Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juli 2024 - II ZR 71/23

published on 23/07/2024 12:42
Bundesgerichtshof Urteil, 16. Juli 2024 - II ZR 71/23
Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Lawyers

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Submitted by

Languages
EN, DE

Principles

Amtliche Leitsätze

GmbHG § 46; AktG § 241 Nr. 3

Gesellschafterbeschlüsse einer GmbH, die gegen die in der Satzung festgelegte, nicht auf zwingenden gesetzlichen Vorschriften beruhende Kompetenzverteilung verstoßen, sind lediglich anfechtbar.

GmbHG § 46 Nr. 5, § 53

Die Abberufung eines Geschäftsführers durch die nach der Satzung dafür nicht zuständige Gesellschafterversammlung ist keine zustandsbegründende Satzungsdurchbrechung.

Bundesgerichtshof

Urteil vom 16. Juli 2024

Az.: II ZR 71/23

 

 

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 4. April 2023 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Kammer  für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 11. Oktober 2022 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand:

Die Beklagte ist eine GmbH, deren einziger Gesellschafter der H. verein e.V. (im Folgenden: Verein) ist. Der Kläger  ist im Handelsregister als Geschäftsführer der Beklagten eingetragen. Die Beklagte ist Komplementärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA (im Folgenden: KGaA), die die derzeit am Spielbetrieb der 2. Fußballbundesliga teilnehmende Fußballmannschaft Hannover 96 unterhält. Einzige Kommanditaktionärin der KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG (im Folgenden: Sales & Service KG). Mehrheitskommanditistin der Sales & Service KG ist die M. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger war.

Nach ihrer Satzung hat die Beklagte einen aus vier Mitgliedern bestehenden Aufsichtsrat, der die Geschäftsführer bestellt und abberuft. Zwei Mitglieder des Aufsichtsrats werden vom Aufsichtsrat der KGaA bestimmt, bei den zwei weiteren Mitgliedern handelt es sich um vom Verein entsandte Personen.

Unter dem 23. August 2019 vereinbarten der Verein, die KGaA und die Sales & Service KG in einem sogenannten Hannover-96-Vertrag in Ziffer 3 unter anderem, dass der Verein die Satzung der Beklagten nicht ohne vorherige schriftliche Zustimmung der Sales & Service KG ändern, ergänzen oder ersetzen dürfe. Weiter heißt es dort, dass die Sales & Service KG durch die derzeitige Satzungsregelung, vermittelt über den Aufsichtsrat der Beklagten, Mitentscheidungsrechte bei der Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung der Beklagten habe, und der Erhalt dieser Rechte essentieller Bestandteil des Hannover-96-Vertrags sei, insbesondere im Hinblick auf die sich für den Verein ergebenden Pflichten.

In einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 25. Juli 2022 fassten Vertreter des Vereins einen notariell beurkundeten Beschluss über die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund "im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses".

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit des Beschlusses vom 25. Juli 2022 über seine Abberufung als Geschäftsführer der Beklagten. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

 

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung der Klage.

I. Das Berufungsgericht (OLG Celle, GmbHR 2023, 739) hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:

Der angegriffene Beschluss sei gemäß § 241 Nr. 3 AktG analog nichtig, weil er kompetenzwidrig gefasst worden sei und dies unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht lediglich seine Anfechtbarkeit zur Folge habe. Die Kompetenzüberschreitung durch die Gesellschafterversammlung erschöpfe sich nicht in einem Verstoß gegen die Satzung. Hinzutrete ein Verstoß des Vereins als Alleingesellschafter der Beklagten gegen den Hannover-96-Vertrag, der eine Stimmrechtsbindung zugunsten der Sales & Service KG enthalte. Die gesonderte Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung, das durch die Stimmrechtsbindung vorgegebene Ergebnis herbeizuführen, wäre eine unnötige Förmelei. So wie kein Grund dafür bestehe, stimmbindungswidrig überstimmte Gesellschafter auf den umständlichen Weg einer Klage gegen ihre Mitgesellschafter zu verweisen, um den bindungswidrig gefassten Beschluss aus der Welt zu schaffen, bestehe ein solcher Grund auch dann nicht, wenn die übrigen Vertragsparteien keine Gesellschafter seien. Im Streitfall komme hinzu, dass bei bloßer Anfechtbarkeit des Beschlusses der Kompetenzverstoß innergesellschaftlich sanktionslos bliebe, weil der Verein Alleingesellschafter sei.

Der Beschluss sei überdies sittenwidrig und damit analog § 241 Nr. 4 AktG nichtig. Mit dem Abberufungsbeschluss sei eine Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Dritter verbunden. Er konterkariere das mit dem Hannover-96-Vertrag festgeschriebene Erfordernis der Zustimmung der Sales & Service KG zu jedweder Änderung der Satzung. Dies erweise sich als in besonderem Maße treuwidrig, weil sich der Verein dieser Bindung bewusst gewesen sei und es sich um ein bewusstes Unterlaufen der satzungsmäßigen Kompetenzverteilung gehandelt habe.

II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Beschluss über die Abberufung des Klägers ist wirksam.

1. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass der Beschluss über die Abberufung des Klägers entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig sei.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH nur unter den einschränkenden Voraussetzungen der für Hauptversammlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft maß[1]gebenden §§ 241 f. AktG nichtig (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1953 - II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 235; Urteil vom 8. Dezember 1954 - II ZR 291/53, BGHZ 15, 382, 384; Urteil vom 9. Dezember 1968 - II ZR 57/67, BGHZ 51, 209, 210 f.; Urteil vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 365 f.). Das gilt unbeschadet des zwischenzeitlichen Inkrafttretens des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436; im Folgenden: MoPeG) am 1. Januar 2024 (Art. 137 Satz 1 MoPeG) und der dadurch aufgeworfenen Frage, ob und inwieweit die nunmehr für Personenhandelsgesellschaften geltenden §§ 110 ff. HGB künftig auf das Beschlussmängelrecht der GmbH "ausstrahlen" werden (RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, BT-Drucks. 19/27635, S. 228; vgl. Drescher in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 110 Rn. 9; Schäfer/Liebscher, Das neue Personengesellschaftsrecht, § 5 Rn. 174 ff.; Liebscher/Rickelt, ZPG 2024, 41, 51 f.; K. Schmidt, ZHR 187 [2023], 107, 117).

Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts (dazu BGH, Beschluss vom 18. April 2023 - II ZR 37/22, ZIP 2023, 1589 Rn. 37) gilt § 110 Abs. 2 HGB nicht für Beschlüsse, die vor seinem Inkrafttreten gefasst wurden (RegE eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, BT-Drucks. 19/27635, S. 228; Drescher in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 110 Rn. 11; Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 110 Rn. 2a; Vossler in Heidel/Schall, HGB, 4. Aufl., § 110 Rn. 11).

Entsprechend § 241 Nr. 3 AktG ist ein Gesellschafterbeschluss nichtig, wenn er mit dem Wesen der GmbH nicht zu vereinbaren ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind. In Abgrenzung zu einer Verletzung des Gesetzes oder der Satzung, derentwegen ein Beschluss der Gesellschafterversammlung angefochten werden kann (§ 243 Abs. 1 AktG), kann nur eine Verletzung der tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts eine Unvereinbarkeit des Beschlusses mit dem Wesen der GmbH begründen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1996 - II ZR 77/95, BGHZ 132, 84, 93 f. [zur Genossenschaft]; Urteil vom 18. April 2005 - II ZR 151/03, ZIP 2005, 985, 987; BeckOK GmbHG/Leinekugel, Stand 1.2.2024, § 47 Anhang Rn. 18; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., Anhang nach § 47 Rn. 50; Scholz/K. Schmidt/Bochmann, GmbHG, 13. Aufl., § 45 Rn. 120; Teichmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., Anhang zu § 47 Rn. 14; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, 4. Aufl., Anh. § 47 Rn. 90). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergibt sich das Wesen der GmbH im Sinne von § 241 Nr. 3 AktG nicht aus den individuellen Satzungsregelungen der jeweils in Rede stehenden Gesellschaft, weil das Wesen der GmbH durch das GmbHG und die abstrakt-generellen Strukturmerkmale des GmbH-Rechts bestimmt wird und da[1]mit nicht zur Disposition der Gesellschafter steht. Zu diesen abstrakt-generellen Strukturmerkmalen mag zwar auch die Satzungsautonomie gehören, die aber nicht mit den in Ausübung dieser Autonomie getroffenen konkreten Satzungsregelungen verwechselt werden darf.

b) Daran gemessen, findet die Annahme der Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses in § 241 Nr. 3 AktG keine Stütze.

aa) Das Berufungsgericht geht im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass Gesellschafterbeschlüsse, die gegen die in der Satzung festgelegte, nicht auf zwingenden gesetzlichen Vorschriften beruhende Kompetenzverteilung verstoßen, lediglich anfechtbar sind (BeckOK GmbHG/Leinekugel, Stand 1.2.2024, § 47 Anhang Rn. 26; Raiser/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang nach § 47 Rn. 45; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., Anh. § 47 Rn. 35 ff.; Scholz/K. Schmidt/Bochmann, GmbHG, 13. Aufl., § 45 Rn. 118; aA Leuschner/Enneking, ZIP 2024, 1229, 1231). Danach kann die Abberufung des Klägers durch den Verein als solche nicht zur Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses entsprechend § 241 Nr. 3 AktG führen, selbst wenn man darin mit dem Berufungsgericht einen Verstoß gegen die in der Satzung der Beklagten bestimmte Kompetenz des Aufsichtsrats zur Abberufung des Geschäftsführers sehen wollte. Der vom Verein gefasste Abberufungsbeschluss ist vielmehr schon deshalb mit den tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts vereinbar, weil  § 52 Abs. 1 GmbHG dem fakultativen Aufsichtsrat nicht von Gesetzes wegen die Kompetenz zur Abberufung der Geschäftsführer zuweist, sondern diese Kompetenz gemäß § 45 Abs. 2, § 46 Nr. 5 GmbHG vielmehr grundsätzlich der Gesellschafterversammlung vorbehalten ist.

Auf die von der Revision in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen, ob der Gesellschafterversammlung trotz anderweitiger Regelung in der Satzung eine Kompetenz für die Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund verbleibt (bejahend: Beurskens in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 38 Rn. 29; MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 38 Rn. 38; Kablitz, EWiR 2023, 521, 522; Werner, NZG 2023, 64, 67 f.; verneinend: Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 38 Rn. 16; Scholz/ Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG, 13. Aufl., § 38 Rn. 22; Leuschner/Enneking, ZIP 2024, 1229, 1231; alle mwN; offenlassend: BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 - II ZR 88/53, BGHZ 12, 337, 340) und ob das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen eines wichtigen Grundes rechtsfehlerhaft verneint hat, kommt es daher nicht an.

bb) Dagegen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass im Streitfall besondere Umstände vorlägen, die zur Nichtigkeit des Beschlusses entsprechend § 241 Nr. 3 AktG führten.

(1) Die vom Berufungsgericht bejahte Missachtung des Zustimmungsvorbehalts in Ziffer 3 des Hannover-96-Vertrags durch den Verein rechtfertigt nicht die Annahme, dass der Abberufungsbeschluss mit dem Wesen der GmbH nicht zu vereinbaren sei. Die Beachtung von derartigen Stimmbindungsverträgen gehört nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts.

(a) Die Gesellschafter einer GmbH können sich jederzeit außerhalb der Satzung ihren Mitgesellschaftern schuldrechtlich verpflichten, in der Gesellschafterversammlung in bestimmter Weise abzustimmen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 - II ZR 243/81, ZIP 1983, 297, 298; Urteil vom 27. Oktober 1986 - II ZR 240/85, ZIP 1987, 293, 295; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 12 - Schutzgemeinschaftsvertrag II [zur AG]). Dabei ist aber zwischen der schuldrechtlichen und der korporationsrechtlichen Ebene zu unterscheiden. Ein Stimmbindungsvertrag bindet grundsätzlich nur die Vertragsparteien (BGH, Urteil vom 15. März 2010 - II ZR 4/09, ZIP 2010, 1541 Rn. 8; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 20 - Schutzgemeinschaftsvertrag II). Verletzt ein Gesellschafter ein solches mit einem Mitgesellschafter getroffenes Abkommen, indem er abredewidrig abstimmt, so ist der auf diese Weise zustande gekommene Beschluss grundsätzlich nicht anfechtbar, vielmehr ist der Streit um die Rechtsfolgen des Verstoßes unter den an der Bindung Beteiligten und nicht mit der Gesellschaft auszutragen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 - II ZR 243/81, ZIP 1983, 297, 298).

