Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2018 - II ZR 328/17

published on 20/11/2018 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 20. Nov. 2018 - II ZR 328/17
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Landgericht Saarbrücken, 7 O 116/12, 16/11/2016
Landgericht Saarbrücken, 1 U 153/16, 30/08/2017

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 328/17 Verkündet am:
20. November 2018
Stoll
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:201118UIIZR328.17.0

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher sowie die Richter Wöstmann, Sunder, Dr. Bernau und die Richterin B. Grüneberg

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 30. August 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist, und wie folgt neu gefasst: Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Saarbrücken vom 16. November 2016 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, begehrt von dem Beklagten Schadensersatz wegen nicht genehmigter Nebentätigkeit als Steuerberater.
2
Der Beklagte war von 1998 bis 2008 Geschäftsführer und seit 2002 Mitgesellschafter der Klägerin. Nach § 4 Abs. 1 seines Geschäftsführeranstellungsvertrags (GAV) bedurfte die Übernahme jedweder auf Erwerb gerichteter Nebentätigkeit des Beklagten der Zustimmung der Klägerin. § 12 GAV enthält eine Schiedsklausel für alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrags (GV) darf kein Gesellschafter der Gesellschaft in ihrem Gegenstand Konkurrenz machen. § 20 GV enthält ebenfalls eine Schiedsklausel.
3
Während seiner Tätigkeit für die Klägerin betreute der Beklagte - ohne entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung - auch Mandanten in einer eigenen Steuerberaterkanzlei, die er selbst abrechnete.
4
Die Klägerin fordert mit ihrer Klage Schadensersatz in Höhe von 500.000 € wegen der Verletzung des Geschäftsführeranstellungsvertrags. Der Beklagte hat in einem Schriftsatz vor der mündlichen Verhandlung unter Bezug auf die Schiedsklausel aus § 20 GV geltend gemacht, dass das angerufene Landgericht nicht zuständig sei.
5
Das Landgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor Antragstellung auf Folgendes hingewiesen: "Der Beklagte hat die Einrede des Schiedsvertrages erhoben. Sowohl im Geschäftsführervertrag, dort § 12, und im Gesellschaftsvertrag, dort § 20, ist eine Schiedsklausel enthalten. Der Schiedsvertrag ist jeweils angeheftet. Im Hinblick hierauf geht das Gericht derzeit davon aus, dass die Klage unzulässig ist". Nach Erteilung weiterer Hinweise verhandelten die Parteien streitig zur Sache und stellten ihre Anträge.
6
Auf einen nachgereichten Schriftsatz der Klägerin wies das Landgericht durch Beschluss darauf hin, dass es seine Rechtsansicht über die Wirksamkeit der erhobenen Einrede des Schiedsvertrags revidiere, da streitgegenständlich nur Ansprüche der Klägerin aus der Geschäftsführerstellung des Beklagten seien. Einschlägig sei deshalb nicht der Gesellschaftsvertrag, sondern nur der Geschäftsführeranstellungsvertrag. Auf die Schiedsklausel in § 12 GAV habe sich der Beklagte nicht berufen.
7
Das Landgericht hat der Klage unter Klageabweisung im Übrigen zum Teil stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die den Betrag von 21.900,18 € übersteigende Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom erkennenden Senat zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

