Bundesgerichtshof Urteil, 18. Apr. 2005 - II ZR 55/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien waren paritätische Gesellschafter der P. OHG (nachfolgend: OHG). Der Kläger hat seine Beteiligung im Laufe des Rechtsstreits mit Wirkung zum 1. Januar 2002 auf seine Tochter übertragen.
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages dürfen die Gesellschafter einseitig Entnahmen in Höhe ihres Geschäftsführergehalts, der auf dem Kapitalkonto angefallenen Zinsen und der Beträge tätigen, die zur Bezahlung der auf die Beteiligung entfallenden Steuern und Abgaben benötigt werden. Ferner ist in § 11 Abs. 3 Satz 3 folgende Klausel enthalten: "Alle weiteren Entnahmen bedürfen eines Beschlusses der Gesellschafter."
Im Rahmen eines Schriftwechsels ihrer Steuerberater kamen die Parteien , wobei auf seiten des Beklagten dessen Rechtsvorgänger tätig wurde, im Jahre 1984 überein, daß "die nicht für substanzerhaltende Investitionen erforderliche Liquidität paritätisch entnommen" werden dürfe. In den Folgejahren bis 1997 haben die Parteien entsprechend dieser Absprache über die in § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages festgelegten Grenzen hinaus Gelder entnommen.
Der Kläger, der diese Übung für seine Person ab dem Jahre 1998 eingestellt hat, beanstandet die von dem Beklagten fortgesetzte Entnahmepraxis als vertragswidrig. Mit vorliegender Klage hat er von dem Beklagten zunächst die Rückzahlung von "Überentnahmen" in Höhe von 293.910,00 DM an die OHG verlangt; insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit vor dem Landgericht übereinstimmend für erledigt erklärt. Ferner nimmt er den Beklagten auf Unterlassung von Entnahmen in Anspruch, die die vereinbarte Geschäftsführervergütung , die Verzinsung des Guthabens auf dem Privatkonto sowie die Steuern, die mit der Beteiligung an der OHG im Zusammenhang stehen, übersteigen. Der Beklagte hat unter Berufung auf einen vermeintlichen Zinsschaden der OHG widerklagend beantragt, den Kläger zur Zahlung von 375.921,86 DM an ihn zu verurteilen. Das Landgericht hat Klage und Widerklage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Mit der Berufung haben der Kläger sein Unterlassungsbegehren und der Beklagte sein mit der Widerklage geltend gemachtes Zahlungsbegehren, wobei er hilfsweise Zahlung an die OHG verlangt hat, weiterverfolgt. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben, die Widerklage abgewiesen und dem Beklagten die Kosten des gesamten Rechtsstreits auferlegt. Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision wendet sich der Beklagte gegen seine Verurteilung zur Unterlassung von Ent-
nahmen sowie gegen die von dem Oberlandesgericht im Rahmen des § 91 a ZPO getroffene Kostenentscheidung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Beklagte habe gegen die gesellschaftsvertragliche Entnahmeregelung verstoßen. Die Parteien hätten im Jahre 1984 unter Einschaltung ihrer Steuerberater lediglich eine vorläufige, bis auf weiteres verbindliche Übereinkunft getroffen. Damit hätten sie aber keine dauerhafte, für alle Zukunft geltende Änderung des Ge sellschaftsvertrages vereinbart.
II. Diese Ausführungen halten jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand. Das von dem Kläger verfolgte, durch die Übertragung des Gesellschaftsanteils auf seine Tochter gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO in seiner Zulässigkeit unberührte (Sen.Urt. v. 11. Februar 1960 - II ZR 198/59, NJW 1960, 964) Unterlassungsbegehren hat Erfolg, weil die Parteien, nachdem der Kläger eine Beschlußfassung über zusätzliche Entnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages verweigert, weiter an die in § 11 Abs. 3 Satz 1 festgelegten Entnahmegrenzen gebunden sind.
1. Der Würdigung des Berufungsgerichts, daß sich die Parteien im Rahmen der zwischen ihren Steuerberatern im Jahre 1984 geführten Korrespondenz nicht auf eine Änderung der Entnahmeregelung vers tändigt haben, kann lediglich im Ergebnis gefolgt werden. Eine bindende Einigung scheitert bereits an der fehlenden Vertretungsmacht der für die Parteien handelnden Personen.
Der mit einem Steuerberater geschlossene Geschäftsbesorgungsvertrag verstößt gegen Art. 1 § 1 RBerG, wenn dem Steuerberater (auch) die Aufgabe übertragen wird, Änderungen oder Ergänzungen eines Ge sellschaftsvertrages auszuhandeln. Falls ein Sachverhaltskomplex sowohl Fragen steuerlicher als auch allgemeinrechtlicher Art aufwirft, bedarf der Auftraggeber einer fachkundigen Beratung auf beiden Rechtsgebieten. Der Steuerberater wird in seinem beruflichen Aufgabenbereich nicht unbillig eingeschränkt, wenn ein Rechtsanwalt für die inhaltliche Fassung und Abgabe der zivilrechtlich erforderlichen Erklärungen hinzugezogen wird. Beratung allgemeinrechtlicher Art, die - wie die Konzeption eines Gesellschaftsvertrages - nicht zu seinem Wirkungskreis gehört , hat der steuerliche Berater zu unterlassen (BGH, Urt. v. 7. Mai 1992 - IX ZR 151/91, NJW-RR 1992, 1110, 1115). Die dem Steuerberater im Streitfall zum Zwecke einer Vertragsgestaltung erteilte Vollmacht ist darum gemäß § 134 BGB nichtig (Sen.Urt. v. 14. Juni 2004 - II ZR 393/02, WM 2004, 1529 f. m.w.Nachw.).
2. Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend erkannt hat, haben sich die Parteien ab dem Jahre 1984 durch ihre beiderseitige Entnahmepraxis lediglich - wie in § 11 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages ausdrücklich vorgesehen - auf eine vorläufig verbindliche Beschlußfassung über eine Erweiterung der Entnahmebefugnisse geeinigt, aber nicht konkludent eine dauerhaft gültige, die Entnahmerechte grundlegend umgestaltende Vertragsänderung getroffen. Darum kann der Kläger dem Beklagten über den Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages hinausgehende, nicht durch einen Gesellschafterbeschluß nach § 11 Abs. 3 Satz 3 gedeckte Entnahmen verwehren.
Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar die langjährige Übung einer bestimmten Gesellschafterpraxis zu einer stillschweigenden Änderung des Gesellschaftsvertrages führen (BGHZ 132, 263, 271; Sen.Urt. v. 17. Januar 1966 - II ZR 8/64, NJW 1966, 826 f.). Die Parteien haben auch in der Tat während des Zeitraums der Jahre 1984 bis 1997 stillschweigend eine Erweiterung der durch § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages begründeten, anhand der jeweiligen Zweckbestimmung der Beträge näher konkretisierten Entnahmerechte praktiziert. Aus dieser tatsächlichen Vorgehensweise kann aber der Wille , den Gesellschaftsvertrag für alle Zukunft verbindlich abzuändern, nicht hergeleitet werden. Da § 11 Abs. 3 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages eine Beschlußfassung der Gesellschafter über zusätzliche Entnahmen vorsah, waren die Entnahmebefugnisse einer Ausweitung, wie die Revisionserwiderung zutreffend geltend macht, ohne die Notwendigkeit einer Vertragsänderung zugänglich. In der Verfahrensweise der Parteien liegt darum nicht eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, sondern, wofür auch der Verzicht auf die für Vertragsänderungen vorgesehene Schriftform spricht, unter dem Aspekt einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. Sen.Urt. v. 17. Mai 2004 - II ZR 261/01, NJW 2004, 2449) eine (formlos wirksame) Beschlußfassung im Rahmen der bestehenden vertraglichen Regelung. Bei dieser Sachlage konnte sich der Kläger durch die Weigerung, über § 11 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrages hinausgehende Entnahmen hinzunehmen, einer für die Fortsetzung der Entnahmepraxis des Beklagten erforderlichen Beschlußfassung versagen. Da der Beklagte sich weiterhin ungeschmälerter Entnahmerechte berühmt, ist das Unterlassungsbegehren des Klägers begründet.
III. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die von dem Berufungsgericht unter dem Blickpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärung nach § 91 a ZPO getroffene Kostenentscheidung. In Fällen der Teilerledi-
gung endet der Instanzenzug hinsichtlich der Kosten, die sich auf den erledigten Teil erstrecken, auch dann beim Oberlandesgericht, wenn - wie hier - durch Urteil einheitlich über die Kosten befunden wurde und gegen dieses Urteil im übrigen zulässigerweise Revision eingelegt wird (BGHZ 107, 315, 318; Musielak/Wolst, ZPO 4. Aufl. § 91 a Rdn. 53).
Goette Kurzwelly Kraemer
Gehrlein Strohn
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Durch den Gesellschaftsvertrag verpflichten sich die Gesellschafter gegenseitig, die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern, insbesondere die vereinbarten Beiträge zu leisten.
(1) Die Vorschriften des § 126, des § 126a oder des § 126b gelten im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form.
(2) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung und bei einem Vertrag der Briefwechsel. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.
(3) Zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten elektronischen Form genügt, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, auch eine andere als die in § 126a bestimmte elektronische Signatur und bei einem Vertrag der Austausch von Angebots- und Annahmeerklärung, die jeweils mit einer elektronischen Signatur versehen sind. Wird eine solche Form gewählt, so kann nachträglich eine dem § 126a entsprechende elektronische Signierung oder, wenn diese einer der Parteien nicht möglich ist, eine dem § 126 entsprechende Beurkundung verlangt werden.
(1) Eine Gesellschaft, deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes unter gemeinschaftlicher Firma gerichtet ist, ist eine offene Handelsgesellschaft, wenn bei keinem der Gesellschafter die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern beschränkt ist.
(2) Eine Gesellschaft, deren Gewerbebetrieb nicht schon nach § 1 Abs. 2 Handelsgewerbe ist oder die nur eigenes Vermögen verwaltet, ist offene Handelsgesellschaft, wenn die Firma des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen ist. § 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Auf die offene Handelsgesellschaft finden, soweit nicht in diesem Abschnitt ein anderes vorgeschrieben ist, die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gesellschaft Anwendung.
(1) Die Rechtshängigkeit schließt das Recht der einen oder der anderen Partei nicht aus, die in Streit befangene Sache zu veräußern oder den geltend gemachten Anspruch abzutreten.
(2) Die Veräußerung oder Abtretung hat auf den Prozess keinen Einfluss. Der Rechtsnachfolger ist nicht berechtigt, ohne Zustimmung des Gegners den Prozess als Hauptpartei an Stelle des Rechtsvorgängers zu übernehmen oder eine Hauptintervention zu erheben. Tritt der Rechtsnachfolger als Nebenintervenient auf, so ist § 69 nicht anzuwenden.
(3) Hat der Kläger veräußert oder abgetreten, so kann ihm, sofern das Urteil nach § 325 gegen den Rechtsnachfolger nicht wirksam sein würde, der Einwand entgegengesetzt werden, dass er zur Geltendmachung des Anspruchs nicht mehr befugt sei.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.