Noch weniger folgt aus einer vertraglichen Pflichtverletzung die Nichtigkeit des Beschlusses entsprechend § 241 Nr. 3 AktG, weil in dem privatautonom begründeten Stimmbindungsvertrag die individuellen und verzichtbaren Interessen der Vertragspartner zum Ausdruck kommen, er aber nicht zu den tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts gehört (vgl. OLG Koblenz, NJW 1986, 1692, 1693; OLG Koblenz, NJW 1991, 1119, 1120; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Dezember 1998 - 14 U 31/98, juris Rn. 46; OLG Saarbrücken, GmbHR 2005, 546, 548; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 47 Rn. 77; BeckOGK GmbHG/Denga, Stand 15.10.2023, § 47 Rn. 70; MünchKommGmbHG/ Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 254; BeckOGK GmbHG/Dubovitskaya, Stand 1.4.2024, § 38 Rn. 92; Hillmann in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 47 GmbHG Rn. 91 f.; Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 47 Rn. 86 Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 47 Rn. 117; BeckOK GmbHG/Schindler, Stand 1.8.2023, § 47 Rn. 72; Scholz/ K. Schmidt/Bochmann, GmbHG, 13. Aufl., § 47 Rn. 53; MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 38 Rn. 24; Leuschner/Enneking, ZIP 2024, 1229, 1234 f.).

(b) Die Rechtsfolgen einer Verletzung des gegenüber Nichtgesellschaftern eingegangenen schuldrechtlichen Stimmbindungsvertrags, der zulässig seinkann (BGH, Urteil vom 29. Mai 1967 - II ZR 105/66, BGHZ 48, 163, 166 ff.; Urteil vom 7. Februar 1983 - II ZR 25/82, ZIP 1983, 432 f.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 - II ZR 375/13, AG 2014, 705 [zur AG]), reichen nicht weiter als die Folgen, die eine Verletzung einer gegenüber Mitgesellschaftern eingegangenen Stimmbindungsverpflichtung haben kann (oben (a)). Ob auch Stimmbindungsverträge mit Nichtgesellschaftern zulässig sind, die sich, wie Ziffer 3 des Hannover-96-Vertrags, auf Satzungsänderungen beziehen, ist im Schrifttum umstritten (bejahend: BeckOGK GmbHG/Born, Stand 1.5.2024, § 53 Rn. 216; MünchKommGmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 245; Ganzer in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 47 Rn. 37; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 47 Rn. 113; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 47 Rn. 504; Leuschner/Enneking, ZIP 2024, 1229, 1233; verneinend: Füller in Ensthaler/Füller, GmbHG, 3. Aufl., § 47 Rn. 13; differenzierend: Scholz/Priester/Tebben, GmbHG, 12. Aufl., § 53 Rn. 36; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 13. Aufl., § 47 Rn. 42; Hillmann in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 47 GmbHG Rn. 90; Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 47 Rn. 80, 82; jeweils mwN), bedarf im Streitfall aber keiner Entscheidung.

Ebenso wenig muss entschieden werden, ob der Verein im Streitfall deswegen nicht an den Zustimmungsvorbehalt aus Ziffer 3 des Hannover-96-Vertrags gebunden war, weil die Sales & Service KG, wäre sie Gesellschafterin der Beklagten, vom Stimmrecht bei der Abberufung des Klägers als Geschäftsführer aus wichtigem Grund ausgeschlossen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1967 - II ZR 105/66, BGHZ 48, 163, 166; OLG Frankfurt, Urteil vom 16. September 1999 - 1 U 137/98, juris Rn. 44; MünchKommGmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 247 mwN) oder weil bei einer Abberufung des Geschäftsführers aus wichtigem Grund eine anderweitige Stimmbindung im Hinblick auf die Treuepflicht des Gesellschafters keine Wirkung entfalten könnte (vgl. BGH, Urteil vom 4. November 1976 - II ZR 50/75, WM 1977, 525, 528 f. [zur OHG]; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 17 - Schutzgemeinschaftsvertrag II; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 47 Rn. 21; MünchKommGmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 249; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 47 Rn. 514).

(c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich die Nichtigkeit des angegriffenen Beschlusses auch nicht aus den prozesswirtschaftlichen Erwägungen ableiten, die den Senat veranlasst haben, ausnahmsweise die Anfechtbarkeit eines unter Verletzung einer von allen Gesellschaftern untereinander eingegangenen Bindung zustande gekommenen Beschlusses anzunehmen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 - II ZR 243/81, ZIP 1983, 297, 298; Urteil vom 27. Oktober 1986 - II ZR 240/85, ZIP 1987, 293, 295; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. Juni 1993 - II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 20). Eine von sämtlichen Gesellschaftern untereinander eingegangene Bindung ist einem mit Nichtgesellschaftern vereinbarten schuldrechtlichen Zustimmungsvorbehalt schon nicht vergleichbar (unten (aa)). Zudem besagt die prozessuale Anfechtbarkeit eines Beschlusses nichts über seine materiell-rechtliche Nichtigkeit (unten (bb)). Schließlich widerspricht die Nichtigkeitsfolge der auf das Verhältnis der Vertragsparteien beschränkten Bindungswirkung des Zustimmungsvorbehalts (unten (cc)).

(aa) Unterwirft sich der Alleingesellschafter in Angelegenheiten der Gesellschaft gegenüber einem Nichtgesellschafter einem schuldrechtlichen Zustimmungsvorbehalt, ist diese Vereinbarung nicht zugleich eine solche der Gesellschaft. Sie kann nicht mit gesellschaftsrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden, weil ihr Gläubiger außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses steht (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Dezember 1998 - 14 U 31/98, juris Rn. 46; Scholz/K. Schmidt/Bochmann, GmbHG, 13. Aufl., § 47 Rn. 19; Goette, RWS-Forum 8, Gesellschaftsrecht 1995, 113, 127). Vielmehr obliegt es dem aus dem Zustimmungsvorbehalt Berechtigten, seine Ansprüche gegen den daraus Verpflichteten außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses durchzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 29. Mai 1967 - II ZR 105/66, BGHZ 48, 163, 170 f.).