8
Die Revision hat Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des Urteils des Oberlandesgerichts zur Abweisung der Klage insgesamt.
9
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:
10
Die Klage sei nicht wegen der vom Beklagten vor dem Landgericht erhobenen Schiedseinrede unzulässig. Diese ausdrücklich auf § 20 GV gestützte Schiedseinrede mache die Klage nicht unzulässig, weil die streitgegenständlichen Schadensersatzansprüche nicht aus dem Gesellschaftsvertrag, sondern aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag herrührten, der in § 12 GAV eine eigene Schiedsklausel enthalte. Es sei erforderlich, dass der Beklagte bei Erhebung der Schiedseinrede die Schiedsvereinbarung, auf die er die Einrede stützen wolle, konkret bezeichne. Der Beklagte habe bis zur ersten mündlichen Verhandlung die Schiedseinrede ausschließlich mit § 20 GV begründet. Die auf § 12 GAV gestützte Schiedseinrede habe er nicht rechtzeitig erhoben. Auch die Erörterungen zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht und den Hinweis des Gerichts auf das Bestehen von zwei Schiedsvereinbarungen habe er nicht zum Anlass genommen, klarzustellen, dass er seine Einrede auch auf § 12 GAV stützen wolle, was naheliegend gewesen wäre, da auch die Anspruchsgrundlage - Verletzung von Pflichten aus dem Geschäftsführeranstellungsvertrag - erörtert worden sei. Es entlaste den Beklagten nicht, dass das Landgericht ebenfalls zunächst davon ausgegangen sei, dass eine ausdrückliche Bezugnahme auf die konkrete Schiedsvereinbarung nicht erforderlich sei.
11
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
12
Die Klage ist wegen der vom Beklagten erhobenen Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO unzulässig.
13
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einrede des Schiedsvertrags an keine Form gebunden. Es genügt, dass der Beklagte seinen Willen hinreichend zum Ausdruck bringt, dass die Sachentscheidung nicht von dem angerufenen staatlichen Gericht, sondern von einem Schiedsgericht getroffen werden soll. Erforderlich ist aber, dass der Beklagte bei Erhebung der Schiedseinrede die Schiedsvereinbarung, auf die er die Einrede stützen will, konkret bezeichnet. Sodann kann das staatliche Gericht entsprechend dem Re- gelungszweck des § 1032 Abs. 1 ZPO vor der Befassung mit der Begründetheit der Klage prüfen, ob die Schiedsvereinbarung seiner Zuständigkeit entgegensteht oder ob sie nichtig, unwirksam oder undurchführbar im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO ist (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - XI ZR 168/08, NJW-RR 2011, 1188 Rn. 28 mwN). Ist die Vorinstanz der Rüge nicht gefolgt, muss sie im Rechtsmittelverfahren wiederholt werden (BAGE 56, 179, 184; BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 - XI ZR 66/08, ZIP 2009, 1540 Rn. 29; Urteil vom 8. Februar 2011 - XI ZR 168/08, NJW-RR 2011, 1188 Rn. 29; MünchKomm ZPO/Münch, 5. Aufl., § 1032 Rn. 16).
14
2. Gemessen hieran hat der Beklagte die Einrede des Schiedsvertrages in allen Instanzen vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache erhoben (§ 1032 Abs. 1 ZPO, § 137 Abs. 1 ZPO).
15
Der Beklagte hat vor der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht schriftsätzlich in Bezug auf die Schiedsklausel in § 20 GV geltend gemacht, dass das angerufene Landgericht nicht zuständig sei. Damit hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass die Sachentscheidung nicht von dem angerufenen Landgericht getroffen werden soll.
16
Dass der Beklagte nicht zugleich auch auf die Schiedsklausel in § 12 GAV Bezug genommen hat, steht dem nicht entgegen. Das Landgericht hat vor Beginn der streitigen mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Beklagte die Schiedseinrede erhoben habe, dass sowohl der Geschäftsführeranstellungsvertrag als auch der Gesellschaftsvertrag eine Schiedsklausel enthalte, der Schiedsvertrag dort jeweils angeheftet sei und es im Hinblick darauf derzeit von der Unzulässigkeit der Klage ausgehe. Deshalb war es unschädlich, dass der Beklagte sich schriftsätzlich lediglich auf die Schiedsklausel in § 20 GV berufen hat. Das Landgericht konnte vor der Befassung mit der Begründetheit der Klage prüfen, ob die ihm vorliegenden Schiedsvereinbarungen seiner Zuständigkeit entgegenstanden, was nach seiner rechtlichen Bewertung auch der Fall war. Durch seinen rechtlichen Hinweis vor Beginn der streitigen Verhandlung hat das Landgericht deutlich gemacht, dass aus seiner Sicht der Beklagte die Schiedseinrede umfassend, auch in Bezug auf § 12 GAV, und somit hinreichend konkret erhoben hatte, weshalb es von einer Unzulässigkeit der Klage ausgehe. Für den Beklagten bestand nach diesen einleitenden Ausführungen der Vorsitzenden im Termin kein Anlass, vor Beginn der streitigen Verhandlung zur Sache und der Antragstellung ergänzend darauf hinzuweisen, dass er sich mit der von ihm ausdrücklich erhobenen Schiedseinrede aus § 20 GV auch auf die Schiedsklausel aus § 12 GAV für die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche berufe.
17
In der Berufungsinstanz hat sich der Beklagte vor der mündlichen Verhandlung in der Berufungsbegründung erneut auf die Schiedseinrede berufen und die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils begehrt, da die im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Ansprüche in die Zuständigkeit des Schiedsgerichts fielen. In der Revisionsbegründung wird die Schiedseinrede ebenfalls erhoben.
18
III. Das Berufungsurteil war demnach aufzuheben, soweit zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Schiedsklausel ist wirksam und erfasst den Gegenstand des Rechtsstreits sowohl in sachlicher wie auch persönlicher Hinsicht. Da weitere Feststellungen nicht zu treffensind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst entschieden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Klage insgesamt abgewiesen.
Drescher Wöstmann Sunder Bernau B. Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 16.11.2016 - 7 O 116/12 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 30.08.2017 - 1 U 153/16 -
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

(1) Wird vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt,
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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

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(1) Wird vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist.

(2) Bei Gericht kann bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden.

(3) Ist ein Verfahren im Sinne des Absatzes 1 oder 2 anhängig, kann ein schiedsrichterliches Verfahren gleichwohl eingeleitet oder fortgesetzt werden und ein Schiedsspruch ergehen.

(1) Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, dass die Parteien ihre Anträge stellen.

(2) Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; sie haben das Streitverhältnis in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen.

(3) Eine Bezugnahme auf Dokumente ist zulässig, soweit keine der Parteien widerspricht und das Gericht sie für angemessen hält. Die Vorlesung von Dokumenten findet nur insoweit statt, als es auf ihren wörtlichen Inhalt ankommt.

(4) In Anwaltsprozessen ist neben dem Anwalt auch der Partei selbst auf Antrag das Wort zu gestatten.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.