Bundesgerichtshof Urteil, 09. Okt. 2000 - II ZR 58/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien waren zu gleichen Teilen Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Vermögen neben Grundbesitz die jeweils 100 %ige Beteiligung an den Unternehmen H. GmbH (im folgenden: H. ) und HS. GmbH umfasste. Durch notariellen Auseinandersetzungsvertrag vom 17. Dezember 1993 lösten die Parteien die BGB-Gesellschaft auf. Der Kläger übertrug seinen Gesellschaftsanteil zumPreise von 3,215 Mio. DM auf den Beklagten. Die Parteien erteilten sich Generalquittung. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluß in Anspruch, weil der Beklagte ihn - unstreitig - nicht darauf hingewiesen hatte, daß Leistungen der H. für sein Privathaus, die noch nicht bezahlt waren, bei Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages nicht in der Buchhaltung der H. oder der BGB-Gesellschaft erfaßt worden waren. Die H. hatte seit 1992 für den Beklagten an seinem Privathaus Umbauarbeiten ausgeführt, deren Wert der Kläger erstinstanzlich mit 264.500,-- DM und im Berufungsverfahren mit 254.500,-- DM angegeben hat. Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hätte ihn auf die fehlende Verbuchung der der H. aus den Umbauarbeiten zustehenden Forderungen hinweisen müssen. Da der Verkehrswert der H. tatsächlich um den ihr von dem Beklagten geschuldeten, aber noch nicht verbuchten Betrag höher gewesen sei, als bei der Auseinandersetzung angenommen, stehe ihm die Hälfte jenes Betrages als Schadensersatz zu. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger in erster Linie sein Zahlungsbegehren in Höhe von 127.500,-- DM nebst Zinsen weiter, hilfsweise verlangt er Zahlung von 60.830,-- DM und ihm von dem Beklagten zu verschaffende Bescheinigungen über angefallene weitere anrechenbare Körperschaftsteuer seitens der H. von 1.800,-- DM für 1993 sowie einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer von der H. von 19.560,-- DM für 1992 und 1.050,-- DM für 1993.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.I.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Generalquittung im Auseinandersetzungsvertrag der Parteien der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs aus Verschulden bei Vertragsschluß nicht entgegensteht. 2. Für das Revisionsverfahren ist ferner davon auszugehen, daß der Beklagte eine ihm dem Kläger gegenüber in bezug auf die Nichtverbuchung der Forderungen der H. obliegende Aufklärungspflicht verletzt hat. Denn das Berufungsgericht hat insoweit lediglich Zweifel angemeldet, aber keine abschließenden Feststellungen getroffen.II.
1. Das Berufungsgericht begründet die Zurückweisung der Berufung des Klägers hinsichtlich des Hauptantrages damit, daß die Höhe des angeblichen Schadens nicht schlüssig dargetan sei. Der Kläger hätte angeben müssen, welche Faktoren für die Bemessung des Firmenwerts maßgebend gewesen seien. Nur bei Kenntnis der für die Höhe seiner Abfindung wertbildenden Faktoren hätte sich beurteilen lassen, inwieweit sich die streitgegenständliche Forderung werterhöhend ausgewirkt hätte. Der Kläger hätte im einzelnen vorrech-nen müssen, welches Abfindungsguthaben sich bei einem zusätzlichen Anspruch der H. in der behaupteten Höhe ergeben hätte. Das hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Dem Berufungsgericht ist zwar in seiner Auffassung beizutreten, daß der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Schadensersatz der Höhe nach nicht ausreichend dargelegt ist. Das Oberlandesgericht hat jedoch verfahrensfehlerhaft den entsprechenden Vortrag des Klägers insgesamt als unsubstantiiert behandelt. 2. Bezüglich des Hauptantrages hat der Kläger vorgetragen, daß bei der Ermittlung der ihm zu zahlenden Abfindung Unternehmen und Grundstücke mit ihren Verkehrswerten angesetzt worden seien. Alle bekannten Umstände seien herangezogen worden, um den Wert der Vermögensgegenstände festzustellen. Die Verbindlichkeiten seien abgezogen worden. Dabei sei man davon ausgegangen, daß seinerzeit alle Umstände offenbart, also bilanziert und verbucht waren. Wenn Forderungen der H. in Höhe von 254.500,-- DM, weil sie nicht verbucht waren, nicht in die Berechnungen eingeflossen sind, ist bei der Ermittlung der Abfindung des Klägers von einem geringeren als dem tatsächlichen Verkehrswert der H. ausgegangen worden. Das kann zur Vereinbarung einer gemessen am Wert seines Gesellschaftsanteils zu niedrigen Abfindung des Klägers geführt haben. Da der Kläger die für die beiden Unternehmen und die Grundstücke ermittelten Verkehrswerte nicht im Einzelnen beziffert hat, läßt sich, wie das Berufungsgericht mit Recht ausgeführt hat, nicht feststellen, inwieweit seine Abfindung zu niedrig bemessen wurde. Ob sie, wovon die Klage ausgeht, um die Hälfte der Summe der nicht verbuchten Ansprüche der H. hätte höher ausfallen müssen, mag
durchaus zweifelhaft sein. Angesichts der Höhe der außer Betracht gebliebenen Forderungen verbietet sich aber die Annahme, ihre Nichtberücksichtigung habe sich auf die Abfindung des Klägers keinesfalls auswirken können. Das gilt auch unter Berücksichtigung dessen, daß die Parteien bei den Wertansätzen eine gewisse Pauschalierung vorgenommen haben. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich aus § 5 Abs. 2 des Auseinandersetzungsvertrages nämlich nicht, daß eine kaufmännische Bewertung des Anlagevermögens überhaupt nicht erfolgt sei. Derartiges trägt auch der Beklagte nicht vor. Unter diesen Umständen hätte das Berufungsgericht den Hauptantrag des Klägers nicht als unbegründet ansehen dürfen, ohne ihn zuvor auf die Unvollständigkeit seines Vortrags zur Schadenshöhe hinzuweisen und ihm Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen zu geben.
