Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2012 - IV ZR 213/11

published on 19/12/2012 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2012 - IV ZR 213/11
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Previous court decisions
Amtsgericht Solingen, 10 C 388/10, 25/02/2011
Landgericht Wuppertal, 6 S 16/11, 30/09/2011

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 213/11 Verkündet am:
19. Dezember 2012
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AVB Rechtsschutzversicherung (hier § 5 Abs. 3b ARB 94)
Ein für das Eingreifen von § 5 Abs. 3b ARB 94 erforderliches Kostenzugeständnis
des Versicherungsnehmers liegt nicht vor, wenn im Rahmen einer außergerichtlichen
Einigung Kostenaufhebung vereinbart wird und ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch
gegen den Gegner nicht bestand (Fortführung von Senatsurteil vom
25. Mai 2011 - IV ZR 59/09).
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 - IV ZR 213/11 - LG Wuppertal
AG Solingen
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, Lehmann und die Richterin
Dr. Brockmöller im schriftlichen Verfahren aufgrund der bis zum
30. November 2012 eingereichten Schriftsätze

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 30. September 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin begehrt die Rückzahlung eines Teils einer von ihr erbrachten Versicherungsleistung.
2
Die Beklagte unterhält bei der Klägerin eine Rechtsschutzversicherung , der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 94) zugrunde liegen. Darin heißt es in § 5 Abs. 3b: "Der Versicherer trägt nicht Kosten, die im Zusammenhang mit einer einverständlichen Erledigung entstanden sind, soweit sie nicht dem Verhältnis des vom Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist."
3
Die Klägerin erteilte der Beklagten eine Deckungszusage "für das Verfahren in I. Instanz" zur Durchsetzung eines Anspruchs gegen eine Bausparkasse auf Auszahlung eines Bauspardarlehens von 28.000 €.
4
Der von der Beklagten mit der Geltendmachung dieses Anspruchs beauftragte Rechtsanwalt erreichte als einvernehmliche Lösung noch vor einer Klageerhebung die Auszahlung eines so genannten Zwischendarlehens von 18.000 €. Für seine Tätigkeit berechnete er der Beklagten Gebühren in Höhe von 3.451,48 €; zuvor hatte die Klägerin ihm als Vorschuss bereits einen Betrag von 2.698 € gezahlt.
5
Sie vertritt nunmehr unter Berufung auf § 5 Abs. 3b ARB die Auffassung , dass sie lediglich 37,5% der angefallenen Rechtsanwaltsgebühren , mithin 1.294,30 € zu tragen habe, weil die Beklagte durch den außergerichtlichen Vergleich (ausgehend von einem Erfolg in Höhe von 17.500 €) nur mit diesem Prozentsatz unterlegen sei, und begehrt unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung die Rückzahlung des Differenzbetrages von 1.403,70 €.
6
Das Amtsgericht hat der Klage bis auf einen Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs stattgegeben; das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Revision der Klägerin, die die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:


7
Die Revision hat keinen Erfolg.

8
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass sich der geltend gemachte Anspruch nur aus § 5 Abs. 3b ARB 94 ergeben könne, diese Bestimmung aber wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam sei, weil die Klausel dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer den mit ihr bezweckten weitgehenden Ausschluss eines Versicherungsschutzes angesichts ihres undeutlichen Wortlauts verschleiere.
9
II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.
10
Die Klägerin hat den zurückgeforderten Betrag schon deshalb nicht ohne Rechtsgrund geleistet, weil die Voraussetzungen der Ausschlussklausel des § 5 Abs. 3b ARB 94 von ihr nicht dargetan sind.
11
1. Allerdings erfasst die Klausel auch außergerichtliche Vergleiche. Dies ergibt sich aus ihrem Zweck, der darin besteht zu verhindern, dass der Versicherungsnehmer bei den Verhandlungen über die Einigung "unnötige" Zugeständnisse im Kostenpunkt zu Lasten des Rechtsschutzversicherers macht, um vom Gegner weitere Zugeständnisse in der Hauptsache zu erhalten (Senatsurteile vom 25. Mai 2011 - IV ZR 59/09, VersR 2011, 1005 Rn. 12; vom 25. Januar 2006 - IV ZR 207/04, VersR 2006, 404 Rn. 20 f.; vom 16. Juni 1977 - IV ZR 97/76, VersR 1977, 809 unter I

1).


