Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juli 2001 - II ZR 264/99
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist Verwalter in dem am 5. November 1996 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der L. B. GmbH (L.B. GmbH). Deren Alleingesellschafterin ist die Beklagte. Diese verkaufte am 7. September 1992 ihrer Tochtergesellschaft ein ihr bereits eine Woche zuvor zur Nutzung überlassenes Grundstück in L. ; der Kaufpreis wurde gestundet und sollte in zehn gleichen Jahresraten von 51.780,-- DM beglichen werden. Bezahlt hat die spätere Gesamtvollstreckungsschuldnerin allerdings nur die beiden ersten Raten.Am 19. Juni 1996 beschloß die Gesellschafterversammlung der L.B. GmbH, Gesamtvollstreckungsantrag zu stellen. Mit an den Geschäftsführer M. der Beklagten gerichteten Schreiben vom folgenden Tage bestätigten die Geschäftsführer M. und S. der L.B. GmbH, mit dem Rücktritt der Beklagten vom Kaufvertrag einverstanden zu sein, da "aufgrund der gegenwärtigen Wirtschaftslage auch weiterhin keine Möglichkeit einer Tilgung der fälligen und rückständigen Raten sowie Zinsen" bestehe. Dementsprechend gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, daß der Grundstückskaufvertrag rückabzuwickeln ist. Der Kläger hat deswegen Rückzahlung der beiden Kaufpreisraten von insgesamt 103.560,-- DM verlangt, wogegen sich die Beklagte mit der Hauptaufrechnung mit ihr nach ihrer Ansicht zustehenden Nutzungsentschädigungsansprüchen (monatlich 6.680,-- DM) verteidigt hat. Der Kläger hat diese Aufrechnung deswegen für unberechtigt gehalten, weil die Gesamtvollstrekkungsschuldnerin , wie er mit Rücksicht auf die vielfältigen Kredithilfen der Beklagten näher dargelegt hat, sich seit langem in der Krise befunden und der Nutzungsentschädigungsanspruch deswegen der Durchsetzungssperre nach den Eigenkapitalersatzregeln unterlegen habe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, der die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. DessenAnnahme, die Beklagte habe mit dem Nutzungsentschädigungsanspruch wirksam gegen die unstreitig bestehende Rückzahlungsforderung des Klägers aufgerechnet , weil die Eigenkapitalersatzregeln unanwendbar seien, ist von Rechtsirrtum beeinflußt. Zugunsten des Klägers ist, nachdem das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus: folgerichtig - tatsächliche Feststellungen nicht getroffen, sondern lediglich unterstellt hat, daß die L.B. GmbH spätestens am 15. Mai 1996 in die in § 32 a Abs. 1 GmbHG beschriebene Krise geraten ist, auch für das Revisionsverfahren vom Eingreifen der Eigenkapitalersatzregeln zumindest ab diesem Zeitpunkt auszugehen. Als richtig zu unterstellen ist ferner, daß die Beklagte, deren Geschäftsführer M. z ugleich Geschäftsführer der späteren Gesamtvollstreckungsschuldnerin war, erst in dieser Situation den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat. Der durch den in der Krise erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag entstandene Nutzungsentschädigungsanspruch (§ 346 Satz 2 BGB) der Beklagten teilt das Schicksal des bis dahin gestundeten Kaufpreisanspruchs und ist wie dieser als eigenkapitalersetzende Gesellschafterhilfe zu qualifizieren. Der Kaufpreisanspruch ist, soweit die weiteren Jahresraten fällig geworden waren, durch Stehenlassen in der jedenfalls spätestens ab 15. Mai 1996 bestehenden Krise in funktionales Eigenkapital mit der Folge umqualifiziert worden, daß die Beklagte gehindert war, während der Dauer dieser Situation diese Raten selbst und darauf entfallende Verzugszinsen einzufordern. Das Festhalten an dem 1992 geschlossenen Kaufvertrag führte außerdem zur Erstreckung der Wirkung der Eigenkapitalersatzregeln auch auf die weiteren Kaufpreisraten. Hätte die Beklagte den Rücktritt vom Kaufvertrag nicht kurz vor dem Antrag auf Einleitung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gestellt, hätte sie ihren Kaufpreis-