(bb) Anders als das Berufungsgericht meint, handelt es sich dabei nicht um eine "unnötige Förmelei", sondern um den für Nichtgesellschafter einzigen Weg, schuldrechtliche Vereinbarungen mit dem Alleingesellschafter durchzusetzen. Die Anfechtungsklage ist, von Sonderfällen abgesehen, den nach § 16 Abs. 1 GmbHG zu bestimmenden rechtlichen Gesellschaftern vorbehalten (BGH, Urteil vom 28. Januar 1980 - II ZR 84/79, BGHZ 76, 154, 159; Urteil vom 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Rn. 26, 34; Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, ZIP 2008, 2215 Rn. 11; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 58). Die Nichtgesellschaftern offenstehende Möglichkeit, die Nichtigkeit eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung durch eine allgemeine Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO feststellen zu lassen, soweit sie ein Feststellungsinteresse haben (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Rn. 34; Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, ZIP 2008, 2215 Rn. 11; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 58), setzt die Nichtigkeit des Beschlusses voraus, begründet sie aber nicht.

(cc) Die Auffassung des Berufungsgerichts überdehnt auch den Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse. Da nichtige Beschlüsse von Anfang an keine Rechtswirkungen entfalten und die Nichtigkeit von jedermann geltend gemacht werden kann (BGH, Urteil vom 16. Dezember 1953 - II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 239; Urteil vom 28. Januar 1980 - II ZR 84/79, BGHZ 76, 154, 159), würden sich schuldrechtliche Pflichtverletzungen unabhängig von dem Willen des Gläubigers und auch zugunsten von Personen auswirken, die, wie der Kläger, weder an dem Stimmbindungsvertrag beteiligt sind noch sonst daraus Ansprüche ableiten können.

(2) Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses auch nicht damit begründen, dass das von ihm angenommene kompetenz- und vertragswidrige Verhalten des Vereins ansonsten "innergesellschaftlich sanktionslos" bliebe.

(a) Der vom Berufungsgericht gezogene Schluss von der Unanfechtbarkeit auf die Nichtigkeit hat in § 243 Nr. 3 AktG keine Stütze. Auch sonst gibt es keinen Rechtssatz, nach dem eine Verletzung der Satzung stets gesellschaftsrechtlichen Sanktionen unterliegen müsse. Vielmehr entspricht es dem Wesen der GmbH, dass ein die Satzung verletzender Beschluss nicht mit Erfolg angefochten werden kann, wenn es an einer zur Anfechtung befugten Person fehlt.

(b) Die Nichtigkeit eines vertragswidrig zustande gekommenen Beschlusses lässt sich daher auch nicht mit der Erwägung begründen, sie sei zur Durchsetzung des Zustimmungsvorbehalts, dem sich der Verein unterworfen habe, erforderlich (so aber Otte, RFamU 2023, 197, 200; ähnlich Mock, ZIP 2022, 2369, 2372). Da zwischen der schuldrechtlichen und der korporationsrechtlichen Ebene zu unterscheiden ist, wirkt sich eine vertragliche Pflichtverletzung nicht unmittelbar auf das Gesellschaftsverhältnis aus. Vielmehr bestimmen sich ihre Rechtsfolgen grundsätzlich im Verhältnis der Vertragsparteien nach den von ihnen privatautonom begründeten Regeln (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 - II ZR 243/81, ZIP 1983, 297, 298; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 20 - Schutzgemeinschaftsvertrag II; Kablitz, EWiR 2023, 521, 522; Lüttenberg, GmbHR 2023, 453, 455 f.).

cc) Schließlich lässt sich aus der vom Berufungsgericht angenommenen Kombination von Kompetenz- und Vertragswidrigkeit des Gesellschafterbeschlusses keine Verletzung tragender Strukturprinzipien des GmbH-Rechts ableiten. Da weder die Inanspruchnahme der nach der Satzung dem Aufsichtsrat zustehenden Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers noch die Missachtung des schuldrechtlichen Zustimmungsvorbehalts durch den Verein für sich betrachtet das Wesen der GmbH berühren, kann im Grundsatz und so auch hier nichts Anderes gelten, wenn der Beschluss sowohl Satzung als auch Vertrag verletzt.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts rechtfertigen die getroffenen Feststellungen auch nicht die Annahme, dass der Beschluss über die Abberufung des Klägers sittenwidrig und damit entsprechend § 241 Nr. 4 AktG nichtig sei.

a) Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH sind entsprechend § 241 Nr. 4 AktG nur dann nichtig, wenn sie durch ihren Inhalt gegen die guten Sitten verstoßen. Der Beschluss muss also "für sich allein betrachtet" gegen die guten Sitten verstoßen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1954 - II ZR 291/53, BGHZ 15, 382, 384 f.; Urteil vom 1. Juni 1987 - II ZR 128/86, BGHZ 101, 113, 116; Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 374 f.; Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21, ZIP 2023, 355 Rn. 29).

Beschlüsse, bei denen nicht der eigentliche Beschlussinhalt, sondern "nur" Beweggrund oder Zweck gegen die guten Sitten verstößt, oder bei denen die Sittenwidrigkeit in der Art des Zustandekommens liegt, sind lediglich anfechtbar (BGH, Urteil vom 1. Juni 1987 - II ZR 128/86, BGHZ 101, 113, 116; Urteil vom 16. Dezember 1991 - II ZR 58/91, BGHZ 116, 359, 374 f.; Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21, ZIP 2023, 355 Rn. 29).