III.
Die Zurückverweisung der Sache erfolgt, damit das Berufungsgericht die zur Entscheidung über den Hauptantrag des Klägers zunächst noch erforderlichen Feststellungen treffen kann. Vorsorglich weist der Senat auf folgendes hin: 1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht nach seinen bisherigen Feststellungen kein ausreichender Anlaß, eine Aufklärungspflicht des Beklagten zu bezweifeln. Auch wenn der Kläger wußte, daß der Beklagte Leistungen der H. bei seinem Umbau in Anspruch nahm, ergab sich daraus für ihn nicht, daß die entsprechenden Forderungen der H. gegen denBeklagten nicht zeitnah in den Büchern des Unternehmens erfaßt wurden. Gerade wenn der Kläger, wie dies der Beklagte behauptet, über den erheblichen Umfang der Leistungen der H. durch Besuche vor Ort informiert war, durfte er davon ausgehen, daß die demgemäß ebenfalls nicht geringfügigen Ansprüche der H. laufend verbucht wurden. Die Parteien haben übereinstimmend angegeben, daß die Buchführung in ihren Firmen stets korrekt war. Daher hatte der Kläger zu einer besonderen Kontrolle der Bücher im Hinblick auf die aus dem Umbau erwachsenden Forderungen der H. k eine Veranlassung. Daß er als Geschäftsführer der H. die Möglichkeit zu einer solchen Kontrolle hatte, ändert hieran nichts. Es kann auch nicht angenommen werden, daß die monatlichen Besprechungen, in denen die Geschäftslage der Firmen unter Heranziehung der betriebswirtschaftlichen Auswertungen erörtert wurde, dem Kläger Hinweise auf die Nichtverbuchung geliefert haben. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß sie - anders, als es bei derartigen Besprechungen üblich ist - nicht nur die Gesamtsituation der Unternehmen betrafen, sondern auch die einzelnen Geschäftsvorfälle. Wenn es angebracht gewesen sein sollte, die Leistungen der H. nicht jeweils einzeln zu verbuchen, weil eine Berücksichtigung der Gesamtforderung als Privatentnahme des Beklagten nach Fertigstellung aller Arbeiten in Betracht kam, so wäre ebenfalls eine Aufklärungspflicht des Beklagten anzunehmen dahin, daß die aufgelaufenen Forderungen der H. in deren Büchern nicht festgehalten seien. 2. Mit seinem Hilfsantrag macht der Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ebenfalls seinen Schaden aus der Verletzung der Aufklärungspflicht geltend. Er verlangt die Differenz zwischen dem gemäß § 1 Abs. 4 des Auseinandersetzungsvertrages vom Beklagten übernommenen und durch die Abfindung mitabgegoltenen Negativsaldo seines Gesellschafterkontos, wie
es sich ohne Berücksichtigung der nicht verbuchten Forderungen der H. darstellte, und dem positiven Saldo, der sich bei Einbeziehung jener Forderungen ergeben hätte. Wenn der Kläger im Wege des Schadensersatzes eine zusätzliche Gewinnausschüttung zu erhalten hätte, wäre dies mit dem Anfall weiterer als der bisher berücksichtigten Körperschaft- und Kapitalertragsteuern verbunden. Weil aber der weitere Steueranfall eine Folge der Pflichtverletzung des Beklagten wäre, schuldete dieser dem Kläger auch die Verschaffung der entsprechenden Bescheinigungen. Auf die im Auseinandersetzungsvertrag enthaltene Generalquittung könnte der Beklagte sich insoweit ebenso wenig berufen, wie er dies nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts im Hinblick auf den mit dem Hauptantrag verfolgten Zahlungsanspruch des Klägers kann.
Hesselberger Henze Goette
Kurzwelly Münke
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