12
2. Sie greift aber mangels eines zweckwidrigen Kostenzugeständnisses nicht ein.
13
a) Risikoausschlussklauseln sind eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht. Danach ist für ein Eingreifen des hier in Rede stehenden Ausschlusstatbestands aus der maßgeblichen Sicht des Versicherungsnehmers jedenfalls erforderlich, dass er zu Lasten des Versicherers - ausdrücklich oder konkludent - Kostenzugeständnisse gemacht hat. Davon ist auszugehen, wenn die Kostenlast zu seinem Nachteil von der angesichts der Obsiegensquote objektiv gebotenen Kostenverteilung abweicht. Anderenfalls würde das in § 1 ARB 94 gegebene Leistungsversprechen des Versicherers, dafür zu sorgen, dass der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten zu tragen, ausgehöhlt (Senatsurteil vom 25. Mai 2011 - IV ZR 59/09, VersR 2011, 1005 Rn 17 f.).
14
b) Ein solches Kostenzugeständnis ist nicht ersichtlich.
15
aa) Dabei ist von einer zumindest konkludent vereinbarten Kostenaufhebung in dem Vergleich mit der Bausparkasse auszugehen. Die Beklagte selbst hat dazu vorgetragen, es sei Bestandteil der Einigung gewesen , dass die Bausparkasse keine Kosten übernimmt.
16
bb) Hierin ist aber schon deshalb kein Kostenzugeständnis zu sehen , weil der Beklagten kein materieller Kostenerstattungsanspruch gegen die Bausparkasse zustand, den sie ohne die getroffene Kostenregelung hätte durchsetzen können.

17
(1) Besteht unbeschadet der Einigung keine Möglichkeit, hinsichtlich des außergerichtlich durchgesetzten Hauptanspruchs auch eine anteilige Kostenerstattung zu verlangen, so liegt in einer Einigung ohne die Vereinbarung entsprechender Kostenerstattung kein Zugeständnis. Daran ändert es nichts, wenn man fingiert, dass die materielle Rechtslage der in der Hauptsache erzielten Einigung entspricht, woran die Regelung des § 5 Abs. 3b ARB 94 möglicherweise anknüpft, indem sie für die Kostentragungspflicht auf das Verhältnis des Obsiegens zum ursprünglichen Begehren abstellt. Dies ist ersichtlich an die Regelung des § 92 ZPO angelehnt.
18
Außerhalb eines Gerichtsverfahrens mit der prozessualen Kostentragungspflicht nach Maßgabe der §§ 91 ff. ZPO besteht indessen keineswegs in allen Fällen zugleich ein materieller Kostenerstattungsanspruch. Dieser setzt vielmehr einen besonderen Rechtsgrund voraus. Neben den Fällen, in denen die entstandenen Kosten sich als Teil eines zuvor begründeten Schadensersatzanspruchs darstellen, kommt hierfür insbesondere Verzug in Betracht. Von einem Kostenzugeständnis zu Lasten des Versicherers kann aber nur ausgegangen werden, wenn ein solcher materieller Anspruch ganz oder teilweise aufgegeben wird. Das Leistungsversprechen aus § 1 ARB 94 wäre entwertet, wenn die vollständige oder überwiegende Durchsetzung eines Anspruchs, für den Deckungsschutz besteht, gerade in den Fällen, in denen eine Kostenerstattung vom Gegner nicht verlangt werden kann, auch den Anspruch gegen den Rechtsschutzversicherer entfallen ließe.
19
(2) Im Streitfall war ein Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Bausparkasse nicht gegeben. Dies ergibt sich daraus, dass die Bausparkasse sich unstreitig nicht in Verzug mit der Bereitstellung eines Darlehens befunden hatte. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass der von ihr verfolgte Anspruch mangels einer wirksamen und rechtlich nachweisbaren Darlehenszusage nicht bestanden habe, eine entsprechende Klage keinen Erfolg gehabt hätte und die Bausparkasse das schließlich vereinbarte Zwischendarlehen nur aus Kulanz gewährt habe. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten; sie hat dies lediglich rechtsirrtümlich für irrelevant gehalten.
20
cc) Schließlich liegt in der Kostenaufhebung im Streitfall auch deshalb kein Zugeständnis der Beklagten, weil sie mit dem Ergebnis der erzielten Einigung nicht überwiegend obsiegt hat. Die Bausparkasse hat der Beklagten nach dem Vergleichsinhalt zwar einen Zwischenkredit über 18.000 € gewährt, nachdem diese zuvor einen Anspruch auf Auszahlung eines Bauspardarlehens von 28.000 € geltend gemacht hatte. Insoweit kann aber nicht allein auf das Verhältnis dieser beiden Zahlen zueinander abgestellt werden; vielmehr ist zu berücksichtigen, dass das Bauspardarlehen eben noch nicht zugeteilt und das Zwischendarlehen nur zu einem weitaus höheren Zinssatz gewährt wurde. Letztlich hat die Beklagte damit das begehrte Bauspardarlehen nicht erhalten, sondern stattdessen eine andere Leistung, die nicht nur der Darlehenshöhe nach ungünstiger ausgefallen ist.
21
III. Der Streitwert für das Revisionsverfahren beträgt 1.403,70 €.

Mayen Wendt Felsch
Lehmann Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
AG Solingen, Entscheidung vom 25.02.2011- 10 C 388/10 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 30.09.2011 - 6 S 16/11 -
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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,
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(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

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published on 25/05/2011 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 59/09 Verkündet am: 25. Mai 2011 Bott Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 540 Abs.
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.