Das Berufungsgericht hat, insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats, Nichtigkeit auch dann angenommen, wenn der Beschluss seinem Wortlaut nach keine Sittenwidrigkeit beinhaltet, aber seinem inneren Gehalt nach in einer sittenwidrigen Schädigung nicht anfechtungsberechtigter Personen besteht, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass sich die Gesellschafter durch eine geeignete Fassung ihrer Beschlüsse über jedes Gebot der guten Sitten hinwegsetzen könnten (BGH, Urteil vom 8. Dezember 1954 - II ZR 291/53, BGHZ 15, 382, 385 f.; Urteil vom 1. Juni 1987 - II ZR 128/86, BGHZ 101, 113, 116 f.; OLG Dresden, NZG 1999, 1109; OLG Nürnberg, NZG 2000, 700, 702; OLG Karlsruhe, NZG 2013, 818, 819 [zum Strafrecht]; BeckOGK AktG/Drescher, Stand 1.2.2024, § 241 Rn. 255; Koch, AktG, 18. Aufl., § 241 Rn. 21; BeckOK GmbHG/Leinekugel, Stand 1.2.2024, § 47 Anhang Rn. 27; MünchKommAktG/Schäfer, 5. Aufl., § 241 Rn. 70; Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 241 Rn. 65; MünchKommGmbHG/Wertenbruch, 4. Aufl., Anh. § 47 Rn. 111).

b) Die Bewertung eines Verhaltens als sittenwidrig ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt (BGH, Urteil vom 20. Juli 2017 - IX ZR 310/14, ZIP 2017, 1571 Rn. 17; Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21, ZIP 2023, 355 Rn. 23). Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen  nicht, dass der Handelnde eine vertragliche Pflicht oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 - VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380 Rn. 8; Urteil vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12, ZIP 2014, 82 Rn. 9; Urteil vom 20. Juli 2017 - IX ZR 310/14, ZIP 2017, 1571 Rn. 16; Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21, ZIP 2023, 355 Rn. 23 mwN). Der anzulegende Maßstab der guten Sitten bestimmt sich zu[1]dem nach dem jeweiligen gesetzlichen Rahmen, weil dieser die berechtigten Verhaltenserwartungen des angesprochenen begrenzten Verkehrskreises beeinflusst (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1989 - II ZR 334/87, ZIP 1989, 1390, 1394; Staudinger/Oechsler, BGB, Neubearbeitung 2021, § 826 Rn. 58 f.). Schließlich darf sich die Nichtigkeitsfolge nicht in Widerspruch mit anderen gesetzlichen Wertungen setzen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1962 - II ZR 252/59, WM 1962, 419; Urteil vom 25. April 1966 - II ZR 80/65, WM 1966, 614).

c) Nach diesen Grundsätzen ist eine sittenwidrige Schädigung zu verneinen. Indem das Berufungsgericht die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens des Vereins aus dem von ihm festgestellten bewussten Unterlaufen der satzungsmäßigen Kompetenzverteilung und dem Bewusstsein der im Hannover-96-Vertrag eingegangenen Bindung abgeleitet hat, hat es den Begriff der Sittenwidrigkeit überdehnt. Der Grad des Verschuldens einer Satzungs- und Pflichtverletzung indiziert hier für sich alleine keine sittenwidrige Schädigung.

aa) In der Inanspruchnahme der nach der Satzung dem Aufsichtsrat zustehenden Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung liegt keine sittenwidrige Schädigung Dritter.

Der bloße Verstoß gegen eine Satzungsbestimmung macht einen Gesellschafterbeschluss anfechtbar, aber nicht nichtig (BGH, Urteil vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366). Bei einem Kompetenzkonflikt zwischen der Gesellschafterversammlung und dem fakultativen Aufsichtsrat sind, soweit die Satzung nichts Anderes vorsieht, weder der Aufsichtsrat noch seine Mitglieder allgemein zur Anfechtung von kompetenzwidrig gefassten Gesellschafterbeschlüssen befugt (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 47 Rn. 85 f.; Drescher in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 245 AktG Rn. 23; Ganzer in Rowedder/ Pentz, GmbHG, 7. Aufl., Anh. § 47 Rn. 47; Hillmann in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., Anhang § 47 GmbHG Rn. 10; Raiser/Schäfer in Habersack/Casper/ Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., Anhang nach § 47 Rn. 165 f.; Teichmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., Anhang zu § 47 Rn. 62 f.). Danach hat das von einem kompetenzwidrig gefassten Gesellschafterbeschluss unmittelbar betroffene Gesellschaftsorgan die Verletzung der Satzung hinzunehmen. Diese innergesellschaftliche Risikozuweisung kann nicht durch die Annahme der Sittenwidrigkeit eines derartigen Beschlusses, der regelmäßig im Bewusstsein der Verletzung der Satzung gefasst werden wird, unterlaufen werden. Noch weniger lässt sich die Sittenwidrigkeit des Abberufungsbeschlusses damit begründen, dass der Verein mit ihm zugleich die "Machtbalance" innerhalb der von der Beklagten, der KGaA und der Sales & Service KG gebildeten Organisationsstruktur sowie die in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Entsenderechte in den Aufsichtsrat missachtet habe (aA Mock, ZIP 2022, 2369, 2372). Solche von dem angegriffenen Beschluss mittelbar betroffenen Interessen und Rechte werden jedenfalls nicht stärker geschützt als das übergangene Gesellschaftsorgan selbst (vgl. zur Beschränkung der Haftung aus § 826 BGB unter Schutzzweckgesichts[1]punkten BGH, Urteil vom 20. Februar 1979 - VI ZR 189/78, NJW 1979, 1599, 1600; Urteil vom 11. November 1985 - II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, 236 f.; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 15).

bb) Ebenso wenig liegt in der Verletzung eines Stimmbindungsvertrags ohne Weiteres eine sittenwidrige Schädigung der Vertragspartner, selbst wenn sie, was regelmäßig der Fall sein wird, vorsätzlich erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1962 - II ZR 252/59, WM 1962, 419; Urteil vom 25. April 1966 - II ZR 80/65, WM 1966, 614; BeckOK BGB/Förster, Stand 1.5.2024, § 826 Rn. 68; Schwab in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 241 Rn. 32; MünchKommBGB/Wagner, 9. Aufl., § 826 Rn. 103; Lüttenberg, GmbHR 2023, 453, 455 f.; tendenziell auch Leuschner/Enneking, ZIP 2024, 1229, 1235; aA BeckOK GmbHG/Leinekugel, Stand 1.2.2024, § 47 Anhang Rn. 27.3; Staudinger/ Oechsler, BGB, Neubearbeitung 2021, § 826 Rn. 322; Arntzen/Schweneke/ Abele, jurisPR-HaGesR 3/2023 Anm. 5; Mock, ZIP 2022, 2369, 2372).