anspruch in dem Insolvenzverfahren nur als nachrangige Gläubigerin verfolgen können, ohne für die unentgeltliche Überlassung des Grundstücks Ersatz fordern zu können. Könnte sie - wie das Berufungsgericht angenommen hat - diesen Konsequenzen ihres den "Todeskampf" (vgl. Lutter/Hommelhoff, GmbHG 15. Aufl. §§ 32 a, 32 b Rdn. 36) der L.B. GmbH verlängernden Verhaltens dadurch ausweichen, daß sie nach Eintritt der Krise, aber vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und dadurch einen nicht den Eigenkapitalersatzregeln unterstehenden Nutzungsentschädigungsanspruch erwirbt, würde der Zweck der von der Rechtsprechung entwickelten und der sog. Novellenregeln des Eigenkapitalersatzrechts verfehlt (arg. § 32 a Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Vielmehr muß sich die Beklagte an ihrem Verhalten festhalten lassen, der L.B. GmbH unentgeltlich und nach Eintritt der Krise das Grundstück auch ohne Bezahlung der fälligen Kaufpreisraten belassen zu haben. Damit das Berufungsgericht die danach gebotenen tatsächlichen Feststellungen zu dem streitigen Vortrag der Parteien treffen kann, ob und wann die L.B. GmbH in die Krise geraten und ob der Rücktritt vom Kaufvertrag vor oder nach diesem Zeitpunkt erklärt worden ist, ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß nach dem Vorbringen des Klägers einiges dafür spricht, daß diese Krise nicht erst überraschend am 15. Mai 1996 eingetreten ist, sondern daß sie mit Rücksicht auf die verschiedenen Hilfeleistungen der Beklagten an die L.B.
GmbH - neben der Stundung des Kaufpreises geht es um die Nichteinforderung des Mietzinses für ein zweites Grundstück und um die Gewährung von Darlehen - bereits viel länger bestanden hat; bei der Überschuldungsprüfung sind diese ggfs. als funktionales Eigenkapital einzustufenden Gesellschafterhilfen mangels qualifizierten Rangrücktritts zu passivieren (Sen.Urt. v. 8. Januar 2001 - II ZR 88/99, ZIP 2001, 235).
Röhricht Hesselberger Goette Kurzwelly Kraemer
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(1) Das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft darf an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden. Satz 1 gilt nicht bei Leistungen, die bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags (§ 291 des Aktiengesetzes) erfolgen oder durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt sind. Satz 1 ist zudem nicht anzuwenden auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens und Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.
(2) Eingezahlte Nachschüsse können, soweit sie nicht zur Deckung eines Verlustes am Stammkapital erforderlich sind, an die Gesellschafter zurückgezahlt werden. Die Zurückzahlung darf nicht vor Ablauf von drei Monaten erfolgen, nachdem der Rückzahlungsbeschluß nach § 12 bekanntgemacht ist. Im Fall des § 28 Abs. 2 ist die Zurückzahlung von Nachschüssen vor der Volleinzahlung des Stammkapitals unzulässig. Zurückgezahlte Nachschüsse gelten als nicht eingezogen.
(1) Zahlungen, welche den Vorschriften des § 30 zuwider geleistet sind, müssen der Gesellschaft erstattet werden.
(2) War der Empfänger in gutem Glauben, so kann die Erstattung nur insoweit verlangt werden, als sie zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist.
(3) Ist die Erstattung von dem Empfänger nicht zu erlangen, so haften für den zu erstattenden Betrag, soweit er zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, die übrigen Gesellschafter nach Verhältnis ihrer Geschäftsanteile. Beiträge, welche von einzelnen Gesellschaftern nicht zu erlangen sind, werden nach dem bezeichneten Verhältnis auf die übrigen verteilt.
(4) Zahlungen, welche auf Grund der vorstehenden Bestimmungen zu leisten sind, können den Verpflichteten nicht erlassen werden.
(5) Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren in den Fällen des Absatzes 1 in zehn Jahren sowie in den Fällen des Absatzes 3 in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird, geleistet ist. In den Fällen des Absatzes 1 findet § 19 Abs. 6 Satz 2 entsprechende Anwendung.
(6) Für die in den Fällen des Absatzes 3 geleistete Erstattung einer Zahlung sind den Gesellschaftern die Geschäftsführer, welchen in betreff der geleisteten Zahlung ein Verschulden zur Last fällt, solidarisch zum Ersatz verpflichtet. Die Bestimmungen in § 43 Abs. 1 und 4 finden entsprechende Anwendung.
Liegt die in § 31 Abs. 1 bezeichnete Voraussetzung nicht vor, so sind die Gesellschafter in keinem Fall verpflichtet, Beträge, welche sie in gutem Glauben als Gewinnanteile bezogen haben, zurückzuzahlen.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.