Bundesgerichtshof Urteil, 30. Jan. 2006 - II ZR 357/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Beklagte ist Gesellschafterin der S. GmbH, über deren Vermögen auf ihren eigenen Antrag vom 7. März 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und in dem der Kläger zum Insolvenzverwalter berufen worden ist. Am 7. März und 5. Mai 1999 hat die Gemeinschuldnerin Teilrückzahlungen auf von der Beklagten gewährte Darlehen geleistet. Hierin sieht der Kläger einen Verstoß gegen die Eigenkapitalersatzregeln und fordert Erstattung des gezahlten Betrages.
- 2
- Das von der Beklagten im Jahr 1988 gewährte Darlehen hatte ursprünglich eigenkapitalersetzenden Charakter. Nach von dem Kläger bestrittener Behauptung der Beklagten soll sich die Gemeinschuldnerin in der Folgezeit erholt haben, so dass die nach den Eigenkapitalersatzregeln ursprünglich bestehende Durchsetzungssperre bei den hier in Rede stehenden Zahlungen entfallen sei; erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 sei eine neue Krisensituation entstanden , die schließlich zur Stellung des Insolvenzantrags genötigt habe.
- 3
- Beide Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist nicht begründet.
- 5
- I. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung der Beklagten darauf gestützt , dass jedenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 135 Nr. 2 InsO i.V.m. §§ 32 a, b GmbHG erfüllt seien. Es hat angenommen, dass die von dem Senat zu § 32 a KO aufgestellten Grundsätze (BGHZ 90, 370, 380 f.) auch nach der Ersetzung der KO durch die InsO Geltung beanspruchen. Demnach komme es allein darauf an, dass die Gesellschaft auf ein früher als eigenkapitalersetzend einzustufendes Gesellschafterdarlehen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrages Leistungen erbracht habe. Dann nämlich werde unwiderleglich vermutet, dass die Gesellschaft sich auch im Zahlungszeitpunkt in der Krise i.S. von § 32 a Abs. 1 Satz 1 GmbHG befunden habe.
- 6
- II. Dies hält den Angriffen der Revision stand. Der Senat sieht keinen Grund, mit Rücksicht auf das Inkrafttreten der InsO, durch die § 32 a Satz 2 KO durch § 135 Nr. 2 InsO ersetzt worden ist, von der in der genannten Leitentscheidung entwickelten Auslegung der Novellenregeln abzugehen; dazu geben entgegen der Ansicht der Revision auch die in Teilen des Schrifttums (vgl. Scholz/K. Schmidt, GmbHG 9. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 54; Altmeppen in Roth/ Altmeppen, GmbHG 5. Aufl. § 32 a Rdn. 51; Pentz in Rowedder/SchmidtLeithoff , GmbHG 4. Aufl. § 32 a Rdn. 66; zustimmend hingegen u.a. Lutter/ Hommelhoff, GmbHG 16. Aufl. § 32 a/b Rdn. 93 und 101; MünchKommInso/ Stodolkowitz, § 135 Rdn. 59; s. auch v. Gerkan in Röhricht/v. Westphalen, HGB § 172 a Rdn. 31; ders. in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts , 2. Aufl. Rdn. 3.97; Michalski/Heidinger, GmbHG §§ 32 a, 32 b Rdn. 89) angeführten Gründe keinen Anlass, die der Senat im Kern bereits seinerzeit (vgl. die Zitate von K. Schmidt, ZGR 1980, 567, 577 f. und Geßler, ZIP 1981, 228, 233) gewürdigt hat. Ist danach im letzten Jahr vor Anbringung des Insolvenzantrags - oder dem nach § 6 AnfG gleichstehenden Zeitpunkt - von der Gesellschaft eine Leistung auf ein Gesellschafterdarlehen erbracht worden, das zuvor eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt hat, ist dem Gesellschafter - anders als im Geltungsbereich der sog. Rechtsprechungsregeln (Sen.Urt. v. 27. November 1989 - II ZR 43/89, ZIP 1990, 98, 100; BGHZ 90 aaO S. 381) - der Nachweis abgeschnitten, dass im Zahlungszeitpunkt eine Krise nicht mehr bestanden hat; im Interesse des von dem Gesetzgeber mit der Schaffung der §§ 32 a und b GmbHG und der zugehörigen Anfechtungsvorschriften beabsichtigten Gläubigerschutzes wird in diesem Fall der Eigenkapitalersatzcharakter der Gesellschafterhilfe für den Zeitpunkt der Leistung unwiderleglich vermutet.