Die Annahme der Sittenwidrigkeit eines unter bewusster Missachtung eines Stimmbindungsvertrags zustande gekommenen Beschlusses der Gesellschafterversammlung über die Abberufung eines Geschäftsführers würde wiederum dem Grundsatz widersprechen, nach dem zwischen der schuldrechtlichen und der korporationsrechtlichen Ebene zu unterscheiden ist und vereinbarungswidrig zustande gekommene Beschlüsse nicht anfechtbar sind (BGH, Urteil vom 20. Januar 1983 - II ZR 243/81, ZIP 1983, 297, 298; Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 20 - Schutzgemeinschaftsvertrag II). Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung beschränken sich grundsätzlich auf das Verhältnis der am Schuldverhältnis Beteiligten, haben aber keine Wirkung nach außen (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1966 - II ZR 80/65, WM 1966, 614). Sonst würde bis zur Klärung dieser Pflichtverletzung in der Schwebe bleiben, ob der Geschäftsführer die Gesellschaft weiter vertreten kann, und bei Feststellung der Nichtigkeit wären, wenngleich unter Berücksichtigung des durch das Handelsregister vermittelten Schutzes nach § 15 Abs. 1 HGB, § 39 Abs. 1 Fall 2 GmbHG (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2024 - II ZR 220/22, ZIP 2024, 567 Rn. 26), die  von ihm in Vertretung der Gesellschaft vorgenommenen Rechtsakte in Frage gestellt. Das sind Folgen, die für die bloße Verletzung eines Stimmbindungsvertrags nicht in Kauf genommen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1962 - II ZR 252/59, WM 1962, 419; Urteil vom 25. April 1966 - II ZR 80/65, WM 1966, 614 [jeweils zur Verletzung eines Treuhandverhältnisses]).

cc) Schließlich führt auch eine Gesamtbetrachtung zu keinem anderen Ergebnis. Dabei kann auf sich beruhen, ob der von dem Berufungsgericht angenommene Verstoß des Vereins sowohl gegen die Satzung als auch den schuldrechtlichen Zustimmungsvorbehalt das Gewicht der Pflichtverletzungen erhöht (vgl. Arntzen/Schweneke/Abele, jurisPR-HaGesR 3/2023 Anm. 5). Denn auch dann ist im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen, dass der Alleingesellschafter unter Inkaufnahme der mit einer Vertragsverletzung verbundenen Folgen die Satzung ändern und die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers an sich ziehen kann (§§ 53, 54 GmbHG). Dass der Verein von einer förmlichen Satzungsänderung keinen Gebrauch gemacht, sondern sich auf eine Satzungsdurchbrechung beschränkt hat, stellt sich entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht als besonders verwerflich dar. Dieses Vorgehen ist aber am Maßstab der §§ 53, 54 GmbHG zu messen (unten III. 1.).

dd) Eine Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses wegen einer sittenwidrigen Schädigung nicht anfechtungsbefugter Personen käme danach allenfalls in Betracht, wenn sich das Verhalten des Vereins nicht in der Kompetenz- und Vertragspflichtverletzung erschöpft hätte, sondern darüberhinausgehende die Verwerflichkeit begründende Umstände vorlägen. Solche Umstände hat das Berufungsgericht indes nicht festgestellt. Es hat auch keinen dahingehenden Vortrag des Klägers beurkundet. Derartige Umstände sind auch sonst nicht ersichtlich.

Insbesondere liegt in dem Verhalten des Vereins keine sittenwidrige Ausnutzung einer formalen Rechtsposition (vgl. dazu BGH, Urteil vom 1. Juni 1987 - II ZR 128/86, BGHZ 101, 113, 121; Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21, ZIP 2023, 355 Rn. 31; OLG Dresden, NZG 1999, 1109 f.; BeckOK GmbHG/ Leinekugel, Stand 1.2.2024, § 47 Anhang Rn. 27.1), weil die nur schuldrechtliche Stimmbindung die rechtliche Gesellschafterstellung nicht beschränkt. Auch stellt, wie schon das Landgericht zutreffend angenommen hat, die durch die Abberufung des einzigen Geschäftsführers bedingte Führungslosigkeit der Beklagten keine besonders verwerfliche Folge dar (vgl. Beurskens in Noack/ Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 38 Rn. 2; BeckOGK GmbHG/Dubovitskaya, Stand 1.4.2024, § 38 Rn. 19; Terlau in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 38 Rn. 4; jeweils mwN). Es ist Sache der dazu berufenen Gesellschaftsorgane, durch die Bestellung eines Geschäftsführers die Führungslosigkeit der Beklagten zu beenden.

III. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Der notariell beurkundete Abberufungsbeschluss ist, anders als das Landgericht angenommen hat, nicht unter dem Gesichtspunkt einer zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung nichtig.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine einen Einzelfall regelnde Satzungsdurchbrechung im Grundsatz auch ohne Einhaltung der formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung möglich, wenn sie sich auf eine punktuelle Regelung beschränkt, bei der sich die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme erschöpft (BGH, Urteil vom 11. Mai 1981 - II ZR 25/80, ZIP 1981, 1205, 1206; Urteil vom 7. Juni 1993 - II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 19; Urteil vom 19. Mai 2016 - II ZR 342/14, BGHZ 210, 186 Rn. 17; Urteil vom 20. August 2019 - II ZR 121/16, ZIP 2019, 1805 Rn. 24; Urteil vom 11. Juli 2023  - II ZR 98/21, ZIP 2023, 1638 Rn. 17; BFHE 278, 231 Rn. 23). Nichtig sind hingegen Satzungsdurchbrechungen, die einen von der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand begründen, wenn die für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften nicht eingehalten werden (BGH, Urteil vom 7. Juni 1993 - II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 19; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17,BGHZ 222, 323 Rn. 70; Urteil vom 11. Juli 2023 - II ZR 98/21, ZIP 2023, 1638 Rn. 17; BFHE 278, 231 Rn. 22). Sie bedürfen der notariellen Beurkundung (§ 53 Abs. 3 GmbHG), die auch die genau bestimmte Änderung des Satzungstextes umfasst, damit daraus der nach § 54 Abs. 1 Satz 2 GmbHG der Anmeldung beizufügende vollständige Wortlaut der geänderten Satzung abgeleitet werden kann (OLG Köln, GmbHR 2019, 188, 189; BeckOGK GmbHG/Born, Stand 1.5.2024, § 53 Rn. 66; Gummert in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 53 Rn. 10; Scholz/Priester/Tebben, GmbHG, 12. Aufl., § 53 Rn. 30; Ulmer/Casper in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 53 Rn. 38; Priester, ZHR 151 [1987], 40, 55 f.; aA Leitzen in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 53 Rn. 16; Lawall, DStR 1996, 1169, 1173; Pöschke, DStR 2012, 1089, 1093; differenzierend: MünchKommGmbHG/Harbarth, 4. Aufl., § 53 Rn. 51). Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass solche eine Dauerwirkung entfaltenden Abweichungen von der Satzung nicht nur gesellschaftsinterne Bedeutung haben, sondern auch den Rechtsverkehr einschließlich etwaiger später eintretender Gesellschafter berühren. Dem Schutz des Rechtsverkehrs dient die Registerpublizität auch in Fragen, in denen es nicht etwa nur um die Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft geht. Denn zum Handelsregister ist die gesamte Satzungsurkunde einzureichen; gibt sie den materiellen Satzungsinhalt nicht richtig und vollständig wieder, dann wird der Rechtsverkehr über die Verhältnisse der Gesellschaft entgegen dem mit der Registerpublizität verfolgten Zweck unzutreffend informiert (BGH, Urteil vom 7. Juni 1993 - II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 19; BFHE 278, 231 Rn. 27).

