon deshalb nicht stand, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, welche konkrete objektive Pflichtverletzung, die den Eintritt des Versicherungsfalls unmittelbar herbeigeführt hat, dem Kläger im rechtskräftigen Haftpflichturteil angelastet worden ist. Wegen der Bindungswirkung des Haftpflichturteils ist es der Beklagten verwehrt, sich im Deckungsprozeû auf eine andere schadensverursachende Pflichtverlet-
zung zu berufen (vgl. dazu das Senatsurteil vom 20. Juni 2001 - IV ZR 101/00 - VersR 2001, 1103 unter II 2 m.w.N.).
2. Aus dem Parteivortrag in den Tatsacheninstanzen geht hervor, daû das Berufungsgericht seine Entscheidung jedenfalls auf eine andere Pflichtverletzung gestützt hat als die, die dem Kläger in der Haftpflichtklage vorgeworfen worden ist. Der von der Beklagten vorgelegten Abschrift der Klage ist zu entnehmen, daû dem Kläger als unmittelbar schadensverursachendes Fehlverhalten angelastet worden ist, im Hinblick auf ein Ablehnungsschreiben der D. Versicherung AG vom 21. September 1992 nicht spätestens im August 1995 erneut Klage eingereicht zu haben. Das im Haftpflichtprozeû ergangene Urteil befindet sich nicht bei den in den Tatsacheninstanzen angefallenen Akten. Die Akten des Haftpflichtprozesses hatte das Berufungsgericht zwar angefordert , aber nicht erhalten, weil sie sich im Verfahren über die Höhe des Anspruchs beim Sachverständigen befanden.
III. Das Berufungsgericht wird deshalb auf der Grundlage der Feststellungen im Haftpflichturteil erneut zu prüfen haben, ob dem Kläger eine wissentliche Pflichtverletzung anzulasten ist. Diese im Revisionsverfahren vorgelegte Entscheidung stützt die Verurteilung des Klägers darauf , daû er im Hinblick auf das Ablehnungsschreiben der D. Versicherung AG vom 21. September 1992 nicht bis spätestens 25. September 1995 die Unterbrechung der Verjährung durch eine erneute Klage herbeigeführt habe.
Hinsichtlich der vom Berufungsgericht angenommenen sekundären Darlegungslast des Klägers wird es in seine Erwägungen einzubeziehen haben, daû nach dem vom Kläger unter Beweis gestellten Vortrag die Handakten am 3. Juli 1998 an die Beklagte abgesandt wurden, ohne daû zuvor Kopien angefertigt wurden.
Terno Seiffert Ambrosius
Wendt Dr. Kessal-Wulf
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