- 7
- Mit den Novellenregeln hat der Gesetzgeber typisierend die Fallgestaltungen erfassen wollen, in denen regelmäßig bestimmte Finanzierungsfolgenentscheidungen der Gesellschafter den Todeskampf der Gesellschaft verlängern. Dem Insolvenzverwalter als dem Vertreter der Gläubigergesamtheit soll durch das Anfechtungsrecht die Möglichkeit eröffnet werden, in einem zügigen und effektiven Verfahren Zahlungen der jetzigen Gemeinschuldnerin an den Gesellschafter zugunsten der Masse rückabzuwickeln. Aus diesem Grund sind in pauschalierender Weise die Zahlungen im letzten Jahr vor der Stellung des Insolvenzantrags in voller Höhe in den Anwendungsbereich der Novellenregeln einbezogen worden. Das Ziel des Gesetzgebers würde nur unvollkommen erreicht werden, wenn dem Gesellschafter zwar der Einwand abgeschnitten wäre, dass die in dem entscheidenden Zeitraum erbrachte Leistung nur teilweise zu Lasten des gebundenen Kapitals der Gesellschaft gegangen ist, ihm aber die Möglichkeit eröffnet würde nachzuweisen, dass sich die spätestens zwölf Monate später fallierte Gesellschaft nicht nur nicht mehr in der Krise befunden hat, sondern dass ihr Stammkapital zwischenzeitlich nachhaltig wieder hergestellt war (Sen.Urt. v. 8. November 2004 - II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 84 m.w.Nachw.). Gerade der hier zu entscheidende Fall belegt die Schwierigkeiten , die sich bei einer Zulassung des Nachweises der Entsperrung durch den Gesellschafter für die zügige Durchsetzung des Anfechtungsrechts ergeben würden. Hier müssten die Auswirkungen der Kapitalerhöhung und Fragen des Rangrücktritts geklärt werden. Ferner wäre unabhängig davon dem Einwand nachzugehen, ob die zur Insolvenzantragstellung führende Krise der Gesellschaft tatsächlich erst in der zweiten Jahreshälfte 1999 völlig unerwartet eingetreten ist.
- 8
- Gerade angesichts der Kürze der Zeiträume, innerhalb derer der Insolvenzverwalter mit Aussicht auf Erfolg anfechten kann, ist es gerechtfertigt, dem Gläubigerschutz durch die Unwiderleglichkeit der Vermutung der Eigenkapitalersatzfunktion Vorrang einzuräumen gegenüber der - selbst nach Ansicht der Kritiker ohnehin selten aussichtsreichen (siehe dazu z.B. Altmeppen in Roth/ Altmeppen aaO) - Möglichkeit des durch den Gesellschafter zu führenden Nachweises der Entsperrung. Bestätigt wird diese Beurteilung des Senats schließlich durch die jüngst veröffentlichten Vorschläge zur Neugestaltung des Eigenkapitalersatzrechts, nach denen - auch im Interesse größerer Rechtssicherheit und einfacherer Handhabbarkeit der Eigenkapitalersatzgrundsätze - die Novellenregeln ausgebaut werden sollen (vgl. Huber/Habersack, BB 2006, 1 ff.).