b) Nach diesen Maßstäben muss ein Beschluss der nach der Satzung unzuständigen Gesellschafterversammlung über die Abberufung eines Geschäftsführers nicht die für eine Satzungsänderung geltenden Formvorschriften einhalten (BeckOGK GmbHG/Born, Stand 1.5.2024, § 53 Rn. 72; MünchKommGmbHG/Harbarth, 4. Aufl., § 53 Rn. 52; Priester, ZHR 151 [1987], 40, 52; Scholz/K. Schmidt/Bochmann, GmbHG, 13. Aufl., § 45 Rn. 9; im Ergebnis auch Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 53 Rn. 64 f.; Noack in Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 53 Rn. 50; Ulmer/Casper in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 53 Rn. 36, 39 aE; Leuschner/Enneking, ZIP 2024, 1229, 1233; aA Hoffmann/Bartlitz in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 53 Rn. 58 f.; Koch, AktG, 18. Aufl., § 179 Rn. 7; Mock, ZIP 2022, 2369, 2371 f.; Lüttenberg, GmbHR 2023, 453, 455; wohl auch Peterseim, Satzungsdurchbrechung, 2020, S. 139 ff.; Selentin, Satzungsdurchbrechungen, 2019, S. 60; offenlassend für den Abschluss eines befristeten Anstellungsvertrags durch ein unzuständiges Organ: BGH, Urteil vom 20. August 2019 - II ZR 121/16,  ZIP 2019, 1805 Rn. 24).

aa) Die Abberufung eines Geschäftsführers durch die nach der Satzung dafür nicht zuständige Gesellschafterversammlung begründet keinen von der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand (vgl. MünchKommGmbHG/ Harbarth, 4. Aufl., § 53 Rn. 52; Zöllner, Festschrift Priester, 2007, S. 879, 889; aA Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 53 Rn. 64; Habersack, ZGR 1994, 354, 362 f.; jeweils für die Bestellung eines Geschäftsführers). Die Verletzung der Satzung betrifft das Zustandekommen des Beschlusses und erledigt sich spätestens mit seiner Bekanntgabe an den Geschäftsführer. Die Beendigung des Organverhältnisses ist kein satzungswidriger rechtlicher Zustand. Sie wäre auch eingetreten, wenn der Geschäftsführer sein Amt in Übereinstimmung mit der Satzung verloren hätte.

bb) Die Einhaltung der Förmlichkeiten einer Satzungsänderung ist auch nicht unter Berücksichtigung des mit der Registerpublizität bezweckten Schutzes des Rechtsverkehrs geboten. Interessen des Rechtsverkehrs sind nicht betroffen, wenn der Beschluss nicht materiell einer Satzungsänderung gleichkommt (BGH, Urteil vom 7. Juni 1993 - II ZR 81/92, BGHZ 123, 15, 19; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 53 Rn. 29; Priester, ZHR 151 [1987], 40, 55). Maßgebend für die Beurteilung sind daher nicht die Auswirkungen des Beschlusses, sondern sein konkreter Regelungsgehalt (Bayer in Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 53 Rn. 27; BeckOGK GmbHG/Born, Stand 1.5.2024, § 53 Rn. 72; Scholz/K. Schmidt/Bochmann, GmbHG, 13. Aufl., § 45 Rn. 49). Daran gemessen berührt ein unter Missachtung der in der Satzung festgelegten Kompetenzordnung gefasster Beschluss über die Abberufung eines Geschäftsführers nicht die schützenswerten Interessen des Rechtsverkehrs (aA Mock, ZIP 2022, 2369, 2371).

(1) Die zum Handelsregister eingereichte Satzungsurkunde der Beklagten informiert den Rechtsverkehr nach wie vor zutreffend über die Verhältnisse der Gesellschaft, insbesondere die Kompetenz des Aufsichtsrats zur Abberufung des Geschäftsführers. Die Einsichtnahme in den zum Handelsregister eingereichten Abberufungsbeschluss (§ 9 HGB, § 54 Abs. 2 GmbHG) würde sich in der Erkenntnis erschöpfen, dass die Gesellschafterversammlung in der Vergangenheit in Abweichung von der Satzungsregelung einmalig die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers in Anspruch genommen hat. Eine für den Rechtsverkehr relevante und fortwirkende Regelung, auf die er sich einstellen können müsste, ergäbe sich daraus nicht. Die Publizitätsfunktion des Handelsregisters schützt aber nicht das Vertrauen des Rechtsverkehrs darin, dass in der Vergan[1]enheit ausschließlich Beschlüsse unter Beachtung der Vorgaben der Satzung gefasst wurden (vgl. BFHE 278, 231 Rn. 29; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 53 Rn. 65; BeckOGK AktG/Drescher, Stand 1.2.2024, § 243 Rn. 56; Noack in  Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 53 Rn. 47; Scholz/Priester/Tebben, GmbHG, 12. Aufl., § 53 Rn. 30a; Pöschke, Satzungsdurchbrechende Beschlüsse in GmbH und AG, 2020, S. 239 f.; Priester, ZHR 151 [1987], 40, 53; aA Tieves, ZIP 1994, 1341, 1346 f.).

(2) Der Revisionserwiderung ist nicht darin zu folgen, dass sich aus einer mit dem Abberufungsbeschluss verbundenen Änderung der "Machtverhältnisse" in der Beklagten zugunsten des Vereins die Notwendigkeit ergebe, die Förmlichkeiten einer Satzungsänderung einzuhalten. Dabei handelt es sich lediglich um tatsächliche Auswirkungen des Beschlusses, die sich nicht aus dem Regelungsgehalt des Beschlusses ergeben und keinen Bezug zur Satzung haben.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ändert es im Streitfall auch nichts, dass die Beklagte mit dem Kläger ihren einzigen Geschäftsführer ersatzlos abberufen hat, auch wenn der Aufsichtsrat, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, wegen einer "Pattsituation" zwischen Vereins- und Kapitalseite unfähig zur Bestellung eines Geschäftsführers sein sollte (so  aber Mock, ZIP 2022, 2369, 2371). Zwar führt die Abberufung des einzigen Geschäftsführers zu einem von den Vorgaben der Satzung (§ 6 der Satzung) abweichenden rechtlichen Zustand. Dieser Zustand ist aber keineswegs notwendig mit der Satzungsdurchbrechung verbunden. Er wäre vielmehr auch bei einer in Übereinstimmung mit der Satzung erfolgten Abberufung des Klägers eingetreten und kann wegen entgegenstehender zwingender gesetzlicher Vorgaben (§ 6 Abs. 1 GmbHG) niemals Gegenstand einer Satzungsänderung sein.

Sollte der für die Bestellung eines Geschäftsführers zuständige Aufsichtsrat einer GmbH funktionsunfähig sein, ist die Gesellschafterversammlung im Übrigen nicht daran gehindert, zur Vermeidung einer Führungslosigkeit einen Geschäftsführer zu bestellen (BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 - II ZR 88/53; BGHZ 12, 337, 340; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 52). Diese "Ausfallkompetenz" der Gesellschafterversammlung griffe auch bei kompetenzgerechter Abberufung des Geschäftsführers der Beklagten, sofern sich ihr Aufsichtsrat nicht mehrheitlich auf die Bestellung eines Nachfolgers verstehen könnte. Der Schutzzweck der Registerpublizität wird dadurch nicht berührt.

(3) Eine mögliche Verletzung der Interessen der KGaA oder der Sales & Service KG und der zu ihren Gunsten bestehenden Entsenderechte rechtfertigt keine andere Beurteilung (so aber Mock, ZIP 2022, 2369, 2371). Weder die Publizitätsfunktion des Handelsregisters noch die Vorschriften über die Satzungsänderung (§§ 53, 54 GmbHG) dienen der Durchsetzung der in der Satzung der Beklagten auch im Interesse von Nichtgesellschaftern niedergelegten Kompetenzordnung. Ob sich daran etwas ändert, wenn die Gesellschafterversammlung wiederholt Kompetenzen für sich in Anspruch nimmt, die nach der Satzung dem Aufsichtsrat zugewiesen sind (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 1991 - II ZR 209/90, ZIP 1991, 724, 725; BFHE 278, 231 Rn. 25; Ulmer/Casper in Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 53 Rn. 39c; Pöschke, Satzungsdurchbrechende Beschlüsse in GmbH und AG, 2020, S. 288 ff.; Mock, ZIP 2022, 2369, 2371 f.), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann der Kläger sein Klagebegehren auch nicht im Rahmen einer Anfechtungsklage auf die vom Berufungsgericht angenommene Verletzung der Satzung stützen.

Unabhängig davon, dass die von ihm erhobene allgemeine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) und eine Anfechtungsklage im Hinblick auf ihr Rechtsschutzziel wesensverschieden sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, ZIP 2008, 2215 Rn. 11), fehlt dem Kläger die Anfechtungsbefugnis. Der Geschäftsführer ist, anders als der Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 245 Nr. 4 AktG), nicht zur Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen befugt (BGH, Urteil vom 28. Januar 1980 - II ZR 84/79, BGHZ 76, 154, 159; Urteil vom 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Rn. 26). Der Kläger wird im Hinblick auf seine Anfechtungsbefugnis nicht deshalb einem Gesellschafter gleichgestellt, weil er aufgrund einer mittelbaren Beteiligung an der KGaA ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Beklagten erlangt hat. Denn die Berechtigung zur Erhebung einer Anfechtungsklage gegen einen Abberufungsbeschluss steht als förmliche Voraussetzung der Vernichtung von Gesellschafterbeschlüssen nur dem nach § 16 Abs. 1 GmbHG zu bestimmenden rechtlichen, nicht auch dem wirtschaftlichen Gesellschafter oder dem Treugeber zu (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1962 - II ZR 252/59, WM 1962, 419 f.; Urteil vom 13. Oktober 2008 - II ZR 112/07, ZIP 2008, 2215 Rn. 11; Urteil vom 26. Juni 2018 - II ZR 205/16, ZIP 2018, 1492 Rn. 20; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 58). Mit der allgemeinen Feststellungsklage kann sich der  Geschäftsführer dagegen nur gegen einen nichtigen, also nicht nur anfechtbaren  Beschluss wehren (BGH, Urteil vom 11. Februar 2008 - II ZR 187/06, ZIP 2008, 757 Rn. 34; Urteil vom 2. Juli 2019 - II ZR 406/17, BGHZ 222, 323 Rn. 58).

IV. Die angefochtene Entscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen, weil der angegriffene Gesellschafterbeschluss nicht nichtig ist. Weitere Feststellungen sind nicht zu erwarten. Die maßgeblichen Gesichtspunkte wurden bereits in den Vorinstanzen erörtert.

Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

1 Lawyers


Wirtschaftsrecht / Existenzgründung / Insolvenzrecht / Gesellschaftsrecht / Strafrecht
Languages
EN, DE
{{count_recursive}} Anwälte, die Artikel geschrieben haben, die diesen Urteil erwähnen