- 9
- Eine abweichende Beurteilung ist, anders als die Revision meint, auch nicht deswegen veranlasst, weil es nach § 135 Nr. 2 InsO nunmehr nicht auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ankommt (so noch § 32 a KO), sondern die beschriebene Vermutung bereits den Zeitraum von einem Jahr vor Stellung des Insolvenzantrags erfasst. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt des Antrags auf Insolvenzeröffnung in § 135 Nr. 2 InsO diente nur dazu, den insolvenzrechtlichen Anfechtungszeitraum für alle Anfechtungsarten zu vereinheitlichen (BT-Drucks. 12/2443, S. 161 zu § 150 RegEntw.). Den Gesetzesmaterialien kann indessen nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber damit etwa auch die Unwiderlegbarkeit der Vermutung hat beseitigen wollen; im Gegenteil spricht der Umstand, dass in § 135 Nr. 2 InsO keine dem § 136 Abs. 2 InsO vergleichbare Bestimmung aufgenommen worden ist, dafür, dass es bei der dem Gesetzgeber bekannten Handhabung durch die Rechtsprechung bleiben sollte.
Caliebe Reichart
Vorinstanzen:
LG Hagen, Entscheidung vom 05.03.2003 - 8 O 164/02 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 28.10.2003 - 27 U 85/03 -
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Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung
- 1.
Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder - 2.
Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.
(2) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
(3) Wurde dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, so kann der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich; bei der Berechnung ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen, bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend.
(4) § 39 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.
(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt.
(2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Handelsregister ersichtlichen Einlage können sich die Gläubiger nur berufen, wenn die Erhöhung in handelsüblicher Weise kundgemacht oder ihnen in anderer Weise von der Gesellschaft mitgeteilt worden ist.
(3) Eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten die Einlage erlassen oder gestundet wird, ist den Gläubigern gegenüber unwirksam.
(4) Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach Satz 2 sind Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 nicht zu berücksichtigen.
(5) Was ein Kommanditist auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezieht, ist er in keinem Falle zurückzuzahlen verpflichtet.
(6) Gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, gilt die Einlage eines Kommanditisten als nicht geleistet, soweit sie in Anteilen an den persönlich haftenden Gesellschaftern bewirkt ist. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 der Insolvenzordnung oder für eine gleichgestellte Forderung
- 1.
Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels oder danach vorgenommen worden ist, oder - 2.
Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor Erlangung des vollstreckbaren Schuldtitels oder danach vorgenommen worden ist.
Wurde ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 26 Abs. 1 der Insolvenzordnung abgewiesen, bevor der Gläubiger einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat, so beginnt die Anfechtungsfrist mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn nach dem Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger den vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat, drei Jahre verstrichen sind. Wurde die Handlung später vorgenommen, so ist die Anfechtung drei Jahre nach dem Schluss des Jahres ausgeschlossen, in dem die Handlung vorgenommen worden ist.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die für die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines Darlehens im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 oder für eine gleichgestellte Forderung
- 1.
Sicherung gewährt hat, wenn die Handlung in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist, oder - 2.
Befriedigung gewährt hat, wenn die Handlung im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist.
(2) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.
(3) Wurde dem Schuldner von einem Gesellschafter ein Gegenstand zum Gebrauch oder zur Ausübung überlassen, so kann der Aussonderungsanspruch während der Dauer des Insolvenzverfahrens, höchstens aber für eine Zeit von einem Jahr ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden, wenn der Gegenstand für die Fortführung des Unternehmens des Schuldners von erheblicher Bedeutung ist. Für den Gebrauch oder die Ausübung des Gegenstandes gebührt dem Gesellschafter ein Ausgleich; bei der Berechnung ist der Durchschnitt der im letzten Jahr vor Verfahrenseröffnung geleisteten Vergütung in Ansatz zu bringen, bei kürzerer Dauer der Überlassung ist der Durchschnitt während dieses Zeitraums maßgebend.
(4) § 39 Abs. 4 und 5 gilt entsprechend.
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, durch die einem stillen Gesellschafter die Einlage ganz oder teilweise zurückgewährt oder sein Anteil an dem entstandenen Verlust ganz oder teilweise erlassen wird, wenn die zugrundeliegende Vereinbarung im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts oder nach diesem Antrag getroffen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn im Zusammenhang mit der Vereinbarung die stille Gesellschaft aufgelöst worden ist.
(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn ein Eröffnungsgrund erst nach der Vereinbarung eingetreten ist.